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Veröffentlicht am 06.04.2023

Gelungener Reihenauftakt!

Der Morgen (Art Mayer-Serie 1)
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Eigentlich kann ich an alles, was einen guten Thriller ausmacht, einen Haken setzen.
Fazit: Raabe gehört für mich zu den besten Thrillerautoren, die Deutschland momentan zu bieten hat. In der Ouvertüre ...

Eigentlich kann ich an alles, was einen guten Thriller ausmacht, einen Haken setzen.
Fazit: Raabe gehört für mich zu den besten Thrillerautoren, die Deutschland momentan zu bieten hat. In der Ouvertüre der neuen Thrillereihe beginnt Raabe gleich mit einem Paukenschlag. Wer Tom Babylon mochte, wird Art Mayer lieben. Ruppig, kantig aber voller Empathie, mit einer Vergangenheit, über die er in seinem neuen Fall noch stolpern wird.
Eine eisige Nacht in Berlin. An der Siegessäule wird in einem Kleinlaster die Leiche einer Frau gefunden. Jemand hat mit Blut etwas auf ihren nackten Körper geschrieben – die Privatadresse des Bundeskanzlers Henrik Westphal. Und Arts Vergangenheit ist enger mit Westphal verknüpft, als es zunächst scheint.
Die Tote ist fatalerweise die Frau des Gesundheitsministers und in wenige Tage beginnt der G20-Gipfel. Verständlich, dass der Fall nicht an die Öffentlichkeit drängen soll, doch es läuft nichts nach Plan.
Am Tatort trifft Art auf seine neue Kollegin Nele Tschaikowski, frisch gebackene Kommissar-Anwärterin. Und Nele, jung, unerfahren aber voller Ehrgeiz, weiß sich von Beginn an in dem männerdominierter Team zu behaupten. Ihr Privatleben läuft nicht ganz nach ihren Vorstellungen und in ihrem Job hat sie gegen einige Vorurteil zu kämpfen.
Auf der zweiten Zeitebene lernen wir – allerdings nur mit Spitznamen – einige Jugendliche kennen, von denen einer der spätere Bundeskanzler werden soll. »Boxer« muss sich einer Mutprobe stellen, die aus dem Ruder läuft und das Leben der Clique beeinflussen soll.
Was in amerikanischen Thrillern gang und gäbe ist, nämlich das Regierungsoberhaupt direkt in einen Mordfall zu verstricken, liest man hierzulande eher selten. Doch wir bekommen hier keinen Polit-Thriller geboten. Hier wird ein Netz aus Geheimnissen, Abhängigkeit und Loyalität gesponnen.

Seinem mitreißenden und fesselnden Erzählstil bleibt Raabe treu, er schafft es, 588 Seiten voller Spannung aufzubauen, Vergangenheit und Gegenwart sauber zu verknüpfen, authentische und vielschichtige Charaktere lebendig werden zu lassen, überraschende Wendungen perfekt zu platzieren und uns eine saubere Auflösung zu präsentieren. Ich sagte ja bereits – Haken dahinter, alles richtig gemacht.
Auch lebt die Geschichte von einem aktuellen Zeitbezug. Der Ukrainekrieg, die Energiekrise, Verschwörungstheoretiker oder Corona fließen spielerisch in die Handlung ein, ohne dass der Leser das Gefühl bekommt: »Nicht schon wieder.«
Eine Sache hat mich persönlich beeindruckt. Wenn es um das Thema gendern geht, fühlen sich manche Bücher für mich wie Maßreglungen an, wirken steif wie ein Fremdkörper, wie ein Muss des Autors, sich davor nicht verschließen zu dürfen. Raabes zeigt, dass dieses Thema noch nicht überall in der Gesellschaft angekommen ist, dass der Mensch halt nicht so perfekt ist, und schnell in alte Verhaltensmuster zurückfällt. Nele schreckt nicht davor zurück, ihre Vorgesetzten zu korrigieren – auf eine gesunde Art und Weise, versehen mit gezielten Spitzen. Und ja, da sind sie, die Ignoranten, die Zyniker, die Sexisten aber auch die Lernfähigen, mit denen wir es auch im Alltag zu tun haben. Raabes Umgang mit dem Thema fühlt sich für mich realistisch an, nicht belehrend oder aufgesetzt. Das ist für mich die Tonart, die ich mir wünsche, danke dafür.

Zwei Kritikpunkte will ich noch ansprechen, die aber nicht in die Bewertung einfließt. Persönlich finde ich die grelle, pinke Aufmachung des Covers überhaupt nicht schön, okay, Geschmacksache. Der beißende Geruch nach Lösungsmitteln im schwarzen Farbschnitt war aber unerträglich. Vorablesen hat mir das Buch freundlicherweise umgetauscht, aber auch das andere riecht es sehr unangenehm. Für mich ein deutlicher Qualitätsmangel. Habe in einer Buchhandlung extra an anderen (auch schwarzen) Farbschnitten geschnuppert – keiner hat so penetrant gerochen.

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Veröffentlicht am 03.04.2023

Ein etwas anderer Regiokrimi

Die Frömmigkeit der Schafe (Ein-Sardinien-Krimi 3)
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Erzählt wird uns eine Geschichte, die in dem sardischen Dorf Telévras spielt, wo die Uhren etwas anders ticken als auf dem italienischen Festland. Die eigensinnige Hirtentochter Mariàca Tidòngia springt ...

Erzählt wird uns eine Geschichte, die in dem sardischen Dorf Telévras spielt, wo die Uhren etwas anders ticken als auf dem italienischen Festland. Die eigensinnige Hirtentochter Mariàca Tidòngia springt 1964 aus dem Fenster der Grundschule und geht zurück in die Berge. Doch der einzige Lehrer am Ort, Maestro Marcellino Nonies, will, dass das intelligente Mädchen wenigstens ihren Grundschulabschluss macht. Als ihr Vater sie mit 14 verflucht, weil sie schwanger ist, verschwindet sie von der Insel – das war 1972.
2017 In den 45 Jahren hat sich Mariàca einiges zu Schulden kommen lassen. Jetzt ist sie scheinbar zurück in ihrer Heimat. Nonies scheint der Einzige zu sein, zu dem sie in all der Zeit Kontakt hatte, doch der bestreitet das. Nur wenige Tage später ist er tot.
Brigadiere Ettore Tigàssu, die eigentliche Hauptfigur des Krimis, will anhand einer Aufzeichnung des Lehrers die Geheimnisse um Mariàca aufklären, die im Zusammenhang mit zwei mysteriösen Todesfällen stehen. Erst ganz offiziell, dann aber wider den Anweisungen von oben. Und wer ist eigentlich der Vater des Kindes?

Es war mein erster Krimi aus der Feder eines sardischen Autors. Némus, mit bürgerlichen Namen Matteo Locci, bringt uns seine Heimat nahe. Die Berge Sardiniens, der Genuss von Pecorino und Cannonau, die Ruhe und Beschaulichkeit, in der die Bewohner eine eingeschworene Gemeinschaft bilden. Abgelegen und von dem Rest der Welt vergessen. Zu den etwas kantigen, aber authentischen Charakteren zählen ein paar Kleinkriminelle, ein Schwarzer Pfarrer und der Ich-Erzähler in Gestalt des Autors selbst, der erst spät in der Geschichte auftaucht, aber zu einer wichtigen Figur wird.

Die Geschichte ist kein simpler Krimi, wie ich ihn erwartet hatte. Hat man erst mal die Beziehungen der Charaktere eingeordnet, bekommt man ein authentisches Bild von einem typischen sardischen Dorf, ein wenig Nostalgie und Melancholie inklusive. »Die Frömmigkeit der Schafe« – Gedanken über Schafe und ihr Bedeutung als Herdentiere – wird in den Aufzeichnungen des alten Lehrers philosophisch als Metapher genutzt. Ich habe sie am Ende wiederholt gelesen und dann auch den Sinn dahinter verstanden. Das Buch forderte etwas Aufmerksamkeit, da mir nicht gleich klar war, von wem die Erinnerungskapitel stammten.
Hin und wieder flammt der typische italienische Humor auf, den ich so liebe, die südländische sture Gelassenheit, der Genuss der heimischen Küche und des Weins.
Némus’ Schreibstil ist eingängig und gut zu lesen, die Spannung typisch für einen Krimi. Letztlich hat er mich motiviert, mehr über die Geschichte Sardiniens nachzulesen.
Für das komplette Verständnis des Krimis hätte es wohl die beiden vorigen Teile der Reihe gebraucht, vermute ich mal. Aber es bleiben nur wenige Lücken übrig. Ich werde mir demnächst noch »Die Theologie des Wildschweins« und »Süße Versuchung« zu Gemüte führen, denn neugierig hat mich der Autor auf jeden Fall.

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Veröffentlicht am 26.03.2023

Eine simpel gestrickte American-Dream-Geschichte, die lediglich Unterhaltungspotenzial besitzt.

Der Junge, der Träume schenkte
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Ceta stammt aus dem Süden Italiens, wo sie in ärmlichen Verhältnissen aufwächst. Als 13-Jährige wird sie brutal vergewaltigt und verlässt nur kurz darauf mit ihrem Sohn Natale ihre Heimat. Nachdem sie ...

Ceta stammt aus dem Süden Italiens, wo sie in ärmlichen Verhältnissen aufwächst. Als 13-Jährige wird sie brutal vergewaltigt und verlässt nur kurz darauf mit ihrem Sohn Natale ihre Heimat. Nachdem sie auf dem Schiff mehrmals vom Kapitän missbraucht wird, landet sie in New York und umgehend in einem Bordell. Doch sie versucht, ihrem Sohn so viel wie möglich an Liebe zu schenken und hofft auf eine bessere Zukunft für ihn. Der Alltag in der Lower East Side Anfang des 20. Jhd. war bestimmt von Gewalt, Armut und Prostitution. Doch Ceta schlägt sich tapfer.
Natale, der bei der Ankunft von den Hafenbehörden den Namen Christmas, bekommen hat, wächst in ärmlichen Verhältnissen auf, die Straße wird sein Zuhause. Er gründet als Kind die Gang Diamond Dogs, mit der er später zur Berühmtheit werden soll. Mit seinen erfundenen Geschichten und seinem heiteren Wesen erobert er die Herzen der Bewohner.
Ruth, die Tochter eines reichen, jüdischen Industriellen, wird von Bill, einem Hausangestellten brutal zusammengeschlagen und vergewaltigt. Christmas wird sie schwer verletzt finden, ihr damit das Leben retten und sich in sie verlieben.
Nach der brutalen Tat Bills, der natürlich gleich noch eine folgen wird, verzweigt sich die Handlung in drei Perspektiven.
Hauptsächlich folgen wir der Entwicklung Christmas’. Er ist ein nettes, schlaues Kerlchen mit viel Charme und Einfallsreichtum. Schnell erobert er die Herzen seiner Mitmenschen. Seinem Weg zu folgen, der nicht immer frei von Kleinkriminalität war, hat mir Spaß gemacht. Ihn habe ich sofort ins Herz geschlossen.

Im zweiten Handlungsstrang folgen wir Ruth, die an den Folgen der Vergewaltigung und Verstümmlung viele Jahre leidet. Ihr dadurch entstandenes Trauma wird sie aus der Bahn werfen. Dass es sich allerdings bei der erstbesten Gelegenheit in Luft auflöst, hatte für mich einen faden Beigeschmack.

Und dann hätten wir noch den Oberfiesling Bill, der sich recht bald nach Los Angeles absetzt, aus Angst vor der Strafverfolgung. Ich habe selten erlebt, dass ein Mensch aus dem Nichts heraus so eine dermaßen brutale Tat begeht. Nichts wird in der Geschichte vorbereitet, Di Fulvio setzt einzig auf den Schockmoment. Seine weitere Karriere ist ebenso verstörend wie brutal, dass ich an manchen Stellen von ihm angewidert war. Aber genau diese Szenen wieder und wieder zu zeigen, jede Handlung auszuschlachten, hat mir letztlich das Lesevergnügen komplett verleidet. Bliebe da noch die Strafe, die der Autor für ihn vorgesehen hat. Der Konflikt zwischen Ruth und Bill, die sich natürlich wieder begegnen, wurde als Zufall von außen gelöst. Mehr möchte ich nicht dazu sagen, da ich sonst spoilern müsste. Doch so eine Lösung ist einfallslos und unbefriedigend.

Das sind die Zutaten für diesen 800 Seiten starken historischen Roman, der sich zwar leicht lesen lässt, aber nicht immer leicht zu verkraften ist. Nach nicht mal 100 Seiten hätte ich das Buch liebend gern abgebrochen, wenn ich nicht jemandem versprochen hätte, es zu lesen. Was mich durchhalten ließ, war die Neugier, wie der Autor wohl am Ende dem Bösewicht seine gerechte Strafe zukommen lässt.

Dass das Leben damals kein Zuckerschlecken war, ist klar, doch dass Di Fulvio sich dermaßen darauf konzentriert, jeden Gewaltakt so explizit grausam darzustellen, war mir einfach to much. Quasi jede Frau wird Opfer von Übergriffen und Vergewaltigungen, die detailliert beschrieben wurden. Bis auf Bill sind alle Bösewichte eigentlich nette Typen, dass sie hin und wieder jemanden auf offener Straße erschießen, Schutzgeld erpressen oder jemanden brutal zusammenschlagen, ist ja nicht so schlimm.

Damit geraten die Figuren zu Stereotypen, die wenig Neues zu bieten haben. Man bekommt den Eindruck, jede weibliche Auswanderin wird zu einer Prostituierten, die sich in einen Kleinganoven verliebt. Armer Junge verliebt sich in reiches Mädchen, sie werden getrennt, finden sich aber wieder, Happyend. Die Handlung war also von Anfang an vorhersehbar, was mich aber weniger gestört hat. Sein Erzählstil ist genretypisch leicht zu lesen, wird mit vielen blumigen Details ausgeschmückt und kontrastiert mit den Gewaltszenen, die es in der Form nicht gebraucht hätte.
Auch Cover und Klappentext spiegeln für mich nicht das wieder, was der Leser am Ende bekommt. Es geht nicht um einen etwas fünfjährigen Jungen, wie abgebildet. Der Klappetext bezieht sich mehr auf Cetas Traum von einer besseren Welt in den USA.

Mir fällt es schwer zu sagen, wem ich den Roman empfehlen würde. Den typischen Lesern historischer Romane wird er zu brutal sein. Andererseits ist er zu seicht und klischeehaft. Etwas mehr Niveau wie »Die Wanderhure« hatte er aber durchaus. Ich konnte den Zeitgeist der frühen 20er Jahre spüren. Den Siegeszug der neuen Technik wie Kino und Radio waren für mich glaubhaft und interessant dargestellt. Doch von einer authentischen Schilderung der Zeit war die Geschichte weit entfernt, allein wegen der Figuren. Insgesamt wird mir auch nichts Neues erzählt, was nicht schon tausend Mal irgendwo benutzt wurde.

Fazit: 800 Seiten mit einer fesselnden Handlung zu füllen, ist nicht leicht. Zu viele Nebenschauplätze werden eröffnet, die lediglich schmückendes Beiwerk sind. Aufgrund der Brutalitäten wird es viele Leser des Genres abschrecken. In Zukunft werde ich mich guten Filmen wie »Es war einmal in Amerika« oder »Gangs of New York« widmen, die mehr Authentizität haben und nicht ganz so verkitscht sind.
Wie immer, dies ist meine persönliche Meinung.

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Veröffentlicht am 22.03.2023

Suter ist sich treu geblieben

Melody
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Suter seziert gern en détail die Welt der Reichen, so zumindest der Eindruck, wenn man seine Romane gelesen hat. Und er weiß, wo sie ihre Leichen verstecken!
Diesmal nimmt er uns mit in die Villa des Multimillionärs ...

Suter seziert gern en détail die Welt der Reichen, so zumindest der Eindruck, wenn man seine Romane gelesen hat. Und er weiß, wo sie ihre Leichen verstecken!
Diesmal nimmt er uns mit in die Villa des Multimillionärs Dr. Peter Stotz, der nicht mehr lange zu leben hat. Stotz hat eine beispiellose Karriere hinter sich, Kunstmäzen, Geldgeber, Königsmacher, Strippenzieher und Politiker.
Wichtig ist ihm jetzt, wo ihm nur noch wenig Zeit bleibt, dass sein Nachlass so geordnet wird, damit die Welt von ihm den richtigen Eindruck behält. Dafür stellt er den jungen Juristen Tom Elmer ein. Tom hat lange und gern studiert, bis seine Geldquelle versiegt ist. Verzweifelt auf der Suche nach einem Job, kommt ihm das Angebot gerade recht. Stotz bietet ihm dafür eine stolze Summe, zu der Tom nicht nein sagen kann. Noch ist Tom aber nicht klar, was von den ganzen Aktenbergen wirklich wichtig ist.

»Nimm die Fakten, die für mich sprechen. Und die Fiktion, die nicht leicht widerlegbar ist.« S.59

Während Stotz’ Leben sich in Umzugskisten vor Tom aufstapelt, scheint sein Arbeitgeber aber etwas anderes auf dem Herzen zu liegen. Er erzählt ihm von seiner großen Liebe Melody, deren Konterfeis im ganzen Haus verteilt sind, zwischen Parfümflakons, Stickereien und Theaterkarten.

»Melody war mein erster Gedanke am Morgen, mein letzter am Abend und fast mein einziger dazwischen. Kennen Sie das?«

Doch Melody verschwindet wenige Tage vor der geplanten Hochzeit. Für Stotz beginnt eine lebenslange Suche. Tom zweifelt allmählich am Wahrheitsgehalt der ausgeschmückten Erzählung. Doch wie weit liegen Wirklichkeit und Fiktion auseinander? Gemeinsam mit Laura, Stotz’ Großnichte, begibt er sich auf die Spurensuche.

Was ist es, was wir am Ende eines Lebens hinterlassen, was ist es wert, zu wissen, was macht einen Menschen aus? Und diese Fragen muss sich nicht nur Tom stellen. Es ist eine Geschichte über Geheimnisse und Täuschungen, über Erlebtes und Fiktives, deren Grenzen ineinander verschwimmen. Am Ende zeigt sich einmal mehr, mit Geld kann man sich nicht alles kaufen.

Suter hat mich wieder mal aufs beste unterhalten. Für ein paar Stunden nimmt er uns mit in die Welt der Reichen am Zürichberg, die für die meisten seiner Leser unbekannt ist, aber lebendig wird. Er verwöhnt uns mit gutem italienischen Essen, dass uns das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt, und guten Aperitifs, (Sherry ist übrigens ein Stehgetränk). Während vielen Autoren hier lediglich klischeehafte Figuren gelingen, macht Suter sie für uns lebendig, greifbar und stürzt sie gern von ihrem Sockel. Er entmystifiziert sie, indem er sie als alte Menschen auf die Toilette schickt und spickt sie mit menschlichen Gebrechen und Krankheiten.
Für mich ist Suter ein großer Menschenkenner, fein beobachtet entblättert er deren Schwächen und Geheimnisse. Halbseidenes und Zwielichtiges spült er an die Oberfläche, versteckt zwischen dezenter Spannung, feinem Humor und raffinierter Übertreibung. Sein Erzählstil ist geschmeidig, ungezwungen mit einer saloppen Leichtigkeit, die mich immer wieder fesselt. Sätze wie:

»Dabei war ich nur eines seiner kulturellen Accessoires. Das literarische Einstecktüchlein«

entlocken mir immer wieder ein Schmunzeln.
Auch wenn die Literaturkritiker gern über ihn herfallen, ihm Adjektivismus und Klischeesierung in referierter Spannungslosigkeit vorwerfen, bleibt Suter für mich einer der großen Romanciers der heutigen Zeit.
Für alle, die noch nicht das Vergnügen hatten, ist »Melody« ein guter Einstieg in die gepflegte sutersche Welt der Unterhaltung.

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Veröffentlicht am 22.03.2023

Wenn Jugendliche keinen anderen Ausweg sehen

Scherbenseele
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»Manchmal gibt es nur einen Weg aus der Dunkelheit …«

Nachdem mich die Victoria-Bergman-Trilogie so begeistert hat, war klar, dass ich auch die neue Kronoberg-Reihe lesen muss. Ich kann nur sagen, dass ...

»Manchmal gibt es nur einen Weg aus der Dunkelheit …«

Nachdem mich die Victoria-Bergman-Trilogie so begeistert hat, war klar, dass ich auch die neue Kronoberg-Reihe lesen muss. Ich kann nur sagen, dass die Autoren hier noch mächtig eins obendrauf gesetzt haben. In ihrem 1. Band zeichnen sie das düstere Bild einer hoffnungslosen Jugend, die gekennzeichnet ist von Selbsthass und Autoaggression. Man sollte also gewappnet sein, wenn man sich auf das Thema einlassen will, denn es wird düster, blutig, brutal und sehr explizit.

Seit einem Jahre wird Schweden von einer Suizidserie Jugendlicher erschüttert. Und ausgerechnet Kommissar Hurtig soll ermitteln, er, dessen Schwester vor vielen Jahren auch Selbstmord begangen hat. Die Selbstmorde sind grausam und obendrein inszeniert. Hurtig steht vor einem großen Rätsel, als er die erste von 14 Kassetten abhört, die bei den toten Teenagern gefunden wurden. Alle haben die Musik eines gewissen »Hunger« gehört, die verstörend und düster ist. Bald darauf findet er sich in einer Undergroundszene wieder, deren bizarre Partys seine Vorstellungskraft sprengen. Die gleichzeitigen Morde an drei einflussreichen Männern erscheint dagegen nebensächlich. Bald muss Jens Hurtig erkennen, dass der Fall Kreise bis in sein Privatleben hinein zieht – mit gefährlichen Folgen für den Kommissar …

Die Bücher des Autorenduos verlangen schon alle Aufmerksamkeit. Zu Beginn müssen wir uns mit vielen Namen und Orten auseinandersetzen, was aufgrund der kurzen, schnellen Kapitel nicht unbedingt leicht ist. Aber ich war schnell drin. Jedem Protagonisten widmet er eine eigene Perspektive, was nicht leicht zu schlucken war, weil man ja wusste, das der oder die eine sich noch das Leben nehmen wird. All das macht es nicht leicht, das Buch aus der Hand zu legen.

Alkoholmissbrauch, Drogenabhängigkeit, Selbstverletzung und Mobbing sind nur ein Teil der angesprochenen Themen. Wie immer tauchen wir tief in die kranken Seelen – in die Scherbenseelen – ein und sind zutiefst geschockt von den Ausmaßen. Ein großes Plus für mich sind immer wieder die Charaktere. Ich lese allzu häufig, dass sie zu flach wären. Verstehe ich nicht. Durch ihre Handlungen, Gedankengänge und Rückblenden auf ihr bisheriges Leben kann man gar nicht tiefer in sie eintauchen.
Einer der beiden Autoren ist Musiker und Künstler, und das spiegelt sich hier wieder, indem er uns deutlich zeigt, wie düster und verstörend Musik sein kann und welchen zerstörerische Kraft sie auf labile Jugendliche ausüben kann.
Das Ende hatte es in sich. Leider, und das meine ich positiv im Bezug auf die Glaubwürdigkeit, hat es zur Geschichte gepasst.

Man muss die vorige Reihe nicht gelesen haben. Außer dass die Ermittler hier wieder auftauchen, erklärt sich der Band für sich. Die Geschichte selbst ist in sich abgeschlossen. Aber sie macht natürlich neugierig auf Puppentod, Band 2.

Definitiv nichts für schwache Gemüter!

»Es gibt viele Arten, dich das Leben zu nehmen. Eine davon ist weiterzuleben.« S.249

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