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Veröffentlicht am 08.07.2019

Ein Leben

Der Wald
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Warschau im zweiten Weltkrieg. Die großbürgerliche Familie des kleinen Pawel erträgt die Besetzung ihrer Heimat nicht und engagiert sich im Widerstand. Bislang war seine Oma eine erfolgreiche Ärztin, seine ...

Warschau im zweiten Weltkrieg. Die großbürgerliche Familie des kleinen Pawel erträgt die Besetzung ihrer Heimat nicht und engagiert sich im Widerstand. Bislang war seine Oma eine erfolgreiche Ärztin, seine Mutter eine begabte Cellistin und sein Vater ein Maler. Die Eltern lebten in ihrer Welt der schönen Künste, bis der Krieg hereinbrach. Doch dann bringt der Vater einen schwer verletzten englischen Piloten ins Haus, dem die Großmutter das Sterben erträglicher machen soll. Allerdings verliebt sich seine labile Tante Joana sich in Fremden und pflegt ihn gesund. Mit Kindern im Haus kann man keine Geheimnisse bewahren und Pawel und seine Mutter müssen in den Wald flüchten und ihr einst so kultiviertes Leben dreht sich nur noch um ihr Überleben, eine Aufgabe, auf die sie bislang niemand vorbereitet hat. Ganz anders als die alte Einsiedlerin Baba, die sie gegen Bezahlung aufnimmt.

Laura Maire erzählt diese Geschichte aus Pawels zu Beginn kindlich naiver, verwunderter Sicht. Mal klingt sie verstört, mal verwirrt. Sehr verletzlich in dieser Welt, in der nichts so ist, wie er es kennt. Sie nimmt bisweilen ihre Emotionen zurück, wodurch sie noch eindringlicher klingt, denn das Kind, in das sie sich einfühlt weiß nicht, was es denken und fühlen soll. Doch trotz der unaufgeregten Interpretation klingt sie nie gleichgültig oder monoton, wie es mir bisweilen bei Hörbüchern mit ähnlich ernster Thematik vorkommt. Hier hat die Zurückhaltung, Stil und Ausdrucksstärke. Auch wenn diese preisgekrönte Interpretin den Charakter dieses ungewöhnlich nachdenklich, verträumten Kindes trifft, vermag auch sie es nicht über die Längen im Mittelteil hinweg zu helfen. Der Kontrast zwischen den Kriegsszenen in Warschau und den introvertierten Szenen auf dem einsamen Waldhof, auf dem die Zeit nicht zu existieren scheint und sich alles auf das Sein zu reduzieren scheint, ist zu groß. Die einst so feinsinnige, kultivierte Mutter Sophia, die ein Leben mit Dienstboten und gepflegten Gesprächen gewöhnt war, kommt mit der Einfachheit und Eintönigkeit im Wald nicht klar. Statt wie ihr Sohn lieben zu lernen, was die Natur um sie herum ihr bietet und seine Regeln zu lernen und zu verstehen, scheint sie in Apathie zu verfallen. Sie versteht sich und ihre Gefühle nicht mehr. Wahrscheinlich ist sie soviel Introspektion nicht gewohnt und doch ist sie ein Mensch der stets nachdenkt und das Denken nicht sein lassen kann. . Sie ist zerrissen zwischen ihrer Mutterliebe und ihrer Irritation über seine ungewöhnliche Sensibilität und über die Stärke ihrer eigenen Gefühle. Bislang gab es auch immer Angestellte die ihr alle lästigen Arbeiten abnahmen, so dass sie sich ganz sich selbst und dem, was einer Frau in ihrer Position oblag, widmen konnte. Dabei wirkt sie bisweilen hart. Anders als z.B. die meisten Trümmerfrauen dargestellt werden, die anpacken, weil es sonst nicht weiterginge, schafft sie durch ihre Gedanken Distanz statt Bewunderung. Die feinsinnige Künstlerin lernt man als bisweilen sehr selbstkonzentriert kennen. Doch Pawel kennt es nicht anders. Erst Jahre später begreifen beide die Bedeutung dessen, was diese Zeit in der Abgeschiedenheit des Waldes für sie bedeutet hat. Während Pawel die Welt so akzeptieren lernt wie sie ist, kämpft Sophia auch nach dem Krieg mit unerfüllten Wünschen und Erwartungen. Trotz teilweise erstaunlicher Weitsicht, ist sie jedoch lange Zeit nicht bereit, sich ihren eigenen Schlussfolgerungen zu beugen. In dem letzten Teil der Geschichte, der mehr aus ihrer Sicht erzählt wird, schafft es die Interpretin gekonnt, den Perspektivwechsel auch stimmlich nachzuvollziehen, und klingt nun nach der vom Leben gezeichneten Mutter.

Dieser Roman hat bisweilen etwas kammerspielartiges, selbst in den Kriegsszenen, wobei mir diese durch die innere und äußere Entwicklung deutlich besser gefallen. Sowohl Pawel, als auch seine Mutter beobachten stets und können das Denken nicht lassen. Doch anders als Sophia ist Pawel ein Träumer. In Kriegszeiten ist dies eventuell gefährlich, aber auch vielleicht, die beste Möglichkeit nicht den Verstand zu verlieren. So ist dieser Roman auch sehr stark von inneren Monologen geprägt. Wer bei diesem Thema actionreiche Szenen auf der Flucht erwartet, ist hier völlig auf dem Holzweg, sehnt er sich nach Action, sollte er sich ein anderes Hörbuch suchen. Hier liegt die Stärke in der Poesie der Beobachtungen und Gedanken zweier Künstlerseelen, die in eine unbarmherzige Zeit hinein geboren wurden und sie dennoch begreifen möchten. So sind ihre Gedanken auch bisweilen poetisch und auch entsprechend verbalisiert. Es ist keine dahinplätschernde seichte Unterhaltung und man sollte auch ein gewisses Sprachniveau besitzen. Schade finde ich, daß man das ungefähre Jahr, in dem die Geschichte jeweils spielt, stets erraten muß und man die Zeitsprünge nicht unmittelbar bemerkt, sondern erst wenn er bereits eine Weile begonnen hat, wenn es z.B. Hinweise auf das Alter, Umzüge oder ähnliches gibt. Ob das in der Buchvorlage auch so ist, weiß ich nicht.

Eine Geschichte über das Leben, das uns prägt, mit allen Schicksalsschlägen, daß wir aber lernen müssen uns, und die, die wir lieben so zu akzeptieren, wie wir bzw. sie sind. Ändern kann man nur sich selbst, nicht seine Lieben. Die Schicksalsschläge machen uns auch nicht zu anderen Menschen, das liegt alles schon von Geburt an in uns, aber unsere Teevorlieben könnten zum Beispiel durch ein Überleben im Wald verändert werden oder wir lernen, die Natur zu verstehen, von der uns bislang gar nicht bewußt war, wie sehr wir sie lieben. Eine starke Mutter-Sohn-Beziehung, die durch die Zeit und ihre Entwicklungen dahin mäandert.

Ein schönes Hörbuch, dessen Titel und Klappentext aber etwas anderes erwarten lässt, als man zu hören bekommt. Es bedarf schon einer gewissen Bereitschaft, sich auf eine Geschichte und Gedanken einzulassen, die mehr eine Familiengeschichte, als ein Widerstandsdrama ist.

Veröffentlicht am 01.08.2018

Ich habe noch viel gelernt!

111 Orte in der Provence, die man gesehen haben muss
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Südfrankreich ist wunderschön und daher bin ich fast jedes Jahr dort. Daher ist es an der Zeit, mal was neues zu entdecken, die Augen auf kleine, feine Details zu richten.

Die 111 Orte sind alphabetisch ...

Südfrankreich ist wunderschön und daher bin ich fast jedes Jahr dort. Daher ist es an der Zeit, mal was neues zu entdecken, die Augen auf kleine, feine Details zu richten.

Die 111 Orte sind alphabetisch geordnet und sie beginnen daher mit den größten Städten des hier dargestellten Teils der Provence: Aix-en-Provence (3 Orte) , Arles (6 Orte) und Avingnon (4 Orte). Arles bildet dabei den Schwerpunkt. Es ist auch wirklich wunderschön, allerdings sollte man vorher wissen, daß das Parken dort nicht sehr leicht ist, wir haben dort inzwischen unseren speziellen Parkplatz gefunden, da die Durchfahrt der Altstadt mit großen deutschen Limousinen an einigen Stellen fast unmöglich ist. So schön Arles auch ist, es ist im Sommer unglaublich heiß, man benötigt unglaublich viel Wasser, viele Ruhepausen oder einen der seltenen bewölkten Tage. Als Kind habe ich dort fast immer befürchtet verdursten zu müssen und meinen Kindern geht es heute auch bisweilen noch so. Sehr schön finde ich Ort Nr. 4 „Die Alycamps“ eine alte römische Begräbnisstätte von der Rilke und Hugo von Hoffmannsthal bereits schwärmten. Klingt jetzt erst mal nicht so spektakulär, allerdings sollte man wissen und das verschweigt der Autor, daß es sich um von der UNESCO anerkanntes Weltkulturerbe handelt. Dort wird übrigens die Modeschau des Hauses Gucci 2019 stattfinden, da es sich um die Geburtsstadt des legendären Designers Christian Lacroix handelt. Die Zahlungen von Gucci für dieses Privileg an die Stadt, soll für den Erhalt der Vielzahl römischer Stätten verwendet werden. (Diese Info stammt aus einer aktuellen frz. Frauenzeitschrift, nicht diesem Buch).
Da Frankreich außer Mode natürlich auch noch Kunst, Musik und Kultur zu bieten hat, gefiel mir der Blick in das Internierungslager in der Ziegelei von Les Milles bei Aix-en-Provence in welcher bedeutende Exilkünstler wie Lionel Feuchtwanger, Max Ernst und Golo Mann interniert waren. Dank der Vichy-Regierung sind auch im unbesetzten, freien Süden zeitweise bis zu 3.000 Menschen jüdischer Herkunft dort interniert und teilweise von dort mit Zügen nach Auschwitz deportiert worden. Die wenigsten haben dies überlebt. Gegenüber der Ziegelei kann man noch einen der historischen Eisenbahnwaggons sehen, die zur Deportation nach Auschwitz genutzt worden.
Dieser Leitfaden wendet sich aber nicht nur den Toten zu, sondern auch alljährlichen Highlights und somit Ort Nr. 79 der Mont Ventoux, der härtesten Bergetappe der Tour de France, an dem schon einige scheiterten oder zusammenbrachen und dessen Bezwingung so viele Gemüter beschäftigt hat, daß ich über diesen Ort letztes Jahr einen wirklich spannenden Krimi aus der Radrennwelt gelesen habe.
Mit 8 Orten liegt das Hauptaugenmerk wohl auf Marseille, das heutzutage auch wirklich für Besuche deutlich besser geeignet ist, als in meiner Kindheit. Die Stadt hat in den letzten Jahrzehnten einiges für einen Imagewandel, weg von der schmuddeligen Hochburg der Kriminalität vom Mittelmeer getan. An die lange Geschichte der Kriminalität erinnert Ort Nr. 66, mit dem legendärsten Gefangenen der Stadt, dem Graf von Monte Christo aus dem Meisterwerk von Alexandre Dumas dem Älteren, dem die Flucht von der Gefängnisinsel Ile d'If dem Ort des berrüchtigten Chateau d'If gelang. Da Marseille am Meer liegt, ist das Klima dort auch im Sommer deutlich erträglicher als im Hinterland und es gibt dort auch deutlich mehr zu entdecken, als man meint.

Die Auswahl ist sehr vielfältig und bunt gemischt, so das für jeden Geschmack eine Menge zu entdecken ist. Allerdings ist das abgedeckte Gebiet auch sehr groß und reicht für mehrere Urlaube, wobei man die zu besichtigen Orte auch im Hinblick auf Jahreszeit und Klima wählen sollte.

Was ich sehr schade finde und was bei mir zu einem Punkt Abzug führt, ist das einige Highlights, die im Vorwort erwähnt werden, wie z.B. der Pont du Gard, das gigantische Aquedukt, daß das römische Nimes mit frischem Gebirgswasser versorgte, oder die unendlich scheinenden Strände der Camargue überhaupt nicht aufgeführt sind. Da er sie offensichtlich zur Provence mitzählt, ist es ausgesprochen merkwürdig, sie außen vor zu lassen, sofern er nicht einen weiteren Führer für die Camargue, das Languedoc-Rousillon plant. Aber dann hätte er sie auch im Vorwort unerwähnt lassen sollen. Na gut, Ort Nr. 60 Les-Saintes-Maries-de-la-Mer gehört zur Camargue, da es sich aber so fernab der übrigen hier aufgezählten Orte befindet, ist es nicht im Kartenanhang zu finden. Wer diesen Ort besuchen möchte, sucht im Kartenmaterial vergeblich, er wird sich keinen Eindruck von seiner Lage machen können. Solche Pannen dürfen eigentlich nicht passieren.

Wirklich sehr interessant für alle, die die Provence schon kennen und neue Inspirationen suchen, für Neulinge eine facettenreiche Ergänzung zu klassischen Reiseführern.

Veröffentlicht am 18.08.2023

Der Kreislauf des Lebens

Nelumbiya – Im Land der magischen Pflanzen
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Tara (11) wächst als Waise in der Felsenstadt Ornata auf und wird von der Herrin der Diebe und Waise gemeinsam mit der kleinen Merle auf Diebeszug geschickt. Auch von der Geburtstagsfeier von Prinzessin ...

Tara (11) wächst als Waise in der Felsenstadt Ornata auf und wird von der Herrin der Diebe und Waise gemeinsam mit der kleinen Merle auf Diebeszug geschickt. Auch von der Geburtstagsfeier von Prinzessin Helena sollen sie reiche Beute mitbringen. Aber es ist gar nicht so leicht, in die bewachte fürstliche Festung zu gelangen und daher verstecken sich die 2 Mädchen auf dem Karren von Bäckergesellen. In der Festung ist Tara fasziniert von dem Geschenk einer Bürgerin an Helena: es ist die magische Löwenzahnpflanze Dandelion (engl. für Löwenzahn). Tara spürt, dass Dandelion etwas Besonderes ist und stiehlt ihn. Von diesem Fang ist ihre Herrin nicht begeistert und schickt sie zurück. Dort lernt sie Helena und Bäckergesellen Semur kennen, die wie sie ein Pflanzenzeichen am Körper tragen. Es weist sie als Pflanzenmenschen aus, Menschen, die sich im verbotenen magischen Land Nelumbiya mit einer Pflanze verbinden können. Daher sind diese Zeichen streng geheim, denn der gefürchtete Askiel sucht nach diesen Menschen und will sie vernichten. Als die drei Kinder belauschen in welcher Gefahr sie schweben, begeben sie sich auf die gefährliche Reise nach Nelumbiya, um das für sie bestimmte Pflanzenwesen zu finden, aber auch um Mensch und Natur zu versöhnen und Askiels heimliche Terrormacht zu brechen.
 
Anfangs ist Tara noch fern von Nelumbiya, daher beginnt dieses Abenteuer mit einem Prolog über Tamaran und seinen  sterbenden Baum Querus. Bis diese dann endgültig in Taras Leben treten ist es ein weiter und gefährlicher Weg. Sowohl Ornata als auch Nelumbiya sind ganz anders, als die Welt in der wir leben. Immerhin kennen wir Bäume und Pflanzen, anders als diese drei Kinder, denen von klein auf eingeschärft wurde, sich von solch gefährlichen Wesen fern zu halten. Ornata wirkt hingegen mit seinen Karren und Festungsmauern sehr mittelalterlich und somit abenteuerlich für uns. Ebenso unterschiedlich sind auch Tara, Semur und Helena. Gerade Helena trauen Tara und Semur oft nichts zu, aber sie ist gewitzt und überrascht immer wieder mit schlauen Ideen und den unendlichen Tiefen ihres Koffers, den sie ja unbedingt mitschleppen musste, egal wie sperrig er auf der Flucht ist! Ja, sie sind auf der Flucht, denn ihr Geheimnis ist aufgeflogen und Askiel hetzt ihnen seine Blaumantel-Armee auf den Hals!


Am Ende wird es noch richtig dramatisch, und die drei Freunde werden vor große Herausforderungen gestellt, die sowohl überraschend, als auch gewagt sind, denn eigentlich kennen sie ihre eigenen Pflanzenmagierfähigkeiten nicht, benötigen sie aber dringend, um die Natur vor dem Untergang zu bewahren.
 
Sehr gut gefällt mir, dass am Ende wirklich alles aufgelöst wird und wir dann auch erfahren, wie es mit den drei Pflanzenmagiern nach der Rückkehr Ornata weitergeht. Das ist gerade im Hinblick auf das Schicksal von Querkus und Tameran tröstlich, das wirklich Hoffnung spendet, aber auch wegen er kleinen, anhänglichen Merle.

Ich mag Ilka Teichmüllers warme Stimme sehr gerne, hier mag ich ihre Interpretation aber nicht. Gerade zu Beginn fand ich sie zu kindlich und übertrieben für die Zielgruppe ab 10 Jahren. Ich fühlte mich nicht auf Augen/Ohrhöhe beim Hören. Das wurde nach ein paar Stunden besser und störte mich dann weniger, weil weniger Erzählerpassagen vorkamen und es überwiegend Dialoge waren. Hier gefielen mir ihre Interpretationen einzelner Charaktere sehr gut, wie z.B. Tamaran, den Pflanzenmenschen des mächtigen Baumes Querus. Dennoch konnte mich ihre Stimme nicht fesseln.
Ein Abenteuer über Freundschaft, Naturschutz und dass jede Gabe zwei Seiten hat, eine helfende und eine gefährliche, wenn man sich nicht bewusst für das Gute entscheidet, Zusammenhalt und den Kreislauf des Lebens.
 
Leider hat es mich nicht ganz packen können, ohne dass ich jetzt genau benennen könnte, wahrscheinlich lag es an der Interpretation..

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Veröffentlicht am 07.08.2023

3 Autoren, 3 ganz unterschiedliche Thriller

Anleger 511
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Drei Autoren, drei Thriller, drei Helden, ein Ziel (Anleger 511 in Eltville).

Ein spannendes Experiment, angelehnt an „Sing my song“: drei befreundete Autoren wählen einen Charakter aus einem der Werke ...

Drei Autoren, drei Thriller, drei Helden, ein Ziel (Anleger 511 in Eltville).

Ein spannendes Experiment, angelehnt an „Sing my song“: drei befreundete Autoren wählen einen Charakter aus einem der Werke des anderen und lässt ihn/sie als Hauptfigur einen Thriller erleben, der letztendlich am Anleger 511 in Eltville (Hessen) endet.

Schließfach 102 Klaus Maria Dechant Thriller 1: Die junge, aufstrebende Enthüllungsjournalistin Emma Berg aus Stuttgart bekommt anonym den Schlüssel zu Schließfach 102 zugeschickt, während sie eigentlich in einem ganz anderen Thema steckt. Statt an dem langen Wochenende mit ihrem Freund den BKA Beamten, romantisch zu chillen und über die Zukunft zu sinnieren, fährt sie nach Zürich auf der Suche nach dem Nummernschließfach: es ist eines dass für Staatsgeheimnisse vorbehalten ist. Der Umschlag, den sie dort findet, irritiert sie noch mehr: Unterlagen über gebrauchte Näh- und Schreibmaschinen Exporte in Krisengebiete. Können sich dahinter verbotene Waffen- und Panzerlieferungen stecken? Wer ist der Whistleblower, was soll das Ganze?

Dieser Thriller gefiel mir ausgesprochen gut und zog mich sofort in seinen Bann. Workaholic Emma finde ich mit all ihren Macken sympathisch. Der Fall ist ebenso aktuell, wie geheimnisvoll, wobei er seine Wurzeln in der Vergangenheit hat. Es geht über die ehemalige „Zonengrenze“, in deutsche Mittelgebirge und hinein in die Politik und die Kunst des Vertuschens, die bisweilen mörderisch sein kann. Der Autor hat eine angenehm volle, melodische Stimme und vermag es seiner Suche nach der Wahrheit den richtigen sprachlichen Schliff und erzählerische Spannung zu geben. Absolut gelungen!

Auszeit, Jo Schuttwolf, Thriller 2: Kommissarin Michaela Cordes ist nach dem letzten Desaster erst mal suspendiert und braucht eine Auszeit, um alles zu verarbeiten und die seelischen und körperlichen Wunden heilen zu lassen. Wie gut, dass ihre alte Schulfreundin in LA lebt. Allerdings wird das Touriprogramm für sie bald zu langweilig und sie schlägt den Weg in die Elendsviertel ein. Das ist gefährlicher als sie ahnt, denn schon bald landet sie in den Katakomben wird von einer mörderischen Gang verfolgt, begleitet von einem asiatischen Teenager, den sie nicht immer versteht. Was wollen die von ihnen, und wie kommen sie da nur wieder heil raus?

Neben dem Erzählstrang um die Kommissarin, die von ihrer Auszeit mental erschöpft ist, gibt es einen zweiten, ein ausführliches Interview mit einem Künstler, der einst als Aussteiger Deutschland verließ, nachdem er so ziemlich alles mitgenommen hat, was seine Zeit so bot: RAF, Flower Power und Selbstfindungstrips. Langsam aber sicher rücken die Erzählstränge zusammen und führen natürlich nach Eltville, auf eine unvorhersehbare Weise, mit Spannung und Schwarzpulver. Spannend erzählt von der melodiös erwachsenen Stimme von Jo Schüttwolf, der gut zu dem abgeklärten Aussteiger passt. Einige der angeschnittenen Themen finde ich aus einer sehr interessanten Perspektive erzählt.

Endstation Eltville, Kai Bliesener, Thriller 3: Andy, der sexsüchtige, dauerzugedröhnte Werbefutzi aus U-Turn (dort ist er allerdings eine Nebenfigur) erwacht nach seinem Absturz während eines schamanischen Rituals in einem andalusischen Krankenhaus. Die Ärztin, die sich um ihn kümmert fasziniert ihn, ehrlich, aber etwas nagt an ihm. Er erinnert sich, dass der Werbefilm, der auf seinem Drehbuch, seinem genialen Einfall, ganz in der Nähe gedreht wurde, eingeschlagen ist wie eine Bombe! Er wurde sogar prämiert, doch er mit keinem Wort erwähnt! Gegen jeden ärztlichen Rat, entlässt er sich selbst und fliegt zurück nach Düsseldorf, um die Agenturchefin zur Rede zu stellen, denn alle ignorieren seine Anrufe. Als er ihr schickes Haus erreicht, sieht er auch wieso. Es ist, als würde er aus einem Albtraum erwachen!

Mit dem selbstverliebten, sexsüchtigen Andy, der ständig zugedröhnt ist, hatte ich schon in U-Turn so meine liebe Not, denn ich finde ihn einfach nur unsympathisch. Punkt, keine Faszination, keine Interesse für eventuelle Tiefen, die ich ihm auch nicht zutraue. Die Erzählweise erinnert an ein Filmskript, das mehrere Genres vermischt, kurze Szeneneinstellungen die zwischen High Noon, Quentin Tarantino und David Lynch schwankt. Irgendwie kam es mir aber auch etwas wirr vor, eben so zugedröhnt wie Andy. Dass mir die Autorenstimme nicht so zusagte, weil sie mir zu flach, zu blechern klang, machte es nicht besser. Für mich ist es einfach die schwächste Geschichte zum Schluss, was ich etwas schade fand. Natürlich landet auch Andy in Eltville am Anleger 511, aber nach einem Überraschungseffekt zum Schluss, der mich leider nicht so ganz überraschte...

Ein reizvolles Experiment, das ich wirklich empfehlen kann, vor allem jenen, die mehr auf Tarantino und Lynch stehen als ich.

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Veröffentlicht am 13.04.2023

Nicht gut, nicht schlecht

Peter kommt später. Frau Huber ermittelt. Der dritte Fall
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Kurz vor der Bürgermeisterwahl, bei der die Bürger nach Ansicht von Hannelore Huber nur die Wahl zwischen Pest oder Cholera in diesem brauen Sumpf haben, stirbt die alte Bruckner-Ederin, mit dem Gesicht ...

Kurz vor der Bürgermeisterwahl, bei der die Bürger nach Ansicht von Hannelore Huber nur die Wahl zwischen Pest oder Cholera in diesem brauen Sumpf haben, stirbt die alte Bruckner-Ederin, mit dem Gesicht voran in ihrem geliebten Kaiserschmarrn. War es ein Unfall oder doch Mord? Während die örtlichen Polizisten noch ihr Privatleben sortieren, schmeißt die Huber Hanni ihre grauen Zellen an, während sie sich auf den Weg zum 99. Geburtstag der Dorfältesten Hertha macht, um mit ihr bei einer schönen Tasse Kaffee und einem Stück Guglhupf zu feiern. Doch die Hertha liegt tot in ihrer Stube, mit einem Hakenkreuzmesser im Rücken und Führerwein auf dem Tisch. Das will so gar nicht zu ihrer alten Freundin passen, die stets Widerstand geleistet hat. Die alte Grantlerin nimmt den vorzeitigen Tod ihrer alten Freundin persönlich und ist deutlich misstrauischer, als der Bruckner, der neue Bürgermeister, der der Jubilarin gleichfalls persönlich gratulieren wollte. Während der Bruckner erst mal Beweise verschwinden lassen will, schreitet Hanni energisch zur Tat, was den Tätern natürlich ein Dorn im Auge ist und ihren nahenden 75. Geburtstag gefährden könnte...

Die alte Huber kennt jeden in Glaubenthal und das lässt ihre Liebe zu den Menschen nicht unbedingt wachsen, ein Grund mehr sich fern zu halten. Nun gibt es kaum noch jemanden, der in Glaubenthal mit ihrem Wohlwollen rechnen kann. Doch wo soll sie mit ihren Ermittlungen ansetzen, was hat es mit diesen ganzen Nazisymbolen auf sich, die doch gar nicht zur Toten passen wollen?

Das Dorf ist größer, als mir beim Hören bisweilen lieb war. Diese ganzen Charaktere mit ihren vielfältigen Namen muss man beim Hören erst mal auf die Reihe kriegen, insbesondere wenn man erst beim 3. Teil der Reihe einsteigt, wie ich. Das hat dann auch irgendwann geklappt, aber so richtig warm bin ich nicht mit ihnen geworden. Karl Menrad mag ich als Sprecher wirklich gerne und er gibt ihnen allen eine ganz eigene bisweilen grantelige, verschrobene, hinterwäldlerische Note, Die Rolle der Polizisten ist mir noch etwas unklar. Frau Huber löst den Fall, wird aber letztendlich von ihnen gerettet, obwohl sie eher mit sich selbst und ihren Bedürfnissen beschäftigt sind. Die eigentliche Rettung, auf die ich mich spannungsmäßig gefreut habe, ist aber irgendwie schnell übersprungen worden.

Der Schreibstil ist recht gewöhnungsbedürftig und die bisweilen eingestreuten Reime, fand ich etwas gewollt. Das hat mich auch immer etwas aus der Geschichte rausgeholt. Es war schrullig, ja, es hat so was von Inzucht in Gebirgsschluchten, aber so richtig witzig fand ich es nicht. Die sympathischste Person war für mich der amerikanische Tourist und vielleicht noch der 95 jährige Bibliothekar, was durchaus einen gewissen Charme hat. Allerdings gefiel mir seine Interpretation eines Gehörlosen nicht. Da dieser hörend aufwuchs und er später sein Hörvermögen verlor, müsste er völlig unauffällig reden und eben nicht wie jemand klingen, der noch nie gehört hat.

Ich hatte aufgrund der Beschreibung völlig falsche Erwartungen. Auch der titelgebende Peter ist gar nicht so wichtig und hatte entgegen der Inhaltsangabe schon lange keinen Kontakt mehr zur Verstorbenen... Falsche Erwartungen stören mich nicht unbedingt, aber ich hatte mich auf einen locker leichten Cosy Crime gefreut und der Mix aus Trockenlegung des braunen Sumpfs mit dem sehr speziellen teilweise gereimten Humor, ist nicht ganz mein Fall. Prinzipiell hat es mir aber gefallen, dass auch in Österreich die Aufarbeitung vergangenen Übels in den Fokus genommen wird.

Wie man vielleicht merkt, weiß ich nicht so recht, was ich von diesem Werk halten soll, es ist nicht schlecht, aber auch nicht gut.... Ich werde die Reihe wohl nicht rückwärts hören (mache ich tatsächlich manchmal) aber Humor ist ja verschieden.


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