Cover-Bild Unter der Drachenwand
(8)
  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
28,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Hanser, Carl
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 480
  • Ersterscheinung: 10.01.2018
  • ISBN: 9783446258129
Arno Geiger

Unter der Drachenwand

Roman
Veit Kolbe verbringt ein paar Monate am Mondsee, unter der Drachenwand, und trifft hier zwei junge Frauen. Doch Veit ist Soldat auf Urlaub, in Russland verwundet. Was Margot und Margarete mit ihm teilen, ist seine Hoffnung, dass irgendwann wieder das Leben beginnt. Es ist 1944, der Weltkrieg verloren, doch wie lang dauert er noch? Arno Geiger erzählt von Veits Alpträumen, vom "Brasilianer", der von der Rückkehr nach Rio de Janeiro träumt, von der seltsamen Normalität in diesem Dorf in Österreich – und von der Liebe. Ein herausragender Roman über den einzelnen Menschen und die Macht der Geschichte, über das Persönlichste und den Krieg, über die Toten und die Überlebenden.

Weitere Formate

Dieses Produkt bei deinem lokalen Buchhändler bestellen

Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.11.2018

Warten auf das Kriegsende

0

Veit Kolbe wurde kurz vor Weihnachten 1943 in Russland schwer verwundet und nun hält er sich am Mondsee unter der Drachenwand auf, um sich zu erholen. Er ist erschöpft und ausgelaugt und hofft, dass er ...

Veit Kolbe wurde kurz vor Weihnachten 1943 in Russland schwer verwundet und nun hält er sich am Mondsee unter der Drachenwand auf, um sich zu erholen. Er ist erschöpft und ausgelaugt und hofft, dass er nicht mehr zurück an die Front muss. In seinem Quartier ist auch die Darmstädterin Margot, die mit ihrem Kind hier gelandet ist. Mit der Kinderlandverschickung ist die Lehrerin Margarete und über dreißig Mädchen aus Wien in diesen Ort gekommen. Dann ist da auch noch der Gärtner, der davon träumt, nach Brasilien zurückzugehen. Veit wird ein Jahr hier verbringen und der Leser lernt diese Menschen kennen, die hoffnungslos sind und einfach nur überleben wollen. Aber da ist auch Trude Dohm, die Zimmerwirtin, die immer noch ihre Durchhalteparolen von sich gibt.
Die ganze Zeit spürt man die Hoffnung, die die Menschen haben auf eine bessere Zeit nach dem Kriegsende. Aber es ist auch eine unterschwellige Bedrohung spürbar. Es ist ein melancholisches Buch,
Veit hat so viel mitgemacht, auch wenn er nicht in der vordersten Linie dabei war, dass er nicht mehr an die Wehrmacht und nicht an den Sieg glaubt. Er will nicht mehr an die Front und versucht mit allen Mitteln, seine Erholungsphase zu verlängern. Dabei helfen im Margot und die „Panzerschokolade“. Doch für Veit ist der Krieg noch nicht zu Ende, denn es kommt ein neuer Einberufungsbefehl.
Arno Geiger bringt unter der Drachenwand die unterschiedlichsten Menschen zusammen und wir dürfen ihre Gedanken, ihre Sehnsüchte und Hoffnungen kennenlernen.
Es ist keine leichte Lektüre und mehr als einmal musste ich schlucken aufgrund des Pragmatismus, mit dem die Menschen versuchten, in diesen Ausnahmezeiten zu überleben.
Ein packender und sehr eindringlicher Roman, der noch lange nachhallt.

Veröffentlicht am 23.01.2018

1944 war ein schlimmes Jahr

0

Für den jungen Soldaten Veit Kolbe ergibt sich im letzten Kriegsjahr eine Zwangspause: nach einer Verletzung wird er auf unbestimmte Zeit in den Krankenstand versetzt und auf Erholungsurlaub nach Wien ...

Für den jungen Soldaten Veit Kolbe ergibt sich im letzten Kriegsjahr eine Zwangspause: nach einer Verletzung wird er auf unbestimmte Zeit in den Krankenstand versetzt und auf Erholungsurlaub nach Wien zu seinen Eltern geschickt, wo er es bald jedoch nicht mehr aushält. Er verzieht sich ins Salzburger Land, an den idyllischen Mondsee, wo er auf andere Gestrandete wie die junge Mutter Margot aus Darmstadt oder auch eine aus Wien verschickte Schulklasse mit 13jährigen Schülerinnen trifft. Dazu kommen die Ansässigen, teilweise durchaus stramme Nazis, dem Regime noch treu ergeben.

Frei nach John Fante: 1944 war (auch) ein schlimmes Jahr. Ein absolut grauenvolles sogar, eines mit wenig Hoffnung. Überall. Auch in Mondsee. Doch Arno Geiger zeigt vor allem durch seinen Protagonisten Veit Kolbe, dass es weitergeht Für ihn persönlich vor allem dadurch, dass ihm völlig unerwartet und zunächst zögerlich in Gestalt von Margot die Liebe begegnet.

Obwohl es eine ausweglose Situation zu sein scheint, schmieden Veit und Margot - und nicht nur sie - Pläne für die Zukunft. Konkrete, so wie die Absprache möglicher Treffpunkte für die Zeit "danach", aber auch solche genereller Art, nämlich für ein gemeinsames Familienleben. Ein Familienleben in friedlicher Zeit, auch wenn der Begriff "Frieden" hier gar nicht genutzt wird. Dazu ist der Krieg auch in Mondsee zu präsent - ständig überfliegen Kriegsflieger, also Luftwaffen auf dem Weg an die letzten Schauplätze des Krieges, den Ort, die ersten Vertriebenen kommen an, junge Mädchen befinden sich in der Verschickung aus ihrer Heimatstadt Wien.

Veit beginnt nicht erst jetzt, an seinem "Dienstherrn"- so bezeichnet er nicht ohne Sarkasmus das nationalsozialistische Regime - zu zweifeln und bringt sich nicht nur durch entsprechende Aussagen mehrfach in Schwierigkeiten. Veit ist unser Auge, er ist derjenige, durch den der Leser die Welt - die im Roman dargestellte - betrachtet.

Mondsee wird zum Mikrokosmos, in dem unterschiedliche Gesinnungen, ja verschiedene Welten, aufeinanderprallen. Der eigentlich idyllische Ort wird von den Schrecken des Krieges und allem, was dieser mit sich bringt, eingeholt - so finden auch Schicksale von Menschen andernorts in Briefform Eingang in die Geschichte, beispielsweise das eines Juden, der mit seiner Familie auf der Suche nach einem Fluchtweg aus Wien ausgerechnet nach Budapest reist, wo er erkennen muss, dass die Nazis ihm einen Schritt voraus sind.

Arno Geiger stellt mit diesem Roman seine Leser vor eine Herausforderung: sein Erzählstil ist sehr speziell, doch wenn man einmal hineingefunden hat, dann erscheint er als der einzig Richtige, um die Situation darzustellen. Ein besonderer Roman auf jeden Fall, auch ein schmerzhafter, dieses Werk, das das (Über)Leben, das Alltägliche im letzten vollständigen Kriegsjahr beschreibt. Und dem Rezipienten deutlich macht, was für ein Glück es ist, im "Danach" geboren zu sein und zu leben. Ein Glück, mit dem man achtsam umgehen sollte.

Ich kann nur empfehlen, diese Herausforderung anzunehmen: dieses Buch ist ein besonderes Geschenk an die Leser - eines, das tatsächlich neue Welten - in diesem Fall neue Sichtweisen, Perspektiven, auch Einsichten - aufzeigt und dazu beiträgt, das Bewusstsein zu erweitern. Man muss es nur zu nehmen - vielmehr zu lesen - wissen. Dann könnte es ein Roman fürs Leben werden.

Veröffentlicht am 18.01.2018

Nachdenklich und eindrücklich erzählt Arno Geiger in einer sensiblen Sprache vom Krieg und von Menschen, die die Hoffnung nicht aufgeben, dass es auch nach dem Ende des Krieges eine Zukunft für sie geben kann

0

Arno Geiger, Unter der Drachenwand, Hanser 2018, ISBN 978-3-446-25812-9

In seinem neuen Roman erzählt der österreichische Schriftsteller Arno Geiger von Menschen, die im Jahr 1944 in einem kleinen Ort ...

Arno Geiger, Unter der Drachenwand, Hanser 2018, ISBN 978-3-446-25812-9

In seinem neuen Roman erzählt der österreichische Schriftsteller Arno Geiger von Menschen, die im Jahr 1944 in einem kleinen Ort namens Mondsee bei Salzburg zu Füßen der Drachenwand versuchen, in einer Atempause des Zweiten Weltkrieges zu sich selbst zu kommen.

Hauptperson ist der ich-erzählende kriegsversehrte Soldat Veit Kolbe. An der Ostfront schwer verletzt worden, reist er auf Anraten eines Hauptmannes im Lazarett nach Mondsee aufs Land, wo ein Onkel von ihm, der dort als Postenkommandant Dienst tut, ihm eine Unterkunft verschafft. Kolbes Vermieterin ist eine bösartige Frau, die ihm während seines gesamten Aufenthaltes das Leben schwer macht. Richtig gefährlich werden kann ihm allerdings der Mann der Vermieterin, ein fanatischer Nazi, der bei seinen Heimaturlauben alle mit Durchhalteparolen quält.

Veit Kolbe, so würde man es heute nennen, leidet unter einer posttraumatischen Belastungsstörung, hat immer wieder Panikattacken und kann ohne das Medikament Pervitin nicht sein. Er hat auf dem Weg der Wehrmacht nach Osten alles gesehen, „was niemand sehen will“. Massenerschießungen von Juden, die wahllose Zerstörung von Dörfern und die Liquidierung unzähliger Zivilisten haben sich in sein Gedächtnis eingebrannt und er wird die inneren Bilder einfach nicht los.

So wie sein literarischer Schöpfer selbst es einmal von sich sagte, versucht auch Veit Kolbe mit Schreiben diese Leerstellen des Grauens zu füllen und zu bannen. Er hofft, dass sein Genesungsurlaub so lange dauern wird, bis der Krieg hoffentlich bald zu Ende ist, und tut auch einiges selbst dazu, um ihn immer wieder zu verlängern. Dennoch schwebt die drohende Rückkehr an die dann wohl sicher für ihn tödliche Front wie ein Damoklesschwert über ihm und bedroht die zarten Pflänzchen von Liebe, die mit der in der Wohnung neben ihm zusammen mit ihrem Baby wohnende Margot aus Darmstadt keimen.

Langsam lässt Arno Geiger ihre Beziehung sich entwickeln. Ähnlich behutsam führt er sukzessive weitere Personen in seinen dichten Roman ein. Da sind die Mädchen im Lager Schwarzindien, die dort aus verschiedenen Städten des Reichs gebracht wurden. Insbesondere das Schicksal des Mädchens Nanni Schaller bewegt ihn und seinen Erzähler, denn als es spurlos verschwindet, sind nicht nur die Bewohner Mondsees erschüttert, sondern auch der Cousin des Mädchens, dessen zahllose unbeantwortete Briefe von der Front an seine Freundin Geiger dokumentiert. Er wechselt auch immer wieder nach Darmstadt, der Heimat von Margot und lässt deren Mutter, die ihr Überleben in einer von Bomben gänzlich zerstörten Stadt zu organisieren sucht, zu Wort kommen.

Und da ist der „Brasilianer“, ein aus Brasilien zurückgekehrter Auswanderer und Bruder der garstigen und fanatischen Vermieterin. Veit Kolbe und Margit freunden sich mit dem regimekritischen Reformbiologen an, und führen, als er wegen einer abfälligen Bemerkung über das Regime für sechs Monate in Haft kommt, sein Gewächshaus weiter.

Doch der wichtigste Erzähler neben Veit Kolbe ist wohl der jüdische Zahntechniker Oskar Meyer. Er ist mit seiner Familie nach langem Zögern von Wien aus nach Budapest geflohen, wo er als Zwangsarbeiter zufällig auf Veit Kolbe trifft. Sonst allerdings gibt es keine Verbindung zwischen Oskar Meyer und dem Geschehen am Mondsee.

Selten habe ich die inneren Nöte einer jüdischen Familie, die versucht sich vor der tödlichen Gefahr der Nazis zu retten, so eindringlich und unter die Haut gehend beschrieben gelesen, wie in den Schilderungen von Arno Geiger.

Nachdenklich und eindrücklich erzählt Arno Geiger in einer sensiblen Sprache vom Krieg und von Menschen, die die Hoffnung nicht aufgeben, dass es auch nach dem Ende des Krieges eine Zukunft für sie geben kann. Wenn er in einer Nachbemerkung zu seinem Roman das Leben bzw. Sterben dieser fiktiven Figuren nach dem Krieg dokumentiert, verleiht er ihnen eine Form der Realität, die weit über die Fiktion hinausgeht und weit mehr ausdrücken möchte als ein herkömmliches versöhnliches Ende. Es ist Hoffnung auf Zukunft trotz allem gerade zu Ende gegangenen Schreckens.


Veröffentlicht am 04.12.2022

Ein Verwundeter in einem kranken Land

0

Es tobt der Zweite Weltkrieg. Veit Kolbe ist Soldat, in Russland verwundet. Seine wuchernde Beinverletzung hat ihm Urlaub in Mondsee verschafft. Doch die offensichtliche Verletzung ist nicht der einzige ...

Es tobt der Zweite Weltkrieg. Veit Kolbe ist Soldat, in Russland verwundet. Seine wuchernde Beinverletzung hat ihm Urlaub in Mondsee verschafft. Doch die offensichtliche Verletzung ist nicht der einzige Schaden, den der Krieg Veit Kolbe zugefügt hat. Immer wieder suchen ihn die Erlebnisse des Krieges in seinen Träumen und Visionen heim. Dabei empfindet Veit weit größere Angst als in Russland am Ort des Geschehens, als er noch mitten drin war. So fürchtet der Verwundete auch die alle paar Wochen stattfindenden Arzttermine , wo geprüft wird, ob er wieder zurück ins Feld kann.

Im Schatten der Drachenwand liegt Mondsee beschaulich und beschützt fernab von den kriegsgebeutelten Großstädten des Reiches. Die Kinderlandverschickung unterhält mehrere Lager dort. Ansonsten ist nicht viel los für einen Verwundeten. Um dem Trübsal zu entkommen, schreibt Veit Kolbe Tagebuch. Dieses bildet nun ergänzt von postalischer Korrespondenz weiterer Charaktere den Text, den wir lesen.

Arno Geiger schafft eine düstere Atmosphäre von einem Land kurz vor dem Kollaps. Die Jugend wird als Kanonenfutter verheizt, während die Älteren noch Aufrichtigkeit und Rechtmäßigkeit predigen. Der Mangel an Lebensmitteln und Kleidung hat auch den letzten erreicht. Viele Menschen befinden sich auf der Flucht. Über stete Briefwechsel versuchen die verstreuten Familien in Kontakt zu bleiben und sich gegenseitig auf dem Laufenden zu halten. Die Bedeutung der Post wird vom Autor hervorragend herausgearbeitet. Mir war das gar nicht so bewusst.

Zeitweise liegt die Hoffnungslosigkeit so stark zwischen den Zeilen, dass das Lesen müßig wurde. Interessant war die Lektüre für mich trotzdem. Besonders erstaunt hat mich das Nicht-Glauben-Wollen an die bevorstehende Katastrophe. Die jüdische Familie ist den Schritt der Flucht aus Wien letztlich nicht schnell genug angegangen, dann hat sie sich nicht weit genug von deutschem Einflussgebiet entfernt. In Darmstadt haben die Leute ebenfalls nicht daran geglaubt, dass die Bombardements die Stadt dem Erdboden gleich machen könnten. Nicht wenige haben bis zuletzt noch an einen Sieg geglaubt.

Insgesamt lesenswert.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.01.2018

Was vom Volk noch übrig bleibt ...

0

„Ein heimatloser Flüchtling, ein heimat-und staatenloser Mensch, unter falschem Namen, mit falschen Papieren, mit falschem Blut, in der falschen Zeit, im falschen Leben, in der falschen Welt.“


Inhalt


Für ...

„Ein heimatloser Flüchtling, ein heimat-und staatenloser Mensch, unter falschem Namen, mit falschen Papieren, mit falschem Blut, in der falschen Zeit, im falschen Leben, in der falschen Welt.“


Inhalt


Für Veit Kolbe, der mutig im Krieg gekämpft hat, haben sich alle Illusionen verflüchtigt. Für ihn bedeutet seine Kriegsverletzung vor allem eines: dem Schrecken entkommen, wenigstens für ein paar Monate nicht mehr an der Front zu kämpfen, sondern sich im Hinterland erholen. In der kleinen Gemeinde Mondsee gelegen im Salzburger Land, direkt unter der majestätischen Gebirgskette der Drachenwand findet er eine bescheidene Unterkunft und versucht sich nun angestrengt mental über Wasser zu halten. Seine Kriegserlebnisse holen ihn immer wieder ein, er leidet unter einer posttraumatischen Störung und ist bald schon auf Medikamente angewiesen, die seine Angstzustände mindern. Und auch, wenn die feindlichen Bomber anderswo sind, merkt er, wie die restliche zivile Bevölkerung auch: Der Krieg hat alles vernichtet, ganze Städte, tausende Menschenleben und selbst die Aussicht auf einen Neubeginn – am Boden zerstört sind die Überlebenden und gewonnen hat nur die lange Hand der Zerstörung. Für Veit wird jeder Tag in Mondsee wertvoll, denn er findet dort eine echte Liebe, ein Quäntchen Glück im Zerfall eines ganzen Landes, doch das Damoklesschwert schwebt bedrohlich über ihm. Wie lange noch, kann er sich mit gefälschten Unterlagen vor der Vaterlandspflicht freikaufen? Wann holt ihn sein ärgster Feind wieder ein?


Meinung


Arno Geiger, der österreichische Autor, der bereits mit dem deutschen Buchpreis ausgezeichnet wurde, fängt in dieser Erzählung ganz vortrefflich die Aussichtslosigkeit und das Unverständnis der Menschen ein, die in den Krieg geraten sind, ohne ihn jemals wirklich forciert zu haben. Das ganze Ausmaß ihrer Verzweiflung wird nun, im Winter 1944/ 1945 besonders deutlich, denn ein Sieg ist nicht mehr zu erwarten und der Schrecken des Krieges, seine allumfassende Vernichtungswirkung trifft jeden zivilen Bürger, trifft Alte, Junge, Frauen und Kinder, Städte und Menschen – die Welt liegt in Schutt und Asche und doch scheint es Hoffnung zu geben. Irgendwo zwischen Entmutigung, Verzweiflung, Sorgen und Überlebenskampf, glimmt die kleine Flamme des möglichen Neuanfangs.


Das Buch besticht durch mehrere Erzählungen und auch diverse Erzählstimmen, die leider nicht immer klar voneinander abgegrenzt sind. Dadurch entsteht ein sehr umfassendes, allumgreifendes Portrait dieser Zeit, welches nicht durch ein einziges, trauriges Schicksal wirkt, sondern eher durch das Ineinandergreifen mehrerer schwerer Ereignisse. Der Leser begegnet Menschen, die fliehen, um ihrer persönlichen Verfolgung zu entgehen, anderen die trotzig versuchen ihren Charakter zu bewahren, auch wenn Rückgrat in der Meinungsbildung gesellschaftlich nicht anerkannt wird. Es gibt die Ausgebombten, deren größter Wunsch ein Bett, etwas zu Essen und Wärme ist und es gibt die Resoluten, die selbst in der ausweglosesten Situation einen kühlen Kopf bewahren und besonnen ihren Weg durch Trümmer und Tränen beschreiten. Diese Vielfalt an Eindrücken macht im Wesentlichen auch den Reiz des Buches aus, weil dadurch das Gefühl einer intensiven, lebensnahen Geschichte entsteht, die das Ausmaß der kriegerischen Handlungen kurz vor Ende des 2. Weltkrieges authentisch und bedrückend zugleich einfängt.


Manchmal jedoch tritt die Handlung etwas auf der Stelle, wirkt die Erzählung sehr träge und ausgelaugt auf mich, so wie eben auch die Menschen, die sie schildern. Der Mangel an glücklichen Momenten, die vielen kleinen aber auch größeren Rückschläge der Protagonisten stimmen mich selbst sehr traurig und führen die Entbehrung jeglicher Notwendigkeit dieser kriegerischen Handlung erst Recht vor Augen. Mir fehlte auch etwas der Blick nach vorn, zunächst der nach vorn an die Front, dann aber auch der zwischenmenschliche Faktor. Denn die Interaktion zwischen den Personen verläuft ein bisschen wie zwischen Seifenblasen – man hält Distanz zueinander, lässt sich treiben und gerät in Gefahr zu zerplatzen, wenn man einander zu nahekommt. Letztlich wirkt das Leben des Einzelnen ebenso kostbar wie zerstörerisch und manchmal sind es nur Momente oder minimale Abweichungen, die den Verlauf der Zukunft willkürlich ändern können.


Fazit


Ich vergebe gute 4 Lesesterne für diesen ernsten, ruhigen Roman über die Schrecken und Wirkungen des Krieges im Hinterland. Er setzt sich mit zahlreichen Emotionen auseinander und veranschaulicht, warum die Menschen verzweifeln, was sie noch antreibt, wenn es scheinbar keinen Motivator mehr gibt und welche Gefühle dennoch auf der Strecke bleiben, gerade weil der Krieg nicht nur Häuser zerstört, sondern auch die Seelen der Menschen. Facettenreich und ansprechend erzählt der Autor eine Geschichte des Schreckens, in deren Materie man hier als Leser eintauchen kann, man muss aber auch bemüht sein, wieder aus dem Sumpf herauszufinden.