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Veröffentlicht am 08.10.2023

Lori und Erin

The Castaways
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Die Schwestern Lori und Erin wollen einen gemeinsamen Urlaub auf einer der Fidschiinseln verbringen. Allerdings befindet sich nur Lori auf dem Flug FJ209, der nie am Ziel ankommen soll. Einmal vom Radar ...

Die Schwestern Lori und Erin wollen einen gemeinsamen Urlaub auf einer der Fidschiinseln verbringen. Allerdings befindet sich nur Lori auf dem Flug FJ209, der nie am Ziel ankommen soll. Einmal vom Radar verschwunden, findet man keine abgestürzte Maschine, keine Wrackteile, weder Überlebende noch Tote. Erin, die als Journalistin arbeitet, kann mit dem schrecklichen Unglück nicht abschließen und sammelt sämtliche Zeitungsmeldungen und pinnt Bilder an die Wand von Loris Zimmer in der gemeinsamen Londoner Wohnung. Zwei Jahre nach dem rätselhaften Verschwinden des kleinen Flugzeugs gibt es sensationelle Schlagzeilen und in Erin keimt erneut Hoffnung auf.

Abwechselnd erzählen Erin (Damals, vor zwei Jahren) und Lori (Jetzt) ihre jeweilige Sicht der spannenden und undurchschaubaren Geschichte. Beide Handlungsstränge fesseln den Leser vom ersten Augenblick an und lassen ihn bis zur letzten Seite nicht mehr los. Lucy Clarkes Schreibstil ist auch diesmal wieder flott und einnehmend, sodass man das Buch kaum loslassen kann. Bildhaft und lebendig präsentiert die Autorin die Szenen, man hört förmlich die Geräusche des Dschungels, die summenden Insekten, die rauschenden Bäume, man fühlt die dampfenden Büsche, das klebrige Gewirr des Spinnennetzes und die dichte Luft, welche sich wie der Geschmack von Torf und faulem Laub auf die Zunge legt. (siehe kindle, Pos.1601). Sofort ist man selbst gefangen in der phantastischen Handlung, bei der niemand weiß, wohin sie führen wird. Der Leser befindet sich mit Lori auf einer unbewohnten Insel und begibt sich gleichzeitig – bzw. zwei Jahre später – mit Erin auf die Spurensuche. Auch dem Leser erschließen sich die Zusammenhänge erst in kleinen Schritten, sodass trotz der vorherrschenden Ruhe im Erzählstil die Spannung hoch gehalten wird. Raffiniert komponiert Clarke eine unvorhersehbare Handlung und hält ihre Leser bis zum Ende in Atem.

Bereits zum zweiten Mal bin ich gefesselt von Lucy Clarkes brillant in Worte gefasste Atmosphäre und empfehle dieses Buch sehr gerne weiter.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 07.10.2023

Ich bin zufrieden

Aenne und ihre Brüder
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Die wahre Geschichte seiner Mutter Aenne schreibt Reinhold Beckmann in diesem Buch nieder. Beginnend mit ihrer Geburt im Jahre 1921, einer Kindheit, geprägt vom Verlust der Mutter und später auch des Vaters, ...

Die wahre Geschichte seiner Mutter Aenne schreibt Reinhold Beckmann in diesem Buch nieder. Beginnend mit ihrer Geburt im Jahre 1921, einer Kindheit, geprägt vom Verlust der Mutter und später auch des Vaters, erstreckt sich die Erzählung über Propaganda, Krieg und Start in ein neues Leben. Sachliche und gleichzeitig berührende Worte findet Beckmann, während er seinen Onkeln Jahrzehnte später über deren Feldpost begegnet, die Aenne sorgsam bis über ihren Tod hinaus aufbewahrt hat.

Ein sehr katholisches Dorf ist Wellingholzhausen, die Menschen gottesfürchtig und obrigkeitshörig. Hier wird Anna Maria Haber, genannt Aenne, geboren als Tochter des Schustermeisters Mathias und seiner Frau Elisabeth. Anschaulich schildert Beckmann das Leben nach dem Ersten Weltkrieg, schwierig, aber trotzdem hoffnungsvoll. Dass das Schicksal eine schwere Bürde für seine Mutter Aenne bereithält, hat zu diesem Zeitpunkt noch niemand wissen können. Anders als viele Menschen nach dem Zweiten Weltkrieg hält Aenne die vergangene Zeit lebendig mit Erzählungen und Erinnerungen an ihre Eltern, ihre Stiefeltern und ihre Brüder, die alle vier ihr „Leben für das Vaterland gelassen haben“. Sie ist nicht in Verbitterung erstarrt, sondern hat stets nach vorne geblickt.

Abwechselnd schildert der Autor das Leben seiner Großeltern und deren Kinder am Land, fügt sachliche zeitgeschichtliche Informationen ein und verbindet später Aennes Biografie mit den Briefen ihrer Brüder vom Feld. So entsteht eine überaus interessante Mischung aus historischen Fakten und ganz persönlichem Schicksal, welche dieses bewegende Buch so lesenswert werden lässt. Ein wunderbares Portrait, welches Beckmann hier zeichnet und ein berührendes Andenken an seine Onkel, die er nie kennenlernen durfte. Wie hat das alles passieren können, warum hat keiner etwas dagegen unternommen – auch diese Fragen werden in einem ganz persönlichen Kapitel beleuchtet von einem jungen Reinhold Beckmann, der selbst in den 1970er-Jahren nur schwer verstehen kann, was seine Großeltern und Eltern nicht verhindert haben. Die Aufarbeitung ist verständlich und nachvollziehbar gelungen, ein Rückblick ohne Vorwürfe und Anschuldigungen findet Raum in diesem sehr persönlichen Werk. Aennes Antwort: „Ich bin zufrieden“, auf die Frage, wie es ihr gehe, ist ein hoffnungsvoller Satz, dem es nichts mehr hinzuzufügen gibt.

Sachlich und individuell zugleich ist diese Biografie, die Erinnerung an eine bemerkenswerte Frau, welche – ebenso wie viele andere – nicht in Vergessenheit geraten darf. Dafür kann es nur eine klare Leseempfehlung geben!

Veröffentlicht am 06.10.2023

Zehn kleine Kriegerlein

Und dann gab's keines mehr
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Zehn Personen werden auf eine kleine Insel vor der Küste Devons geladen, der Gastgeber ist leider verhindert und lässt die Leute allein. Als alle beim Abendessen zusammensitzen, erschallt eine höchst besorgniserregende ...

Zehn Personen werden auf eine kleine Insel vor der Küste Devons geladen, der Gastgeber ist leider verhindert und lässt die Leute allein. Als alle beim Abendessen zusammensitzen, erschallt eine höchst besorgniserregende Botschaft aus dem Grammophon – einer nach dem anderen soll sterben…

Gemächlich beginnt der Krimi mit der Vorstellung der zehn Personen, welche sich alsbald auf der Insel einfinden sollen. Sie sind mehr als verschieden, warum genau sie eingeladen worden sind, bleibt vorerst ein Rätsel. Die Spannung steigert sich von Stunde zu Stunde, die man den kleinen Kreis an Gästen begleitet. Raffiniert und fesselnd im Schreibstil beleuchtet Agatha Christie die einzelnen Szenen, sodass man als Leser tatsächlich nur staunen kann, wie alles vor sich geht. Wer hat das nötige Wissen, wer hat das passende Motiv? Flott geht die Handlung voran, die Auflösung ist dann doch ein wenig konstruiert und lässt ein klein wenig Zweifel aufkommen, ob das tatsächlich so funktionieren kann.

Nichtsdestotrotz ist diese wunderschöne Neuauflage mit dem „Geschlossener Raum“-Thema absolut lesenswert. Die Autorin besticht durch ihre klare, schnörkellose Sprache und sorgfältig gezeichnete Figuren. Ich empfehle diesen meistverkauften Krimi Agatha Christies jedenfalls gerne weiter.

Veröffentlicht am 04.10.2023

Weihnachtsüberraschungen

Stille Nacht im Schnee
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In einem Schweizer Chalet am Rande von Ernen erwarten Elisabeth und Pascal ihre Kinder und Enkelkinder zum diesjährigen Weihnachtsfest. Idyllisch fällt der Schnee in dichten Flocken, Zeit, um sich gemütlich ...

In einem Schweizer Chalet am Rande von Ernen erwarten Elisabeth und Pascal ihre Kinder und Enkelkinder zum diesjährigen Weihnachtsfest. Idyllisch fällt der Schnee in dichten Flocken, Zeit, um sich gemütlich an den Tisch zu setzen und das duftende Käsefondue zu genießen. Aber nicht nur Lactoseintoleranz, ein dicker Hamster und eine zu spät kommende Tochter trüben die festliche Stimmung – bis die wahre Überraschung bekannt gegeben wird.

Mit seinem unvergleichlichen Schreibstil und seiner treffsicheren Beschreibung der Menschen punktet Alexander Oetker auch diesmal wieder und unterhält seine Leser aufs Vortrefflichste. Die weihnachtliche Stimmung in den Alpen ist bestens eingefangen, die Laune der einzelnen Familienmitglieder ebenfalls. Da verschanzt sich der älteste Sohn stundenlang hinter einer Zeitung, jammert die Schwiegertochter über Migräne und Käse, den sie nicht essen kann. Der jüngere Sohn kommt nur mit Kindern, aber ohne Frau, den Grund dafür mag er nicht so recht preisgeben. Und dann gibt es da noch die Tochter mit ihrem eher unsteten Lebenswandel und einem Ungetüm von Hund, ach ja, einen neuen Freund mit dunkler Haut bringt sie auch noch mit. Perfekt bringt der Autor die Probleme auf den Punkt, welche sich bei Familienfesten oft an die Oberfläche kämpfen. Gerade wenn es am friedlichsten sein soll, drängen sich unterdrückte Gefühle in den Vordergrund, kommen einem Vorwürfe über die Lippen. Turbulent, humorvoll und erfrischend erzählt Oetker vom schönsten Fest im Jahr, lässt seinen Blick über menschliche Schwächen gleiten, ohne die Liebe und das Verständnis für den anderen jemals aus den Augen zu verlieren. Raffiniert kommt es am Ende der knappen, aber überaus gelungenen Geschichte zu einer überraschenden Szene, die das eigentliche Wesen der Weihnacht widerspiegelt.

Wer meisterliche Beobachtungen schätzt und feinsinnigen Humor, der ist bei Alexander Oetker genau an der richtigen Stelle. Mittwochs am Meer, Sonntags am Strand und nun Stille Nacht im Schnee – ich kann alle drei Büchlein von Herzen empfehlen.

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Veröffentlicht am 03.10.2023

Die Privatdetektivin

Glutspur
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Liv Jensen arbeitet vorübergehend als Privatdetektivin in Kopenhagen und sucht für ihren Polizeikollegen Petter nach Anhaltspunkten zu einem drei Jahre alten Mordfall, der ungeklärt zu den Akten gelegt ...

Liv Jensen arbeitet vorübergehend als Privatdetektivin in Kopenhagen und sucht für ihren Polizeikollegen Petter nach Anhaltspunkten zu einem drei Jahre alten Mordfall, der ungeklärt zu den Akten gelegt werden soll. Verwirrende Ermittlungen in Norwegen nehmen ihren Lauf.

Ein angenehmer Schreibstil begleitet den Leser durch den komplizierten Fall, bei dem sich die Zusammenhänge erst spät und dann recht knapp erschließen. Verschiedenen Handlungssträngen in unterschiedlichen Zeitebenen gilt es zu folgen, wobei die einzelnen Abschnitte jeweils übersichtlich voneinander getrennt sind durch kursive Schrift oder Sternchen im laufenden Kapitel. Liv kämpft mit Schwierigkeiten, wobei man nicht genau erfährt, was da im Vorfeld passiert ist und warum sie zwischenzeitlich ihre Detektei eröffnet. Auch sonst trifft man auf eher schwierige Charaktere, die ihr Päckchen tragen und keine Sympathieträger im engeren Sinn sind. Aber darauf kommt es nicht an, hier gibt es einen alten Mord aufzuklären, ein Selbstmord wirft Fragen auf und eine dritte Leiche im Wald hält Petter Bohm auf Trab. Die Ermittlungen kommen eher stockend voran, wenige Anhaltspunkte und ein bisschen Zufall führen zu entscheidenden Hinweisen, welche dann doch ein zufriedenstellendes Ergebnis hervorbringen.

Interessante Hintergründe, viele Puzzlesteine, die nur langsam an ihren Platz finden und eine eher ruhig dahinfließende Handlung prägen Liv Jensens erste Ermittlungen. Gerne darf es künftig ein bisschen mehr Spannung sein, aber ich möchte Liv sehr gerne auch beim nächsten Fall wieder begleiten.