Wer hat noch mal das Gerücht in die Welt gesetzt, dass man in der Mitte des Lebens auch in der Mitte von sich selbst angekommen ist? Ellen setzt den Abgründen ihrer Patienten immer bessere Rezepte entgegen, aber die eigenen werden zu Treibsand unter ihren Füßen. Freddy fragt sich, ob der enorme Umfang ihres Körpers die einzig sichtbare Größe in ihrem Leben darstellt. Luise verpfuscht ihre Bilderbuchfamilie, Johanna springt. Und Marianne? Der Grand Dame dieser Schicksalsgemeinschaft kriechen alte Geister durchs Schlüsselloch. Allen voran ihr früh verstorbener Sohn Jonas, der auch im Leben der anderen einmal eine große Rolle gespielt hat. Wie jede dieser fünf Frauen mit verrutschten Gewissheiten ringt, davon handelt dieser Roman.
Es geht um fünf Frauen, die durch den Tod ihres (Ex-)Freundes / Sohnes 1992 zusammengeschweißt wurden und seitdem in engem Kontakt stehen. Das Buch wird aus den verschiedenen Perspektiven erzählt und jede ...
Es geht um fünf Frauen, die durch den Tod ihres (Ex-)Freundes / Sohnes 1992 zusammengeschweißt wurden und seitdem in engem Kontakt stehen. Das Buch wird aus den verschiedenen Perspektiven erzählt und jede einzelne der Frauen befindet sich in einer persönlichen Krise bzw. Grenzsituation. Diese Beschreibung mag sich etwas schwierig anhören, das Buch ist es nicht. Es ist gut geschrieben und liest sich sehr gut und flüssig. Die verschiedenen Personen sind alle sehr glaubhaft und tiefgründig beschrieben und ihre Probleme sind die gleichen, wie sie jeder hat oder haben könnte. Ich habe mich mit den einzelnen Frauenperspektiven mal mehr, mal weniger identifizieren können, aber interessant war es immer. Die aus den Fugen geratenen Leben lassen sich teilweise wieder kitten, nicht alles wird aufgelöst. Vielleicht gibt es einen zweiten Teil, das würde mich freuen, mir hat das Buch sehr gut gefallen.
Eure Leben, lebt sie alle ein Roman von Sybille Hein (dtv)
Man kann sich die Vergangenheit nicht schöner wünschen. Aber hin und wieder ereignen sich Dinge, mit denen man sie heller ausleuchten kann. Je ...
Eure Leben, lebt sie alle ein Roman von Sybille Hein (dtv)
Man kann sich die Vergangenheit nicht schöner wünschen. Aber hin und wieder ereignen sich Dinge, mit denen man sie heller ausleuchten kann. Je mehr Menschen ihre bunten Glühbirnen an die Leine hängen, desto besser. S.302
Genau das beschreibt diesen Roman schon ganz gut. Dann gibt es da noch einen fast unsichtbaren Faden, der sich durch das Leben der fünf Frauen zieht und sie somit auf schicksalhafte Weise miteinander verbindet. Ein Teil jeder Geschichte ist Jonas, Mariannes Sohn, der vor fast zwanzig Jahren ums Leben kam. Er lässt seine Mutter und vier Freundinnen zurück. Marianne, Ellen, Freddy, Luise und Johanna.
In sechs Runden, ähnlich einer Theateraufführung, erzählt Sybille Hein episodenhaft aus dem Leben jeder einzelnen Frau. Jede, bis auf Johanna, erzählt ihre Geschichte selbst. Innere Monologe, Selbstzweifel, Geheimnisse und Gedanken, Wünsche, Träume, Erkenntnisse oder auch nicht... So gewinnt man einen intensiven Einblick in das Leben und die Gefühlswelt der Figuren. Um diese Eindrücke zu schildern, bedient sich die Autorin einer wunderbar lebhaften Sprache.
Mit Ende zwanzig kann man mit ungebügelten Hemden aus dem Haus rennen, aber in seinem Alter sollte man darauf achten, zumindest die Verpackung knitterfrei zu halten. Klaus ist zweiundfünfzig. Er ist ein alter Mann. Und riecht nach Kohlrabi. (S.25)
Ein schnieker Dreiteiler: Hose, Weste. Sakko mit großen Schulterpolstern. Die Schaumstoffeinlagen überspielen kunstvoll, das man Böhms schrumpelkleinen Körper in einem solchen Kleidungsstück inzwischen suchen muss. (S.133)
Seit dem Gespräch mit Ellen fühlt es sich an, als würde ich Geschenkpapier aufreißen, wenn ich den Staub von den alten Sachen puste. (S.243)
Mr. Spock drückt seine Schnauze in einen der verbliebenen Jutesäcke. Auch er hat einen Wunsch an den Lefzen kleben, ich kann es ihm ansehen: Möge sich dieser Beutel öffnen wie Alibabas Höhle und die herausquellenden Wurstwaren den ganzen Dielenboden überspülen. (S.298)
Man hat das Gefühl selbst dabei zu sein. Und während des Lesens findet man ein wenig Marianne, oft Ellen, mehr Freddy, naja Luise und weniger Johanna in sich selbst. So habe ich es jedenfalls empfunden. Manche Situationen finden Zustimmung, über andere überdrehte Momente schüttelt man den Kopf. Doch so ist das Leben nun mal.
Letztendlich geht es nicht nur um Älterwerden. Diese Geschichte erzählt so viel mehr und ist eine einzigartige Hommage an die Freundschaft und das Zusammensein. Klare Leseempfehlung für diesen besonderen Roman!
„Eure Leben lebt sie alle“ ist ein unterhaltsames Buch der Autorin Sybille Hein, das mich nachdenklich zurückgelassen hat.
Vor 20 Jahren ist Jonas Kiekhöfel bei einem Unfall ums Leben gekommen. Zurückgeblieben ...
„Eure Leben lebt sie alle“ ist ein unterhaltsames Buch der Autorin Sybille Hein, das mich nachdenklich zurückgelassen hat.
Vor 20 Jahren ist Jonas Kiekhöfel bei einem Unfall ums Leben gekommen. Zurückgeblieben sind seine Mutter Marianne und seine vier Exfreundinnen Luise, Freddy, Ellen und Johanna. Marianne ist inzwischen 80 Jahre und leidet an Demenz. Luise, Freddy, Ellen und Johanna sind um die vierzig und stehen mitten im Leben. Die vier Frauen verbindet nichts außer ihre Vergangenheit mit Jonas. Jede der Frauen hat mit ihrem ganz eigenen Problemen zu kämpfen. Sei es der Traum vom musikalischen Comeback, der Frust über die aufgegebene Karriere zugunsten von Mann und Kindern oder der verzweifelten Suche nach einem Pflegeplatz für den Vater. Mit diesen und vielen anderen mehr oder weniger alltägliche Problemen müssen sich unsere Protagonistinnen herumschlagen.
Das Buch ist in sechs Runden eingeteilt. Jede Runde hat einen Untertitel der neugierig macht und es wird im Wechsel aus der Ich-Perspektive der Protagonistin erzählt. Dabei wird das derzeitige Leben mit Erinnerungen an Jonas verknüpft. Durch die stetigen Perspektivwechsel erfährt man warum die einzelnen Charaktere wie handeln und bekommt einen guten Einblick in ihr jeweiliges Leben mit ihren kleinen und großen Geheimnissen.
Es werden zahlreiche Themen angeschnitten, dabei ganz alltägliche Dinge wie der kranke Vater, finanzielle Sorgen, Affären, Schwierigkeiten mit Kindern und einiges mehr. Kein Leben verläuft gradlinig, bei jedem Menschen gibt es Höhen und Tiefen, genau wie bei den hier dargestellten Protagonistinnen. Damit ist das Buch für mich zu einem interessanten Leseerlebnis mit zahlreichen Denkanstößen geworden.
"Eure Leben, lebt sie alle" von Sybille Hein ist ein Roman, der sich um das Leben von verschiedenen Frauen dreht. Sie alle verbindet mehr als nur Jonas, der ihr Sohn, Freund, Geliebter oder Bandpartner ...
"Eure Leben, lebt sie alle" von Sybille Hein ist ein Roman, der sich um das Leben von verschiedenen Frauen dreht. Sie alle verbindet mehr als nur Jonas, der ihr Sohn, Freund, Geliebter oder Bandpartner war.
Jonas selbst erlebt man nur in wenigen Erinnerungen und Rückblicken, die Erzählung beginnt mit seiner Beerdigung. Dann beginnt man ganz langsam etwas aus dem Leben der einzelnen Frauen zu erfahren und kann das Erfahrene wirklich erst langsam und nach und nach einordnen.
Jede dieser Damen hat so ihre eigenen Probleme, alle haben sehr unterschiedliche Charaktere und ihre sehr verschiedenen Leben. Deshalb habe ich mich anfangs etwas schwer getan, dass alles in einen Zusammenhang zu bringen.
An jeder dieser Frauen ist etwas Besonderes, jedes Leben konnte ich begreifen und nachfühlen, mir hat sehr gefallen, dass die Frauen nicht nur nett und sympathisch sind, sondern auch unausstehlich, egoistisch und fies. Sie fühlen sich sehr echt an.
Der Schreibstil selber ist sehr leicht und flüssig und sprüht nur so vor Humor, viel Ironie und Lebensfreude, das Lesen ging schnell und leicht. Sehr viele kluge Sätze und Ansichten sind in diesem Buch eingebracht, sehr viele Stellen haben mich zum nachdenken und reflektieren gebracht, ein empfehlenswertes Buch allemal.
Im Buch geht es um vier Frauen, die alle mittelalt sind und gerade oder auch schon lange durch das Leben schlittern. Also keineswegs dem Bild der "mit beiden Beinen im Leben stehen und angekommen sein"- ...
Im Buch geht es um vier Frauen, die alle mittelalt sind und gerade oder auch schon lange durch das Leben schlittern. Also keineswegs dem Bild der "mit beiden Beinen im Leben stehen und angekommen sein"- Frau entsprechen.
Dazu kommt noch Marianne, eine alte Dame, zu der die vier Frauen über Jonas kamen. Ihre Vergangenheit hängt irgendwie mit Jonas zusammen, er ist das verbindene Glied der fünf Frauen, aber wie, das weiß man anfangs noch nicht so genau.
Ich fand den Schreibstil sehr erfrischend und das Buch war ruckzuck ausgelesen.
Zum Einstieg musste ich mich erste ein wenig zurechtfinden, man wird in die Geschichte hineingeworfen und muss die fünf Frauen erst mal kennenlernen. Da es auch noch viel "außenrum" gibt, war das durch die vielen Charaktere schon herausfordernd, ging aber gut.
Nach und nach entblättert sich der Lebensweg der Frauen und ihre aktuelle Situation. Sie sind so komplett unterschiedlich - und doch hat die Autorin geschafft, dass ich mich in alle hineinfühlen konnte, auch wenn sie teilweise von außen betrachtet völlig unverständliche Sachen machten.
Ich war immer sehr gespannt, wie alles zusammenhängt - und genau den Zusammenhang fand ich dann doch etwas lasch, aber gut.
Die weitere Entwicklung war rasant, turbulent, dramatisch - und versöhnlich. Ein optimistischer Ausblick, dass nach den Stürmen des Lebens auch wieder Ruhe und Glück einkehren kann, wenn auch nicht bei Jeder.