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Veröffentlicht am 01.12.2022

Eisig

Schneegrab
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Auf den Spuren einer früheren Expedition versuchen fünf Engländer im Jahre 1935 von Darjeeling aus über die Südwestflanke den Gipfel des Kangchenjunga im Himalayagebirge zu erklimmen. Damals sind einige ...

Auf den Spuren einer früheren Expedition versuchen fünf Engländer im Jahre 1935 von Darjeeling aus über die Südwestflanke den Gipfel des Kangchenjunga im Himalayagebirge zu erklimmen. Damals sind einige Bergsteiger verunglückt und so manch Einheimischer glaubt an einen Fluch, der über diesem Berg liegt. Aber nicht nur das, auch unter den Teilnehmern, insbesondere einem sehr ungleichen Brüderpaar, spitzt sich die Stimmung zu.

Ähnlich einem Tagebuch hat Michelle Paver ihren mystischen Roman über den Kangchenjunga und die Gruppe an Bergsteigern konzipiert: einerseits erzählt der Arzt Stephen Pearce die gesamte Situation aus seinem Blickwinkel, andererseits streut er natürlich seine Gedanken und Ängste direkt ein, sodass man schnell seine Bedenken gegenüber der Route und dem Streben seines Bruders Kits erkennt. Nicht nur medizinische Themen wie Erfrierungen und verschiedene Symptome der Höhenkrankheit, nein, auch Lawinen, Geröll und Geister von Verstorbenen spuken in seinem Kopf umher. Was hat sich damals, 29 Jahre zuvor, hier zugetragen und warum schweigt einer der Überlebenden, während ein anderer sich mit einem Buch ein Denkmal gesetzt hat?

Mit ruhigen Worten, jedoch nicht minder eindrucksvoll, begibt sich Michelle Paver mit der Stimme des Doktor Pearce auf die Spuren der Alpinisten, spürt deren Motivation nach, den Gipfel des dritthöchsten Berges der Welt zu bezwingen. Die Überheblichkeit mancher Sahib (Europäer) über die Sherpas (Lastenträger) wird ebenso geschildert wie die Strapazen des langsamen Aufstiegs, die Notwendigkeit der Akklimatisierung und der Aufnahme von Getränken und Nahrung, selbst wenn man keinerlei Appetit verspürt. Dazu kommt die Unstimmigkeit in der Gruppe, ob die Route über die Südwestflanke tatsächlich die beste ist und Stephens Bauchgefühl, dass irgendetwas nicht stimmt. Unterschwellige Bedrohungen, Bilder, bei denen man nicht weiß, ob sie real sind oder Einbildung – geschuldet dem Sauerstoffmangel – geschickt spielt die Autorin mit den Gefahren in solchen Höhen und lässt den Leser rätseln, welche Geheimnisse diese Geschichte umwehen.

Aufgrund der interessanten Sichtweise des Arztes liest sich dieser einzigartige Bergroman ziemlich rasch – und birgt auch am Schluss noch genug Raum für eigene Phantasien. Gerne empfehle ich dieses Buch weiter.



Titel Schneegrab

Autor Michelle Paver

ISBN 978-3-492-06345-6

Sprache Deutsch

Ausgabe Taschenbuch, 304 Seiten

ebenfalls erhältlich als e-book

Erscheinungsdatum 1. Dezember 2022

Verlag Piper

Originaltitel Thin Air

Übersetzer Karin Dufner

Veröffentlicht am 01.12.2022

Lust am Lesen

Literatour
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Nach vielen Jahren Leseleidenschaft hat Hermann Schmidt mit Literatour ein vielfältiges Potpourri zusammengestellt aus Autoren, welche er gerne gelesen hat, welche sein Leben geprägt haben. So stellt er ...

Nach vielen Jahren Leseleidenschaft hat Hermann Schmidt mit Literatour ein vielfältiges Potpourri zusammengestellt aus Autoren, welche er gerne gelesen hat, welche sein Leben geprägt haben. So stellt er hier etliche Klassiker vor und beschreibt, warum gerade diese ihn ansprechen.

Sehr übersichtlich in acht große Abschnitte gegliedert, erzählt der Autor, welche Orte er bereist hat, wo er den berühmten Dichtern nachgespürt hat, welche Geburts- und Wirkstätten heute noch zu besichtigen sind. Man spürt bei jedem Schriftsteller, den Hermann Schmidt hier kurz vorstellt, mit welcher Hingabe und Leidenschaft er sich dem Thema widmet. Er stellt zu Beginn eines Kapitels jeweils die Lebensgeschichte des Dichters dar, welche aufgrund der Anzahl an Persönlichkeiten wirklich sehr knapp gehalten ist, erklärt seinen ganz persönlichen Bezug zu den Künstlern und ihren Werken, zitiert da und dort aus einem Lieblingsstück und schließt mit weiterführender Literatur. So manche Episode kennt man bereits, andere Dichter wiederum liest man in diesem Zusammenschnitt zum ersten Mal und bekommt Lust auf mehr. Persönliche Empfehlungen von Hermann Schmidt und Hinweise auf detailliert verfasste, eher langatmige Beschreibungen von Natur und Mensch oder pointierte, ironische Seitenhiebe in den einzelnen Werken erleichtern durchaus die Wahl.

Kurzum: Literatour liefert einen interessanten und unterhaltsamen Streifzug durch Lausbubengeschichten, Erzählungen, (Familien)Dramen und Gedichten mit persönlichem Hintergrund von Hermann Schmidt und eignet sich am besten als vereinzelte Lektüre zwischendurch, sonst könnte vielleicht doch zu monoton werden.



Titel Literatour

Autor Hermann Schmidt

ISBN 978-3-455-01496-9

Sprache Deutsch

Ausgabe Gebundenes Buch, 400 Seiten

ebenfalls erhältlich als e-book

Erscheinungsdatum 4. Oktober 2022

Verlag Hoffmann & Campe

Veröffentlicht am 27.11.2022

Der das Böse bekämpft

Der Mondmann - Blutiges Eis
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Jens Lerby, Profiler in Kopenhagen, behält selten seine Meinung für sich, selbst, wenn es sich um Kollegen oder Vorgesetzte handelt. Nun soll er einen Fall in Grönland übernehmen, was für ihn, der Eis ...

Jens Lerby, Profiler in Kopenhagen, behält selten seine Meinung für sich, selbst, wenn es sich um Kollegen oder Vorgesetzte handelt. Nun soll er einen Fall in Grönland übernehmen, was für ihn, der Eis und Kälte hasst, einer Strafversetzung gleich kommt. Aber wenn Walrosszähne für einen Mord verantwortlich sind, muss ein erfahrener Mann entsendet werden. Dort sieht sich Lerby einer eingeschworenen Gemeinde von Inuit gegenüber, die traditionellerweise fest an Dämonen glaubt.

Schnell ist Jens Lerby charakterisiert, mit seinen Ecken und Kanten ist er ganz gewiss keiner, mit dem man sich anfreunden möchte. Und gerade diese Persönlichkeit verleiht unter anderem den Reiz dieser einnehmenden Geschichte rund um die Frage, ob ein Amarok – ein Mischwesen aus Walross und Wolf – rund um Illokarfiq sein Unwesen treibt. Der störrische Fünfzigjährige jedenfalls stößt mit seinen herkömmlichen Methoden rasch auf Widerstand und kann von Glück reden, dass eine junge Einheimische, Pallaya Shaa, zwischen Lerby und dem alten Schamanen im Dorf vermittelt.

Beeindruckend beschreibt Fynn Haskin die Landschaft des ewigen Eises, das nur für kurze Zeit im Sommer schmilzt und die alten Traditionen der Inuit, die seit viertausend Jahren gepflegt werden. Erst die letzte Generation ist von der westlichen Welt gezwungen worden, die Robbenjagd aufzugeben und neue Wege zu gehen. Während spannender Ermittlungen lässt der Autor den Leser eintauchen in die Welt der Sagen und Mythen, in die Angst der Inuit vor dem tupilaq, dem Dämonen, der Böses über die Menschen bringt. Mit jeder Zeile spürt man, welche Begeisterung Haskin hier für dieses Thema mitbringt und erlebt durch detaillierte Recherche und Erklärungen die Kultur der Ureinwohner Grönlands hautnah. Schon zu Beginn begleitet der Leser Natuk in seinem qajaq, spürt die hervorragend vermittelte Stimmung der Natur durch die bildhafte Beschreibung: „Flach wie ein Blatt lag das Kajak auf dem Wasser, dessen dunkelblaue Farbe zwischen den Schollen von eisiger Tiefe kündete, während es heller und türkisfarben wurde, je näher man dem Eis kam.“ (kindle Pos. 83) Geschickt vermag es Fynn Haskin, Natur und Mensch in ihren von jeher vorgegebenen Einklang zu bringen und die Konflikte mit Jens Lerby herauszuarbeiten, welche klarerweise nicht lange auf sich warten lassen.

Der Spannungsbogen steigt stetig an, rotes Blut färbt Eis und Schnee, aber trotz scheußlicher Verbrechen verzichtet der Autor auf ausführlichen Beschreibungen der Gräueltaten. So ist man als Leser rasch gefangen zwischen Kälte und Eis, alter Kultur und neuen Ermittlungsmethoden, Angst vor Ungeheuern und überheblichem Hinwegsetzen über ebendiese. Ein klassischer Schreibstil in flottem Präteritum lässt die Seiten nur so dahinfliegen, eine logisch aufgebaute Handlung besticht durch geschickt eingeflochtene Informationen, welche die Geschichte authentisch und glaubwürdig werden lassen. Auch die Auflösung führt alle Fragen und losen Enden überzeugend zusammen, sodass man das Buch nur zufrieden aus der Hand legen kann.



Titel Der Mondmann

Autor Fynn Haskin

ISBN 978-3-404-18865-9

Sprache Deutsch

Ausgabe Taschenbuch, 400 Seiten

ebenfalls erhältlich als e-book und Hörbuch

Erscheinungsdatum 25. November 2022

Verlag Lübbe

Veröffentlicht am 24.11.2022

Heiter und besinnlich

Schneeflockenmomente
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Perfekt zu kurzen Tagen und langen Nächten passt dieses Buch mit neun Erzählungen rund um die Weihnachtszeit von ganz unterschiedlichen Autorinnen. Beate Maly, Anne Jacobs, Nicole Steyer, Svenja Lassen, ...

Perfekt zu kurzen Tagen und langen Nächten passt dieses Buch mit neun Erzählungen rund um die Weihnachtszeit von ganz unterschiedlichen Autorinnen. Beate Maly, Anne Jacobs, Nicole Steyer, Svenja Lassen, Ulrike Renk, Rena Rosenthal, Marie Merburg, Jana Lukas und Petra Schier haben hier gemeinsam ein stimmungsvolles Buch zusammengestellt, das man gerne für eine freie Stunde zur Hand nimmt und sich entführen lässt an verschiedenste Orte. Von der Nordsee bis nach Wien erleben wir interessante, winterliche Schauplätze, wo sich unterhaltsame Szenen abspielen. Von duftenden Gänsebraten, alten Gliederpuppen und verletzten Weihnachtsengeln ist hier zu lesen, eine Ankunftshalle am Hafen ist ebenso Kulisse wie ein ungeschmückter Christbaumstand mit Schrottgeräten an der Hüttenwand, duftende Schokolade - individuell zusammengestellt - umweht des Lesers feines Näschen bevor die Erfindung des Fahrrads eine Rolle spielt. Der Traum einer eigenen Eisdiele und ein Besuch beim besten Puppendoktor der Stadt runden den besinnlichen Reigen schließlich ab.

Neun Autorinnen, die jeweils in ihrem eigenen charakteristischen Schreibstil eine in sich abgeschlossene Geschichte erzählen und so für jeden Geschmack etwas bieten, sorgen für unterhaltsame Stunden. Gerne lässt man sich verzaubern von Duft und Glanz und freut sich gemeinsam mit den sympathischen Figuren, wenn am Ende Glück und Friede einkehrt im trauten Heim.

Berührend, lustig, traurig, nachdenklich, so präsentiert sich diese Sammlung voller Vielfalt und weckt durchaus Lust auf mehr von so mancher Autorin, die man vielleicht bisher noch gar nicht gekannt hat. Gerne empfehle ich Schneeflockenmomente allen, die es heiter und gefühlvoll mögen und es schätzen, wenn sie eine komplette Episode am Stück lesen können, aber nicht einen ganzen Tag dafür Zeit haben.





Titel Schneeflockenmomente

Autor Beate Maly u.a.

ISBN 978-3-365-00110-3

Sprache Deutsch

Ausgabe Taschenbuch, 352 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook

Erscheinungsdatum 27. September 2022

Verlag HarperCollins

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 22.11.2022

Im Schatten

Wintersterben
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Nahe einem abgeschiedenen Bergdorf wird eine fast schon mumifizierte Leiche in einer Höhle gefunden. Da es sich bei dem grausam zugerichteten Toten um einen BKA-Mann handelt, wird Leutnant Valeria Ravelli ...

Nahe einem abgeschiedenen Bergdorf wird eine fast schon mumifizierte Leiche in einer Höhle gefunden. Da es sich bei dem grausam zugerichteten Toten um einen BKA-Mann handelt, wird Leutnant Valeria Ravelli von Interpol in die Walliser Alpen entsendet. Doch die Nachforschungen erweisen sich als schwierig: viele Einheimische zeigen sich abweisend und verbergen sich hinter eisigem Schweigen. Dass sie niemandem hier vertrauen darf, ist Ravelli schnell klar.

Atmosphärisch und fesselnd in seiner Schreibweise, so nimmt uns Martin Krüger sofort ein für seinen neuen Fall rund um Valeria Ravelli. Die Figuren sind eindrücklich charakterisiert, die nicht ganz freiwillige Zusammenarbeit mit dem neuen Kollegen Colin Bain bringt Zwistigkeiten mit sich – soll er Ravelli kontrollieren, hegt jemand aus den höchsten Reihen der Interpol Misstrauen gegen Valeria, die die beste aus Tanners Gruppe ist? Vor der Kulisse schroffer Berge und tiefer Wälder, zerklüfteter Höhlen und dichtem Regen geht es nun um die Suche nach der Wahrheit. Was verbirgt sich im Schatten des Dorfes? Immer wieder sorgen einzelne Szenen für Gänsehaut, Freund und Feind verschwimmen in den Nebelschwaden, Valeria ist – wieder einmal – auf sich allein gestellt.

Kurze Kapitel, verschiedene Blickwinkel, ein steter Spannungsbogen – am besten hebt man sich dieses Buch auf für ungestörte Lesestunden, fiebert man doch mit Valeria mit, welches Monster sich hier versteckt. Leider mischt sich am Ende in viel Aufregung und Nervenkitzel auch so manche weniger realistische Szene. Dennoch muss man einen möglicherweise kommenden dritten Teil unbedingt lesen, da noch eine private Frage Ravellis offen bleibt.

Kurzum: beste Unterhaltung durch psychologische Details, die diesen Thriller als spannend und kurzweilig in Erinnerung bleiben lassen.



Titel Wintersterben

Autor Martin Krüger

ISBN 978-3-365-00118-9

Sprache Deutsch

Ausgabe Flexibler Einband, 384 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook

Erscheinungsdatum 22. November 2022

Verlag Harper Collins