Profilbild von evaczyk

evaczyk

Lesejury Star
offline

evaczyk ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit evaczyk über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 25.06.2020

Der etwas andere Familienroman

Dreck am Stecken
0

Die Mutter wollte die Vergangenheit immer ruhen lassen, sprach nicht von ihren Eltern. Sie hatte schließlich auch mit der Gegenwart genug zu tun - vier Kinder von vier verschiedenen Männern, psychische ...

Die Mutter wollte die Vergangenheit immer ruhen lassen, sprach nicht von ihren Eltern. Sie hatte schließlich auch mit der Gegenwart genug zu tun - vier Kinder von vier verschiedenen Männern, psychische Probleme, bei Alkohol und Zigaretten mehr Konsum, als gut tat Eine eher prekäre Existenz, zahlt doch nur einer der Väter regelmäßig Unterhalt. Für Johannes und seine Brüder ist die Mutter dennoch das unbestrittene Zentrum ihres kindlichen Universums und auch die vier Jungen halten zusammen wie Pech und Schwefel in Alexandra Fröhlichs Roman "Dreck am Stecken".

Und dann ist da noch Opa Heinrich, der lange Zeit unbekannte Opa, der eines Tages mit seinem Köfferchen vor der Tür der Hamburger Wohnung steht und sich gewissermaßen selbst einquartiert. Er stört die Kreise des brüderlichen Rudels nicht sonderlich und erweist sich spätestens dann als nützliches Familienmitglied, als sich die Mutter einen Tag nach Johannes´ 18. Geburtstag die Pulsadern aufschneidet. Opa Heinrich übernimmt die Vormundschaft für die verwaisten Jungen - den stotternden Johannes, den smarten und geschäftstüchtigen Jakob, den intelligenten aber schon früh dem Alkohol zugeneigten Philip und Nesthäkchen Simon, der sensible und künstlerisch talentierte Junge, der die psychischen Probleme der Mutter geerbt zu haben scheint und als schwarzes Kind besonders Anfeimdungen ausgesetzt ist.

Kaum ist die Familie dem Leser vertraut, springt die Autorin in die Gegenwart. Johannes, immer noch stotternd, ist Journalist geworden, Jacob jettet als Finanzhai durch die Weltgeschichte, Philipp ist der Chirurg mit den alkoholbedingt zitternden Händen und Simon lebt als Künstler mit fragilem Seelenleben mit seiner resoluten polnischen Betreuerin auf dem Land. Opa Heinrich, der die letzten Jahre seines Lebens mit schwerer Alzheimer-Erkrankung in einem Pflegeheim verbrachte, ist gestorben und bei der Beerdigung tauchen zur Überraschung der Brüder eine ganze Reihe von Menschen auf, die sie noch nie gesehen haben, einige aus Argentinien angereist.

Bei der Sichtung der Unterlagen des toten Großvaters stoßen sie auf ein Tagebuch, das auf dunkle Flecken in der Familiengeschichte hindeutet. In Argentinien versuchen sie mehr in Erfahrung zu brinngen - hatte Opa Heinrich Dreck am Stecken? Ist es ein Zufall, dass er nach dem Krieg mit der bislang unbekannten Oma nach Argentinien auswanderte - das Land, in dem so viele alte Nazis einschließlich von Kriegsverbrechern nach 1945 Aufnahme fanden? Hatte sich auch die eigene Familie in Verbrechen verstrickt und kann vergangenes Unrecht wieder gut gemacht werden?

Fröhlich läst die Erzählung zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit hin und her springen in diesem Familienroman der etwas anderen Art. Die gemeinsame Mission verbindet die Brüder wieder, die sich seit der schwierigen Jugend auseinandergelebt haben. Irgendwie sind sie trotz aller Unterschiede und Streitereien eben doch noch die verschworene Gang von einst. Der Versuch einer Vergangenheitsbewältigung ist unterhaltsam erzählt aus der Sicht von Ich-Erzähler Johannes. Das schräge Quartett wächst dem Leser dabei ohne Sentimentalitäten und mit schnoddrigem Humor ans Herz. Das locker und flüssig geschriebene Buch lässt sich gut in einem Rutsch durchlesen, ohne angesichts der manchmal etwas überzeichneten Charaktere ins Alberne abzugleiten. Macht Spaß.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 25.06.2020

Fernweg-Therapie bei Deutschlandurlaub

HOLIDAY Reisebuch: Hiergeblieben! 55 fantastische Reiseziele in Deutschland
0

Zu Hause ist es doch am schönsten", lautet ein Lieblingsspruch derjenigen, die nicht unbedingt in die Ferne schweifen mögen. Darüber kann man diskutieren. Eines ist aber klar: Ein Urlaub im Ausland, besonders ...

Zu Hause ist es doch am schönsten", lautet ein Lieblingsspruch derjenigen, die nicht unbedingt in die Ferne schweifen mögen. Darüber kann man diskutieren. Eines ist aber klar: Ein Urlaub im Ausland, besonders im außereuropäischen, das heißt im Sommer der Coronavirus Pandemie Regeln, Verbote, Einschränkungen. Alles so ganz anders, und hat möglicherweise gar nichts mehr von dem angestrebten Traumurlaub zu tun. Also doch in Deutschland bleiben und sehen, was sich innerhalb der Landesgrenzen an Attraktionen aufdrängt?

Mit "Hiergeblieben!" von Jens van Rooij hat das fast schon einen Befehlston. Der Leser erhält auf jeden Fall eine Reihe von Möglichkeiten zur Auswahl, unterteilt in die Nord- und die Südhälfte Deutschlands. Insgesamt 55 Reiseziele werden vorgestellt, mit Hotel- und Restauranttips, mit Attraktionen in der Umgebung und Besichtigungsvorschlägen. Das Besondere daran: Die Fotografien deutscher Reiseziele werden internationalen Sehenswürdigkeiten gegenübergestellt. Nach dem Motto: Ist genauso, nur näher.

Wenn etwa die alte Mainbrücke von Würzburg mit der Prager Karlsbrücke verglichen wird - doch, da hat der Autor schon einen Punkt. Es geht schließlich in beiden Fällen um alte Universitätsstädte in Mitteleuropa mit langer Geschichte. Mit dem Unterschied, dass die einen lieber ihren Schoppen Wein trinken und die anderen Bier vorziehen. Aber Ulm und Paris, weil sie beide eine gläserne Pyramide haben? Das ist dann doch ein etwas kühner Vergleich. Und auch wenn Frankfurt als einzige deutsche Großstadt eine Skyline zu bieten hat - ein Vergleich zu Manhattan drängt sich trotz der ebenfalls international zusammengesetzten Einwohnerschaft eher nicht auf.


Eine reizvolle Idee ist der Grundgedanke von "Hiergeblieben!" allemal. Und auch wenn sich ohne genaue Ortskenntnisse nicht sagen lässt, wie bemüht die Bildausschnitte gewählt sind, um an den berühmten Vergleich heran zu kommen. Da gelingt es tatsächlich, die Rheinbrücke bei Emmerich im Abendlicht erfolgreich an die Golden Gate Brücke in San Francisco erinnern zu lassen - und das, obwohl die Ähnlichkeiten zwischen Niederrhein und Kalifornien ansonsten begrenzt sind. Und die Schlösserpracht Ludwig des II. muss hinter dem französischen Sonnenkönig an Prunk nicht zurückstehen, auch wenn die Ausmaße dann doch etwas bescheidener sind. Wer hätte es gedacht, den "Kini" mal in Verbindung mit Bescheidenheit zu bringen!

An Vorschlägen mangelt es jedenfalls nicht: Lüneburger Heide statt Lavendelfelder der Provence, Hummerbuden auf Helgoland statt Muizenberg Beach in Kapstadt, die Felsformationen der Sächsischen Schweiz statt Zhangjiajie Forest National Park in China. Ja, es gibt schöne Reiseziele in Deutschland. Aber mein persönliches Fernweh wird deswegen trotzdem nicht geringer...

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
Veröffentlicht am 22.06.2020

Dramatisches Frauenschicksal über Generationen

Die verlorene Frau
0

Frauenfiguren mit einem Leben voller Drama, eine Handlung, die Zeitebenen verwebt und die Vergangenheit die Puzzlestücke für die Rätsel der Gegenwart liefert – das prägt auch das neue Buch „Die verlorene ...

Frauenfiguren mit einem Leben voller Drama, eine Handlung, die Zeitebenen verwebt und die Vergangenheit die Puzzlestücke für die Rätsel der Gegenwart liefert – das prägt auch das neue Buch „Die verlorene Frau“ von Emily Gunnis. In ihrem Debütroman „Haus der Verlassenen“ ging es um das Schicksal unfreiwillig schwangerer junger Frauen in den 1960-er Jahren, diesmal ziehen sich Trauma, Gewalt und psychische Störungen durch die Generationen.

Am Anfang lernt der Leser die 13-Jährige Rebecca kennen, die im Jahr 1960 in einem Polizeirevier in einem englischen Küstenort vernommen wird. Dabei ist das Mädchen schwer traumatisiert, denn seine Eltern sind durch eine Gewalttat ums Leben gekommen. Der Vater, ein psychisch angeschlagener und gewalttätiger Kriegsveteran, hat offenbar die Mutter getötet und dann Selbstmord begangen. Oder sollte der benachbarte Farmer seine Frau im Spiel gehabt haben?

Der unsensible Polizist, der das verstörte Mädchen bedrängt, verfolgt sie in ihren Gedanken, als sie Jahre später Mutter einer Tochter wird. Während einer postnatalen Psychose glaubt sie, den Polizisten wieder zu sehen. Um ihre Tochter Jessie kann sie sich zunächst gar nicht kümmern, besonders, da sie als junge Ärztin schon früh die Verantwortung für das Kind an ein Kindermädchen abgeben muss und Jessie nach dem Scheitern der Ehe beim Vater bleibt.

Doch nun ist Jessie selbst schwanger und reagiert nach einer schweren Geburt mit Wahnvorstellungen. Überzeugt, man wolle ihr schaden und ihr Kind töten, flieht sie mit dem Neugeborenen aus der Klinik. Die Zeit drängt, denn der Säugling leidet an einer Infektion und braucht dringend medizinische Versorgung. Jessies Halbschwester, die Journalistin Iris, nutzt ihre beruflichen Kontakte, um sich der Suche nach Jessie anzuschließen. Wiederholt sich die Geschichte? Können die Gräben innerhalb einer disfunktionalen Familie überwunden und verschüttete Wahrheiten ans Licht geholt werden?

Gunnis verknüpft Spannung, Familiendrama und eine düstere Atmosphäre familiärer Gewalt und psychischer Krankheiten mit einem Gesellschaftsporträt einer Klassengesellschaft, die auch nach dem Zweiten Weltkrieg noch funktionierte und in der Frauen der Willkür ihrer Ehemänner ausgeliefert waren. Dabei schafft sie es, anspruchsvolle Themen in einem spannenden Unterhaltungsroman unterzubringen und ein Dümpeln in seichten Lesegewässern zu vermeiden. Auch wenn das Buch im Mai erschienen ist - am besten passt die Lektüre zu einem düster-nebeligen Spätherbsttag!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 23.05.2020

Gegen Schweigen und Gleichgültigkeit

Deutschland schafft mich
0

Man könnte Michel Abdollahi direkt als Vorzeige-Migranten bezeichnen - wenn er nicht schon längst Deutscher wäre. Wenn auch nicht von Geburt an, da war er Iraner, kam als fünfjähriger mit der Oma nach ...

Man könnte Michel Abdollahi direkt als Vorzeige-Migranten bezeichnen - wenn er nicht schon längst Deutscher wäre. Wenn auch nicht von Geburt an, da war er Iraner, kam als fünfjähriger mit der Oma nach Deutschland. Seine Eltern waren angesichts des Iran-Irak-Krieges in Sorge, dass bei einem männlichen Kind und damit einem künftigen möglichen Soldaten zu einem späteren Zeitpunkt keine Ausreiseerlaubnis möglich gewesen wäre. Inzwischen ist der studierte Jurist Abdollahi preisgekrönter Journalist, deutscher Staatsbürger und mittlerweile sehr besorgt. Denn egal wie erfolgreich, wie heimisch - für die Menschen der neuen Rechten, für diejenigen, die in Flüchtlingen eine Bedrohung sehen und in Muslimen Terroristen sieht einer wie Abdollahi nicht deutsch genug aus, um dazu zu gehören.

Mit seinem Buch "Deutschland schafft mich" hat der Journalist nun eine sehr persönliche Abrechnung mit gesellschaftlichen Entwicklungen unter dem Eindruck eines Abdriftens nach Rechts geschrieben. Ein Rechtsruck, der nicht nur an extremen Rändern stattfindet, sondern längst in den bürgerlichen Parteien angekommen ist - zum Beispiel mit dem Seehofer-Wort über den Islam als "Mutter aller Probleme".

Dass er nicht übersensibel alles persönlich nimmt und auch keine Berührungsängste beim Dialog mit Menschen hat, die völlig anders ticken, hat Abdollahi mit seiner Reportage über das Leben in einem Nazi-Dorf gemacht. Vier Wochen lang lebte er dafür in einem jener Orte, die von den Rechtsextremen als "national befreite Zonen" bezeichnet werden. Doch nach dem Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, nach dem Anschlag auf die Synagoge von Halle war das wachsende Unbehagen über die Verhältnisse in Deutschland zu einem Grad der Alarmiertheit , der ein Ventil brauchte. Dabei waren zu diesem Zeitpunkt der Anschlag von Hanau und die Wahl eine Ministerpräsidenten mit und vor allem dank der Stimmen der AfD noch Zukunft. Mit diesen Ereignissen ist dann eingetreten, was Abdollahi in seinem Text nur befürchtete.

Abdollahis Buch ist auch eine Schilderung von Lebenserfahrungen in Deutschland - von den 90-er Jahren und dem rechten Mob in Hoyerswerda und Rostock, den Toten von Mölln und Solingen: Der Hass, den wir heute sehen, hat eine Vorgeschichte. Ausführlich geht Abdollahi auf die Entwicklung seit 2015 ein, auf Pegida und "besorgte Bürger", aber auch auf das Schweigen der Mehrheit, von der er viel früher einen Aufschrei, ein klares Wort erhofft hätte. Er will aufrütteln, aber auch Reaktionen einfordern, wenn er oder andere Menschen, die durch ihr Äußeres als "Anders" erkennbar sind, Hass und Anfeindungen ausgesetzt sind - ob im Internet oder auf der Straße. Denn eines sollte doch schon lange bekannt sein: Wer schweigt, wird mit schuldig.

Kritisch geht Abdollahi nicht nur mit der Politik um, sondern auch mit den Medien, mit den Talkshows, die Extremen und Extremisten immer wieder eine Plattform bieten, sich dabei nur allzu leicht zum Werkzeug für diejenigen machen, die ihre Parolen in die Öffentlichkeit tragen, die viel zu oft nur über Migranten oder Muslime sprechen, aber viel zu selten mit ihnen. "Deutschland schafft mich" ist engagiert und eindringlich - und leider nur zu aktuell.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 20.05.2020

Wie Tarantino für Regionalkrimi-Leser

SoKo Heidefieber
0

Wieviel Morde passen auf knapp 300 Buchseiten? Im Fall von Gerhard Henschels „Soko Heidefieber“ sind das ziemlich viele, darunter ziemlich schauerliche und ungewöhnliche. Ähnlich wie in einem Tarantino-Film ...

Wieviel Morde passen auf knapp 300 Buchseiten? Im Fall von Gerhard Henschels „Soko Heidefieber“ sind das ziemlich viele, darunter ziemlich schauerliche und ungewöhnliche. Ähnlich wie in einem Tarantino-Film verliert der Leser im Laufe dieser grotesk-überdrehten Kriminalsatire angesichts von Blut und Leichen auch schon mal den genauen Überblick. Trotz lustvoll inszenierter Gewalt kommt der Humor in diesem schrägen Krimi nicht zu kurz. Wen wundert´s – Autor Henschel hat schließlich auch schon für das Satiremagazin „Titanic“ geschrieben.

Bezeichnet wird „Soko Heidefieber“ als Überregionalkrimi – denn landauf, landab geht es Autoren des Genres an den Kragen oder vielmehr ans Leben. Das Besondere: Jeder von ihnen wird auf eine Art getötet, die einem seiner Romane entnommen ist. Der Mörder, das ist klar, muss ein fleißiger Leser sein. Auch ein besonders anspruchsvoller? Der Schriftsteller Frank Schulz spricht vor dem Bundeskriminalamt ironisch von einer Art „angewandter Literaturkritik“ –mit fürchterlichen Folgen.
Denn ein erzürnter, eitler und nicht sonderlich talentierter Schriftstellerkollege sinnt auf Rache und macht Schulz erst mit einer Medienkampagne fertig und ist mit der Flucht des Autoren in den Griechenland-Urlaub noch längst nicht zufrieden.

Die Uelzener Kommissare Gerold und Ute, in deren Zuständigkeit der erste Mordfall fiel werden in die BKA-Soko berufen, die im Zuge weiterer Morde ebenfalls zu einem überregionalen Ermittlungsteam gehört. Dass der zuständige Forensiker mehr Interesse an erfolglosen Verführungsversuchen bei weiblichen Kollegen hat als für für Beweissicherung, hilft den Ermittlungen nicht weiter, ebenso wenig, wenn ausgerechnet die Kooperation österreichischer oder Berliner Kollegen notwendig wird. Mit regionalen Klischees und Stereotypen wird ebenso gespielt wie mit den Aufgeregtheiten der Social Media-Gesellschaft, den Eitelkeiten des Literaturbetriebs und dem Genre Kriminalroman an sich.

Das gilt auch für die unfreiwilligen Abenteuer des Schriftsteller Schulz – der scheint zwar nicht im Fokus des Mörders zu stehen, doch selbst wenn: Der Täter müsste sich erst in die lange Schlange derjenigen stellen, die dem Autor an Leib und Leben wollen. In einer keineswegs vollständigen Auflistung wären da etwa ein korrupter griechischer Polizeichef, ein schwuler Kopfgeldjäger und Auftragskiller, ein albanischer Familienclan mit Hang zur Blutrache, die biestigen kleinen Töchter eines liebenswerten bayrischen Familienvaters. Ein hungriger Bär, ein Tornado und diverse Unfälle tragen zu den neuen Leiden des Frank S. bei.

Das erinnert dann schon wieder an Art mancher Krimiautoren, ihre Helden „interessanter“ zu gestalten, indem sie sie mit einem solchen geballten Anteil von Schicksal, Gewalt und Schmerzen überhäufen, dass man sich wundert, dass sie das Ende des Buches erleben. Mancher Autor lebt seine sadomasochistischen Tendenzen vielleicht lieber an seinen Romanhelden aus.
Kein Zweifel – Henschel schöpft aus dem Vollen. Dass er zwischen all den Morden nicht nur Platz für die obligatorische Liebesgeschichte findet, sondern dem Leser ein paar linguistische Studien ermöglicht: Chapeau! Wobei es entschieden von Vorteil ist, Plattdeutsch zu verstehen.

Zu dieser wunderbaren Groteske passt dann irgendwie auch, dass die Lösung des Falls in der Sympathisanten-Szene des Berlin der frühen 80-er Jahre wurzelt. Soko Heidemörder ist blutig, sehr blutig. Aber Freunde des etwas schrägeren Humors werden auf ihre Kosten kommen. Na denn mal tau.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere