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Veröffentlicht am 13.02.2021

Für die Ermittler wird´s persönlich

Die Schuld der Zeugen
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Im vierten Band von Joy Ellis´ Fenland-Serie um die Polizisten Jackman und Evans in der ostenglischen Moorlandschaft wird es ganz besonders düster. Denn der neue Fall der Ermittler wird insbesondere für ...

Im vierten Band von Joy Ellis´ Fenland-Serie um die Polizisten Jackman und Evans in der ostenglischen Moorlandschaft wird es ganz besonders düster. Denn der neue Fall der Ermittler wird insbesondere für DI (Detective Inspector) Jackman höchst persönlich: Der Selbstmord seiner Schwägerin Sarah hat die Familie schwer getroffen.

Was konnte die Mutter zweier Kinder zu dem verzweifelten Schritt bewogen haben? Zunächst geht es um die üblichen Fragen, die sich Familienangehörige nach einem für sie völlig unerwarteten Suizid stellen. Doch dann gelingt es Orac, der IT-Spezialistin des Teams, den eigentlich zerstörten Laptop Sarahs wiederherzustellen, um an die dortigen Daten zu kommen. Es stellt sich heraus, dass sie vor ihrem Tod Emails erhielt, in denen nicht nur sie, sondern insbesondere ihre Kinder bedroht wurden. Hat sie mit ihrem Selbstmord versucht, ihre Kinder zu retten, in dem sie ihr eigenes Leben opferte?

Dann wird ein ähnlicher Fall aus einem zweiten Distrikt bekannt. Bei der Zusammenarbeit mit der dortigen Polizei stellt sich heraus, dass beide Frauen nicht nur ähnliche Namen hatten, sondern dass über ihre Vergangenhei und ihre Familie kaum etwas bekannt ist. Keine zufälligen Gemeinsamkeiten: Als 16-Jährige sagten die beiden in einem Mordprozess aus. Ein junger Mann wurde deshalb wegen Vergewaltigung und Mordes verurteilt, beging im Gefängnis Selbstmord. Seine Familie kämpft seit Jahren um seine Rehabilitation - würden sie dazu zu allen Mitteln greifen? Kann die "Schuld" der Zeuginnen nur mit deren Tod bezahlt werden?

Weitere Todesfälle, die in Zusammenhang mit dem damaligen Verfahrem stehen, zeigen: Es ist noch nicht vorbei. Jackman und Evans haben es mit einem hochintelligenten Psychopathen zu tun, der zudem Jackman als seinen ganz persönlichen Gegner bei der Polizei auszumachen scheint. Ist Jackmans Familie dadurch weiter in Gefahr?

Joy Ellis streut immer wieder Hinweise, lässt dabei aber auch genügend Möglichkeiten offen, die die Spannung aufrecht erhalten. Dabei verbindet sie die Ermittlungsarbeit des klassischen Polizeiromans mit Thriller-Elementen - wen sucht sich der Killer als nächstes Opfer, wie inszeniert er seine nächste Tat, wieso ist er trotz aller Ermittlungsfortschritte immer einen Schritt voraus?

Sympatisch ist, dass auch das Team eine wichtige Rolle spielt und nicht nur als Wasserträger Jackmans agieren darf. So können all die unterschiedlichen Charaktere und Persönlichkeiten der Fenland Police ihre jeweilige Rolle ausfüllen und auch das "Menschelnde" zwischen den Arbeitskollegen kommt nicht zu kurz.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 12.02.2021

Wenig Zeit, wenig Zutaten - trotzdem lecker kochen

Vegetarisch kochen mit 5 Zutaten
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Mal ganz ehrlich: Nicht immer hat man Zeit und Lust, aufwändig zu kochen. Oder es hat einfach nicht mit dem Einkauf geklappt, weil mal wieder irgendwas dazwischen kam. Was steht noch im Vorratsschrank? ...

Mal ganz ehrlich: Nicht immer hat man Zeit und Lust, aufwändig zu kochen. Oder es hat einfach nicht mit dem Einkauf geklappt, weil mal wieder irgendwas dazwischen kam. Was steht noch im Vorratsschrank? Für solche Situationen mit wenig Zeit und überschaubaren Zutaten hat Martina Kittler wohl auch "Vegetarisch kochen mit fünf Zutaten" geschrieben.

Der Kochratgeber von G+U kann mit der bewährten Mischung aus klarer Rezept-Ansage und appetitanregenden Fotos trumpfen. Mit 64 Seiten handelt es sich um ein eher schmales Büchlein, das ich deshalb auch mehr als Rat in Krisenfällen sehen würde, wenn es wirklich schnell und mit eher wenig gehen soll.

Unterteilt sind die Kapitel in Kleine Gericht, one pot meals (noch mehr Ersparnis, diesmal beim Abwasch - da bin ich immer dafür!), Gerichte aus dem Ofen sowie Süßes.

Gleich am Anfang bin ich auf zwei Salate gestoßen, die bestimmt in nächster Zeit ausprobiert werden (bei den momentanen Temperaturen sollte es schon was Warmes sein) - den Fenchel-Orangen-Salat und den Pilz-Feldsalat mit Paprika, die zeigen, es braucht gar nicht so viel, um trotzdem für interessante Geschmackskontraste zu sorgen. Für Kohlrabi, die ich gerne als Gemüse oder Rohkost verputze, gibt es hier ein Suppenrezept - da kam auch gleich auf die to do-Liste.

Sicherlich auch familienfreundlich ist die scharfe Paprika-Pasta und auch die Gemüsepfanne mit Mozarella verspricht, ein wenig mediterrane Aromen in den kalten deutschen Winter zu bringen. Eine Kombination von Süden und Herbst wäre hingegen der Ofen-Feta auf Kürbisgemüse. Und kommt erst mal die Spargelsaison, ist es sicherlich Zeit für das Spargelgratin mit Walnüssen.

Für Süßmäuler ist meine persönliche Empfehlung der Sauerkirsch-Mohn-Crumble. Nur fünf Zutaten? Passt schon!

Veröffentlicht am 05.02.2021

Ran an den Speck - aber wie?

Die geheime Kraft des Fettstoffwechsels
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Diesmal nicht (ausschließlich) Rezepte, sondern vor allem Gesundheit und Ernährungswissenschaft: Mit "Die geheime Kraft des Fettstoffwechsels" hat die Medizinerin Marion Kiechle mit ihrer Co-Autorin Julie ...

Diesmal nicht (ausschließlich) Rezepte, sondern vor allem Gesundheit und Ernährungswissenschaft: Mit "Die geheime Kraft des Fettstoffwechsels" hat die Medizinerin Marion Kiechle mit ihrer Co-Autorin Julie Gorkow ein Thema in den Mittelpunkt gerückt, mit dem sich wohl viele beschäftigen, wenn mit zunehmendem Lebensalter der Zeiger der Waage unerbittlich weiter nach oben schnellt. Es ist ja auch so unfair! Mittlerweile älter und vernünftiger geworden, hat man Junk Food schon lange eine Absage erteilt, ernährt sich bewusst und möglichst gesund - und trotzdem sind sie da, die ungeliebten Polster an Bauch oder Hüften. Der Stoffwechsel wird mit zunehmendem Alter eben langsamer, der Grundumsatz sinkt. Warum das so ist, wird auch in diesem Buch geschildert, das sich mit Gesundheitsmythen befasst, mit den Bestandteilen von Ernährung und ihrer jeweiligen Wirkung für den Köper.

Wunder können auch die Autorinnen nicht versprechen, und vor Crash-Diäten warnen sie, jedenfalls, wenn das Ziel eine andauernde körperliche Veränderung ist. Ist ja auch logisch: Man muss schon an einigen Stellschrauben drehen, um nicht nur kurzfristig, sondern dauerhaft den Stoffwechsel anzukurbeln. Und dass regelmäßige Bewegung nicht nur Kalorien verbrennt, sondern auch der allgemeinen Gesundheit und dem Herz-Kreislauf-System gut tut, dürfte ebenfalls klar sein. Dass der Weg zu einer besseren Ernährung nicht notwendigerweise auch der Weg zur Traumfigur oder der einstigen Kleidergröße ist, das lässt sich vor allem für diejenigen Leserinnen erahnen, die schon jenseits der Wechseljahre sind. Dass das plötzlich durch die hormonellen Veränderungen und den langsameren Stoffwechsel an den Problemzonen angewachsene Fett sehr hartnäckig ist, will schließlich keine gerne lesen. Ansonsten: der Weg ist das Ziel.

Mit teils vegetarischen, teils auch veganen Rezepten führen die Autorinnen nach dem theoretischen Teil in zwei Booster-Wochen, die den Anfang zum Stoffwechselturbo nicht nur leicht, sondern auch lecker machen sollen. Ofengemüse mit Basilikumquark etwa oder Auberginen-Lasagne mit Tomaten-Linsen. Das klingt definitiv ausprobierenswert, ebenso die Quinoa-Bowl mit Frischkäse und Lupinen - so was schmeckt nicht nur im Home-Office, sondern kann auch gut als tragbarer Lunch ins Büro mitgenommen werden, wenn das erst mal wieder möglich ist.

Wer es lieber süß mag - Apfelquark mit Walnuss verspricht einen guten Start in den Tag, ebenso Quark-Pancakes mit Heidelbeeren, die ich jetzt so bald wie möglich ausprobieren will. Sogar süße Desserts gibt es in den Booster-Wochen. Es geht also auch ohne übermäßigen Verzicht.

Veröffentlicht am 05.02.2021

Der Besuch des alten Herrn

Bad Regina
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"Bitte keine Vergangenheitsbewältigung, wir sind Österreicher!", so könnte man, frei nach George Mikes, einen Grundtenor in David Schalkos Roman "Bad Regina" beschreiben. Denn mit seinen Landsleuten und ...

"Bitte keine Vergangenheitsbewältigung, wir sind Österreicher!", so könnte man, frei nach George Mikes, einen Grundtenor in David Schalkos Roman "Bad Regina" beschreiben. Denn mit seinen Landsleuten und einem dumpfbraunen Grundton der österreichischen Seele geht der Autor bei allen grotesk-satirischen Elementen kritisch ins Gericht. Da sind seine Protagonisten in dem sterbenden Ort Bad Regina durchaus einsichtig.

So nennt einer Einwohner von Bad Regina seine Landsleute "Verdunkelungsweltmeister"- "Er sagte, dass in Österreich die Aufklärung nie stattgefunden habe. Vorschriftshörigkeit, Mauscheln, und Feigheit seien in seiner DNA verankert." Schmeichelhaft klingt anders. Dass die Krise der Gegenwart tatsächlich mit charakterlichem Versagen der Einheimischen während des Nationalsozialismus zusammenhängt erschließt sich allerdings erst ganz zum Schluss. Bis dahin muss der Leser, ebenso wie Hauptfigur Othmar, rätseln, was hinter dem Verfall von Bad Regina steckt und welche Rolle der Chinese Chen spielt, auf den sich Spekulationen ebenso konzentrieren wie xenophobe Überlegungen.

Othmar träumte irgendwann einmal von Größerem. Mit seiner Punkband gehörte er zu den Rebellen. Doch das ist lange her. Von Sex, Drugs & Rock´n´Roll sind am ehesten noch die Drogen geblieben, denn wenn Othmar nicht bekifft ist, ist er betrunken oder auf dem besten Weg dahin. Immerhin, jede Woche Dienstag kommt Selma, die Frau, die mit ihrer Tochter einem Sektenchef entkommen ist und ausgerechnet in Bad Regina Zuflucht gefunden hat. Ist es Liebe, oder helfen sich da zwei für ein paar Stunden aus ihrer Einsamkeit?

Früher kam der Jet-Set nach Bad Regina, später Hipster auf der Suche nach "lost places" - und selbst die sind jetzt ausgeblieben. Gerade mal 45 Nachbarn sind Othmar geblieben, nur ein Kind lebt im Ort, der etwas unheimliche und frühreife Max. Bad Regina ist zur Geisterstadt geworden, in der das Grand Hotel ebenso leer steht wie viele Häuser, deren Einwohner verschwunden sind. Fest steht nur: Chen hat sie aufgekauft. Der Rest ist Leerstand. Falls Chen einen Plan hat, hat er sich den verbliebenen Einwohnern nicht erschlossen.

Zwar werden generationsübergreifende Dorfzwiste auch mit nur 46 verbliebenen Einwohnern hingebungsvoll weitergeführt, doch gemeinsamer Rassismus eint dann doch. "Der Chinese" soll zum Reden gezwungen werden, mit Hilfe einer Entführung, bei der dann plötzlich so gut wie alle dabei sind - eine aberwitzige Szene mit einer Entwicklung, bei der eigentlich alles schief geht. Am Ende wartet eine Überraschung und ein Plot, der an Dürrenmatts "Besuch der alten Dame" erinnert.

Schalko würzt seinen Text mit so wunderbar bildhaften Beschreibungen wie "Die Sterne leuchteten, als wäre der Nachthimmel ein löchriger Fetzen. Als ob dahinter ein Fest stattfände, zu dem Othmar nicht eingeladen war. ... Wie ein maroder Leuchtturm schimmerte das Luziwuzi am Ende des Ortes. Die anderen Lebensgeister flackertenvereinzelt." Doch dabei kratzt er häufig nur an der Oberfläche seiner Figuren, springt von einem zum nächsten. Das ist angesichts des exzentrischen Personal des Romans schade. Denn mit bitterböser Satire und der Lust am Grotesken bereitet Schalko seinen Lesern so manche Überraschung. Dieses Buch gerät zu einer virtuosen Achterbahnfahrt der Stereotypen und Vorurteile, ganz ohne Schmäh, aber mit einer gehörigen Portion österreichischer Selbstschelte.

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Veröffentlicht am 30.01.2021

Von Fremdheit und Dazugehören Wollen

Fast ein neues Leben
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Vom Leben im neuen Land und dem Gepäck des alten Landes erzählt Anna Prizkau in ihren Kurzgeschichten, die unter dem Titel "Fast ein neues Leben" zusammengefasst sind. Mit der Ich-Erzählerin hat sie so ...

Vom Leben im neuen Land und dem Gepäck des alten Landes erzählt Anna Prizkau in ihren Kurzgeschichten, die unter dem Titel "Fast ein neues Leben" zusammengefasst sind. Mit der Ich-Erzählerin hat sie so manches gemeinsam - In Russland geboren, in den 90-er Jahren nach Deutschland gekommen, das Gefühl der Fremdheit, der Wille, dazu zu gehören, der Kampf mit der fremden Sprache, die sie sich dann zu eigen macht - immerhin ist sie Theaterautorin.

Der Preis, der für das neue Land gezahlt wird, wird eher von der Elterngeneration entrichtet - die psychischen Probleme der Mutter, der Akzent, der sich auch nach vielen Jahren nicht loswerden lässt und der der Tochter peinlich ist. Freunden verschweigt sie die Eltern und ihre Biografie.

Teils geht es in den zwölf Geschichten um diese Migrations- und Fremdheitserfahrungen, teils um Disfunktionalität in der Familie und die üblichen Coming of Age-Probleme. Um unglückliche Beziehungen, Scheitern an sozialen Barrieren oder sexuelle Belästigung braucht es schließlich keinen Migrationshintergrund, das sind universelle Erfahrungen.

Prizkau beherrscht die Kunst, auf wenigen Seiten eine Geschichte zu entwickeln von Hoffungen und zerbrochenen Illusionen, von Ehrgeiz und falscher Liebe. Die Familiengeschichte ist ein roter Faden, der die meisten dieser Episoden verbindet. Sprachlich gibt es immer wieder so einfach klingende wie bildhaft-poetische Formulierungen, die den Reiz dieser Geschichten ausmachen. Zum Beispiel: "Jetzt lächelte ich nur noch, um zu verbergen, dass ich nichts verstand. Um meine Angst vor diesem Land und dieser Sprache hinter den straff gespannten Mund zu stecken."

"Fast ein neues Leben" hat nicht die Wucht und Tiefe etwa von "Herkunft" von Sasa Stanisic, bemüht sich auch relativ wenig um die Identität der "neuen Deutschen", sondern reflektiert eher die individuelle Suche einer jungen Frau nach ihrem Platz im Leben.

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