Was zählt?
Solange wir schwimmenDas Schwimmbad unter der Erde – regelmäßig trifft sich dort eine eingeschworene Gemeinschaft, die unterschiedlicher nicht sein könnte. Das Schwimmen eint sie, es ist ihr Anker, ihre Konstante im Leben, ...
Das Schwimmbad unter der Erde – regelmäßig trifft sich dort eine eingeschworene Gemeinschaft, die unterschiedlicher nicht sein könnte. Das Schwimmen eint sie, es ist ihr Anker, ihre Konstante im Leben, auch für Alice, die ganz langsam der Demenz anheim fällt.
Doch dann passiert etwas, es gibt einen Riss im Schwimmbad und das gewohnte Leben ist in Gefahr. Woher kommt der Riss? Ist er gefährlich? Kann er repariert werden? Auch die Erinnerungen von Alice werden immer brüchiger und so kommt sie eines Tages in ein Pflegeheim. Ihre Tochter beginnt, die Beziehung zu ihrer Mutter aufzuarbeiten und zu vertiefen.
Das Buch hat mich unglaublich berührt. Es fängt so leicht an mit der Beschreibung der Menschen, die sich regelmäßig im unterirdischen Schwimmbad treffen. Die ganzen merkwürdigen Typen mit ihren kleinen und großen Macken. Sie beschreibt auch ganz genau, wie gut es tut, regelmäßig Bahnen zu ziehen und das Gefühl danach. Es kommt mir nur zu bekannt vor.
Dann wird es von Kapitel zu Kapitel ernster und es geht an den Kern des Buches. Es geht um die Geschichte von Alice, ihrer Demenz und dass ihre Tochter merkt, dass es jetzt zu spät ist, all das nachzuholen, was sie mit ihrer Mutter hätte machen können.
Julie Otsuka gelingt es, das Ganze sprachlich so gut auszudrücken und schafft es sogar, das Pflegeheim in eine Stimme zu verwandeln. Es ist eine Stimme, die aufzählt, was dort auf Alice wartet und nichts beschönigt.
Diese Beschreibungen zeigen, was aus den Erinnerungen alles verloren geht. Jegliche Selbstbestimmung, Intimsphäre und die gewohnte Umgebung mit den geliebten Menschen – es ist ein kompletter Neustart, bei dem das Ende vorbestimmt ist. Und den Weg dorthin schildert die Stimme des Pflegeheims genau, sehr sachlich, aber sehr direkt, so dass mir jetzt beim Schreiben noch immer ein Gefühl der Enge in der Magengegend ist.
Beklemmend genau geht beschreibt Julie Otsuka den Weg von Alice, sie schildert ihr Leben, die Höhen und die Tiefen und auch die Beziehung ihrer Tochter zu ihr. Ihr wird klar, was sie versäumt hat und man fühlt als Leser*in den Schmerz und den Verlust. Es tut so unglaublich weh und was ist das für eine Schreibkunst, das so fühlbar zu machen!
So traurig das Buch ist, so gut ist es auch. Eine ganz große Leseempfehlung!