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Veröffentlicht am 27.12.2022

Geniale Idee - leider kaum realistisch umsetzbar

LEGO® Escape Abenteuer
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Legosteine sind toll und Escape-Rooms liegen voll im Trend, warum also nicht beides kombinieren und ein Escape-Room-Spiel mit Lego designen und bauen? Das ist eine geniale Idee, die von Barney Main und ...

Legosteine sind toll und Escape-Rooms liegen voll im Trend, warum also nicht beides kombinieren und ein Escape-Room-Spiel mit Lego designen und bauen? Das ist eine geniale Idee, die von Barney Main und Simon Hugo in diesem Buch mit Zubehör vorgestellt wird. Mich hat die Idee total überzeugt, weswegen ich das Buch auch bestellt habe. Es sind drei Escape-Room-Spiele im Buch enthalten: eine ägyptische Schatzsuche, eine Flucht im Weltall sowie ein Safari-Abenteuer.

Zunächst wird für jedes Spiel der Spielablauf mit Hilfe eines Comics skizziert. Ich konnte mich prima in die spätere Lösungssuche hineinversetzen. Hier taucht auch jedes zu bauende Element erstmalig auf und es wird klar, wofür es benötigt wird.

Es folgen Beschreibungen zum Aufbau der einzelnen Elemente wie zum Beispiel der „Alten Steintafel“ oder der „Archäologischen Grabung“ aus der „Ägyptischen Schatzsuche“. Diese Beschreibungen sind recht grob, es sind nicht alle benötigten Steine präzise benannt. Einiges muss man sich selbst herleiten, was grundsätzlich auch okay ist, denn das Buch soll ja vor allem die eigene Fantasie anregen. Dazu ist der Text an einigen Stellen ordentlich gespickt mit alternativen Bauideen. Ergänzt werden die beiden eher ausführlichen Beschreibungskapitel um eine Doppelseite zur Platzierung der Escape-Room-Elemente. Es folgt abschließend eine Übersicht zur Spielanleitung, die der Moderator des Spiels dabei haben sollte, wenn das Spiel startet, um immer den Überblick zu behalten und den Mitspieler:innen sinnvolle Tipps geben zu können.

Im Anschluss an die drei vorgegebenen Spiele gibt es noch jede Menge kreative Anregungen zu weiteren individuellen Escape Rooms. Bis hierhin kann das Buch überzeugen, auch wenn ich mir vielleicht an mancher Stelle mehr Details in der Beschreibung gewünscht hätte. Dafür würde ich tatsächlich auf einen Teil des kreativen Ansatzes verzichten.

Das größte Manko bzw. Problem sind für mich die Steine. Wir haben nach meinem Ermessen eigentlich ausreichend Lego zu Hause, aber für diese Anleitung müsste es noch viel mehr sein. Unsere Mischung passt einfach nicht gut zu den hier zu bauenden Elementen. Mindestens 50% der Steine müsste ich individuell nachkaufen. Das ist mir ehrlich gesagt zu aufwendig, denn die mitgelieferten Steine können nicht annähernd ausgleichen, was mir an Steinen fehlt. Es wäre aus meiner Sicht besser gewesen, ein Buch ganz ohne Steine anzubieten. Als Ergänzung zum Buch hätte man dann Bausätze für jeden der Escape-Rooms anbieten können. Mit dieser Miniauswahl an Steinen weckt das Produkt Hoffnungen, die es nicht erfüllen kann. Dadurch entsteht eine unnötige Enttäuschung zu einem eigentlich guten Produkt, nämlich das Buch selbst.

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Veröffentlicht am 04.12.2022

Ein Verwundeter in einem kranken Land

Unter der Drachenwand
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Es tobt der Zweite Weltkrieg. Veit Kolbe ist Soldat, in Russland verwundet. Seine wuchernde Beinverletzung hat ihm Urlaub in Mondsee verschafft. Doch die offensichtliche Verletzung ist nicht der einzige ...

Es tobt der Zweite Weltkrieg. Veit Kolbe ist Soldat, in Russland verwundet. Seine wuchernde Beinverletzung hat ihm Urlaub in Mondsee verschafft. Doch die offensichtliche Verletzung ist nicht der einzige Schaden, den der Krieg Veit Kolbe zugefügt hat. Immer wieder suchen ihn die Erlebnisse des Krieges in seinen Träumen und Visionen heim. Dabei empfindet Veit weit größere Angst als in Russland am Ort des Geschehens, als er noch mitten drin war. So fürchtet der Verwundete auch die alle paar Wochen stattfindenden Arzttermine , wo geprüft wird, ob er wieder zurück ins Feld kann.

Im Schatten der Drachenwand liegt Mondsee beschaulich und beschützt fernab von den kriegsgebeutelten Großstädten des Reiches. Die Kinderlandverschickung unterhält mehrere Lager dort. Ansonsten ist nicht viel los für einen Verwundeten. Um dem Trübsal zu entkommen, schreibt Veit Kolbe Tagebuch. Dieses bildet nun ergänzt von postalischer Korrespondenz weiterer Charaktere den Text, den wir lesen.

Arno Geiger schafft eine düstere Atmosphäre von einem Land kurz vor dem Kollaps. Die Jugend wird als Kanonenfutter verheizt, während die Älteren noch Aufrichtigkeit und Rechtmäßigkeit predigen. Der Mangel an Lebensmitteln und Kleidung hat auch den letzten erreicht. Viele Menschen befinden sich auf der Flucht. Über stete Briefwechsel versuchen die verstreuten Familien in Kontakt zu bleiben und sich gegenseitig auf dem Laufenden zu halten. Die Bedeutung der Post wird vom Autor hervorragend herausgearbeitet. Mir war das gar nicht so bewusst.

Zeitweise liegt die Hoffnungslosigkeit so stark zwischen den Zeilen, dass das Lesen müßig wurde. Interessant war die Lektüre für mich trotzdem. Besonders erstaunt hat mich das Nicht-Glauben-Wollen an die bevorstehende Katastrophe. Die jüdische Familie ist den Schritt der Flucht aus Wien letztlich nicht schnell genug angegangen, dann hat sie sich nicht weit genug von deutschem Einflussgebiet entfernt. In Darmstadt haben die Leute ebenfalls nicht daran geglaubt, dass die Bombardements die Stadt dem Erdboden gleich machen könnten. Nicht wenige haben bis zuletzt noch an einen Sieg geglaubt.

Insgesamt lesenswert.

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Veröffentlicht am 01.12.2022

Ein wahrhaftiger Held

Codename: Sempo
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Gern begegne ich zunehmend mehr Beiträgen zu historischen Gegebenheiten, die sich fernab von Europa angespielt haben. Noch interessanter sind sie thematisch für mich, wenn es wie in dieser Biografie über ...

Gern begegne ich zunehmend mehr Beiträgen zu historischen Gegebenheiten, die sich fernab von Europa angespielt haben. Noch interessanter sind sie thematisch für mich, wenn es wie in dieser Biografie über Chiune Sugihara direkte Zusammenhänge mit der europäischen Geschichte gibt.

Die Biografie startet mit Sugiharas Schulzeit und durchläuft chronologisch die verschiedenen Schritte seiner Ausbildung. Danach werden stationsmäßig die ihm zugestandenen Posten im Auftrag des Außenministeriums aufgeführt. Bis hierhin erscheint die Biografie etwas trocken. Doch die aufgeführten Fakten helfen die späteren Ereignisse zu verstehen. Es folgt die Zeit als Vizekonsul in Kaunas, wo Sugihara sein Lebenswerk vollbringt. Hier erfahren wir auch, wie es zum Codenamen SEMPO gekommen ist. Danach treibt der Krieg die Familie vor sich her. Von Kaunas geht es nach Bukarest, bis es dort aufgrund bevorstehender Bombardements auch zu gefährlich wird.

Die Biografie beschränkt sich allerdings nicht nur auf das politische Schaffen Sugiharas, sondern beschäftigt sich auch stets mit dessen familiärer Situation. Während zunächst das Verhältnis zu Vater und Mutter thematisiert wird, geht es später um die Beziehung zu Klaudia Semjonowa Apollonow. In diesem Kontext wird Sugiharas Haltung zum Glauben analysiert. Richtig ans Herz gewachsen ist mir Chiune Sugihara allerdings erst als Familienvater mit Kräutergarten. Die Chemie zwischen ihm und seiner zweiten Frau Yukiko passt perfekt. Darüberhinaus gefällt mir einfach die von beiden gelebte weltoffene, integrierende Haltung. Yukiko sorgt stets dafür, dass ihre Kinder umfänglichen Kontakt zu den Kindern im Umfeld haben. Chiune begegnet Menschen auf Augenhöhe, lädt sie zu sich ein, lässt sich einladen, kommt schnell mit vielen in angenehmen Kontakt.

Rund wird die Biografie durch das Aufführen von Stimmen Geretteter. Sie geben jeweils einen Teil ihrer eigenen Geschichte preis und werfen rückblickend noch einmal ein besonderes Licht auf Sugihara. Wo die Quellen für die Biografie widersprüchlich waren, setzt sich Andreas Neuenkirchen in einer Art Nachlese kontrovers mit den verschiedenen Sichtweisen auseinander.

Insgesamt ist Codename: Sempo für mich eine gut recherchierte Biografie eines in Deutschland eher unbekannten Protagonisten. Sie hat mir einen neuen Blickwinkel auf Japan und seine Kultur ermöglicht. Gern empfehle ich die Lektüre.

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Veröffentlicht am 25.11.2022

Reise in die Vergangenheit

Die Sehnsucht nach Licht
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Nach „Was uns erinnern lässt“ und „Wo wir Kinder waren“ habe ich mich sehr gefreut, als ich den neuen Roman von Kati Naumann entdeckt habe. Ich mag ihre Geschichten, die aus dem aktuellen Geschehen heraus ...

Nach „Was uns erinnern lässt“ und „Wo wir Kinder waren“ habe ich mich sehr gefreut, als ich den neuen Roman von Kati Naumann entdeckt habe. Ich mag ihre Geschichten, die aus dem aktuellen Geschehen heraus den Blick in die Vergangenheit wagen und den Fokus auf ganz bestimmte Gegenden richten. Die Autorin arbeitet mit hoher Sensibilität die kritischen Ereignisse im gewählten Setting heraus und verbindet diese geschickt mit ihren sympathischen Charakteren.

Im neuen Roman bewegen wir uns in der Bergbauregion im Dreieck zwischen Schneeberg, Schlema und Aue, südöstlich von Zwickau. Als jüngstes Mitglied der Bergmannsfamilie Steiner beschließt Luisa für ihre Großtante Irma Nachforschen zu deren einst verschollenen Bruder Rudolf anzustellen. Einmal angefangen, gräbt sie tief in die Familiengeschichte hinein und fördert so manches Geheimnis zu Tage. Ganz nebenbei wird der mehrfache Auf- und Abstieg der Region im Wandel behandelt, zeitweise Kurort, mal sowjetische Besatzungszone, durchgehend mehr oder weniger intensiv ausgebeutete Bergbauregion. Interessant war für mich darüber hinaus die Entwicklung des Gesundheitsschutzes im Bergbau. Mit dem Wissen um heutige Möglichkeiten ist vieles erschreckend. Dennoch gab es einfache Mittel und Regeln sowie den Zusammenhalt der Kumpel, wodurch tatsächlich Leben im noch sehr gefährlichen Bergbau gerettet werden konnten.

Begleitet wird die Familienforschung von Traditionen und Weisheiten der Bergmannswelt. „Ein Bergmann ist ehrlich” und “Wir lassen keinen zurück” seien hier nur beispielhaft genannt. Besonders schön finde ich das allabendliche Anzünden der Leuchter, damit die Bergleute nach Hause finden. Ich stelle es mir schön vor, beim Nachhausekommen die Leuchter im Fenster zu sehen und zu wissen, dass hinter dem Fenster meine liebe Familie auf mich wartet. Darüberhinaus trägt auch das gemeinsame Klöppeln von Spitze und das Geschichtenerzählen zu dieser heimeligen Atmosphäre bei. Insgesamt entsteht ein positives Gefühl von Heimat, dem ich mich bedingungslos hingeben kann.

Summa summarum bin ich mal wieder begeistert von Kati Naumann. Die Geschichte bringt gelesene Wärme in diese kalte Jahreszeit. Wenn man unsere aktuelle Krisenlage mit den beschriebenen Krisen des Schlematals vergleicht, erscheint das eigene Schicksal doch gleich in einem anderen Licht. Als kleines Highlight zwischendurch fügt die Autorin ein verbindendes Element zum Vorgänger-Roman ein, indem sie der kleinen Irma einen Nachziehhund der Firma Langbein an die Hand gibt. Ich liebe so etwas.

Ganz klare Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 10.11.2022

Außenseiterin oder Retterin in einer dunklen Zeit

Das Gesetz der Natur
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Mit dieser faszinierenden Geschichte begeben wir uns in eine nicht allzu ferne Zukunft, bewegen uns im Amerika nach einer enormen Katastrophe. Bildung, speziell das Lesen, ist für die Allermeisten verloren ...

Mit dieser faszinierenden Geschichte begeben wir uns in eine nicht allzu ferne Zukunft, bewegen uns im Amerika nach einer enormen Katastrophe. Bildung, speziell das Lesen, ist für die Allermeisten verloren gegangen. Der tägliche Kampf ums Überleben ist in den Vordergrund gerückt.

Mittendrin befindet sich Gaia. Sie lebt fernab der Städte mit zwei Männern und ein paar Tieren versteckt im Wald. Ihr Erscheinungsbild entspricht nicht annähernd der Norm. Es kommt, wie es kommen musste. Sie wird entdeckt und abgeführt. Nur ihre Fähigkeit zu lesen bewahrt Gaia vor dem sicheren Tod. So beginnt für Gaia eine lange Reise, eine Gratwanderung zwischen Leben und Tod bzw. zwischen Gut und Böse auf der Suche nach ihrem Platz in der Welt.

Die Atmosphäre ist düster. Das Leben ist wenig attraktiv. Einige wenige Männer beherrschen die Massen. Wer nicht in die Norm passt, gehört zu den Geächteten. Bis auf die Obrigkeit ist die Bevölkerung in Anonymität versunken. Selbst einige Hauptfiguren des Romans sind namenlos. Gaias Reise erinnert an die Heimkehr des Odysseus aus dem Trojanischen Krieg, manche Gegenden, die sie durchquert, haben etwas von Mordor.

Trotz der durchgehend negativen Schwingungen, der Gewalt sowie der vielen Toten, die den Weg der Reisenden pflastern, ist der Roman attraktiv. Vielleicht ist es Gaias Streben nach Gerechtigkeit oder es sind ihre Unterstützer, die sich über Gepflogenheiten der Ächtung hinwegsetzen und Gaia einfach helfen. Auch Gaias Entwicklung ist für mich attraktiv zu verfolgen, nicht weil es eine durchweg positive ist, sondern weil sie glaubwürdig erscheint.

Insgesamt habe ich das Gesetz der Natur gern gelesen. Der Schreibstil beflügelt das Lesen, die Hässlichkeit der Gesellschaft ist in schöne Worte gefasst, die hundertfünfundsiebzig Kapitel jagen nur so dahin. Abschließend schenkt uns die Autorin einen genialen Cliffhanger, sorgt somit dafür, dass ich mit Sicherheit auch den zweiten Teil lesen werde.

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