Es gibt keine Garantie für's Glück...
Das Glück am Ende der StraßeZwei Frauen die in einer Stadt leben, doch so unterschiedlich, dass sich die Wege der obdachlosen Elli (Ende 50) und der gutaussehenden privilegierten Lisa eigentlich nie kreuzen würden. Doch Lisa wohnt ...
Zwei Frauen die in einer Stadt leben, doch so unterschiedlich, dass sich die Wege der obdachlosen Elli (Ende 50) und der gutaussehenden privilegierten Lisa eigentlich nie kreuzen würden. Doch Lisa wohnt mit ihrer Familie in einem der wenigen exklusiven Einfamilienhäusern mit Garage und Garten mit Blick auf den Park. Dort sitzt Elli oft und beobachtet die Leute und besonders Lisas Familie. Während Lisa vor lauter Stress oft nicht weiß wo ihr der Kopf steht, weiß Elli nicht nicht wohin mit ihrer Zeit. So schenkt sie Lisas Kindern das wovon sie am meisten hat: Zeit und Aufmerksamkeit! Mit der achtjährigen Leonie freundet sie sich besonders an, dem zwölfjährigen Ruben hilft sie mehr Selbstvertrauen zu entwickeln und die fünfzehnjährige Fiona im Liebeschaos, behält sie im Auge. Lisa ahnt nicht, von wem ihr Leonie und immer häufiger auch flüchtige Bekannte erzählen, während die Tage immer kühler werden und das Leben auf der Straße für Elli eine immer größere Herausforderung. Was Lisa auch nicht ahnt: bald wird sie es sein, die Hilfe ebenso braucht, wie Elli.
Zu Beginn war ich etwas erstaunt, da ich dachte, dass es wirklich gleichberechtigt um zwei Frauen geht, aber tatsächlich steht Elli im Mittelpunkt und zu ihr passt Angelika Thomas ganz hervorragend mit ihrer reifen, freundlichen und warmherzigen Stimme, voller Lebenserfahrung und Güte. Diese wandelt sie schon für die Kinder und die übrigen Obdachlosen ab, aber bei aller Wandlungsfähigkeit bleibt der wissende Beiklang. Das macht aber nichts, denn es geht um die Geschichte eines sehr bewegten Lebens, das ganz anders verlief, als Elli es sich ursprünglich erträumt hat. Von Schicksalsschlägen und Krankheit gebeutelt, kommt sie trotz ihrer kultivierten, freundlichen Art, immer wieder ganz unten an und versucht mal mehr, mal weniger erfolgreich sich wieder aufzurappeln. Aber so einfach wie „aufstehen, Krönchen richten, weitermachen“ ist das Leben nicht, vor allem, wenn man älter wird und keine abgeschlossene Berufsausbildung und Anschrift vorweisen kann. Doch es gibt immer wieder freundliche Menschen, die ihr helfen und auch Menschen, denen sie hilft. Allerdings geht dies nur, wenn der andere sie auch lässt. So wird die Geschichte dieser Frauen nicht stringent erzählt, nein, Ellis erinnert sich immer wieder zurück, an die schönen Momente und die Enttäuschungen, während Lisa bisweilen verunsichert auf die Veränderungen in ihrer heilen Welt reagiert, bis sie merkt, dass sie ihr Leben wieder selbst in die Hand nehmen muss. Eine Geschichte voller kleiner bewegender Anekdoten und Erinnerungen, die einem immer wieder in den Kopf schießen, vor allem wenn der Blick auf Obdachlose in der eigenen Stadt fällt. Diese Schicksalsmomente sind bisweilen so bewegend, dass ich tatsächlich traurig war, dass das Hörbuch gekürzt ist, weil ich mich fragte, welche Erinnerungen ich denn nun verpasst habe. Im Allgemeinen mag ich gekürzte Hörbücher, da sie Geschichten straffen, die es gut vertragen können, aber hier hatte ich etwas die Befürchtung, ich könne etwas verpasst haben.
Der Stil von Ulrike Herwig ist angenehm fließend, wie der Fluss des Lebens. Mal fließt es schneller, mal ruhiger, mal aufgewühlt, aber es geht immer weiter und man kann nicht bis zum Ende sehen. Wie der Titel es erahnen lässt, wendet sich das Meiste zum Guten. Einige Momente kann man jedoch nicht mehr zurückholen und falsche Entscheidungen nicht immer revidieren. Doch Elli und Lisa machen das Beste aus dem, was sich ihnen bietet und das ist ein wunderbarer Gedanke!
Bei dem Titel hatte ich auf leichte, plätschernde Sommerunterhaltung spekuliert, wunderbar als „Gute-Nacht-Geschichte“ dabei hätte ich bei der Autorin auf etwas subtileres und nachdenklich stimmendes gefasst sein müssen. Neben Elli lernt man auch andere Obdachlose kennen und nicht alle haben den Kampf noch nicht aufgegeben, sondern treiben scheinbar unaufhaltsam auf einen einsamen Tod und dem Verderben entgegen. Diese Momente sind nicht leicht und beschwingt, aber realistisch und verdeutlichen ganz klar, was Elli auch blühen könnte, wenn sie nicht jeden Morgen beschließen würde, ihre Würde zu bewahren. Dabei wird die Gemeinschaft auf der Straße in den Schilderungen nicht ihrer Würde beraubt, aber schonungslos in ihrer Perspektivlosigkeit und Resignation dargestellt, aber stets als Menschen mit Persönlichkeit.
Ein warmherziger Roman mit Tiefe, bei dem sich das genaue Zuhören lohnt, um keine von Ellis und Leonies treffenden Bemerkungen zu verpassen. Unbedingt zu Empfehlen, wenn man gerade nicht nur leichte Unterhaltung sucht.