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Veröffentlicht am 19.12.2022

Love Kills

Wir zerstören dich
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Love kills, das sang schon Freddy Mercury. In "Wir zerstören dich" von Peter James stehen finanzieller Ruin oder gar ein grausamer Tod an der Stelle der erhofften Liebe. Detective Superintendent Roy Grace ...

Love kills, das sang schon Freddy Mercury. In "Wir zerstören dich" von Peter James stehen finanzieller Ruin oder gar ein grausamer Tod an der Stelle der erhofften Liebe. Detective Superintendent Roy Grace ermittekt zu einem angeblichen Suizid, der bei näherem Hinsehen aber Verdacht erregt. Denn die wohlhabende ältere Witwe, die erhängt in ihrer Wohnung gefunden wurde, hatte über eine Online Dating-Agentur einen neuen Partner gesucht - und vermeintlich gefunden. Bis erste Geldwünsche geäußert wurden und die misstrauisch gewordene Frau Bilder ihres Online-Lovers durch eine Suchmaschine laufen ließ. Das Ergebnis: Unbekannte haben die Identität beziehungsweise Profilfotos eines Motivationsredners gestohlen, der ganz bestimmt keine Frau sucht, ist er doch glücklich mit seinem Ehemann verheiratet.

Untersuchungen im Umfeld der Toten ergeben: Die Münchner Polizei ermittelt gerade zum Tod ihrer Schwester, die aus ihrem Fenster gestürzt wurde. Auch sie hatte über eine Online-Agentur einen neuen Partner gesucht, den Liebesbetrüger stellen wollen. Das Detektivspiel hat offenbar für beide Frauen tödlich geendet.

Und ein weiterer Love Scam beschäftigt die Polizei in Sussex: Ein älterer Ex-Offizier, der sein gesamtes Vermögen in Unterstützung seiner angeblichen Online Freundin investiert und verloren hat. - wie auch ein ehemaliger amerikanischer Polizist. Die beiden Männer wissen, dass die Ersparnisse ihres Lebens verloren sind. Doch sie wollen sich nicht damit abfinden.

James gibt seinen Lesern zahlreiche Informationen über Täter, Hintermänner und Querverbindungen zu diesen Fällen, die Grace und sein Team erst noch machen müssen. Die Spannung liegt nicht so sehr im Whodunnit, sondern dem Katz und Maus-Spiel, zumal gleich mehrere Gruppen im Spiel sind: Ein ehemaliger westafrikanischer Kindersoldat aus Ghana unfd sein psychopathischer Cousin, die vom großen Coup träumen und sich von ihrem früheren Chef losgesagt haben, um ihre eigene Betrugsfirma aufzubauen. Und der frühere Boss, der keine Konkurrenz duldet und einen Killer auf die beiden ansetzt. Ausgerechnet dieser Auftragsmörder in Grace kein Unbekannter. Nun geht es um die Frage - wer ist das nächste Opfer der Internetbetrüger - und wie kann ihnen endgültig das Handwerk gelegt werden?

Als wäre all dies nicht genug, muss sich Grace Sorgen um seinen verhaltensauffälligen Sohn aus erster Ehe machen, von dessen Existenz er erst vor kurzem erfahren hat - und um den diplomatischen Eiertanz mit seinem Vorgesetzten, der gerne die Lorbeeren für Graces Erfolge kassiert, seinem Detectiv Superintendent das Leben aber nicht nur schwer, sondern manchmal unerträglich macht.

Zwischenmenschliches und die Zusammenarbeit des Ermittlerteams stehen im Vordergrund - etwa auch die Veränderungen innerhaln der Polizei in Richtung mehr Diversität, mit denen einige der altgediensten Männer so ihre Probleme haben, gerade wenn manche Witzeleien plötzlich buchstäblich als unsagbar angesehen werden. Dass es sich um eine Serie mit zahlreichen Vorgängerbänden handelt, tut dem Lesespaß als Neu-Leserin von Roy Grace keinen Abbruch. Zwar gibt es Bezüge zu früheren Ereignissen, aber im Grunde geht es doch immer um das Aktuelle.

Roy Grace ist gerade in seiner Normalität und mit all den Alltagsproblemen - bad boss, die Ansprüche, nicht nur en guter Polizist, sondern auch ein guter Ehemann und Vater zu sein - überzeugend. Während sich die Handlung auf einen Showdown zubewegt, kommt auch die Spannung nicht zu kurz. Mit britischem Understatement ohne unnötige Knalleffekte geschrieben, hat mich das Buch voll überzeugt.

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Veröffentlicht am 15.12.2022

Verlorene Seelen

Gespräche auf dem Meeresgrund
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Keine 150 Seiten ist "Gespräche auf dem Meeresgrund" von Root Leeb lang, doch die Erzählung enthält eine Menge Nachdenkenswertes, umso mehr, als wenig geschieht. Irgendwo auf dem Meeresgrund, ich verorte ...

Keine 150 Seiten ist "Gespräche auf dem Meeresgrund" von Root Leeb lang, doch die Erzählung enthält eine Menge Nachdenkenswertes, umso mehr, als wenig geschieht. Irgendwo auf dem Meeresgrund, ich verorte es am ehesten im Mittelmeer,werden drei namenlose, buchstäblich in Auflösung begriffene Existenzen aufeinander zugetrieben. Ist das der letzte Funken Leben verlorener Seelen? Die Hintergründe bleiben vage, Erinnerungssplitter, vielleicht aber auch nur Phantasien. Vage bleiben zunächst auch die Protagonisten: Der Eine, der Andere, die Dritte - eher Typen als Individuen,

So steht der Eine für die vielen Tausenden, denen das Meer zum nassen Grab geworden ist auf der Suche nach einer besseren Zukunft, während der Andere das gute Leben schon hatte, auf einer Ferienyacht über Bord ging. Und die Dritte - war sie ein Opfer politischer und sexueller Gewalt und Verfolgung, oder waren es ihre Ängste und Phantasien, die in ihren Gedanken gespiegelt werden?

Ein wenig erinnern die Gespräche an die fünf Phasen des Sterbens, denn vor allem der Andere hält sich noch ganz an dem Gedanken fest, dass es für ihn noch ein Leben gibt, dass er nicht tot ist, sondern in irgendeinem Zwischenstadion, dass Rettung kommen wird und alles wieder wird wie zuvor. Dagegen ist bei dem Einen die Akzeptanz dessen, was er nun ist, spürbar. Verwirrung und Wut, Ängste und Hoffnungen - in dem Nirgendwo zwischen Existenz und Auflösung werden auch die Gespräche existentiell, kreisen um Persönliches, um die Vergangenheit, um Konflikte und Konfrontationen und erst nach und nach wird aus allgemeinem individuelles Schicksal.

Die Welt, in der Raum und Zeit für die Protagonisten aufgehoben scheinen, spiegelt sich auch in der Sprache wider, die teilweise dahinrollt wie die Gezeiten, mal nachdenklich, mal dahinplätschernd, mal nachhallend. Die Illustrationen der Autorin ergänzen das maritime Ambiente. Manchmal verwirren die "Gespräche", oft regen sie zum Nachdenken an. Kein Buch mal eben für Zwischendurch, sondern eines, für das man sich trotz des knappen Umfangs genügend Zeit nehmen sollte.

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Veröffentlicht am 14.12.2022

Albtraum unter Freunden

Happy New Year – Zwei Familien, ein Albtraum
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Es ist Silvester, und fast alles wie immer bei den befreundeten Ehepaaren Lollo und Max, Frederik und Nina. Wie jedes Jahr verbringen sie die letzte Nacht des Jahres zusammen, auch wenn sie sich im Grunde ...

Es ist Silvester, und fast alles wie immer bei den befreundeten Ehepaaren Lollo und Max, Frederik und Nina. Wie jedes Jahr verbringen sie die letzte Nacht des Jahres zusammen, auch wenn sie sich im Grunde auseinandergelebt haben und nicht mehr viel zu sagen haben. Doch insbesondere die jahrzehntelange Freundschaft der Frauen, Lollo, Nina und Malena scheint der Kitt zu sein, der zumindest zweimal im Jahr das Grüppchen zusammenhält, Silvester eben und Mittsommernacht. Das ist der Ausgangspunkt von Malin Stehns Psychothriller "Happy New Year"

Diesmal allerdings verlässt Nina ihr Zuhause mit gemischten Gefühlen, denn die großem Töchter feiern dort erstmal alleine eine Party, und Nina traut Lollos Tochter Jennifer nicht so recht über den Weg, die schon immer das Risiko liebte und das eigene Kind, wie sie fand, auf falsche Gedanken brachte.

Die Silvesterparty im Haus des wohlhabenden Immobilienmaklers Max und seiner statusbewussten Frau Lollo ist für Fredrik nur mit viel Alkohol zu ertragen, das Protzgehabe der beiden geht dem Lehrer jedes Mal auf die Nerven. Der Neujahrstag beginnt nicht nur mit einem Kater, sondern auch mit vielen Fragezeichen: Denn Jennifer hatte die Party, die ziemlich schnell aus dem Ruder gelaufen ist, vor Mitternacht verlassen, um nach Hause zu fahren, ganz untypisch früh. Doch dort ist die 17-jährige nicht angekommen. Eine SMS kurz vor Mitternacht mit Neujahrsgrüßen ist das letzte Lebenszeichen.

Ein vermisstes Kind, das ist der Alptraum für jede Familie. Bei aller Oberflächlichkeit bilden Max und Lollo da keine Ausnahme. Mit jedem Tag der Ungewissheit steigt die Spannung. In ihrem Versuch, mehr über Jennifers Kontakte herauszufinden, muss Lollo feststellen, dass sie ihre Tochter eigentlich gar nicht richtig kennt und Jennifer einige dunkle Geheimnisse hatte. Doch damit ist sie offenbar nicht die einzige.

Malin Stehn schafft es, immer wieder Verdachtsmomente gegen ihre Protagonisten zu legen und Andeutungen zu machen, die gewissen Schlüsse nahelegen und dann doch widerlegt werden. Ihre Finten sorgen für die Leser immer wieder für Überraschungsmomente und einem immer wieder neuen Blick auf das Geschehen während die scheinbar heile Welt ebenso zerfasert wie die alte Freundschaft. Die Lösung des Rätsels ist überraschend, doch bis dahin werden Persönlickeiten seziert und Grenzsituationen ausgekostet. "Happy New Year" ist nichts besinnlich-hyggeliges zur Weihnachtszeit, sondern Spannung in dunkler Jahreszeit. Dabei lässt sich die Autorin manchmal vielleicht etwas viel Zeit, zur Sache zu kommen. Aber letztlich schadet dass der Spannung nicht.

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Veröffentlicht am 12.12.2022

Nichts ist, wie es scheint

Der gute Hirte
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Taifun Coban ist ein Spezialist des LKA Kiel und kennt sich insbesondere mit der Idenitfizierung unbekannter Toter aus. So landet er auch im Dorf Harmsbüttel, wo ein unbekannter Toter in einer Baugrube ...

Taifun Coban ist ein Spezialist des LKA Kiel und kennt sich insbesondere mit der Idenitfizierung unbekannter Toter aus. So landet er auch im Dorf Harmsbüttel, wo ein unbekannter Toter in einer Baugrube gefunden ist. Sein Ansprechpartner vor Ort ist der Dorfpolizist Wernersen - und die Zusammenarbeit zunächst mal gewöhnungsbedürftig: Coban findet den Beamten schlafend auf seiner Terasse statt auf dem Revier, Besprechungen finden gerne im Wohnzimmer der Wernersens statt, sprich: die professionelle Haltung lässt zu wünschen übrig. Doch nicht nur die. Wernersen neigt zu rassistischen Bemerkungen, schert Türken und Araber über einen Kamm und reagiert erst einmal befremdet auf seinen türkeistämmigen Kollegen.

Erfreulicher ist die Zusammenarbeit mit der Kollegin Fanta Braun, wobei die humorvolle Frau Coban fast zu gut gefällt, schließlich ist sie verheiratet. Allmählich wird deutlich, dass der Tote im Zusammenhang mit einem Jahre zurückliegenden Fall zu tun haben könnte. Damals kam bei einem Feuer ein eigenbrötlerischer Mann ums Leben. Was der Leser früher weiß als die Ermittler: Der Streich einer Jungenbande war gründlich schiefgegangen. Erst bei den Räumungsarbeiten wurde damals auch die Leiche eines Mädchens gefunden, das ein Jahr zuvor vermisst gemeldet worden war. Der Tote stellte sich im nachhinein als Entführer und Vergewaltiger heraus.

In einer anderen Erzählebene geht es um die damaligen Jungen, vor allem aber um das Schicksal eines Heim- und Pflegekindes, das sein ganzes Leben lang fast nur Demütigungen und Misshandlungen erfahren hat. Was macht das mit einem Menschen - und wer ist der Junge heute?

In seinem Buch "Der gute Hirte" legt Cornelius Hartz viele Verdachtspuren. Als Leser weiß man zwar einiges, muss aber immer wieder die eigenen Vorstellungen revidieren. Das Rätselraten hält bis kurz vor Ende des Buches an, Persönliche Tragödien und Konflikte sind entscheidend, die Spannung ist eher psychologisch angelegt. Auch die Kulturunterschiede zwischen Großstadtmensch Coban und der eingeschworenen Dorfgemeinschaft tragen zum Reiz des Buches bei. Offenbar wird es nicht das letzte Mal sein, dass der Autor Taifun Coban ermitteln lässt.

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Veröffentlicht am 10.12.2022

Dichter, Trinker und Destillen

Ein Schuss Whiskey
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Der Titel "Ein Schuss Whiskey" macht klar - Carsten Sebastian Henns dritter kulinarischer Kriminalroman spielt auf der grünen Insel, Irland. Dazu hätte es nocht nicht einmal das Kleeblatt auf der Coverseite ...

Der Titel "Ein Schuss Whiskey" macht klar - Carsten Sebastian Henns dritter kulinarischer Kriminalroman spielt auf der grünen Insel, Irland. Dazu hätte es nocht nicht einmal das Kleeblatt auf der Coverseite gebraucht. Schließlich wird in Irland bekanntlich Whiskey gebrannt - mit einem e-Unterschied etwa zum schottischen Whisky. Um die Konkurrenz zwischen Iren und Schotten in Sachen Hochprozentiges, um die immer bösen Engländer und die Rolle des Whiskeys für die irische Seele geht es hier denn auch - unter anderem. Denn daneben steht eine andere irische Spezialität im Mittelpunkt, nämlich Dichtung und Schriftstellerei. Und natürlich der eine oder andere Mord.

Janus Rosner sucht in Dublin Inspiration. Er will einen Kriminalroman schreiben, doch er leidet unter einer Schreibblockade. Dagegen sollte Whiskey helfen, viel Whiskey. In vino veritas, und im Rausch vielleicht die zündende Idee für den Roman? Zwischen trunkenen Dialogen glaubt Janus zu halluzinieren, als er eine wunderschöne Frau sieht, die auf der anderen Seitedes Flusses erst Gedichte rezitiert und dann von einem maskierten Mann erschossen wird. Die Polizei will Janus keinen Glauben schenken, was teils an seinem offensichtlich alles andere als nüchternem Zustand liegt, aber auch an der Tatsache, dass es keine Leiche gibt, Die gibt es dafür einen Tag später - allerdinga handelt es sich um eine andere Frau.

Der Rheinländer Janus kann seine westfälische Mitbewohnerin überreden, mit ihm gemeinsam Detektiv zu spielen. Und das heißt angesichts der rheinisch-westfälischen Kulturunterschiede eine ganze Menge! Selbst die irisch-englischen Animositäten werden da beinahe in den Schatten gestellt.

Ein paar Leichen, ziemlich viele skurrile Charaktere, ein bißchen Liebe und reichlich Whiskey füllen diesen Roman, der mit viel Humor geschrieben ist und das Genre durchaus auf die Schippe nimmt. Auf den Plot kommt es da gar nicht so sehr an, denn im Vordergrund steht außer dem exzentrischen Detektivspiel die Suche nach dem perfekten Whiskey. Dabei macht die Beschreibung verschiedener Whiskeysorten, die Janus bei seiner Suche nach der Wahrheit verkostet, sehr deutlich, dass Henn auch Restaurantkritiker ist. Geradezu poetisch werden die Empfindungen von Gaumen und Kehle niedergeschrieben.

"Ein Schuss Whiskey" macht vor allem Spaß und vielleicht auch ein bißchen durstig. Mit der Lösung des Falls ist auch noch nichts Schluss, denn es gibt einen whiskeyhaltigen Rezeptteil und auch zwischendurch allerlei historische Schlenker zur Geschichte von Whiskey und Whisky. Slainte!

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