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dear_fearn

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.08.2019

Zwiegespalten

Mittwoch also
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Hedda ist Anfang 30 und hat eigentlich nichts mehr zu lachen: Job verloren, Liebeskummer, Flugangst beim Fluchtversuch aus ihrem festgefahrenen Leben, bei dem der Pilot einen Sturzflug veranstaltet, und ...

Hedda ist Anfang 30 und hat eigentlich nichts mehr zu lachen: Job verloren, Liebeskummer, Flugangst beim Fluchtversuch aus ihrem festgefahrenen Leben, bei dem der Pilot einen Sturzflug veranstaltet, und wird dann auch noch bei einem Tinderabenteuer versehentlich geschwängert. Uff! Und nun?

Zugegeben, ich habe auch erst gedacht, dass Hedda die vom Arzt verordnete Bedenkzeit nutzt, das Für und Wider der Abtreibung zu durchdenken. Im Kopf hatte ich mir das schon sehr schön ausgemalt, vielleicht sogar mit einer Änderung ihres Vorhabens entgegen ihrer ersten Einstellung.

Aber Milo taucht auf! Und jetzt beginnt alles nur noch mehr durcheinander zu geraten. Dass es nicht so gekommen ist, wie erst gedacht, ist vollkommen okay. Manchmal steht ein Entschluss und ist unumstößlich.

Die Charaktere sind meiner Meinung sehr gut gelungen und sehr echt. Ich mag die wilde Hedda, die Freiberuflerin in der Klemme, die Intellektuelle, die Junggebliebene. Und Lukas, für den Hedda einfach nicht die Richtige ist. Milo ist da schon abgedrehter, aber klar, es gibt solche Leute, irgendwie schräg-liebenswert. Dass Hedda sich in die Ecke gedrängt fühlt, hilflos ist, im Bauch eine tickende Zeitbombe, die alles nur noch komplizierter macht, kann ich verstehen.

Es ist, im Gegensatz zum ersten Eindruck, leichte Lektüre. Der Schreibstil ist hektisch, viele Literaturzitate, mit vielen Anspielungen auf aktuelles Geschehen, bei dem etwas Hintergrundwissen nicht schadet. Man erkennt den Puls der heutigen Zeit im Text. Einige Seiten sind fast leer, je nachdem, was gerade passiert, so rauscht man schneller durch das Buch, aber muss sich manchmal doch einen Moment Zeit nehmen, um den Sinn zu erfassen.

Veröffentlicht am 19.08.2019

Sehregeln und Gewalt

Die Welt in allen Farben
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In Joe Heaps Geschichte gibt es zwei Hauptcharaktere: Nova und Kate. Nova ist von Geburt an blind. Als sie die Chance bekommt, durch eine Operation das Augenlicht zu gewinnen, ergreift sie sie, doch stellt ...

In Joe Heaps Geschichte gibt es zwei Hauptcharaktere: Nova und Kate. Nova ist von Geburt an blind. Als sie die Chance bekommt, durch eine Operation das Augenlicht zu gewinnen, ergreift sie sie, doch stellt schnell fest: Sehen ist ein Vollzeitjob. Sie legt sich selbst "Sehregeln" fest und lernt anhand von Karteikarten Farben, Formen und Gegenstände. Kate dagegen lernt die raue Seite ihres Ehemannes kennen und trägt sowohl physische als auch psychische Schäden davon. Als sie Nova zufällig im Wartezimmer des Krankenhauses kennenlernt, kommt die Story richtig in Fahrt.

Das Buch mischt einige Genres, aber trifft keins so richtig. Hat was von Thriller, Erfahrungsbericht, Liebesgeschichte. Einfache Erzählweise, viele Dialoge, sehr viele Einblicke ins Innere der Protagonisten und deren jeweilige Handlungen, wobei Nova meines Erachtens zu wenig und Kate viel zu viel Raum bekommt. Es geht banalerweise recht oft ums Essen und Schlafengehen.

Trotz einfachem Schreibstil, empfand ich das Buch als recht langwierig zu lesen. Die Handlung geht schleppend voran und an vielen Stellen fehlen mir Informationen, die Charaktere und Story glaubhafter machen würden: Nova hat zwei verschiedene Meinungen eingeholt, warum entscheidet sie sich schlussendlich für die OP? Warum wird John Katzner als wichtige Bezugsperson angeführt, taucht dann jedoch kaum auf? Die beiden hätten mal ausführlich über Blindheit und Sehenkönnen sprechen sollen. Die Vorgeschichte von Kate und Tony wäre hilfreich gewesen. Für den Leser kommt es wie eine blitzartige Charakteränderung rüber. Die Situation mit Kates Mutter ist auch etwas heftig, bleibt unaufgelöst. Wenn schon alle anderen Details so auseinandergenommen werden, warum wird dann das Miet- und Kreditthema erst angerissen und dann unter den Teppich gekehrt? Wieso bekommen die beiden Frauen keine therapeutische Begleitung, sondern plagen sich mit ihrer jeweiligen PTBS und Panikattacken rum? Von Novas Sehenlernen hätte ich gern mehr gelesen, mehr Schwierigkeiten, mehr Erfolge... Die Gewalt, die von Kates Ehemann Tony ausgeht, war mir am Ende auch einfach viel zu abgedreht.

Schade! Die Story hätte deutlich mehr Potential gehabt. Hier wurden zu viele Themen zu oberflächlich abgehandelt.

Veröffentlicht am 05.08.2019

Kurz und schmerzhaft

Alles okay
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Marin wächst am Ocean Beach in San Francisco auf. Dieser Strand hält die besten und schlimmsten Dinge für sie bereit. Das Meer beruhigt sie und sie verbringt dort die schönsten Momente mit ihrer ...

Marin wächst am Ocean Beach in San Francisco auf. Dieser Strand hält die besten und schlimmsten Dinge für sie bereit. Das Meer beruhigt sie und sie verbringt dort die schönsten Momente mit ihrer besten Freundin Mabel. Aber an diesem Strand ist auch ihre Mum ertrunken, bei einem Surf-Unfall. Marin war erst drei Jahre alt und lebt seitdem bei ihrem Gramps. Die beiden haben eine ganz spezielle Beziehung, voller bedeutungsvoller Rituale, aber meist ist jeder für sich. Marin weiß nichts über ihre Mum. Gramps spricht nicht über sie und konnte ihren Verlust nie ganz verwinden. Als Gramps eines Tages verschwindet und die Polizei sie über seinen Tod informiert, macht Marin zuhause eine schmerzhafte Entdeckung. Kurzerhand beschließt sie wegzulaufen, alles hinter sich zu lassen, alle Kontakte abzubrechen und nicht mehr zurückzuschauen. Sie fliegt früher als geplant zu ihrem College, übersteht zwei Wochen in einem dreckigen Motel und beginnt schließlich ein neues Leben gemeinsam mit ihren Kommilitonen. Doch die Vergangenheit lässt sie nicht los, sie fühlt sich einsam und verloren. Und dann kommt Mabel kurz vor Weihnachten zu Besuch…

Durch dieses Buch bin ich voller Tränen geschwommen. Kurz und schmerzhaft. Der Schreibstil ist leicht verständlich, voller Beschreibungen und Dialoge. Aber zwischen den Zeilen schwingen Gefühle, die schwer auszuhalten sind: Verlust, Trauer, Einsamkeit. Marin fühlt sich betrogen, verlassen, erträgt den Gedanken an ihr altes Leben nicht mehr, weiß nicht, ob das alles real oder nur Täuschung war. Die Kapitel sind relativ kurz. Es wird zwischen Rückblick und Gegenwart gewechselt, bis Mabel Marins altes Leben mit in ihr neues bringt. Es ist eine Geschichte über Schmerzen, Heilung und darüber wie sehr wir die Liebe anderer Menschen benötigen.

Veröffentlicht am 29.07.2019

Zwei sehr mutige Mädels

Sal
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Ich-Erzählerin ist die kleine Sal. Aber was heißt klein? Anders als die meisten 13-jährigen in ihrem Alter, musste sie schon früh erwachsen werden. Ihre Mutter ist meistens betrunken und deren Freund nicht ...

Ich-Erzählerin ist die kleine Sal. Aber was heißt klein? Anders als die meisten 13-jährigen in ihrem Alter, musste sie schon früh erwachsen werden. Ihre Mutter ist meistens betrunken und deren Freund nicht nur ebenfalls alkoholabhängig, sondern auch noch gewalttätig und übergriffig. Er missbraucht Sal seit sie 10 ist.
Seit Peppa auf der Welt ist, tut Sal alles, um sie zu beschützen. Als Peppas 10. Geburtstag bevorsteht, bekommt Sal Panik und macht einen Plan, denn Peppa soll nicht das gleiche geschehen wie ihr. Sie dürfen nicht an die Öffentlichkeit gehen, denn die Schwestern haben Angst, dass sie vom Jugendamt in unterschiedliche Familien geschickt und getrennt werden. Es bleibt also nur ein Ausweg: Weglaufen!

Das Buch ist wirklich fantastisch geschrieben: Die Sprache ist die eines Kindes, mit viel "und", fast plappernd. Angesichts der Geschehnisse, der wilden Flucht, der Gewalt, den Begegnungen mit Ingrid und Adam, erscheint ihr Sprech fast etwas gefühlskalt. Sie registriert wirklich alles. Sehr ausführlich beschreibt sie die Landschaft und die Handgriffe beim Bau einer Hütte, beim Feuerentfachen, Hasenfangen, Angeln. Von ihr kann man als Leser viel lernen.

Alkoholmissbrauch, Gewalt und Vergewaltigung sind aktuelle Themen unserer Zeit. Das Aussteigerleben-Thema wird hier nochmal aus einer, aus der Not geborenen, Sicht beschrieben. Empfehlenswert und lehrreich. Auch aus emotionaler Ebene: Durch die anhaltenden Gefühle der Schwestern gegenüber ihrer Maw.

Veröffentlicht am 12.06.2019

Hübsch anzuschauen

Sich selbst vertrauen
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Das Buch ist sehr hübsch anzuschauen. Es ist klein und handlich, mit sehr schönem Cover und hochwertigen Papieren. Die Gestaltung der Kapitelbeginne mit jeweils einem Zitat gefallen mir wirklich gut. Das ...

Das Buch ist sehr hübsch anzuschauen. Es ist klein und handlich, mit sehr schönem Cover und hochwertigen Papieren. Die Gestaltung der Kapitelbeginne mit jeweils einem Zitat gefallen mir wirklich gut. Das macht es zu einem idealen Geschenk, wenn man im Umkreis jemanden hat, der einen Stups in die richtige Richtung braucht.

Leider ist der Inhalt nicht zu mir durchgedrungen. Es ist durchaus einfach geschrieben, wodurch die teils wissenschaftlich-philosophischen Inhalte für den Leser sehr gut verständlich sind. Aber es ist eben ein "Einstieg", geht nicht in die Tiefe und hat ja schließlich auch nur wenige Seiten. Da ich einige bessere Bücher als Vergleich habe, schneidet nun diese kleine Auseinandersetzung mit dem Selbstvertrauen bei mir nicht so gut ab. Anzumerken ist: Dies ist kein Ratgeber.