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Veröffentlicht am 29.08.2020

Mit Axt und Weißwein durch die Krise

Tagebuch einer furchtbar langweiligen Ehefrau
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Vermutlich gibt es ihn ohnehin nicht, den besten Zeitpunkt, um verlasssen zu werden. Kurz vor der Silberhochzeit ist es jedenfalls bestimmt nicht ideal - vor allem, wenn der noch-Ehemann mit dem Vorschlag ...

Vermutlich gibt es ihn ohnehin nicht, den besten Zeitpunkt, um verlasssen zu werden. Kurz vor der Silberhochzeit ist es jedenfalls bestimmt nicht ideal - vor allem, wenn der noch-Ehemann mit dem Vorschlag kommt, die geplante Feier trotz Trennung durchzuführen, um die Familie - vorzugsweise seine eigene Mischpoche - nicht vor den Kopf zu stoßen. Dass die 48-jährige Diane vom künftigen Ex mit der Begründung konfrontiert wird, sie sei nun mal so furchtbar langweilig, macht die Sache nicht leichter. Plötzlich ist die Mutter dreier erwachsener Kinder - das Nesthäkchen ist gerade zum Studium ausgezogen - allein zu Haus. Und der Vater der drei Kinder startet in sein neues Leben mit einer 30-Jährigen.

Ist es unter diesen Umständen verständlich, dass Diane abwechselnd zu Weißwein oder einer Axt greift, um die Krise zu bewältigen? Erst das Ehebett zerlegt und dann weitere Teile, die sie an ihre gescheiterte Ehe erinnern? Dass die Trennung vom Mann auch die Trennung von den ungeliebten Teilen der angeheirateten Familie bedeutet, kann sie erst nach und nach positiv verbuchen - kein Pflicht-Babysitting für die Schwägerin mehr, die sich regelmäßig selbst verwirklichen will. Keine mühsame Freundlichkeit mehr im Umgang mit der Ex-Schwiegermutter, die nie akzeptiert hat, dass der älteste Enkelsohn schwul ist. Und Freundin Charlotte, die das Verlassenwerden zugunsten einer Jüngeren schon vor einer ganzen Weile durchlitten hat, ist gerne bereit, zu trösten und zu helfen.

Mit ihrem "Tagebuch einer furchtbar langweiligen Ehefrau" hat Marie-Renée Lavoie ein Thema gewählt, das für die reifere Leserinnen-Generation von Chicklit-Romanen ja nicht gänzlich neu ist. Zum einen womöglich aufgrund eigener Lebenserfahrung, sehr viel mehr aber, weil ja schon seit Jahren Variationen zu dem Thema erscheinen, mit ein bißchen Humor und Augenzwinkern und am Ende der voraussehbaren Wiederentdeckung der Heldin, meist mit einem neuen Mann an ihrer Seite.

Augenzwinkern und Humor fehlt auch hier nicht. Statt einer neuen Romanze gibt es Phantasien über den ansehnlichen Bürokollegen aus der Buchhaltung- aber der ist verheiratet. Der Hipster-Bauarbeiter aus der Nachbarschaft ist einfach nur hilfsbereit. Nicht jedes verlassene Schneewittchen wird von einem Prinzen wachgeküsst. Statt dessen kann frau beim Lesen über die mitunter bitterbösen Bewältigungsstrategien von Diane schmunzeln. Das Buch endet vielleicht nicht gerade romantisch, aber dennoch happy. Leichte Wohlfühllektüren zum Schmökern, vielleicht nicht gerade während der Planung einer Silberhochzeit.

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Veröffentlicht am 27.08.2020

Von Liebe, Hass und Rache

Ich beobachte dich
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Zehn Jahre lang hat sich Lindsey als alleinerziehende Mutter eine Existenz auf Vancouver Island aufgebaut, mit einem kleinen Putzunternehmen selbständig gemacht. Dann kommt die Nachricht: Ihr Ex-Mann Andrew ...

Zehn Jahre lang hat sich Lindsey als alleinerziehende Mutter eine Existenz auf Vancouver Island aufgebaut, mit einem kleinen Putzunternehmen selbständig gemacht. Dann kommt die Nachricht: Ihr Ex-Mann Andrew ist aus dem Gefängnis entlassen worden. Wird er sie und die gemeinsame Tochter Sophie, mittlerweile fast 18, suchen? Der Gedanke, dass er versucht, wieder in ihr Leben einzudringen, versetzt die Hauptfigur vor Chevy Stevens´ Psychothriller "Ich beobachte dich" in Todesängste.

Denn die große Liebe zu Andrew war während ihrer Ehe nur allzu schnell Angst gewichen - vor seinem Kontrollzwang, seiner Eifersucht, den körperlichen und seelischen Misshandlungen, der Trinkerei, die ihn in einen bösartigen Menschen verwandelte, bis auch Reue und Liebesschwüre nicht mehr halfen und sie eines Nachts mit der kleinen Tochter aus dem Haus floh. Als Andrew sich betrunken an die Verfolgung machte, verursachte er einen Unfall, bei dem eine Frau starb - daher die Gefängnisstrafe.

Stevens beschreibt das Geschehen mal aus der Sicht von Lindsey, mal aus der Sicht von Sophie, die hin und her gerissen ist zwischen der Loyalität zur Mutter und der Neugier auf den Vater, an den sie sich kaum noch erinnert. Heimlich nimmt sie Kontakt auf - droht sich die Geschichte zu wiederholen, insbesondere, als Andrew erfährt, daß es wieder einen Mann in Lindseys Leben gibt, jedenfalls gelegentlich?

Lindsey wiederum beobachtet misstrauisch die aufkeimende Beziehung zwischen Sophie und ihrem Mitschüler Jared, einem Sohn aus einer der reichen Familien, bei denen sie putzt. Zeigt er nicht ein ähnlich besitzergreifendes Verhalten wie einst Andrew? Und glaubt ihr die Polizei, wenn sie sich beobachtet fühlt, oder werden ihre Anrufe als reine Hysterie abgetan?

Stevens schafft es, den Leser mit zahlreichen Endungen in die Irre zu führen und Verdacht gegen nahezu jeden zu schüren. Dabei wird ebenso psychologische Spannung aufgebaut durch das Spannungsfeld (krankhafter) Liebe, Hass und Rachewünschen wie auch Gänsehautstimmung erzeugt angesichts einer Frau, die nicht weiß, ob sie womöglich in eine tödliche Falle tappt. Mit einer beklemmenden Atmosphäre voller Ängste und Misstrauen, aber zugleich voller Sehnsucht nach einem normalen Leben lässt sie mit den beiden Frauen mitleiden und hoffen. Die aufgebaute Spannung kulminiert in einem dramatischen Finale, dass den Pulsschlag ordentlich nach oben treibt.

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Veröffentlicht am 27.08.2020

Dramatische Naturschilderungen und eine getriebene Hauptfigur

Zugvögel
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Der Klappentext klingt nach einem gefühligen Frauenroman, möglicherweise mit ein bißchen Naturkitsch überzuckert: "Nur die Strömung der Meere und der Flügelschlag der Vögel können Franny den Verlust vergessen ...

Der Klappentext klingt nach einem gefühligen Frauenroman, möglicherweise mit ein bißchen Naturkitsch überzuckert: "Nur die Strömung der Meere und der Flügelschlag der Vögel können Franny den Verlust vergessen lassen, der sie verfolgt". heißt es darin. Meiner Erwartungen waren also eher auf ein "ganz nett" eingependelt. Doch weit gefehlt: Mit "Zugvögel" hat die australische Autoriu Charlotte McConaghy ein Buch mit Wow-Effekt geschrieben, voller Wildheit, voller Düsternis, das einen mitnimmt wie die Stürme, denen sich Ich-Erzählerin Franny stellen muss.

Franny ist eine Getriebene, buchstäblich. Schon als Kind hatte sie "Wanderfüße", die in ihrer Familie erblich zu sein scheinen, mit dramatischen Folgen. Immer wieder muss sie aufbrechen, muss die verlassen, die sie eigentlich liebt, ähnlich wie die Zugvögel, die ihrem Instinkt folgen und zu ihren Wanderungen aufbrechen. Ihr Freiheitswille, der innere Ruf zum Weiterziehen ist stärker als ihre Bindungsfähigkeit.

Doch in der Welt, in der Franny lebt, sind Vögel selten geworden, ebenso Fische und die meisten anderen wilden Tiere. Klimawandel und veränderte Umweltveränderungen haben zu einem nie gekannten Artensterben gesorgt. Düstere Vision einer fernen Zukunft? Biologen warnen schon lange vor dem Schneeballeffekt, der durch menschliche Einwirkungen erst eine, dann immer mehr Arten verschwinden lässt.

Mit dem Biologen Niall teilt die mal in Irland, mal in Australien aufgewachsene Franny die Leidenschaft für Vögel. Doch die Beziehung der beiden steht vor etlichen Herausforderungen - Niall ist Professor, Franny arbeitet als Putzfrau an der Universität. Und immer wieder wird sie ihn verlassen - wird er warten? Ganz zu schweigen von ihrer Schlafwandelei, ihren Albträumen, in denen eine wilde, aggressive Seite von ihr die Überhand gewinnt, die für Niall sogar gefährlich werden könnte.

Zu Beginn von "Zugvögel" beginnt Franny in Grönland die lange und riskante Reise, die den Peilsendern der letzten Küstenseeschwalben in die Antarktis folgen soll. Doch Franny ist nicht an Bord eines Forschungsschiffs, sie ist auf einer Ein-Frau-Mission, überredet den Kapitän eines Fischerbootes und seine bunt zusammengewürfelte Mannschaft, sie an Bord zu nehmen und mit ihr den Vögeln zu folgen.

Unterbrochen werden die Schilderungen der gefährlichen Reise voller Stürme, Wetterextreme und anderer Widernisse von Rückblicken in Frannys Vergangenheit, wobei vieles nur angedeutet und erst ganz am Ende aufgelöst wird: Warum war Franny im Gefängnis und ist nun mit einem fremden Pass unterwegs? Warum schickt sie keinen ihrer vielen Briefe an Niall nie ab? Warum denkt sie so viel ans Sterben, hat mit dem Leben eigentlich schon abgeschlossen?

Die vom Artensterben gezeichnete Welt hat etwas Apokalyptisches, das wie ein Echo Frannys innerer Düsternis ist. Und auch die Besatzung des Fischerboots, die mit ihr eine Schicksalsgemeinschaft bilden, allen voran der Kapitän, haben teilweise so manchen inneren Abgrund.

Wenn McConnaghy über das Meer schreibt, über Eis und Wind, über die letzte Ahnung von Wildnis, dann ist das ebenso poetisch wie dramatisch. Vielleicht liegt es an ihrem Studium zur Drehbuchautorin, dass ihre Erzählweise mitunter Bilder für die große Leinwand zaubert. Ich jedenfalls konnte das Buch kaum aus der Hand legen. Ein großartiges Debüt, das mich jetzt schon neugierig auf mehr macht.

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Veröffentlicht am 23.08.2020

Beatles-Staub an der Upper West Side

Mein Vater, John Lennon und das beste Jahr unseres Lebens
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Die Upper West Side in New York war schon immer ein nobles Pflaster, selbst zu der Zeit, als die Stadt mit Drogen und enormen Kriminalitätsraten Negativschlagzeilen machte. Doch selbst unter den Provilegierten, ...

Die Upper West Side in New York war schon immer ein nobles Pflaster, selbst zu der Zeit, als die Stadt mit Drogen und enormen Kriminalitätsraten Negativschlagzeilen machte. Doch selbst unter den Provilegierten, die im Herzen Manhattans zu Hause sind, ist Anton Winters Adresse schon was Besonderes. Denn im Dakota Building, in dem der Sohn eines Talkshow-Moderators mit seinen beiden Geschwistern aufgewachsen ist, gehören zu den berühmten Nachbarn Lauren Bacall sowie John Lennon und Yoko Ono. Adresse ist eben alles, auch wenn es bei den Winters gerade ein bißchen klammer als gewöhnlich zugeht. Seit seinem Nervenzusammenbruch vor laufender Kamera liegt Buddy Winters Karrierre auf Eis. Doch allmählich fühlt er sich bereit für neue Projekte. Anton, der schon als Jugendlicher die rechte Hand seines Vaters war, soll ihm dabei behilflich sein.,

Zeit hat der mittlerweile 23-Jährige, der ein Jahr lang beim Peace Corps in Gabun war, bis ihn eine schwere Malaria fast das Leben kostete. In New York soll er sich nun erst einmal erholen. Auf das Leben in Westafrika war er langsam vorbereitet worden, die Rückkehr nach New York ist erst einmal ein Kulturschock. Anton hat vielleicht nicht das Afrika der zugedröhnten Kindersoldaten, der Flüchtlingslager und der Hungerkatastrophen erlebt, aber doch genug gesehen, um zu erkennen, dass sein bisheriges Leben sich von dem der meisten Menschen unterscheidet.

Auch Tom Barbash, der Autor von "Mein Vater, John Lennon und das beste Jahr unseres Lebens" ist in Manhattan aufgewachsen, und vieles von dieser Erfahrung dürfte in die Schilderung eines New York im Jahre 1979 eingeflossen sein, in der auch in Manhattan noch nicht alles auf Hochglanz poliert war, wo auch ein paar Blocks jenseits des Dakota Building auf der Upper West Side ein Überfall mit vorgehaltenem Messer möglich war, wo im "Needles Park" nicht die Nannies der Bessergestellten mit ihren Schützlingen spazierten, sondern Junkies dahinvegetierten. Antons Mutter, mit Joan Kennedy befreundet, macht Wahlkampfhilfe für Ted Kennedy, man kennt sich in diesen Kreisen aus gemeinsamen Schul- oder Collegejahren.

Barbash geht mit Understatement an die Gesellschaft zwischen Ivy League und Show Business heran, und das macht einen Reiz dieses Buches aus. Denn die normalerweise abgeschottete "bessere Gesellschaft", das sind hier eben Nachbarn, und keiner wäre so ordinär, um die Prominenz eines John Lennon ein besonderes Brimborium zu machen.

Unaufgeregt, stark dialoglastig, ist Barbashs Buch vor allem die Geschichte einer Vater-Sohn-Beziehung, einer Lebenskrise, die auch die Schaffenskrise Lennons in dieser Zeit wiederspiegelt. Der fiktive Fernsehtalker und der reale Beatle, das Leben am roten Teppich und auf der Schattenseite des Ruhms ist wie eine Momentaufnahme einer untergegangenen Zeit. Die Welt im Dakota ist noch in Ordnung, ein wenig aber auch eine Insel, vor der die hartnäckigen Groupies ausharren, um einen Blick auf John Lennon zu erhaschen.

Stürme ganz anderer Art sind zu meistern, als Anton John Lennon im Segeln unterrichtet und auf einem Törn nach Bermuda begleitet. Es ist diese gemeinsame Erfahrung, die auch das Band zwischen dem jungen Mann und dem Rockstar so kräftigt, dass ihm der Gedanke zu dem Knalleffekt kommt, der Buddys Show befeuern soll: Eine Wiedervereinigung der Beatles in dessen Talk-Show.

"Mein Vater, John Lennon und das beste Jahr unseres Lebens" lässt mich etwas gespalten zurück. Auf der einen Seite enthält das Buch stimmige, detaillierte Skizzen, erinnert in den besten Momenten an die Screwball comedies der großen Zeit Hollywoods. Auf der anderen Seite wird zu selten aus diesen Skizzen ein dramaturgisches Gesamtbild aufgebaut, wirkt das Buch irgendwie unvollendet und voller unerfüllter Versprechungen. Denn schreiben kann Tom Barbash eindeutig. Schade deshalb, dass es gerade am Schluss, der ja dramatisch sein könnte, merkwürdig blass und hastig ausfällt. Als Gesellschafts- und Stadtstudie trotzdem sehr gelungen.

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Veröffentlicht am 19.08.2020

Beeindruckendes Mosaik eines schrecklichen Tages

Und auf einmal diese Stille
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Das Datum kennt wohl jeder, Bilder und Geschichten haben sich eingebrannt in das kollektive Gedächtnis nicht nur, aber ganz besonders der Amerikaner. Der 11. September oder "nine eleven" - das ist ein ...

Das Datum kennt wohl jeder, Bilder und Geschichten haben sich eingebrannt in das kollektive Gedächtnis nicht nur, aber ganz besonders der Amerikaner. Der 11. September oder "nine eleven" - das ist ein Synonym für den Terror, für den Tag, an dem die Welt ein großes Stück Unbekümmerheit verlor, der Tag, der Sicherheit auf Flughäfen für immer veränderte. Alles schon gesagt? Mit "Und auf einmal diese Stille" greift der Historiker und Journalist Garrett M. Graff auf die Tradition der "oral history", also der mündlichen Geschichtsüberlieferung zurück.

Die Menschen erzählen lassen - Bekannte und Unbekannte, Entscheider und solche, die sich als Spielball der Ereignisse erfahren, damit schließt Graff an die Tradition etwa von Studs Terkel an, der Weltkriegssoldaten und Zivilisten eine Stimme gab. Hier nun sind es Banker und Angestellte der Firmen in den Türmen des World Trade Centers, Feuerwehrleute, Ärzte, Polizisten, Überlebende und die Angehörigen der Toten, Piloten oder die Frau vom Bodenpersonal, die Mohammed Atta und die mit ihm fliegenden Terroristen für ihren Flug eingecheckt hatte.

Von einem Tag, an dem das einzig Ungewöhnlich der extrem blaue, wolkenlose Himmel war, bis zu den Wolken aus Staub und den Bergen von Trümmern, Leichenteilen und weiterhin flackernden Bränden zieht der Bogen der Schilderung. Die Zitate nehmen den Leser mit zu Krisensitzungen und improvisierten Kommandoständen, zu Feuerwachen und in die brennenden Türme, an Bord der Air Force One und in Schulen, in denen die Lehrer versuchen, ihren Schülern das Unerklärliche zu erklären. In Abschriften von Funksprüchen und Telefonaufnahmen kommen auch die Toten zu Wort.

Der deutsche Titel des Buches stammt aus einem Zitat eines Feuerwehroffiziers, der von der Lobby im Erdgeschoss des Nordturms zu einer Rettungsmission aufbrach "Wie man sich denken kann, war die Akustik in der Lobby des World Trade Center nicht gerade besonders gut, es hallte sehr stark. Und auf einmal diese Stille. Einer der Feuerwehrmänner von Rescue 1 schaute nach oben und sagte: Vielleicht werden wir diesen Tag nicht überleben."

Anders als in Mitchell Zuckoffs Buch "9/11 - Der Tag, an dem die Welt stehen blieb", das ebenfalls vor ein paar Monaten erschien und das ich hier rezensiert habe: https://nimm-ein-buch.blogspot.com/2020/04/911-der-tag-dem-die-welt-stehen-blieb.html , geht Graff nicht allzu ausführlich auf Einzelschicksale als dramatische Schilderung des Tages ein. Sein Buch ist eher wie ein Mosaik von Stimmen und Zitaten aus unterschiedlichen Perspektiven, wobei einige der zitierten und beschriebenen Akteure in beiden Büchern berücksichtigt werden. Die ganze Dramatik des Tages, das quälende Warten auf Rettung, auf Nachricht von den Liebsten, auf neue Hiobsbotschaften ist auf nahezu jeder Seite spürbar. Am eindringlichsten sind dabei nicht die Stimmen der Polit- und Medienprofis, unter ihnen der damalige Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, der damalige New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani oder der einstige Vizepräsident Dick Cheney, sondern die der Menschen, für die seit dem 11. September nichts mehr so ist wie früher. Es gibt Schilderungen, die tun weh, andere lassen den Leser mitzittern oder staunen über den Mut von Menschen, die in einer Krise über sich selbst herauswachsen. "Und auf einmal diese Stille" berührt.