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Veröffentlicht am 06.08.2020

Viel mehr als nur ein Krimi

Darktown (Darktown 1)
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Eine junge Frau wird tot, ermordet, auf einem vermüllten Grundstück gesehen, Die Polizisten, die zum Tatort gerufen werden, erkennen die Tote - erst kurz zuvor hatten sie sie, offensichtlich misshandelt, ...

Eine junge Frau wird tot, ermordet, auf einem vermüllten Grundstück gesehen, Die Polizisten, die zum Tatort gerufen werden, erkennen die Tote - erst kurz zuvor hatten sie sie, offensichtlich misshandelt, im Wagen eines Mannes sitzen sehen, den sie bei einem Umfall kontrollierten. So weit klingt vieles nach einem ganz normalen Detektivroman, in dem nun die Ermittlungen ihren Anfang nehmen müssen und der Leser zur zusätzlichen Spannung auf ein paar falsche Spuren geführt wird.

Doch "Darktown" von Thomas Mullen spielt im Atlanta des Jahres 1948, und die Polizisten gehören der kleinen, erst vor kuzem gegründeten Gruppe der sogenenannten "Negro Polizisten" an, die in den von Schwarzen bewohnten Stadtvierteln, eben in Darktown, Dienst tun - unter der Führung eines weißen Offiziers. Segregation ist noch höchst lebendig und Rassismus ist Alltag. Die acht schwarzen Polizisten wissen - auf ihnen ruhen die Augen der gesamten Community, teils argwöhnisch, teils voller Hoffnung. Und auch innerhalb des Polizeipräsidiums - das die schwarzen Polizisten nicht betreten dürfen - hoffen viele, dass das Experiment scheitert. Einige Beamte versuchen, die ungeliebten schwarzen Kollegen in Diskredit zu bringen, ganz besonders der korrupte Polizist Dunlow.

Lucius Boggs, einer der "Negro Cops" und Sohn eines Geistlichen, ist sicher, dass Dunlow den Mann kennt und deckt, in dessen Auto die später ermordete Frau saß. Dieser Mann, so findet er heraus, war selbst einmal Polizist, der nach einem Skandal gefeuert wurde. Auch Dunlows Partner Rake, der nach seinem Militärdienst zur Polizei gekommen ist und dem der Schmiergeld kassierende Kollege ein Dorn im Auge ist, stößt auf einige Merkwürdigkeiten. Rake und Boggs, der gar keine Detektivaufgaben wahrnehmen darf, ermitteln heimlich und auf eigene Faust - erst jeder für sich, dann im Rahmen einer zunächst von Misstrauen und Skepsis bestimmten Zusammenarbeit.

Ein wenig erinnert "Darktown" an das Genre Noir, mit hartgesottenen Polizisten, die auch mal kräftig zuschlagen und Dienstvorschriften eher lax auslegen. Gleichzeitig ist dies ein historischer Roman, der in den Zeiten von #Blacklifesmatter nichts an Brisanz eingebüßt hat. Ja, es gibt ein paar Klischees von der schwüle des Südens, den Predigern und den Damen der Gesellschaft, aber Jahre vor der Bürgerrechtsbewegung (ein gewisser Referend King gehört übrigens zu den Geistlichen, mit denen Boggs über seinen Vater bekannt ist) bestimmt die Hautfarbe , wo Menschen wohnen und welche Chancen sie haben - und schwarz zu sein, kann sich unter bestimmten Voraussetzungen als tödlich erweisen.

Thomas Mullen hat ein atmosphärisch dichtes und spannendes Buch geschrieben und greift dabei auf ein Vokabular zurück, dass heute nicht mehr als politisch korrekt gelten würde - das N-Wort zum Beispiel! Im historischen Kontext und um den damaligen Zeitgeist zu spiegeln dürfte das allerdings unumgänglich sein - und vielleicht trägt es bei manchem Leser ja auch dazu bei, mehr Sensibilität im Umgang zur Sprache zu entwickeln.

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Veröffentlicht am 04.08.2020

Eine Anklage gegen das Nichts Tun

Terror gegen Juden
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Das vielleicht schlimmste an den Anschlägen von Halle und Hanau, außer dem Verlust von Menschenleben, war vielleicht: Keiner, der schon eine Weile mit dem Problem rechtsextremistischer Gewalt zu tun hatte, ...

Das vielleicht schlimmste an den Anschlägen von Halle und Hanau, außer dem Verlust von Menschenleben, war vielleicht: Keiner, der schon eine Weile mit dem Problem rechtsextremistischer Gewalt zu tun hatte, war überrascht. Die Gewalt, der Terror - sie kamen nicht unerwartet, nicht für viele jüdische oder muslimische Gemeinden, nicht für Migrantenorganisationen, nicht für die Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer oder antisemiticher Gewalt. Sie hatten sich schon seit langem die Frage gestellt, ob solche Taten in Deutschland möglich seien, sondern wo und wann. Dass sie nicht aus dem Nichts kamen, das macht auch Ronen Steinkes Buch "Terror gegen Juden" deutlich, das im Untertitel deutlich macht, was es ist: Eine Anklage.

Denn an den Text schließt sich eine rund 100-seitige Chronik antisemitischer Gewalttaten zwischen 1945 und Anfang 2020 an. Wohlgemerkt - hier geht es um Gewalttaten, um Angriffe auf Menscheb, Synagogen, Gemeindezentrum, nicht um Beleidigungen, Hetze, antisemitische Witze. Dann wäre das Buch deutlich umfangreicher und ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit geraten. Doch selbst der Vergleich über die Jahre zeigt: Es ist mehr geworden, und es ist schlimmer geworden, das verdeutlicht die Zahl körperlicher Angriffe in den vergangenen Jahren.

Für seine Recherchen hat Steinke mit Juristen gesprochen, mit Rabbinern, mit Staatsschützern, mit jüdischen Menschen, die teils im öffentlichen Leben stehen, teils ihr Judentum bewusst "diskret" behandeln.

Anklagend ist der Ton gerade, wenn es um den Anschlag von Halle geht: Wäre die Tür nicht so massiv gewesen, nichts hätte den Täter an dem beabsichtigten Blutbad ausgerechnet an Yom Kippur, also dem höchsten jüdischen Feiertag, verhindert. Einem Tag also, an dem die Synagoge voller ist als sonst, ähnlich wie christliche Kirchen an Weihnachten oder Moscheen zum Ende des Ramadan. Und trotzdem war keine Polizei vor Ort. Und auch vorher hatte es keinen Polizeischutz gegeben, mangels Staatsvertrag zwischen dem Land und den jüdischen Gemeinden. Die Tür war eine Spende einer Organisation aus Israel gewesen.

Wer in Berlin, Frankfurt oder München lebt, kennt die schwer bewaffneten Polizeiposten, die rund um die Uhr Synagogen und Gemeindezentren bewachen, die israelischen Wachleute, die im Inneren Dienst tun, die Betonpoller, die Sprengstoffanschläge mit Autos verhindern sollen. In Halle hat es all das nicht gegben - kein Einzelfall, gerade in kleinen Gemeinden außerhalb der Metropolregionen, die in der Regel zudem nicht das Geld haben, die vom zuständigen LKA empfohlenen Schutzmaßnahmen umzusetzen - und wo sich das jeweilige Bundesland mangels entsprechender Verträge nicht in der Pflicht sieht.

Die "nie wieder"-Reden an den einschlägigen Gedenktagen kosten nichts - bei Maßnahmen zum Schutz jüdischen Lebens in Deutschland fühlen sich die Gemeinden, das zeigt das Buch, vielfach allein gelassen. Das gelte auch dann, wenn Juden angegriffen werden - man solle doch nicht so empfindlich sein, bekommt danach manches Opfer zu hören. Sei doch alles nicht so gemeint. Das erinnert an die Erfahrungen derjenigen, die sich von Rassismus, Sexismus oder Homophobie betroffen fühlen.

Oder der Umgang mit dem Mord an dem Verleger Shlomo Lewin und seiner Lebensgefährtin im Jahr 1980, wo bevorzugt persönliche statt antisemitischer Tatgründe untersucht wurden. Erinnert an NSU?

Steinkes Buch ist auch eine Abrechnung mit Verharmlosung, eine Absage an die resignative Grundstimmung, dass der Ausnahmezustand der Normalzustand jüdischen Lebens in Deutschland sei und eine Auflistung all jener Umstände, dass Juden vielleicht nicht gerade auf gepackten Koffern sitzen aber doch, wie einer der Gesprächspartner des Autors sagte, schon einmal auf dem Dachboden nach den Koffern sucht. Eine Zustandsbeschreibung, die bitter ist und nicht nur zum Nachdenken, sondern vor allem zum Handeln anregen sollte.

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Veröffentlicht am 02.08.2020

Die dunkle Seite der Ferieninsel

Verschollen in Palma
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Ein Skandinavien Krimi unter der Sonne des Mittelmeers - kann das sein? Ja, und wie, so düster wie im hohen Norden, mediterranean noir, gewissermaßen! Jedenfalls in Mons Kallentofts neuen Beuch "Verschollen ...

Ein Skandinavien Krimi unter der Sonne des Mittelmeers - kann das sein? Ja, und wie, so düster wie im hohen Norden, mediterranean noir, gewissermaßen! Jedenfalls in Mons Kallentofts neuen Beuch "Verschollen in Palma", wo ein auf Privatdetektiv umgesattelter Ex-Polizist seine seit drei Jahren vermisste Tochter sucht. Ihre Spur verliert sich auf der Urlaubsinsel, wo sie zusammen mit zwei Freundinnen zum ersten Mal allein Urlaub machte. Es war Tim, der Vater, den sie von der Reise überzeugen konnte und der dann auch seine zunächst ablehnende Frau Rebekka zu ihrem Einverständnis überredete. Doch nach einer Partynacht verliert sich Emmes Spur, ihre Freundinnen haben die Eltern erst nach einem Tag informiert, weil sie meinten, Emme würde schon zurück ins Hotel kommen nach einer wilden Nacht.



Auch drei Jahre später will Tim nicht glauben, dass Emme tot ist, möglicherweise betrunken schwimmen gegangen und im Meer ertrunken, wie die Polizei meint. Er hat seine Zelte in Schweden abgebrochen, die Ehe ist über der Familientragödie kaputt gegangen. Wo Rebekka sich in ihre Arbeit als Ärztin stürzt, geht Tim neben seiner Arbeit an Untreueermittlungen oder Bootsbetrügern weiter jeder Spur nach, die sich vieleicht doch noch auftun könnte, mit mehr Alkohol und Tabletten, als gut für ihn ist. Der Leser erlebt ihn als einen gebrochenen, kaputten Helden, den eigentlich nur noch die Verzweiflung und seine selbstgesteckte Mission aufrecht halten, einer, der auf der falschen Seite der Avenida lebt und vor allem die Schattenseiten des Urlaubsparadieses kennt.



Das gilt umso mehr für den neuen Fall - ein deutscher Millionär befürchtet Untreue seiner sehr viel jüngeren Ehefrau, was Tim innerhalb einer Woche eindeutig bestätigen kann. Doch dann überstürzen sich die Ereignisse: Der Lover, ein Escort, wird ermordet aufgefunden, Tatwaffe war ein Baseballschläger, wie ihn der gehörnte Ehemann in seiner Villa hatte. Die Ehefrau ist spurlos verschwunden,. Der Deutsche unter dringendem Tatverdacht festgenommen. Doch Tim glaubt nicht, dass es so einfach ist und ermittelt auf eigene Faust.



Schon bald merkt er, dass er in ein Hornissennest gestoßen ist: Korruption, Immobiliengeschäfte, Parties mit sehr jungen Frauen und Prostituierten, bei denen es ausgesprochen hart zur Sache gehen kann. Die feine Gesellschaft von Mallorca hat eine dreckige Seite und etwas dagegen, wenn ein Detektiv sie demaskieren will. Doch als Tim auf ein Foto stößt, auf dem eine rosa Jacke zu sehen ist, wie sie Emme getragen hat, gibt es für ihn kein Halten mehr . Doch er hat sich mit skrupellosen Gegnern eingelassen, die ihre Interessen buchstäblich mit aller Gewalt schützen...



Düster und dramatisch liest sich "Verschollen in Palmen", mitunter auch so wirr wie ein Alkohol- oder Drogenrausch, mit Einsprengseln aus der Gedankenwelt der verschwundenen Emme, als seien nur ihre Erinnerungsfetzen noch vorhanden. Auf ein Licht am Ende des Tunnels zu hoffen ist dabei müßig. Definitiv kein Cozy-Urlaubskrimi, aber für Freunde des Scandinavia noir wärmstens zu empfehlen.

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Veröffentlicht am 11.07.2020

Ganz schön vielseitig!

Vegan! Das Goldene von GU
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Es ist ziemlich schwer, in der GU-Reihe ein Kochbuch zu finden, mit dem ich so gar nichts anfangen kann. Höchstens, wenn es sich um ein Geschenk handelt mit einer Küchenrichtung, die so gar nicht meine ...

Es ist ziemlich schwer, in der GU-Reihe ein Kochbuch zu finden, mit dem ich so gar nichts anfangen kann. Höchstens, wenn es sich um ein Geschenk handelt mit einer Küchenrichtung, die so gar nicht meine ist. Der einzige Kritikpunkt ist meist, dass es sich um eher schmale, übersichtliche Bändchen handelt. Appetithappen von einem Kochbuch gewissermaßen, während sich der hungrige Leser/Hobbykoch einen Nachschlag gewünscht hätte.

Bei "Vegan! Das Goldene" ist das ganz und gar nicht so. Mit einem Umfang von 400 Seiten bleibt hier keiner hungrig und ohne Anregungen. Auch wenn die Zielgruppe offensichtlich vegan lebt, kocht und isst, finden auch Vegetarier und Flexitarier viele leckere Gerichte - und die leidenschaftlichen Carnivoren könnten zumindest mal ins Nachdenken geraten, ob sie sich nicht für das eine oder andere Gericht erwärmen könnten. Zumal es sehr viel gibt, was schon mal lecker in den Tag hilft - ob Müsli oder selbstgemachte Energieriegel, Smoothies oder Brot, Dips und Aufstriche, die schon beim Lesen das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen. Golden Mango Milk (mit Kurkuma) oder Schoko-Pflaumen-Smoothie etwa haben mich sofort überzeugt.

Sehr viele Rezepte dürften der Tatsache geschuldet sein, dass Veganer in Kantinen meist nur ein sehr sparsames Angebot finden, denn es gibt viele Snacks und "to go"-Rezepte, die als Lunch im Glas oder aus der Box für den kleinen Hunger zwischendurch gedacht sind und neue Energie liefern. Der Bulgursalat mit scharfen Möhren etwa hatte es mir sofort angetan. Zudem sind so viele Geschmacksrichtungen vertreten, dass wirklich für jeden etwas dabei ist, zu meiner Freude auch vieles, was orientalisch, mediterran oder asiatisch ist. Dass auch viele Currys enthalten sind, dürfte niemanden wundern, der die indische Küche kennt - so ein leckeres Dhal etwa ist schließlich in vielen Variationen möglich.

Aus meiner ganz persönlichen Sicht überflüssig sind die Gerichte, die nach Fleisch aussehen, angeblich auch so schmecken, aber trotzdem vegane Schnitzel, Burger oder "Currywürste" sind. Aber das ist vermutlich meine flexitarische Ignoranz, die nicht einsieht, warum jemand, der vegan lebt, dennoch etwas essen will, was nach Fleisch aussieht. Auf den wie immer in der Buchreihe liebevoll fotografierten und anregend angerichteten Beispielbildern wirkt der vegane Fleischlook jedenfalls überzeugend.

Zugegeben: Ich werde nie eine echte Veganerin - dazu esse ich viel zu gerne Käse. Und vermutlich werde ich bei so manchem Gericht auch mal schummeln und Milch oder Joghurt statt die pflanzlichen Alternativen benutzen, schon allein deswegen, weil ich sie nicht vorrätig habe. Aber auf diesen 400 Seiten habe ich vieles entdeckt, was in den nächsten Wochen und Monaten bei mir auf den Teller kommen dürfte. Und auf die "goldene Reihe" bin ich jetzt auch aufmerksam geworden.

Veröffentlicht am 11.07.2020

Aktueller denn je - Baldwins Abrechnung mit Rassismus

Nach der Flut das Feuer
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Der Brief James Baldwins an seinen 14-jährigen Neffen klingt, als sei er im Jahr 2020 oder 2014 geschrieben, nicht im Jahr 1963, vor mehr als einem halben Jahrhundert: "Ich weiß, wie düster es heute für ...

Der Brief James Baldwins an seinen 14-jährigen Neffen klingt, als sei er im Jahr 2020 oder 2014 geschrieben, nicht im Jahr 1963, vor mehr als einem halben Jahrhundert: "Ich weiß, wie düster es heute für dich aussieht", heißt es darin. "Du wurdest geboren, wo du geboren wurdest, mit Zukunftsaussichten, die deine Aussichten waren, weil du schwarz bist - aus keinem anderen Grund. Deinem Streben sollten für alle Zeit Grenzen gesetzt werden. Du bist in eine Gesellschaft hineingeboren, die Dir mit brutaler Offenheit und auf vielfältigste Weise zu verstehen gibt, dass Du ein wertloser Mensch bist."

Nein, in dem Essayband "Nach der Flut das Feuer" versucht der afroamerikanische Schriftsteller nicht, den Jugendlichen James klein zu halten. Seine Worte sind mit Liebe geschrieben, wie er betont, nicht mit Geringschätzung. Doch die Hautfarbe des Jungen definiert Chancen und Möglichkeiten, wie schon bei den Generationen vor ihm. Ein wenig erinnert das an "the talk", das Gespräch, das schwarze afrikanische Eltern in den USA besonders mit ihren Söhnen führen, wenn sie der Kindheit entwachsen, wenn ihre Hautfarbe im Fall einer Polizeikontrolle oder einfach nur ihre Anwesenheit zur falschen Zeit am falschen Ort tödliche Konsequenzen haben kann - wie bei all jenen afroamerikanischen Männern, deren Namen in den vergangenen Jahren durch die Welt gingen, so wie zuletzt George Floyd.

Manches, vieles, hat sich geändert in dem halben Jahrhundert, seit Baldwin seinen Essayband schrieb. Die Bürgerrechtsbewegung erkämpfte wichtige Erfolge. Die Segregationsgesetze gibt es nicht mehr. Die USA hatten ihren ersten schwarzen Präsidenten. Harlem, für Baldwin noch der Ort, der von Zuhältern und Prostitution, von Kriminalität und Drogen geprägt war, ist für viele Afroamerikaner heute ein Ort schwarzer Kultur, ein Ort des Stolzes auf die eigene Identität. Doch Trayvon Martin, Michael Brown oder George Floyd stehen für die immer wieder dokumentierte Tatsache, dass Afroamerikaner häufiger als Hispanics oder Weiße von der Polizei erschossen, dass sie bei Straftaten härter verurteilt werden und häufiger von der Polizei kontrolliert werden.

Racial profiling, das ist nicht nur in den USA ein Thema, ebenso wenig struktureller Rassismus. Und er muss sich nicht gegen schwarze Menschen richten, sondern kann genauso andere Minderheiten betreffen. Gerade deshalb ist es gut und wichtig, dass Baldwins Text aus den 60-er Jahren nun eine Neuauflage erlebt hat. Die Fragen, die Baldwin damals aufwarf, haben Gültigkeit. Was machen Rassismus-Erfahrungen mit einem Menschen. gerade mit einem jungen? Wie umgehen mit denen, die ignorieren oder verdrängen, dass einem Teil der eigenen Bevölkerung Chancen und Zukunft verweigert werden? Wie aber auch umgehen mit denen aus der anderen Gruppe, die mit Hass und Militanz reagieren, die umgekehrt von "weißen Teufeln" reden wie die Black Muslims, die Baldwin in den 60-er Jahren kennenlernte?

Der schmale Essayband enthält Einsichten, die Gültigkeit behalten und zum Nachdenken anregen.