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Veröffentlicht am 12.03.2022

Juden im Mittelalter

Wenn ich dich je vergesse ...
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Wenn ich dich je vergesse ein historischer Roman von Anne Bezzel

Baruch ata adonai elohenu mäläch ha`olam schähächäjanu wekjimanu wehigi`anu laseman hasäh. Gelobt seist du, Ewiger, unser Gott, König der ...

Wenn ich dich je vergesse ein historischer Roman von Anne Bezzel

Baruch ata adonai elohenu mäläch ha`olam schähächäjanu wekjimanu wehigi`anu laseman hasäh. Gelobt seist du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der du uns hast Leben und Erhaltung gegeben und hast uns diese Zeit erreichen lassen. S99/100

1348 leben in Erfurt Juden und Christen friedlich zusammen. Doch die Zeichen deuten auf ungewisse Zeiten für die Juden. Nicht nur in Erfurt mehren sich die Hinweise auf Hass und Hetze gegen diese Bevölkerungsschicht. Die Pest ist auf dem Vormarsch und mit ihr die Todesangst der Menschen, die nach Schuldigen suchen. Die Lage spitzt sich zu und erreicht mit einem furchtbarem Pogrom 1349 in Erfurt seinen Hohepunkt.
In genau datierten, gut recherchierten Rückblicken erzählt die Autorin die Geschichte der beiden jüdischen Geschwister Jacob und Naomi sowie dem jungen Merten. Anne Bezzel zeichnet eine bewegende Geschichte und ein eindrückliches Bild des mittelalterlichen Erfurts. Sie zeigt Zusammenhänge auf und erfasst menschliche Hintergründe. Sie gibt tiefe Einblicke in die jüdische Kultur.

Leider ist es mir nicht leicht gefallen, in die Erzählung einzutauchen. Trotz einiger Vorkenntnisse hatte ich Schwierigkeiten mich in der Geschichte zurechtzufinden. Der Schreibstil ist geprägt und durchdrungen von theologischen Elementen wie Psalme, Gebetssprüche und Bibelzitate. Das angehängte Glossar war zwar hilfreich aber unterbrach den Lesefluss des Öfteren. Ich weiß, dass es sich um ein Herzensprojekt der Theologin und Autorin handelt, doch wäre ein Hinweis auf den vermehrten theologischen Bezug hier hilfreich gewesen.
Fazit: Ein wichtiges und emotionales Thema, welches bis in die heutige Zeit an Aktualität nichts verloren hat. Die wundervolle Geschichte berührte mich, traf aber nicht meinen Geschmack. Leider las es sich sehr zäh und ich musste einige Energie aufbringen, den Text zu Ende zu lesen. Die professionelle Aufmachung und erklärenden Zusätze bereichern das Verständnis.

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Veröffentlicht am 12.03.2022

Legalisierte Umweltverschmutzung - für immer vergiftet!

Flüchtiges Glück
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Flüchtiges Glück von Ulla Mothes (Bastei Lübbe Verlag)

Getrieben von den Schatten der eigenen Vergangenheit versucht Navid reinen Tisch zu machen, bevor er Milla sein Ja-Wort gibt. Ungereimtheiten und ...

Flüchtiges Glück von Ulla Mothes (Bastei Lübbe Verlag)

Getrieben von den Schatten der eigenen Vergangenheit versucht Navid reinen Tisch zu machen, bevor er Milla sein Ja-Wort gibt. Ungereimtheiten und Geheimnisse lasten auf ihrer Familie, verdrängt vom jahrelangen Schweigen einzelner Generationen. Navid fahndet nach der Schuld, die den Protagonisten durch verheerende Umstände der Geschichte auferlegt wurden. Er sucht Erlösung und Frieden für seine zukünftige Familie. Seine Fragen bringen etwas ins Rollen und sorgen für Spannungen zwischen den Familienmitgliedern.

Diese Grundstimmung nutzt Ulla Mothes und strickt eine interessante, generationsübergreifende Familiengeschichtegeschichte. Sie baut Brücken durch aufschlussreiche Rückblicke und perfekt getaktete Zeitsprünge. Zusammen mit den geschichtlichen Hintergründen der DDR-, Wende- und Nachwendezeit baut sie ein tragendes Gerüst auf der Suche nach den Wurzeln einer Familie.

Im Fokus steht die Region Bitterfeld Wolfen und die desaströse Umweltverschmutzung der Industrieanlagen der ehemaligen DDR. Die Regierung mitsamt der Stasi versuchten das Ausmaß der verheerende Umweltsünden geheim zu halten, denn die Industrieanlagen der ORWO sind der wichtigste Chemiestandort und das Standbein der Wirtschaft der DDR. Zwischen die Fronten gerät die junge Ärztin Renate, die versucht auf diese Missstände aufmerksam zu machen. Sie sammelt Patientendaten und begibt sich somit in die Schusslinie des Diktatur-Staates.

Damit ist Ulla Mothes Flüchtiges Glück ist ein erstklassiges Portrait der damaligen Zeit. Dieser spannende historische Roman liest sich wie ein atmosphärischer Krimi zeitgenössischer Literatur. Der Schreibstil und die Figuren sind so lebendig, dass man das Buch nicht mehr aus der Hand legen möchte. Besonders gut hat mir gefallen, dass die Autorin auf die Empfindungen der Protagonisten aus dem Ostteil Deutschlands zur Wendezeit eingeht. Die Hoffnungen, Ängste und enttäuschten Erwartungen werden an verschiedenen Lebenswegen dieser Figuren ausgezeichnet dargestellt.
Die Autorin spannt durch verschiedene Themen und bereichernde stilistische Mittel einen Spannungsbogen, der sich am Ende zu einem schlüssigen Ganzen entlädt.

Fazit: Ein großartiges Buch, welches begeistert und wunderbar unterhält!

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Veröffentlicht am 15.02.2022

Ost trifft West

Im Schatten der Wende
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Im Schatten der Wende ein Kriminalroman von Frank Goldammer (dtv)

Er hatte so etwas noch nie gespürt. Und es brauchte eine Weile, bis er verstand, was es war. Es war die Angst vor dem Morgen. Was kam ...

Im Schatten der Wende ein Kriminalroman von Frank Goldammer (dtv)

Er hatte so etwas noch nie gespürt. Und es brauchte eine Weile, bis er verstand, was es war. Es war die Angst vor dem Morgen. Was kam jetzt auf sie zu? Was sollte aus aus ihnen werden, aus ihnen allen? Plötzlich war die Zukunft offen, aber auch ungewiss. Plötzlich schien nichts mehr sicher. S.140

Tobias Falck ist Obermeister der Volkspolizei in Dresden. Kurz vor seinem Abschluss zum Leutnant in Aschersleben 1989 werden die Grenzen zwischen Ost und West geöffnet und die Mauer fällt. Falck versucht zu verstehen, was gerade passiert und versucht seinen Gefühlen auf den Grund zu gehen. Ein klein wenig Hoffnung aber auch ein schaler Nachgeschmack sowie Zukunftsangst mischen sich in seine Gedanken.
Im Winter 1989 beginnt er seinen Dienst beim Kriminaldauerdienst (KDD). Zum Team gehören Hauptmann Schmidt und Stefanie Bach, Bekannte eines alten Falls aus Vorwendezeiten.

„Der Witz ist nur, die meisten haben kaum Zeit, Es hat einige Veränderungen gegeben. Der Kader ist geschrumpft. Keiner fühlt sich mehr richtig zuständig. Außerdem werden Sie sehr schnell eines erkennen: Die Zeiten haben sich geändert. Also auch, was die Kriminalität betrifft. Man könnte meinen, sie sind alle verrückt geworden.“ S.150

Zur Abteilung gesellt sich Hauptkommissarin der Kriminalpolizei Frankfurt am Main Sybille Suderberg. Gleich mehrere Fälle gibt es zu lösen. Die grenzübergreifenden Ermittlungsarbeit des KDD-Teams laufen auf Hochtouren. Dabei gestaltet sich die Polizeiarbeit nicht nur durch die unterschiedlichen Ermittlungsmethoden schwierig.
Auch treffen die Protagonisten auf einige Vorurteile und Annahmen, basierend auf Missverständnissen und Unwissenheit, gegenüber dem Leben im jeweilig anderen Teil Deutschlands. Ost trifft West, eine absolut gelungenes Portrait dieser Zeit! Der Autor greift somit das Bild tiefgreifender Veränderungen authentisch auf. Der Titel trifft es auf den Punkt und passt hervorragend zu der Geschichte.

Frank Goldammer setzt mit Tobias Falck einen intelligenten und feinsinnigen Protagonisten in Szene. Er selbst und sein Weg haben mir besonders gut gefallen. Anfangs erscheint er mir jugendlich naiv, zutiefst menschlich und immer sympathisch. Doch diese scheinbar hörige Naivität wandelt sich, als er losgebunden von staatlichen Zwängen, sein Denken und Handeln aktiviert. Das Ergebnis sind scharfsinnige Schlussfolgerungen und eine brillante Polizeiarbeit. Auch in privaten Angelegenheiten reift er und stellt somit die Weichen für seine Zukunft. Ich bin gespannt, welche Entscheidungen er in folgenden Bänden treffen wird. Ich bin jedenfalls gern dabei!

Falcks Kollegen sind ebenfalls charakterstark und gut gezeichnet. Gern würde ich von ihnen noch mehr erfahren. Es gibt sicher noch einiges zu erzählen und ich hoffe, Frank Goldammer gibt zukünftig einige Einblicke in das Leben der Ermittler.

Fazit: Im Schatten der Wende ist ein sehr gelungener Auftakt der neuer Krimi-Reihe rund um das KDD-Team Ost-West. Die Kombination aus Kriminalfällen, die damit verbundenen Ermittlungen, die interessanten Charaktere, eine glaubwürdige Darstellung der geschichtlichen Ereignisse und Einblicke in Alltäglichkeiten dieser Zeit haben mich begeistern und überzeugen können. Frank Goldammer weiß, wovon er schreibt. Und er schreibt gut, mitreißend und ehrlich. Das macht den Roman so lesenswert!

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Veröffentlicht am 29.01.2022

Ein Wunder, dass wir nicht noch mehr Angst haben!

Über Angst
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Über Angst: Meditationen über ein Gefühl unserer Zeit The School of Life (mvg Verlag)

„Grundvertrauen“ ist das beste Mittel gegen Angst. (S.14)

Dieser wundervoll aufgemachte Ratgeber blickt philosophisch, ...

Über Angst: Meditationen über ein Gefühl unserer Zeit The School of Life (mvg Verlag)

„Grundvertrauen“ ist das beste Mittel gegen Angst. (S.14)

Dieser wundervoll aufgemachte Ratgeber blickt philosophisch, soziologisch und psychologisch auf dieses große Thema Angst. Neben der Ursachenforschung beschäftigen sich die Experten mit den verschiedensten Formen der Angst und geben schlussendliche Hinweise und Tipps für ein ideales Leben. Aber letztendlich tut dieses Buch einfach gut. Es bringt uns auf den Boden der Tatsachen zurück, lässt den Leser einige Zeit innehalten und über grundsätzliche Dinge nachdenken. Es geht auch darum, ehrlich mit sich zu sein und bestimmte Unwegsamkeiten zu akzeptieren.

Aber dann stellt sich heraus, dass das Leben für einige von uns, und auf einer bestimmten Ebene für alle, andere Pläne gemacht hat. (S. 63)

Ängste gab es schon immer, doch die äußeren Umstände und Einflüsse ändern die Art und vielleicht auch das Ausmaß dieser Empfindung. Heute habe ich andere Sorgen als vor 100 Jahren. Die multimediale 24h Verfügbarkeit Informationen jeglicher Art abrufen zu können und die Breitmachung verschiedenster Meinungen und deren teils unfreiwillige Konfrontation steigern unseren täglichen Stress zusätzlich. Ein Zuviel kann schaden und wir täten unseren psychischen Gesundheit einen guten Dienst, unser Leben zu vereinfachen.
Auch ein Zuviel am Denken und fortwährend die Gedanken kreisen zu lassen, ist hinderlich. Einfach mal loslassen und sich bewusst werden, was dem Menschen an sich gut tut.

Fazit: Ohne erhobenen Zeigefinger habe ich neue Aspekte aus der Lektüre ziehen können. Das Aufgreifen und die Betrachten philosophischer Aspekte hat mir gefallen. Mit Ästhetik und zahlreichen Denkanstößen gelingt hier ein liegevoll gestalteter Mutmacher und Ratgeber.
Ein wahrer Schatz und eine klare Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 29.01.2022

Berührend und klug!

Eure Leben, lebt sie alle
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Eure Leben, lebt sie alle ein Roman von Sybille Hein (dtv)

Man kann sich die Vergangenheit nicht schöner wünschen. Aber hin und wieder ereignen sich Dinge, mit denen man sie heller ausleuchten kann. Je ...

Eure Leben, lebt sie alle ein Roman von Sybille Hein (dtv)

Man kann sich die Vergangenheit nicht schöner wünschen. Aber hin und wieder ereignen sich Dinge, mit denen man sie heller ausleuchten kann. Je mehr Menschen ihre bunten Glühbirnen an die Leine hängen, desto besser. S.302

Genau das beschreibt diesen Roman schon ganz gut. Dann gibt es da noch einen fast unsichtbaren Faden, der sich durch das Leben der fünf Frauen zieht und sie somit auf schicksalhafte Weise miteinander verbindet. Ein Teil jeder Geschichte ist Jonas, Mariannes Sohn, der vor fast zwanzig Jahren ums Leben kam. Er lässt seine Mutter und vier Freundinnen zurück. Marianne, Ellen, Freddy, Luise und Johanna.
In sechs Runden, ähnlich einer Theateraufführung, erzählt Sybille Hein episodenhaft aus dem Leben jeder einzelnen Frau. Jede, bis auf Johanna, erzählt ihre Geschichte selbst. Innere Monologe, Selbstzweifel, Geheimnisse und Gedanken, Wünsche, Träume, Erkenntnisse oder auch nicht... So gewinnt man einen intensiven Einblick in das Leben und die Gefühlswelt der Figuren. Um diese Eindrücke zu schildern, bedient sich die Autorin einer wunderbar lebhaften Sprache.

Mit Ende zwanzig kann man mit ungebügelten Hemden aus dem Haus rennen, aber in seinem Alter sollte man darauf achten, zumindest die Verpackung knitterfrei zu halten. Klaus ist zweiundfünfzig. Er ist ein alter Mann. Und riecht nach Kohlrabi. (S.25)

Ein schnieker Dreiteiler: Hose, Weste. Sakko mit großen Schulterpolstern. Die Schaumstoffeinlagen überspielen kunstvoll, das man Böhms schrumpelkleinen Körper in einem solchen Kleidungsstück inzwischen suchen muss. (S.133)

Seit dem Gespräch mit Ellen fühlt es sich an, als würde ich Geschenkpapier aufreißen, wenn ich den Staub von den alten Sachen puste. (S.243)

Mr. Spock drückt seine Schnauze in einen der verbliebenen Jutesäcke. Auch er hat einen Wunsch an den Lefzen kleben, ich kann es ihm ansehen: Möge sich dieser Beutel öffnen wie Alibabas Höhle und die herausquellenden Wurstwaren den ganzen Dielenboden überspülen. (S.298)

Man hat das Gefühl selbst dabei zu sein. Und während des Lesens findet man ein wenig Marianne, oft Ellen, mehr Freddy, naja Luise und weniger Johanna in sich selbst. So habe ich es jedenfalls empfunden. Manche Situationen finden Zustimmung, über andere überdrehte Momente schüttelt man den Kopf. Doch so ist das Leben nun mal.
Letztendlich geht es nicht nur um Älterwerden. Diese Geschichte erzählt so viel mehr und ist eine einzigartige Hommage an die Freundschaft und das Zusammensein. Klare Leseempfehlung für diesen besonderen Roman!

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