Der etwas andere Familienroman
Dreck am SteckenDie Mutter wollte die Vergangenheit immer ruhen lassen, sprach nicht von ihren Eltern. Sie hatte schließlich auch mit der Gegenwart genug zu tun - vier Kinder von vier verschiedenen Männern, psychische ...
Die Mutter wollte die Vergangenheit immer ruhen lassen, sprach nicht von ihren Eltern. Sie hatte schließlich auch mit der Gegenwart genug zu tun - vier Kinder von vier verschiedenen Männern, psychische Probleme, bei Alkohol und Zigaretten mehr Konsum, als gut tat Eine eher prekäre Existenz, zahlt doch nur einer der Väter regelmäßig Unterhalt. Für Johannes und seine Brüder ist die Mutter dennoch das unbestrittene Zentrum ihres kindlichen Universums und auch die vier Jungen halten zusammen wie Pech und Schwefel in Alexandra Fröhlichs Roman "Dreck am Stecken".
Und dann ist da noch Opa Heinrich, der lange Zeit unbekannte Opa, der eines Tages mit seinem Köfferchen vor der Tür der Hamburger Wohnung steht und sich gewissermaßen selbst einquartiert. Er stört die Kreise des brüderlichen Rudels nicht sonderlich und erweist sich spätestens dann als nützliches Familienmitglied, als sich die Mutter einen Tag nach Johannes´ 18. Geburtstag die Pulsadern aufschneidet. Opa Heinrich übernimmt die Vormundschaft für die verwaisten Jungen - den stotternden Johannes, den smarten und geschäftstüchtigen Jakob, den intelligenten aber schon früh dem Alkohol zugeneigten Philip und Nesthäkchen Simon, der sensible und künstlerisch talentierte Junge, der die psychischen Probleme der Mutter geerbt zu haben scheint und als schwarzes Kind besonders Anfeimdungen ausgesetzt ist.
Kaum ist die Familie dem Leser vertraut, springt die Autorin in die Gegenwart. Johannes, immer noch stotternd, ist Journalist geworden, Jacob jettet als Finanzhai durch die Weltgeschichte, Philipp ist der Chirurg mit den alkoholbedingt zitternden Händen und Simon lebt als Künstler mit fragilem Seelenleben mit seiner resoluten polnischen Betreuerin auf dem Land. Opa Heinrich, der die letzten Jahre seines Lebens mit schwerer Alzheimer-Erkrankung in einem Pflegeheim verbrachte, ist gestorben und bei der Beerdigung tauchen zur Überraschung der Brüder eine ganze Reihe von Menschen auf, die sie noch nie gesehen haben, einige aus Argentinien angereist.
Bei der Sichtung der Unterlagen des toten Großvaters stoßen sie auf ein Tagebuch, das auf dunkle Flecken in der Familiengeschichte hindeutet. In Argentinien versuchen sie mehr in Erfahrung zu brinngen - hatte Opa Heinrich Dreck am Stecken? Ist es ein Zufall, dass er nach dem Krieg mit der bislang unbekannten Oma nach Argentinien auswanderte - das Land, in dem so viele alte Nazis einschließlich von Kriegsverbrechern nach 1945 Aufnahme fanden? Hatte sich auch die eigene Familie in Verbrechen verstrickt und kann vergangenes Unrecht wieder gut gemacht werden?
Fröhlich läst die Erzählung zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit hin und her springen in diesem Familienroman der etwas anderen Art. Die gemeinsame Mission verbindet die Brüder wieder, die sich seit der schwierigen Jugend auseinandergelebt haben. Irgendwie sind sie trotz aller Unterschiede und Streitereien eben doch noch die verschworene Gang von einst. Der Versuch einer Vergangenheitsbewältigung ist unterhaltsam erzählt aus der Sicht von Ich-Erzähler Johannes. Das schräge Quartett wächst dem Leser dabei ohne Sentimentalitäten und mit schnoddrigem Humor ans Herz. Das locker und flüssig geschriebene Buch lässt sich gut in einem Rutsch durchlesen, ohne angesichts der manchmal etwas überzeichneten Charaktere ins Alberne abzugleiten. Macht Spaß.