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Veröffentlicht am 08.08.2024

LKA Hamburg

Das Dickicht
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Juha Korhonen, ein Urgestein im LKA Hamburg, hat seit Kurzem einen neuen Partner, Lucas „Lux“ Adisa. Dass die zwei trotz ihrer Gegensätze perfekt zusammen arbeiten, zeigt dieser Fall einer Kindesentführung, ...

Juha Korhonen, ein Urgestein im LKA Hamburg, hat seit Kurzem einen neuen Partner, Lucas „Lux“ Adisa. Dass die zwei trotz ihrer Gegensätze perfekt zusammen arbeiten, zeigt dieser Fall einer Kindesentführung, welche Parallelen zu einem fast zwanzig Jahre zurückliegenden Verbrechen aufweist.

Spannend beginnt der Krimi und holt den Leser mit einem flotten Schreibstil ab. Wer meint, es gibt schon alle Facetten an Ermittlern und neue Serien von Kriminalromanen wären ein Abklatsch dessen, der irrt. Juha und Lux sind ein phantastisches Ermittlerduo, ihre Art und Weise, an eine neue Aufgabe heranzugehen, ist authentisch und nachvollziehbar, lediglich Juhas Auftritt am Ende der Handlung ist fragwürdig. Dafür lässt er sich aber auch gleich beurlauben und setzt damit schon einen Schritt in Richtung Fortsetzung.

Abwechselnde Kapitel aus den Sichtweisen von Juha und Lux werden ergänzt durch vereinzelte andere Blickwinkel und Schwenks in die Vergangenheit, logische, aber falsche Fährten lenken geschickt vom wahren Vergehen ab, sodass die Handlung durchwegs spannend verläuft. Ein paar private Details zum neuen Gespann werden passend, aber nicht aufdringlich eingestreut.

Kurzum: ein gelungener Serienstart mit einem interessanten Ermittlungsfall und zwei hellen Kriminalisten, von denen ich gerne mehr lesen möchte. Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 05.08.2024

Dorfstrukturen

Im Unterholz
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Vera Bergström, freischaffende Journalistin und Begleitlehrerin, soll für ihren ehemaligen Zeitungschef die Hintergründe an einem aktuellen Mordfall recherchieren. In den weiten Wäldern Järpens hat man ...

Vera Bergström, freischaffende Journalistin und Begleitlehrerin, soll für ihren ehemaligen Zeitungschef die Hintergründe an einem aktuellen Mordfall recherchieren. In den weiten Wäldern Järpens hat man die Leiche einer übel zugerichteten Frau aufgefunden. Während die Polizei im Dunklen tappt, erfährt Vera immer mehr über die komplizierten Verstrickungen in den kleinen Dörfern, wo jeder jeden kennt, aber niemand so recht reden will.

Extrem ruhig verläuft dieser bemerkenswerte Kriminalroman, der sich wohltuend aus der Masse abhebt. Vera Bergström ist keine schillernde Figur, die man um irgendetwas beneidet, ihr Alter erfährt man aufgrund einer Schmierblutung, welche schon ausbleiben könnte, ihre triste Stimmung passt irgendwie zur mystischen Landschaft und den verschlossenen Dörfern, aus deren Bewohnern man nur schwer Antworten herausbekommt. Trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, entpuppt sich dieses Buch als spannende Darstellung von Land und Leuten. Spannend weniger im Sinne von aufregend, als vielmehr im Sinne von detaillierter und überzeugender Abbildung realer Gegebenheiten, welche das Geschehen so interessant werden lassen. Während die Polizei nur am Rande vorkommt, liegt das Nachforschen und Recherchieren bei der Journalistin, deren eigene Vergangenheit nach und nach aufgerollt wird, gleichzeitig aber niemanden zu nahe heranlässt. Scheinbar unnötige Details fügen sich perfekt ins Ganze, legen unter Umständen eine Grundlage für weitere Bände rund um Vera Bergström.

Sara Strömbergs Schreibstil ist nichts, um schnell darüber hinwegzulesen, gerade ihre sorgfältige Betrachtungsweise sticht positiv heraus. Eingebettet in den Handlungsverlauf ist eine zweite Geschichte, welche anfangs eher nichtssagend ist, im Laufe der Kapitel allerdings zur Aufklärung von Ursachen und Auslösern beiträgt. Die Kriminalhandlung steht zwar nicht permanent im Vordergrund, das Zusammenspiel aller Puzzlestücke ist jedoch sehr gut gelungen.

Ich bin recht positiv überrascht von diesem Krimi, der wohltuend „anders“ ist und freue mich auf die Übersetzung weiterer Bücher dieser Serie.

Veröffentlicht am 01.08.2024

Zwischen zwei Familien

Und dahinter das Meer
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Als es im Zweiten Weltkrieg auch in London vermehrt zu Luftangriffen und Bombenalarm kommt, entschließen sich Millie und Reginald Thompson dazu, ihre elfjährige Tochter Beatrix zu einer Gastfamilie nach ...

Als es im Zweiten Weltkrieg auch in London vermehrt zu Luftangriffen und Bombenalarm kommt, entschließen sich Millie und Reginald Thompson dazu, ihre elfjährige Tochter Beatrix zu einer Gastfamilie nach Amerika zu schicken, wo sie eine Kindheit in Sicherheit erleben kann. Erst mit dem Gefühl, wie ein Paket abgeschoben zu werden, später mit einer gewissen Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit im Schoße der neuen Familie aufgenommen zu sein, wächst Beatrix mit ihren neuen Brüdern William und Gerald auf. Fünf Jahre von Verdrängen und Vergessen lassen den Abschied Richtung Heimat am Ende des Kriegs nicht einfach werden.

Mit einem Rückblick Beas auf ihre Zeit bei der Gastfamilie, auf die unvergleichlichen Sommer auf einer privaten Insel, wo man den Krieg tatsächlich hat hinter sich lassen können, beginnt dieser wunderbare Roman und zieht ob seiner bildhaften Beschreibungen den Leser sofort in seinen Bann. Eher sachlich im Schreibstil, aber doch sehr liebevoll und mit viel Gefühl zwischen den Zeilen erzählt Laura Spence-Ash diese Geschichte rund um ein Mädchen, das in und gleichzeitig zwischen zwei Familien aufwächst. Die Blickwinkel unterschiedlichster Figuren geben einen umfassenden Eindruck über das Geschehen während des Kriegs und der vielen Jahre danach. Die Zeitsprünge sind gut gewählt und lassen nichts vermissen. Sämtliche Personen sind sorgfältig charakterisiert, nicht nur US-Mama Nancy mit ihren Backwerken und London-Mutter Millie, die ihre Tochter mehr liebt, als sie zu zeigen vermag, hat man sofort recht lebendig vor Augen, auch die Augenblicke unbeschwerter Kindheit schildert Spence-Ash sehr eindrücklich.

Das Leben besteht nicht nur aus Glück – „Die Gegenwart war unter dem Gewicht der Vergangenheit verschwunden.“ (kindle, Pos. 2476), aber auch nicht nur aus Bitterkeit. Ich kann dieses Buch über die unterschiedlichsten Wege der Protagonisten, insbesondere Beas Pfad dies- und jenseits des Meeres, nur wärmstens weiterempfehlen und verdiente fünf Sterne vergeben!

Veröffentlicht am 01.08.2024

Familientragödie

Glutmoor (Janosch Janssen ermittelt 2)
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Als Carina frühmorgens von ihrer Schicht im Krankenhaus zurückkommt, ist das Elternhaus auffällig still – Mutter, Vater, Bruder und Neffe sind mit Kopfschüssen hingerichtet worden. Kriminalhauptkommissar ...

Als Carina frühmorgens von ihrer Schicht im Krankenhaus zurückkommt, ist das Elternhaus auffällig still – Mutter, Vater, Bruder und Neffe sind mit Kopfschüssen hingerichtet worden. Kriminalhauptkommissar Janosch Janssen und Kriminaloberrätin Diana Quester bietet sich ein schrecklicher Anblick. Hat diese Familientragödie etwas zu tun mit der nahegelegenen Gedenkstätte für Grenztote, welche letzte Nacht besudelt worden ist? Grimmbach mit seinem Moor ist zum zweiten Male Schauplatz aufregender Ermittlungen.

Spannend und abwechslungsreich gestaltet sich dieser zweite Band rund um Janosch und Diana. Alte Vorfälle aus der DDR und eine Gruppe Rechtsradikaler könnten mit dem Familienmassaker zu tun haben, kaum jedoch folgen die Polizisten einer Spur, nimmt der Fall wieder völlig neue Abbiegungen. Auch diesmal wieder gelingt es Lars Engels, fesselnde Ermittlungen mit allerlei Privatem zu verquicken und den Leser bestens zu unterhalten. Ein schöner Schreibstil mit allerlei Bildhaftem zur Kulisse der typischen Rhöner Landschaft, einem Mosaik aus Streuobstwiesen, Äckern, Wäldern, Wiesen und Sümpfen, rundet die kriminalistische Handlung wunderbar ab, sodass es eine Freude ist, an den schwierigen Nachforschungen teilzuhaben.

Auch Band Zwei der Janosch Janssen – Reihe hat mir sehr gut gefallen, das Ende lässt uns nun warten auf weitere Episoden mit dem beiden charismatischen Hauptfiguren.

Veröffentlicht am 30.07.2024

Der Lehrer

Schatten über Salzburg
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Wir schreiben das Jahr 1993, Neonazis siedeln sich in einem leerstehenden Gutshof nahe Salzburg an. Nun beherrschen Glatzköpfe in Militärkleidung das Gelände, suchen willige Schüler vom nahen Gymnasium, ...

Wir schreiben das Jahr 1993, Neonazis siedeln sich in einem leerstehenden Gutshof nahe Salzburg an. Nun beherrschen Glatzköpfe in Militärkleidung das Gelände, suchen willige Schüler vom nahen Gymnasium, um die radikale Gruppe zu vergrößern. Einer der beunruhigten Anrainer ist der Lehrer Harald Schauer, sooft er aber intervenieren möchte gegen das nationalsozialistische Treiben, wird er von Polizei und Politik zurückgepfiffen mit den Worten: „Mischen Sie sich da nicht ein!“ Eine spannende Geschichte aufgrund wahrer Begebenheiten nimmt ihren Lauf …

Im Mittelpunkt dieses aufwühlenden und erschütternden Romans steht Lehrer Harald Schauer, Ende Dreißig, verheiratet, eine Tochter, die die erste Klasse im Gymnasium besucht. Sein Leben bietet keine besonderen Höhen und Tiefen, plätschert so dahin, geprägt von Deutschaufsätzen, Deutschaufsätzen, Deutschaufsätzen. Dies ändert sich drastisch mit den neuen „Bewohnern“ des Petersbrunnhofs, nicht nur Schauer sind die aggressiven jungen Menschen, vorwiegend Burschen, ein Dorn im Auge, aber niemand unternimmt etwas. Die Situation erinnert frappant an das Stück „Biedermann und die Brandstifter“, was natürlich insbesondere dem Lehrer für Deutsch und Geschichte auffällt.

Der Blick des Lehrers auf seine Umgebung, seine Schüler, Kollegen, Freunde und Nachbarn ist großartig. Humorvoll und gespickt mit Wortwitz sieht der Leser das Geschehen durch seine Augen, bildreiche Beschreibungen und gekonnte Vergleiche lassen jede einzelne Szene extrem realistisch werden. Etliche Lebenswege werden rückblickend betrachtet und fügen sich im Laufe der Zeit zu einem logischen Ganzen, das von vernachlässigten Kindern ebenso erzählt wie vom Jugoslawienkrieg 1992, von korrupten politischen Systemen, welche sich bis in den Schulalltag hineinziehen ebenso wie von realen Neonazigruppierungen. Blaikners Schreibstil passt hervorragend zur Handlung, zeigt auf sachliche Art und Weise große Problemfelder auf und steckt gleichzeitig voller Ironie, sodass das Lesen zum wahren Vergnügen wird.

Ein großartiges Buch mit historisch belegten Hintergründen – bestens zu einem überaus lesenswerten Roman verarbeitet. Ich empfehle „Schatten über Salzburg“ auf jeden Fall gerne weiter!

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