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Veröffentlicht am 01.04.2024

Tod im Ziegenkäse

Mord & Fromage
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Comedians, die Krimis schreiben - das kann, gerade bei angelsächsischen Autoren, ganz wunderbare Ergebnisse zur Folge haben. Der britische Stand-Up Comedian Ian Moore jedenfalls hat mit seinem britisch-französischen ...

Comedians, die Krimis schreiben - das kann, gerade bei angelsächsischen Autoren, ganz wunderbare Ergebnisse zur Folge haben. Der britische Stand-Up Comedian Ian Moore jedenfalls hat mit seinem britisch-französischen Ermittlerduo Richard und Valérie ein charmant-exzentrisches Doppel geschaffen. In "Mord und Croissants" lässt er den englischen Filmhistoriker, B&B-Betreiber im Tal der Loire und hingebungsvollen Halter dreier Legehennen mit den Namen Lana Turner, Ava Gardner und Joan Crawford erstmals mit der elegant-geheimnisvollen Französin Valérie d´Orcay (samt Chihuahua Passepartout) ermitteln. Im Fall von Richard eher unfreiwillig, denn der will vor allem seine Ruhe und einen gelegentlichen Pastis oder Wein, ansonsten aber seiner Leidenschaft für das goldene Zeitalter Hollywoods frönen. Da muss er dann auch nicht an seine allmählich zerfallende Ehe denken.

Irgendwie fällt mir bei der Beschreibung Richards stets auch Archibald Leach ein, der männliche Protagonist aus "Ein Fisch namens Wanda". Liegt es an all den Komplexen und sozialen Normen der britischen Mittelklasse? Ein irgendwie zu schwach ausgeprägtes Selbstbewusstsein und die angewohnte Höflichkeit, die unter Kontinentaleuropäern irgendwie zum Wettbewerbsnachteil führt?

Kein Wunder, dass sie Richard von der Wucht Valéries irgendwie überfahren vorkommt, denn die geheimnisvolle Unbekannte in seinem B&B reißt schnell Kontrolle und Kommando an sich, als ein verschwundener Pensionsgast plötzlich zu unerwartetem Detektivspiel führt, das gar auf eine Spur zur sizilianischen Mafia hinweist.

Die Kluft zwischen den Temperamenten der beiden Protagonisten wie auch die lustvoll ausgespielten nationalen Stereotype, britische Ironie und exzentrische Nebenfiguren sorgen dafür, dass der Humor in diesem Cozy-Krimi nicht auf der Strecke bleibt.

Das weckte Erwartungen für den Folgeband "Mord und Fromage", in dem das ungleiche Paar (wobei das mit dem Paar eher Wunschdenken Richards ist) erneut ermittelt und sich diesmal mit Ziegenkäse, Sterneköchen und den komplizierten Verhältnissen einer Ex-Hippiekommune auseinandersetzen muss.

Fast scheint es zudem, als könne der Beginn einer wunderbaren Ermittlerfreundschaft zum Scheitern verurteilt werden, nämlich durch die andere Frau. Anders als im Hollywood Noir handelt es sich allerdings weniger um eine Femme Fatale als vielmehr um Richards Ehefrau, die hofft, ihre Ehe nicht nur retten zu können, sondern obendrein den sozialen Status als Professorengattin in Cambridge aufzuwerten. Richard, wie immer von energiegeladenen Frauen überfordert, sieht schon alle seine Träume die Loire herunterschwimmen - und was wird eigentlich aus den Hühnern?

Ohne zu spoilern, soll immerhin schon so viel verraten werden: Weiteren Fällen von Richard und Valérie dürfte nichts im Wege stehen. Und vermutlich wird sich Richard auch dann fragen, was zum Teufel gerade passiert ist, auch wenn seine unvermuteten Geistesblitze, deren er sich nicht einmal bewusst ist, den Schlüssel zum Aufklärungserfolg bringen.

Wer die Abenteuer des "Donnerstagsmordclub" mag, wird auch Richard und Valérie ins Leser-Herz schließen. Locker-leicht geschrieben und sich selbst nicht zu ernst nehmend, verbindet diese Reihe englischen Humor und französischen Charme. Encore, s´il vous-plait!

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Veröffentlicht am 29.03.2024

Tödliche Influencer-Party

Die Auszeit
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Der Klappentext von "Die Auszeit" von Emily Rudolf klingt atemlos: "Faszinierende Figuren, überraschende Twists und soghafte Atmosphäre: Der packende Thriller von Emily Rudolf führt uns in einem unaufhaltsamen ...

Der Klappentext von "Die Auszeit" von Emily Rudolf klingt atemlos: "Faszinierende Figuren, überraschende Twists und soghafte Atmosphäre: Der packende Thriller von Emily Rudolf führt uns in einem unaufhaltsamen Countdown bis zum Mord und seiner Aufklärung." Wird das Buch dem Hype gerecht?

Meine Meinung: Mehr Schein als Sein, nicht nur in der Influencer-Welt von Victoria, die mit ihrer Clique ein langes Wochenende in einem exklusiven Resort in den Alpen verbringt, um den millionsten Follower ihres social Media Profils zu feiern. Dann aber gibt es nicht nur ein Unwetter, das die Gruppe ohne Strom und Handy-Empfang lässt, es gibt auch eine Leiche. Jeder hat Geheimnisse, eigennützige Motive und mehr oder weniger schmutzige kleine Geheimnisse. Auch das Personal des Retreats ist nicht über jeden Verdacht erhaben.

Mit wechselnden Erzählperspektiven und Zeitsprüngen erzählt Rudolf Episoden countdownmäßig bis zum Mord oder vielmehr der Entdeckung der Leiche und der Suche nach Aufklärung beziehungsweise dem Versuch der Hauptverdächtigen, ihre Unschuld zu beweisen. Unterdessen brechen unterdrückte Konflikte ebenso aus wie allgemeine Paranoia.

Vielleicht ist dieses Buch ja eher für Leser*innen der Gen Z geschrieben. Mir geht der daueraufgeregte beziehungsweise selbstverliebte Ton der eingestreuten social media posts auf die Nerven. Die Charaktere sind mir allesamt unsympathisch - was an sich kein Problem sein muss, es gibt schließlich faszinierende Schurkenfiguren in Literatur oder Film. I love to hate them. Aber Victoria und ihre Clique sind so glatt, oberflächlich und nichtssagend wie der ganze Influencer Hype, jedenfalls für mich.

Das Buch hat durchaus spannende Momente und Rudolf schafft es, das zunehmende gegenseitige Misstrauen glaubhaft zu schildern, aber insgesamt war es einfach nicht meins. Ganz bestimmt wird es seine Fans haben, aber mit etwas komplexeren und weniger vorhersehbaren Figuren hätte es mir besser gefallen.

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Veröffentlicht am 29.03.2024

Mode, Drogen und ein Killer voll Zen

Die Hausboot-Detektei - Tödlicher Stoff
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"Tödlicher Stoff", der Titel des dritten Romans um Amy Achterops Amsterdamer Hausboot-Detektive, hat doppelte Bedeutung. Denn einerseits geht es - in Amsterdam eigentlich nicht so überraschend! - um Drogen, ...

"Tödlicher Stoff", der Titel des dritten Romans um Amy Achterops Amsterdamer Hausboot-Detektive, hat doppelte Bedeutung. Denn einerseits geht es - in Amsterdam eigentlich nicht so überraschend! - um Drogen, zum anderen um die Modeszene und den Tod eines Mäzens, der Rätsel aufgibt: Unfall oder Mord?

Die Tochter des Toten will nicht glauben, dass er im LSD-Rausch gegen ein Müllauto lief - ihr Vater sei gegen Drogen in jeder Form gewesen. Die Hausboot Detektive Arie, Maddie, Jack, Jan und Elin merken allerdings schon bald: Der Saubermann hatte irgendetwas zu verbergen. Warum handelte er mit völlig überteuerten Wollstoff, und warum war ein schwedischer Modedesigner bereit, dafür den geforderten Preis zu bezahlen?

Eine zickige Modeexpertin, eine kiffende und strickende Oma, ihr schwerverliebter und etwas lebensfremder Enkel und ein Killer mit sanfter Zen-Philosophie sind nur einige der exzentrischen Nebenfiguren, die den Charme der Bücher um die Hausboot-Detektive ausmachen. So wirklich realitätsnah sind diese Cozys zwar nicht, und wer die Bösewichte sind, merken die Leser*innen auch ohne detektivische Vorbildung sehr schnell. Aber die Hausboot-Romane versprechen Wohlfühlatmosphäre und eine eher untypische Detektei mit sympathischen Lebenskünstlern, ein wenig gescheiterten Existenzen mit Humor und Einsatz für Schwächere.

Völlig verzichtbar und etwas selbstverliebt-manieriert sind dagegen die Verweise auf die Bücher über die Hausboot-Detektei, die Elin unter dem Pseudonym Amy Achterop schreibt. Ohne diese Schlenker würden mir die Bücher viel besser gefallen. Auf die neuen Abenteuer des Teams müssen Fans nicht lange warten - im Herbst soll bereits der vierte Band erscheinen.

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Veröffentlicht am 25.03.2024

Faszinierend und verwirrend

Die Flucht
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Die Lektüre von "Die Flucht" von Fuminori Nakamura lässt mich zwiegespalten zurück. Denn das Buch um eine ungewöhnliche Trompete und ihre Wirkung auf die Menschen, über Japan in Vergangenheit und Gegenwart ...

Die Lektüre von "Die Flucht" von Fuminori Nakamura lässt mich zwiegespalten zurück. Denn das Buch um eine ungewöhnliche Trompete und ihre Wirkung auf die Menschen, über Japan in Vergangenheit und Gegenwart ist faszinierend und verwirrend zugleich. Vor allem der zweite Teil überzeugt mit Vielschichtigkeit und überraschenden Entwicklungen, während das Buch am Anfang eine Weile braucht, um Fahrt aufzunehmen. Manche Fragen bleiben hingegen bis zuletzt unbeantwortet.

Liebesgeschichte, Kriegsdrama, Allegorie, Warnung vor Populismus und Verführung der Massen - hier steckt viel drin. Was die titelgebende Flucht angeht: Seit der Journalist Kenji Yamamine in den Besitz der sogenannten Teufelstrompete gekommen ist, sind ihm merkwürdige Gestalten auf den Fersen - der geheimnisvolle B., der mit Folter und einem schrecklichen Tod droht, aber auch die attraktive Vertreterin einer Sekte, die sich selbst im Gegenzug für die Trompete anbietet. Yamamine hat den Rechtsruck der japanischen Gesellschaft kritisch beobachtet, er fürchtet, die Trompete werde von Rechtsextremen als Propagandainstrument missbraucht. Schließlich hatte der legendäre Trompeter Suzuki Berichten zufolge im Zweiten Weltkrieg damit japanische Soldaten angefeuert, gegen eine amerikanische Übermacht zu kämpfen.

Doch die Jagd nach der Trompete, die Yamamine zu einer Flucht bis nach Deutschland treibt, ist nur ein Teil der Handlung. Es geht um die japanische Christenverfolgung und das Ausharren der christlichen Minderheit von Nagasaki, die Atombombe, verschlungene und miteinander verwobene Familiengeschichten, ja, den Kreislauf der Geschichte, den unterschiedlichen Blick auf Krieg: Was für die einen ruhmreich ist, ist für die anderen eine Kette von Grausamkeiten, die keinen unschuldig zurücklässt.

Hat Nakamura womöglich zu viel in dieses komplexe Buch gesteckt? Es gibt einige Rätsel auf, doch gleichzeitig überzeugt es sprachlich, Kein Buch, das sich mal eben schnell lesen lässt.

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Veröffentlicht am 16.03.2024

Rites of Passage

Issa
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In ihrem Debütroman "Issa" hat Mirrianne Mahn zumindest einiges mit ihrer Ich-Erzählerin Issa gemeinsam: In den späten 1980-er Jahren in Kamerun geboren, in Deutschland in einem Dorf im Hunsrück aufgewachsen, ...

In ihrem Debütroman "Issa" hat Mirrianne Mahn zumindest einiges mit ihrer Ich-Erzählerin Issa gemeinsam: In den späten 1980-er Jahren in Kamerun geboren, in Deutschland in einem Dorf im Hunsrück aufgewachsen, lebt heute in Frankfurt. Zu Beginn des Romans sitzt Issa im Flugzeug, ungeplant schwanger, und auf dem Weg nach Kamerun zu "den Omas", ihrer Großmutter und ihrer Urgroßmutter. Denn ihre Mutter, zu der sie ein schwieriges Verhältnis hat und die über die Schwangerschaft noch vor Abschluss des Studiums alles andere als begeistert ist, ist überzeugt, dass das ungeborene Kind Issa umbringen wird, wenn nicht die nötigen Rituale begangen werden. Die Beziehung zum Kindsvater ist nicht ungetrübt und Issa befindet sich in einer emotionalen Achterbahn, weiß nicht wirklich, was sie will nur dass sie ihr Kind keinesfalls abtreiben will, das ist ihr völlig klar.

Die Reise zu den Omas ist auch buchstäblich eine Reise zu den Wurzeln, und das in zweifacher Hinsicht. Denn die Omas haben Issa in ihrer frühen Kindheit aufgezogen, während ihre Mutter in Nigeria Medizin studierte. Es geht in dem Roman aber auch um die Geschichte der Frauen der Familie, die Ahnen, die Kindheit der Uroma noch während der deutschen Kolonialzeit und im Ersten Weltkrieg. Während Issa eintaucht in die ihr fremde Welt der Rituale, wird zugleich auf anderen Erzählebenen die Familiengeschichte entblättert, in der sich Frauen mit Verlust, Missachtung und Überlebensstrategien auseinandersetzen mussten. Männer sind fast immer Nebenfiguren, bis auf wenige Ausnahmen toxisch, manipulativ oder gewalttätig.

Issa mag zwar in Kamerun geboren sein, hat aber den Blick von außen und fühlt sich auch immer wieder als Außenseiterin, als "Kokosnuss" (außen braun,innen weiß), die weder Pidgin noch die ethnische Sprache Bakwara spricht, die auf dem Markt oder im Taxi nicht den Mund aufmachen soll, weil bei der Erkenntnis, mit einer Deutschen zu tun zu haben, gleich die Preise steigen. Immer wieder geht es um Identitätssuche und das Gefühl, nicht dazu zu gehören - in Deutschland, wo sie als Kind in der Schule gemobbt wurde, wegen ihrer Hautfarbe, in Kamerun wegen der fehlenden Sozialisation und Unwissenheit über kulturelle Traditionen.

Auch wenn Issa nach Jahren bereits erwachsen ist,ist dieser Roman doch eine coming of age story, in der Identitätssuche und Auseinandersetzung mit der künftigen Mutterrolle wie auch den Beziehungen zu den Frauen der Familie Issas Weg prägen. Nebenher geht es um das Konzept afrikanischer Großfamilien, die Herausforderungen polygamer Ehen und die Verbindung zu den Ahnen und traditionellem Glauben.

Das Buch ist lebendig geschrieben und vielschichtig, auch wenn die Autorin nicht auf einige Platitüden verzichten kann, wenn sie etwa über schwarze Mütter und ihren Erziehungsstil schreibt oder andere Verallgemeinerungen über afrikanische Kultur beziehungsweise schwarze Identität von sich gibt.. Angesichts der ethnischen Vielfalt und großen sozialen Unterschiedie in den mehr als 50 afrikanischen Staaten ist das dann doch arg vereinfachend. Dennoch ein lesenswertes und interessantes Buch, das starke Frauen in den Mittelpunkt stellt.

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