Schlau oder Egoman?
Der schlauste Mann der WeltJens Leunich war mal ein ganz normaler Typ in den 70er Jahren, der nach seinem mittelmäßigem Abitur, vor dem Studium erst mal zurück gestellt wurde und daher mit einem Klassenkameraden, dem es ebenso ging, ...
Jens Leunich war mal ein ganz normaler Typ in den 70er Jahren, der nach seinem mittelmäßigem Abitur, vor dem Studium erst mal zurück gestellt wurde und daher mit einem Klassenkameraden, dem es ebenso ging, für 4 Wochen nach Indien pilgerte. Am Strand musste er die Hütte räumen, wenn sein dealender Kumpel die Mädels flachlegte und so zog es ihn mit einer Zufallsbekanntschaft in einen Ashram. Dort lernte er zu meditieren, und dass er sein Herz nicht an Besitztümer hängen solle. Interessiert, aber unerleuchtet schließt er am Flughafen einen Deal ab: er tritt seinen Sitzplatz im überfüllten Flug an einen Milliardär ab, dafür zahlt er im die Hunterkunft mit allem drum und dran im besten Hotel vor Ort, bis der nächste Flug ihn mitnehmen kann. Es folgt eine Woche, die ihn fast mehr beeindruckt, als alle Gurus bisher. Zu Hause ist es nicht so bequem. Er beginnt einen Job als Assistent eines Innenarchitekten, mit dem sie dessen Schloss umplanen. So, würde er auch gerne leben. Doch sein Chef meinte, dass es sehr kostspielig sei, dieses Schloss auch zu unterhalten und all die Angestellten zu finanzieren. Leben im Luxushotel wäre billiger. Jens rechnet aus, das er wohl über 30 Mio. für ein angenehmes Leben ohne Arbeit im Luxushotel benötigt und beschließt, diese wie der Schlossherr in New York bei einer Bank zu erwerben.... Nun steht sein Lebensende bevor und Jens beeilt sich, seine Geschichten und Erkenntnisse noch schnell in den PC zu tippen....
Konsum und Arbeit sind die Wurzel allen Übles, die Gier nach Mehr, der Überfluss, der die Ressourchen unserer Erde überstrapazieren. Daher ist es das Beste nichts zu tun, aber das muss man sich auch erst mal leisten können! Und Jens Leunich kann, dank eines verrückten Coups in den 70ern, der heute so nicht mehr funktionieren würde. Mit Hilfe seines schweizer Privatbankiers erarbeitet er eine Strategie, die ihn der Steuerpflicht entkommen lässt und ihn rund um den Erdball führt. Anfangs ist das furchtbar aufregend, verliert aber mit den Jahrzehnten unglaublich an Reiz und tatsächlich unterlaufen auch einem erfahrenen Meditationskünstler bisweilen Fehler, die seinen Plan in Gefahr bringen. Wie gut, dass er seine Einsichten mit uns teilt, so dass wir diese Fehler vermeiden können, sollten wir mal Zugriff auf 33 Mio. $ erhalten.
Eigentlich ein sehr charmanter Plan, aber seien wir ehrlich, auch das Leben im Luxushotel stellt Konsum dar und keinen bescheidenen, dafür aber umso angenehmer! Auch seine vielen Flugreisen sind sicherlich das Gegenteil von unschädlichem Nichtstun. Allerdings vermeidet er auch Bindungen, so dass er nicht zur weiteren Überbevölkerung beiträgt... Amüsant und erheiternd nehmen uns Andreas Eschbach und Matthias Koeberlin mit auf die Reise in die Welt der Megareichen. Die Wahl des Sprechers ist für meinen Geschmack optimal, entspannt und wie selbstverständlich erzählt er gelassen und unaufgeregt von dem unfassbaren Werdegang eines Abiturienten, von dem eigentlich niemand Großes erwartet hat, der aber Geschichte schrieb. Es klingt bei ihm, als wäre es die normalste Sache der Welt, wie er durchs Leben ging, aber so ist das wohl, wenn man ein Meister der Meditation wird, einfach weil man beschließt nichts, rein gar nichts zu tun. Dabei gelingt es ihm, zwar elegant entspannt, aber nie monoton zu klingen. Mit feiner Modulation unterhält Matthias Koeberlin bestens, mit diesem Schelmenstück des Kapitalismus.
Am Ende lässt sich der Autor noch eine originell Wendung einfallen, die ich ihm als Juristin immer mal wieder zuraunen wollte, aber leider hat Jens Leunich nicht auf meine Kommentare vor dem CD-Spieler gehört und so wurde es für seine unaufgeregten Verhältnisse noch richtig dramatisch zum Ende. Und auch wenn ich nie mit ihm tauschen wollte, da ich lieber Bindungen und Kinder, als Personal habe, dass mir die Wünsche von den Lippen abliest (das macht meine Familie tatsächlich nicht) habe ich mich stets bestens unterhalten gefühlt und kann dieses Hörbuch nur empfehlen!
Ganz herzlichen Dank an die Lesejury für mein Hörrundenexemplar!