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Veröffentlicht am 09.08.2023

Fräulein Girardi

Die Bibliothekarin und der Tote im Park
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Wien in den 1920er-Jahren: Rita Girardi ist alleinstehend, blüht auf bei ihrer Arbeit in der Bibliothek der Geologischen Bundesanstalt, schreibt als Essayistin Rezensionen und kleine literarische Texte ...

Wien in den 1920er-Jahren: Rita Girardi ist alleinstehend, blüht auf bei ihrer Arbeit in der Bibliothek der Geologischen Bundesanstalt, schreibt als Essayistin Rezensionen und kleine literarische Texte für die Reichspost und singt auch noch engagiert in einem Chor. Kurz nachdem ihr Nachbar im nahen Arenbergpark tot aufgefunden wird, liegt eine weitere Leiche in der Nähe ihres Arbeitsplatzes. Rita ist fest entschlossen, dem leitenden Ermittler Julius Hechter mit ihren Beobachtungen zu helfen.

Ruhig und elegant in seinem Schreibstil lässt Autor Michael Ritter den dritten Wiener Gemeindebezirk aufleben, die 20er-Jahre des letzten Jahrhunderts wieder auferstehen. Heute noch existierende Gassen schlendert der Leser mit Rita entlang, in bekannten Kaffeehäusern wird ein kleiner Brauner bestellt, wer sich hier ein wenig auskennt, hat schnell das Grätzel, wie man in Wien zu einzelnen Bezirksteilen sagt, vor Augen. Sämtliche Figuren, die historisch belegten ebenso wie die fiktiven (siehe Anhang), sind bestens ausgearbeitet und charakterisiert. Rita steht für eine selbstbestimmte Frau, wie sie zur damaligen Zeit immer öfter anzutreffen war, modern und unabhängig. Ihrer Aufmerksamkeit entgehen nicht die Kritzeleien in einem Werk in der Bibliothek, mit ihrer weiblichen Intuition und ein wenig Fantasie glaubt die Bibliothekarin gar, einen Bezug zu den Mordfällen zu erkennen. Dass sie selbst in Gefahr geraten könnte aufgrund der Nähe der bisher verübten Gewalttaten, daran denkt sie nicht.

Die Handlung ist schlüssig aufgebaut, nach und nach lernt man die Personen kennen, deren Zahl gut überschaubar ist, die Kulisse rund um den Arenbergpark ist auch für Fremde gut vorstellbar geschildert. Allmählich, aber doch stetig, baut sich Spannung auf, am Ende gibt es Unerwartetes und Überraschendes, denn das Motiv ist wahrlich ungewöhnlich.

Hinter dem wunderschönen Titelbild verbirgt sich ein Wien-Krimi aus den 1920ern, der Michael Ritter ausgesprochen gut gelungen ist, ich kann ihn nur wärmstens weiterempfehlen!


Titel Die Bibliothekarin und der Tote im Park
Autor Michael Ritter
ASIN B0C3R6LXB7
Sprache Deutsch
Ausgabe ebook, ebenfalls erhältlich als Taschenbuch (256 Seiten)
Erscheinungsdatum 9. August 2023
Verlag Gmeiner

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.08.2023

Oskar Stern in Perg

Mühlviertler Todesspur
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Chefinspektor Oskar Stern wird nach Perg gerufen: in der Ratgöbluckn liegt eine tote junge Frau, umgeben von zahllosen Teelichtern. Ein Unfall, ein Mord? Motiv und Täter könnten im privaten Umfeld der ...

Chefinspektor Oskar Stern wird nach Perg gerufen: in der Ratgöbluckn liegt eine tote junge Frau, umgeben von zahllosen Teelichtern. Ein Unfall, ein Mord? Motiv und Täter könnten im privaten Umfeld der Leiche zu finden sein, allerdings nur, bis ein weiteres Opfer auftaucht ohne ähnliche Verbindungen. Stern und seine Kollegin Mara Grünbrecht geraten gehörig unter Druck, fühlt sich doch nun in der kleinen oberösterreichischen Gemeinde kaum noch wer sicher, wenn die Polizei den Täter nicht schleunigst zu fassen bekommt.

Unter sehr amüsanten Umständen bekommt der Leser, der die Krimiserie rund um Oskar Stern noch nicht kennt, die Hauptfiguren des Kommissariats präsentiert. Schnell geht es weiter an den Fundort einer Leiche, wo auch schon über mögliche Schuldige spekuliert wird. Ernsthaft und strukturiert geht man vor, um die Ermittlungen voranzutreiben, aber so manches Hindernis stellt sich den Polizisten in den Weg. So gibt es im Laufe der Zeit einige Verdächtige und etliche Spuren, aber noch lange keinen Mörder.

Eva Reichl schreibt flüssig und mit Humor, besonders der Umgang der Kollegen untereinander, neckend, aber keineswegs boshaft gemeint, lockert die Stimmung passend auf. Die Aufklärung der Mordserie verläuft logisch, wenn auch stockend. Ein wenig Privates zwischendurch rundet das Bild lebendiger Figuren entsprechend ab, sodass sie stets authentisch und glaubhaft in Szene gesetzt werden.

Da dieser Fall in sich abgeschlossen ist, hat der Leser keine Probleme, erst hier, beim sechsten Fall für Chefermittler Oskar Stern, einzusteigen. Die Neugierde, wie alles begonnen hat und wie sich die Figuren entwickelt haben, ist jedoch geweckt. Ich werde mir die vorherigen Bände bestimmt ansehen.


Titel Mühlviertler Todesspur
Autor Eva Reichl
ASIN B0C3R4VYV8
Sprache Deutsch
Ausgabe ebook, ebenfalls erhältlich als Taschenbuch (312 Seiten)
Erscheinungsdatum 9. August 2023
Verlag Gmeiner
Reihe Chefinspektor Oskar Stern

Veröffentlicht am 07.08.2023

Gejagt

Projekt 22
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Alice wird von ihren Eltern immer wieder in eine Klinik gebracht, untersucht und auch sonst von anderen Kindern abgeschirmt, damit sie nicht erkrankt. Inzwischen erwachsen, weiß sie, dass sie dort – besonders ...

Alice wird von ihren Eltern immer wieder in eine Klinik gebracht, untersucht und auch sonst von anderen Kindern abgeschirmt, damit sie nicht erkrankt. Inzwischen erwachsen, weiß sie, dass sie dort – besonders in einer Zweigstelle, der Anstalt – nichts Gutes erwarten kann und flieht. In Hamburg trifft sie auf ein Geschwisterpaar, das Hilfe anbietet, aber kann sie diesen beiden trauen?
Die Hetzjagd beginnt aufregend und spannend, schließlich weiß man zu Beginn ja noch nicht, wovor die junge Frau flieht und was in dieser ominösen Klinik passiert. Aber auch mit den Geschwistern Frauke und Simon ist die Jagd auf Alice noch lange nicht zu Ende. Kaum entspinnt sich eine informative Handlung, muss wieder jemand Reißaus nehmen, als Leser hat man bald das Gefühl, dass alles in einer Wiederholungsschleife feststeckt und sich immer wieder Jäger und Gejagte auf der Bildfläche abzeichnen. Auch wenn Alice und andere wesentliche Figuren glaubwürdig dargestellt werden, so kann man aufgrund ständiger Fluchtszenen kaum eine Verbindung zu ihnen aufbauen.

Das Thema selbst, welches sich hinter Projekt 22 verbirgt, Krankheit, Forschung, Gentherapie, ist durchaus interessant, die Überlegungen, welche dazu ins Buch einfließen, sind hoffnungsvoll und beängstigend zugleich – gut vorstellbar, dass etwas Ähnliches tatsächlich passiert. Die Wendungen und Überraschungen, die ins Geschehen eingearbeitet sind, sorgen ebenso für Abwechslung, insgesamt mangelt es aber – abgesehen von einigen Kampfszenen – an Spannung.

Leider konnte mich dieser Thriller nicht begeistern, andere Stimmen zeugen jedoch genau vom Gegenteil. Es schadet also nicht, sich selbst eine Meinung zu bilden.


Titel Projekt 22
Autor Alexa Linell
ASIN B0BHTNVJY7
Sprache Deutsch
Ausgabe ebook, ebenfalls erhältlich als Taschenbuch (336 Seiten) und Hörbuch
Erscheinungsdatum 25. Juli 2023
Verlag HarperCollins

Veröffentlicht am 07.08.2023

Klimarettungsappell statt Medizinthriller

Toxin
7

Gereon Kirchner forscht in Berlin am Milzbranderreger, um hochwirksame Medikamente gegen Krebs herzustellen. Als er eine Reise nach Alaska unternimmt, wo Karibus im Permafrost das entsprechende Bakterium ...

Gereon Kirchner forscht in Berlin am Milzbranderreger, um hochwirksame Medikamente gegen Krebs herzustellen. Als er eine Reise nach Alaska unternimmt, wo Karibus im Permafrost das entsprechende Bakterium in sich tragen, ereignet sich in einem Eistunnel ein Unglück und Gereon verschwindet von der Forschungsstation. Seine Bekannte, Wissenschaftsjournalistin Nina Falkenberg, setzt alle Hebel in Bewegung, dass Kirchner gefunden wird und schickt Tom Morell auf die Suche, denn in Berlin gibt es inzwischen Gerüchte, die Gereon mit dem Tod von zwei Obdachlosen in Verbindung bringen.

Dramatische Szenen in Alaska fesseln den Leser schon im Prolog, spannend geht es auch auf den folgenden Seiten weiter, man lernt unterschiedliche Figuren kennen und Wissenswertes über Permafrostböden, Viren und Bakterien und vor allem, wie man diese auf ganz gegensätzliche Weise als Medizin oder als Waffe einsetzen kann. Aber dann, dann wird es schulmeisterlich: mit erhobenem Zeigefinger erklären uns die beiden Autorinnen den Klimawandel, schreiben über Rassismus, soziale Ungerechtigkeit und Verschwörungstheorien, selbst das Gendersternchen findet in einer Passage Eingang ins Geschehen. Schnell beschleicht einen das Gefühl, es geht gar nicht so sehr um einen aufregenden Thriller rund um Anthrax, sondern darum, die Menschen zu belehren. Auch wenn es irgendwann wieder mehr in Richtung der eigentlichen Handlung geht, so bleibt dieser unterschwellige mahnende Ton doch weiterhin vorhanden, nimmt gegen Ende des Buches sogar wieder zu.

Der Schreibstil von Lange und Thiele liest sich angenehm und flüssig, die Figuren sind plastisch und könnten uns durchaus genau so im echten Leben begegnen. Die Szenen wechseln häufig, sodass man neugierig wird, wie sich ein offener Handlungsstrang weiterentwickelt und welche Motivation jede einzelne Person antreibt. Auch die gründlichen Recherchen sind detailliert eingearbeitet und gut verständlich, selbst für Laien auf dem Gebiet der Medizinforschung. Der im Klappentext erwähnte Machtkampf zwischen Tom, Nina und einem unbekannten Gegner fällt jedoch vielen Ergüssen zu gesellschaftspolitischen Themen zum Opfer, als Leser wird man gleichsam überrumpelt von persönlichen Botschaften, welche wie ein Trojanisches Pferd in diesen Medizinthriller verpackt sind.

Die Kurzinformation zum Buch hat anderes erwarten lassen, ich bin vom Ergebnis nicht wirklich überzeugt.

Titel Toxin
Autor Kathrin Lange, Susanne Thiele
ASIN B0BL7MXBSY
Sprache Deutsch
Ausgabe ebook, ebenfalls erhältlich als Taschenbuch (464 Seiten)
Erscheinungsdatum 28. Juli 2023
Verlag Lübbe

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Spannung
Veröffentlicht am 05.08.2023

Angriff auf die Lachmuskeln samt ernsthaftem Hintergrund

Alles muss man selber machen
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Nele, die als Kosmetikerin gerne mit ihrem Köfferchen in ihre alte Rostlaube namens Bobo steigt und zu ihren Kundinnen fährt, um sie zu verwöhnen, bekommt schon seit längerem keine Alimente mehr für die ...

Nele, die als Kosmetikerin gerne mit ihrem Köfferchen in ihre alte Rostlaube namens Bobo steigt und zu ihren Kundinnen fährt, um sie zu verwöhnen, bekommt schon seit längerem keine Alimente mehr für die beiden Kinder, einige Damen sagen ihre regelmäßigen Termine ab, die allgemeine Teuerung tut ihr Übriges. Auch zwei lieben Freundinnen geht es finanziell schlechter, sodass das Trio sehr originelle, teils realistische, teils abenteuerliche Ideen sammelt, wie man denn das karge Budget rasch aufbessern kann. Während Nele den sympathischen Polizisten Nick kennenlernt, verstricken sich die drei Freundinnen immer mehr in seltsame, (fast) kriminelle Vorfälle.

Humorvoll geht es zu in diesem Buch, Ellen Bergs Schreibstil voller Wortwitz garantiert erfrischende Szenen, die einen immer wieder zum Lachen bringen: „Was sagt der Hase zum Schneemann? Na? Möhre her, oder ich föhn dich.“ (kindle Pos. 985); „Brettspiel für eine Person: bügeln.“ (kindle, Pos. 319). Nele, Fiona und Hermine bilden ein herzliches Trio, das man sehr gerne begleitet und deren schräge Vorhaben man durchaus auch einmal bewundern kann - nicht immer realistisch, dafür umso besser, um als Leser dem Alltag entfliehen zu können. Wieviel Klugheit, Freundschaft und Liebe zur Familie hinter all dem steckt, merkt man über die Kapitel hin immer mehr. Alles hat auch ein gewisses Maß an ernsthaftem Hintergrund, ohne jemals schulmeisterlich zu werden.

Wie schön, dass dieses Buch zu mir gefunden hat. Wer hier keinen Spaß hat, geht wohl in den Keller lachen.


Titel Alles muss man selber machen
Autor Ellen Berg
ASIN B0BMM7P427
Sprache Deutsch
Ausgabe ebook, ebenfalls erhältlich als Taschenbuch (382 Seiten) und Hörbuch
Erscheinungsdatum 18. Juli 2023
Verlag Aufbau