Fantasy Epos
Die Silbermeer-Saga (Band 1) - Der König der KrähenLiebe Daisy,
du weißt ja schon lange, wie sehr ich von Stephanie Garbers Caraval und Ottfried Preußlers Krabat verzaubert bin. Ich hab diese beiden Bücher öfter gelesen als ich zählen kann. Entsprechend ...
Liebe Daisy,
du weißt ja schon lange, wie sehr ich von Stephanie Garbers Caraval und Ottfried Preußlers Krabat verzaubert bin. Ich hab diese beiden Bücher öfter gelesen als ich zählen kann. Entsprechend war ich außer mir vor Freude, als mir dieses Buch in die Hände gefallen ist: Die Silbermeer Saga. Der König der Krähen von Katharina Hartwell, welches gerade erst (also 2020) bei Loewe erschienen ist. Aufmerksam geworden darauf bin ich bereits vor dem Erscheinungsdatum durch das wunderschöne Cover von Ramona Karl auf Instagram. Und folglich durch den Klappentext. Warum mich dieser in Euphoriestürme ausbrechen ließ? Gib mir einen Augenblick Zeit mich zu erklären.
Der Roman erzählt die Geschichte einer Welt, die ganz anders ist als die unsere. Eine Welt mit Wassermännern, Hexen und Kindern, die auf mysteriöse Weise verschwinden. In dieser Welt, am Rand des Silbermeeres, in einem winzigen Dorf, lebt unsere Protagonistin Edda. Gemeinsam mit ihrem Ziehvater und ihrem jüngeren Bruder Tobin fristet sie dort ihren immerzu gleichbleibenden Alltag. Bis Tobin eines Tages verschwindet und sie sich auf die Reise macht, ihn zu finden.
Wie du dir sicher schon denken kannst, handelt es sich hierbei um einen großen Abenteuerepos mit Fantasyelementen. Ich muss ja gestehen, dass meine Erwartungen nicht erfüllt wurden: Das Buch erinnerte mich weniger an Krabat oder Caraval, wie der Klappentext vermuten ließ, und mehr an Herr der Ringe. Hier gibt es kaum komplexen Figuren, die Intrigen schmieden, und auch der angekündigte König der Krähen kommt leider nur am Rande vor. Das fand ich sehr bedauerlich, klang diese Figur doch äußerst vielversprechend, so dass ich mich gefreut hätte, mehr über sie zu erfahren.
Im Großen und Ganzen folgen wir auf den gut 600 Seiten dieser Erzählung Edda auf ihrem Weg quer über die verschiedenen Inseln des Silbermeers, um ihren Bruder zu finden. Sie trifft dabei allerlei Figuren, die dann allerdings mehrheitlich schnell wieder verschwinden und nicht mehr sich nicht wieder blicken lassen – dieses Episodische ist es, was mich doch wieder an Krabat erinnert. Genannte Figuren sind nicht übermäßig komplex, sondern auf ausgewählte Charaktereigenschaften beschränkt; die einzige Ausnahme bilden die Hauptfiguren. Sie machen Entwicklungen durch, wobei selbst diese mich mehrheitlich kalt gelassen haben.
Ich weiß selbst nicht ganz warum. Der Schreibstil hat mir nämlich hervorragend gefallen und ich hatte beim Lesen direkt klare Bilder zu Orten und Atmosphären im Kopf. Sprachlich hat dieses Buch mir also ausgesprochen großen Spaß gemacht. Aber irgendetwas an der Kombination aus den Figuren, die alle irgendwie für sich standen und kaum wirklich miteinander zu tun hatten, in sich selbst aber auch nicht spannend genug waren, um so viele Seiten zu füllen, und der fehlenden Nebenhandlung ist für mich nicht ganz aufgegangen.
Ich weiß, ich bin normalerweise die Erste, die sich darüber beschwert, dass in gefühlt jedem Jugendbuch eine Liebesgeschichte vorkommt; in diesem Fall hätte ich sie mir allerdings gewünscht. Das reine Abarbeiten von einer Kreatur auf einer Insel zur nächsten Kreatur auf der nächsten Insel hat für mich ab einem gewissen Punkt leider nicht mehr getragen und ich habe mich selbst dabei ertappt, dass ich abgeschweift bin.
Leider war das Ende für mich auch wenig zufriedenstellend: Im Laufe des Buches wurden auf wunderbare Weise ganz viele Themen aufgemacht und Fäden gesponnen. Ich dachte, diese würden sich zu einem großen Finale am Ende dieses zusammenfügen und zumindest ein paar Antworten bringen – aber nichts dergleichen. Am Ende steht man genauso ratlos da, wie im ersten Drittel. Es ist mir bewusst, dass es sich hierbei um den Auftakt einer Reihe handelt, aber dennoch hätte ich mir ein aufschlussreicheres Finale gewünscht. Oder das Auftauchen des im Titel erwähnten Königs.
Du merkst es sicher schon, ich bin etwas frustriert. Vermutlich einfach, weil ich etwas Falsches erwartet habe. Ich bin mir sicher, dass LeserInnen ab 10, die Fans von High-End Fantasy und Abenteuerromanen mit weiblichen Protagonistinnen, die aus ihrem wenig emanzipierten Alltag ausbrechen, mit diesem Buch ihre Freude haben werden. Ich bin in dem Genre leider nicht zuhause und wünsche mir von Büchern, dass ich als Leserin mehr als nur die verschiedenen Aspekte, der etablierten Welt kennenlerne. Nicht, dass diese nicht spannend wäre, mit all ihren Wesen, besonderen Worten und ihrer Magie. Ich hätte mir auf figuraler Ebene nur eben mehr gewünscht.
Deine Daffy