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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.10.2017

Anders als erwartet

Die Melodie meines Lebens
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Vor 33 Jahren schickten Alain und die New-Wave-Band Hologrammes ihr Demo-Tape an eine französische Plattenfirma. Die Antwort, eine begeisterte Zusage für einen Plattenvertrag, erhält der Gitarrist Alain, ...

Vor 33 Jahren schickten Alain und die New-Wave-Band Hologrammes ihr Demo-Tape an eine französische Plattenfirma. Die Antwort, eine begeisterte Zusage für einen Plattenvertrag, erhält der Gitarrist Alain, der heute als Arzt tätig ist, drei Jahrzehnte später. Verblüfft fragt er sich, was überhaupt aus den anderen Bandmitgliedern geworden ist und begibt sich auf die Suche.

So ungefähr lautet der Klappentext und erwartet habe ich eine fröhliche Wiedervereinigung der Hologrammes mit französischem Flair. Bekommen habe ich etwas ganz anderes. In Antoine Laurains neustem Roman geht es viel mehr um die Schicksale und Geschichten der Bandmitglieder im Kontext des aktuellen Zeitgeschehens, nicht um ein erneutes Aufleben der Band oder der Musikleidenschaft. Mir hat diese Gesellschaftskritik insgesamt zwar gut gefallen, dank des Klappentextes fiel es mir jedoch nicht unbedingt leicht, mich sofort komplett auf diese Kritik und ihren Hintergrund einzulassen. Vielen in der gemeinsamen Leserunde zu diesem Buch ging es ähnlich und das ist auch der schwerwiegendste Grund für meine eher mittelmäßige Bewertung von 3,5 Sternen..

Mit Protagonist Alain bin ich auch nicht richtig warm geworden und bis zum Schluss blieb er für mich etwas blass. Allerdings habe ich andere Bandmitglieder richtig lieb gewonnen, besonders der Selfmade-Millionär und Informatiker Jean-Bernard hat mich überzeugt. Nicht richtig rund erschien mir, dass den Musikern unterschiedlich viel Zeit gewidmet wurde. Während der eine gefühlt die Hälfte des Buches einnimmt, wird ein anderer in wenigen Zeilen abgehandelt.

Wie oben bereits erwähnt, sind die Musiker für Laurain nur Mittel zum Zweck. Er greift aktuelle politische Themen auf und kritisiert, wie vor allem das Internet Rechtspopulismus eine Bühne gibt. Auch der technische Fortschritt und die Folgen für die Menschen spielt eine große Rolle, ebenso wie die klassischen Probleme der Kommunikation, die vor allem in Liebesbeziehungen existieren. Sobald ich mich darauf eingestellt und von meinen eigentlichen Erwartungen gelöst hatte, haben mir die gesammelten Anspielungen richtig gut gefallen.

Fazit:
Der neuste Roman von Antoine Laurain verzaubert wieder einmal dadurch, dass die Charaktere nicht zu ernst genommen werden und die Sprache klar und ohne viele Schnörkel auskommt. Der Klappentext ist leider sehr irreführend, denn anstatt einer lockeren oder gar romantischen Wiedervereinigung einer Band taucht der/die LeserIn immer weiter in eine brandaktuelle Gesellschaftskritik ab, die mir durchaus gut gefallen hat. Für mich gab es jedoch ein paar Ecken und Kanten im Aufbau des Buches und in den einzelnen Schicksalen der Personen zu viel, sodass ich insgesamt gute 3,5 Sterne vergebe.

Veröffentlicht am 17.10.2017

Humorvoll, interessant und lehrreich!

Die Entdeckung des Glücks
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Den größten Teil der Woche verbringen wir mit Arbeit, d.h. mit mehr oder weniger herausfordernden Aufgaben und Kollegen. Dass genau diese Dinge einen großen Einfluss auf unser Glück und unsere Lebensqualität ...

Den größten Teil der Woche verbringen wir mit Arbeit, d.h. mit mehr oder weniger herausfordernden Aufgaben und Kollegen. Dass genau diese Dinge einen großen Einfluss auf unser Glück und unsere Lebensqualität haben, nehme ich persönlich oft wahr, da ich ein sehr ehrgeiziger Mensch bin und meine Aufgaben am besten sofort und perfekt erledigen möchte. Da dieses Vorhaben utopisch ist, habe ich zu Isabell Prophets Glücksratgeber gegriffen.

Das Buch ist in drei Teile gegliedert und zuerst führt die Autorin vor Augen, warum die Suche nach dem Glück den meisten Leuten so schwierig fällt. Es geht unter anderem um den Zusammenhang von Geld und Glück, aber auch darum, dass wir Menschen uns ziemlich schnell an wiederkehrende Ereignisse gewöhnen und deren Glückspotential durch die Regelmäßigkeit immer weiter sinkt.

Im zweiten Teil wird erklärt, wo das Glück zu finden ist, was die eigene Gedankenwelt, Bewusstsein, Dankbarkeit, Ordnung, Sport und soziale Kontakte damit zu tun haben. Mir hat besonders gut gefallen, dass die Autorin hier auf viele aktuelle Studien eingegangen ist und im dritten Teil des Buches nochmal ganz konkret Lektionen für ein glücklicheres Leben verfasst. Nicht jede Methode ist für jeden Menschen geeignet, aber ich möchte viele Anstöße ausprobieren, da sie absolut logisch und gut erklärt wurden. Den dritten Teil habe ich mir daher mit einem Post-It markiert und werde sicherlich öfter wieder reinschauen. Übrigens gehen diese Lektionen weit über ein knappes "Verzeih anderen und dir selbst" hinaus, sondern erklären ganz konkret, wie das Verzeihen überhaupt gelingt. Das hat der ganzen Thematik ein bisschen die Spiritualität und Schwammigkeit genommen, die leider oft mit solchen Tipps einhergeht. Die Lektionen sind darüber hinaus auch alltagstauglich und umsetzbar ohne, dass man von allen Kollegen gleich für verrückt erklärt wird oder seine Aufgaben vernachlässigen muss.

Anzumerken ist auch, dass die Sprache im gesamten Buch sehr locker und humorvoll gehalten ist. Mir hat das Lesen des Buches vor allem im zweiten und dritten Teil sehr viel Spaß gemacht und die Zeit, die ich mir für das Lesen und für mich selbst genommen habe, hat mich auf jeden Fall schon mal ein bisschen glücklicher gemacht.

Nicht nur alle von Isabell Prophet angesprochenen Studien sind im Quellenverzeichnis zu finden, sondern auch weiterführende Ratgeber und Tipps zum Thema Glück, Achtsamkeit, Meditation und Ordnung.

Fazit:
Nicht alle Tipps zur Suche nach dem Glück waren neu für mich, in meinen Augen hat Isabell Prophet mit diesem Glücksratgeber aber eine gute Zusammenfassung der bisher bekannten und wissenschaftlich belegten Methoden geschrieben. Das Buch liest sich humorvoll und beinhaltet einige Anekdoten, in denen ich mich selbst wiedergefunden habe. Besonders gefallen hat mir der letzte Teil des Buches mit den konkreten Anleitungen für den Alltag, insbesondere für das Berufsleben, die ich auf jeden Fall mal ausprobieren werde.

Veröffentlicht am 17.10.2017

Einfühlsam und authentisch

Die Glasglocke
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"Die Glasglocke" ist der einzige Roman der Dichterin Sylvia Plath und enthält viele autobiografische Elemente, welche mich sehr berührt haben. Wie auch Plath selbst verbringt Protagonistin und Musterstudentin ...

"Die Glasglocke" ist der einzige Roman der Dichterin Sylvia Plath und enthält viele autobiografische Elemente, welche mich sehr berührt haben. Wie auch Plath selbst verbringt Protagonistin und Musterstudentin Esther Greenwood einen Monat in New York bei einer Modezeitschrift. Was als größte Chance ihres Lebens beginnt, verwandelt sich schon bald in einen Albtraum und wird von schweren Depressionen überschattet. Nicht nur Esther beginnt im Buch eine Therapie mit den damals noch gebräuchlichen Elektroschocks, auch Plath musste sich diesen Behandlungen unterziehen, beendete ihr Leben jedoch 1963 selbst. Wie es für Esther Greenwood ausgeht, verrate ich an dieser Stelle natürlich nicht.

Ihren Weg zu verfolgen ist spannend und extrem emotional. Ich habe Esther schnell in mein Herz geschlossen und konnte ihre Gefühle, Ängste und Träume gut nachvollziehen. Sylvia Plath hat einen einfühlsamen und sehr bildlichen Schreibstil, was sicherlich auch damit zusammenhängt, dass sie sich sonst eher mit der Lyrik auseinandergesetzt hat. Esther ist an einem Punkt im Leben angekommen, an welchem sie sich über ihre Zukunft klar werden muss und folgendes Bild von einem Feigenbaum geht mir in diesem Zusammenhang nicht mehr aus dem Kopf:

"Ich sah, wie sich mein Leben vor mir verzweigte, ähnlich [einem] grünen Feigenbaum [...]. Gleich dicken, pupurroten Feigen winkte und lockte von jeder Zweigspitze eine herrliche Zukunft. Eine der Feigen war ein Ehemann, ein glückliches Zuhause und Kinder, eine andere Feige war eine berühmte Dichterin, wieder eine andere war eine brillante Professorin, die nächste war [eine] tolle Redakteurin, die übernächste war Europa und Afrika und Südamerika, eine andere Feige war Constantin und Sokrates und Attila und ein Rudel weiterer Liebhaber mit seltsamen Namen und ausgefallenen Berufen, eine weitere Feige war eine olympische Mannschaftsmeisterin, und hinter und über all diesen Feigen hingen noch viele andere, die ich nicht genau erkennen konnte.Ich sah mich in der Gabel dieses Feigenbaumes sitzen und verhungern, bloß weil ich mich nicht entscheiden konnte, welche Feige ich nehmen sollte. Ich wollte sie alle, aber eine von ihnen nehmen bedeutete, alle anderen verlieren, und während ich dasaß, unfähig, mich zu entscheiden, begannen die Feigen zu schrumpfen und schwarz zu werden und plumpsten eine nach der anderen auf den Boden unter mir." (S. 85f)

Ich möchte gleich noch ein Beispiel für den in meinen Augen fantastischen Schreibstil bringen, der Esthers Schmerz richtig greifbar macht und die depressive Abwärtsspirale besonders deutlich hervorhebt:

"Ich sagte Doreen, ich würde nicht zu der Schau oder zum Lunch oder zu der Filmpremiere gehen, ich würde aber auch nicht mit nach Coney Island kommen, sondern im Bett bleiben. Nachdem Doreen gegangen war, fragte ich mich, warum ich es nicht mehr schaffte, das zu tun, was ich eigentlich tun sollte. Darüber wurde ich traurig und müde. Dann fragte ich mich, warum ich es nicht mehr schaffte, das zu tun, was ich eigentlich nicht tun sollte, so wie Doreen, und darüber wurde ich noch trauriger und noch müder.Ich wusste nicht, wie spät es war, aber ich hörte das Hin und Her und die Rufe der Mädchen auf dem Gang, während sie sich für die Pelzschau fertig machten, und dann hörte ich, wie auf dem Gang wieder Stille einkehrte, und während ich auf meinem Bett lag und zu der leeren, weißen Decke hinaufstarrte, schien diese Stille immer größer zu werden, bis mir fast das Trommelfell platzte." (S. 36f)

Tatsächlich habe ich mir sehr viele Stellen markiert und lese diese auch einige Wochen nach Beenden des Buches immer wieder gerne durch.

Die Thematik ist natürlich erdrückend und hat mich mitgenommen, doch immer wieder wurden auch schöne, hoffnungsvolle und sogar witzige Momente in Esthers Leben beschrieben, die vor allem ihrem Humor und ihrer Intelligenz zu verdanken waren. "Die Glasglocke" ist keine leichte Lektüre, aber das Lesen lohnt sich. Ich kann das Buch jedem ans Herz legen, der etwas mehr über Depressionen und den Umgang mit dieser Krankheit Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts erfahren möchte.

Fazit:
Ein bewegender Roman über das Leben mit Depressionen in den 1950ern. Mir hat besonders der emotionale und bildliche Schreibstil von Sylvia Plath gefallen und der dadurch sehr einfühlsame Umgang mit einem so schwierigen Thema. Die Geschichte rund um Esther Greenwoods Schicksal enthält außerdem einige autobiografische Elemente, weswegen das Leseerlebnis für mich durch eine Recherche zu Plaths eigenem Leben noch einmal intensiver wurde. Ich zähle "Die Glasglocke" ab sofort zu meinen Lieblingsbüchern.

Veröffentlicht am 17.10.2017

Auch mehr als 100 Jahre später noch brandaktuell

Unterm Rad
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Hans Giebenrath ist ein Musterschüler und qualifiziert sich mit seinen vorbildlichen Leistungen in der Dorfschule für das Landexamen. Bei erfolgreichem Bestehen stünde einem Stipendium für die Klosterschule ...

Hans Giebenrath ist ein Musterschüler und qualifiziert sich mit seinen vorbildlichen Leistungen in der Dorfschule für das Landexamen. Bei erfolgreichem Bestehen stünde einem Stipendium für die Klosterschule und die hohe geistliche Laufbahn nichts mehr im Wege. Von Vater, Lehrern, Rektor und Pfarrer wird Hans unter Druck gesetzt, lernt wochenlang für die Prüfung und tut die Nächte vorher kaum ein Auge zu. Mit Bravour besteht er schließlich das Landexamen, doch der Druck im Seminar wird nicht geringer und nach und nach gelangt der kleine Hans – wie der Titel es verrät – unter's Rad. Hermann Hesse schrieb dieses Werk vermutlich zur Verarbeitung seiner persönlichen Erfahrungen im evangelisch-theologischen Seminar im Kloster Maulbronn, welches er mit 14 Jahren besuchte und schließlich abbrach.

Zu Beginn der Erzählung ist Hans noch neugierig und aus eigenem Antrieb ehrgeizig, im Verlaufe seiner Ausbildung saugen ihn die Erwachsenen jedoch gnadenlos aus, bis eine gebrochene Seele zurückbleibt. Hans darf nicht einmal mehr seinem großen Hobby, dem Angeln, nachgehen und auch die geliebten Haustiere werden ihm genommen. In den Ferien wird wiederholt und vorgearbeitet, damit Hans auch ja mit den anderen Jungen mithalten kann. Was dieser Druck auf Dauer in Hans auslöst, erfährt der/die LeserIn hautnah.

"Hans wusste nicht, warum er gerade heute an jenen Abend denken musste, nicht, warum diese Erinnerung so schön und mächtig war, noch warum sie ihn so elend und traurig machte. Er wusste nicht, dass im Kleide dieser Erinnerung seine Kindheit und sein Kabentum noch einmal fröhlich und lachend vor ihm aufstand, um Abschied zu nehmen und den Stachel eines gewesenen und nie wiederkehrenden großen Glückes zurückzulassen." (S. 141)

Ständig ist Arbeiten und Lernen angesagt und sollte Hans sich doch einmal eine freie Minute nehmen, hat er selbst schon ein schlechtes Gewissen und wünscht sich sofort an den Schreibtisch zurück. Einen großen Anteil an diesem Verhalten tragen genau diejenigen, die Hans eigentlich vor Gefahren beschützen sollten: Sein Vater und seine Lehrer. Letzteren ist in der Erzählung nur daran gelegen, die Schüler zu unauffälligen Mitläufern zu erziehen, welche sich möglichst still und gefügig benehmen. Auf die Bedürfnisse und Besonderheiten eines einzelnen Kindes wird keine Rücksicht genommen, im Gegenteil, diese werden durch den Lehrer sogar noch glatt gebügelt.

"Wie schön hatte sich der kleine Giebenrath entwickelt! Das Strolchen und Spielen hatte er fast von selber abgelegt, das dumme Lachen in den Lektionen kam bei ihm längst nimmer vor, auch die Gärtnerei, das Kaninchenhalten und das leidige Angeln hatte er sich abgewöhnen lassen." (S. 47)

Auch wenn diese Erzählung bereits über 100 Jahre alt ist, erkannte ich doch erschreckend viele Parallelen zur heutigen Zeit. Hesses Kritik an Lehrern und Erziehern hat kaum an Aktualität verloren und mich gerade dadurch sehr beeindruckt.

"Ein Schulmeister hat lieber einige Esel als ein Genie in seiner Klasse, und genau betrachtet hat er ja recht, denn seine Aufgabe ist es nicht, extravagante Geister heranzubilden, sondern gute Lateiner, Rechner und Biedermänner." (S. 90)

Allerdings muss ich anmerken, dass mir der Einstieg dank des anspruchsvollen Schreibstils nicht besonders leicht gefallen ist. In Sachen Klassikern bin ich auch eher eine Einsteigerin, trotzdem konnte ich manch ältere Bücher flüssiger lesen. Ab und an verliert sich Hesse in meinen Augen außerdem in Nebensächlichkeiten.

Fazit:
Hermann Hesse hat mit dieser an seine eigene Jugend angelehnten Erzählung eine Schulkritik verfasst, die auch über 100 Jahre später erschreckend aktuell ist. Die Verwandlung des begabten Hans zu einem erschöpften, gebrochenen und daher für die Lehrer und den Vater nicht weiter interessanten Protagonisten bewegt und stellt eine Warnung dar, die sich jeder, der mit Kindern zu tun hat, zu Herzen nehmen sollte.

Veröffentlicht am 17.10.2017

Über eine "Freundschaft"

Die Party
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Ohne Vater wächst Martin Gilmour bei seiner Mutter auf, die ihm weder Interesse noch Zuneigung entgegenbringt. Auch in der Schule wird er von den anderen Kindern gemieden und tut sich schwer damit, seinen ...

Ohne Vater wächst Martin Gilmour bei seiner Mutter auf, die ihm weder Interesse noch Zuneigung entgegenbringt. Auch in der Schule wird er von den anderen Kindern gemieden und tut sich schwer damit, seinen Platz in der Klassengemeinde zu finden. Nach einem Wechsel auf das Internat Burtonbury lernt er den reichen und charismatischen Ben kennen, der alles zu verkörpern scheint, was Martin nicht ist. Schnell steht für ihn fest, dass Ben sein bester Freund werden muss, koste es, was es wolle. Über die Entstehung, Entwicklung und das Ende dieser außergewöhnlichen "Freundschaft" hat Elizabeth Day einen fesselnden Roman geschrieben.

Vor allem in Rückblenden wird die psychologisch sehr interessante und fesselnde Beziehung zwischen Martin und Ben in all ihren Einzelheiten dargestellt. Als Leserin war ich von der ersten Begegnung bis zur Eskalation auf der Party zu Bens 40. Geburtstag hautnah dabei. Besonders tief war der Einblick in Martins Psyche, denn die Mehrheit des Buches wird aus seiner Perspektive erzählt. Das hat mir das Lesen anfangs etwas schwer gemacht, denn Martin ist in seiner herablassenden Art und dem verzweifelten Versuch, Ben zu gefallen, wirklich ein ziemlich unsympathischer Zeitgenosse. Sein Charakter hat allerdings fantastisch in die Geschichte gepasst und nach einiger Zeit konnte ich mich daran gewöhnen. Auch Martins Frau Lucy kommt mehrfach zu Wort und steuert sehr interessante Details bei. Nur Bens Perspektive bleibt unbeleuchtet, einen guten Überblick über die gegenseitigen Abhängigkeiten bekam ich aber trotzdem.

Nicht nur die Beziehung zwischen Martin und Ben wird ausführlich analysiert, den größeren Rahmen für die Handlung bildet der Kontrast zwischen der gut gestellten Mittelschicht und der Oberschicht. Elizabeth Day stellt eindrucksvoll dar, wie einfach die Konsequenzen einer Handlung umgangen werden können, solange genügend Geld und Vitamin B im Spiel sind, und dass es für einen Außenstehenden wie Martin fast unmöglich ist, in diesen Kreisen nicht nur geduldet, sondern aufgenommen und respektiert zu werden, egal wie sehr er sich darum bemüht.

Im Klappentext ist von einem dunklen Geheimnis die Rede, welches Ben und Martin verbindet. Ich ging ursprünglich davon aus, dass dieses Geheimnis gegen Ende des Buches auf der Party gelüftet werden würde, doch damit lag ich falsch. Tatsächlich macht Martin schon knapp nach 100 Seiten eine ziemlich deutliche Aussage bezüglich seiner Verbindung zu Ben. Das machte die Analyse der Beziehung für mich jedoch nicht weniger spannend, viel mehr konnte ich erst dadurch das Verhalten beider Männer und ihrer Ehefrauen deuten. Sehr geschickt von der Autorin gemacht, wie ich finde.

Fazit:
Elizabeth Day ist mit „Die Party“ ein fesselnder Roman gelungen, in welchem sie die Unantastbarkeit der Oberschicht durch eine psychologisch sehr interessante Beziehung darstellt. Die Abhängigkeiten zwischen Martin und Ben haben mir sehr gut gefallen und wurden erschreckend realistisch dargestellt. Sehr lesenswert!