Platzhalter für Profilbild

fredhel

Lesejury Star
offline

fredhel ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit fredhel über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.11.2017

Ein sehr ordentlicher Kommissar ermittelt

Die Henry Frei-Thriller / Böses Kind
0

Kriminalkommissar Henry Frei ist schon ein extrem gewöhnungsbedürftiger Ermittler. Zwanghaft ordnet er die Gegenstände in seiner direkten Umgebung, selbst wenn es die Messiewohnung einer wichtigen Zeugin ...

Kriminalkommissar Henry Frei ist schon ein extrem gewöhnungsbedürftiger Ermittler. Zwanghaft ordnet er die Gegenstände in seiner direkten Umgebung, selbst wenn es die Messiewohnung einer wichtigen Zeugin ist. Seine Kollegin Albers ist konträr leger, ständig übermüdet und Äpfelkauend. Die Kombination der beiden war mir etwas zu schrullig, aber dennoch konnte mich ihre Vorgehensweise bei den entsetzlichen Mordfällen fesseln. Die Morde scheinen eine Verbindung zu einem verschwundenen Teenager zu haben. Obwohl die Mutter, Suse, sehr besorgt wirkt, und man ihre chronische Überforderung nachvollziehen kann, bleibt sie von Anfang bis Ende neben dem Mörder die unsympathischste Person des Krimis. Viele Faktoren bauen hier die Spannung auf: einmal natürlich die grausamen Morde, aber auch die Einschübe, die von einer gefesselten Frau in einem unsäglichen Verliess handeln. Gerade wenn es spannend wird, schwenkt der Autor wieder auf Suses chaotisches Leben. Man bekommt schnell eine Ahnung, wie unerfreulich das Familienleben für ihre vermisste Tochter Jacquie gewesen sein muss.
Nein, den Mörder konnte ich nicht schnell erraten, aber nicht nur deswegen konnte ich das Buch nicht aus der Hand legen. Viel haben auch der angenehme Sprachstil und die gekonnten Cliffhanger ausgemacht. Gerne werde ich nach weiteren Büchern des Autors suchen.

Veröffentlicht am 22.11.2017

Mutige Cora

Schwarzbubenland
0

An der Journalistin Cora Johannis ist nichts konventionell. Sie hat lange freischaffend aus gefährlichen Krisengebieten berichtet, aber nun muss sie ihren Lebensmittelpunkt wieder im heimatlichen Solothurner ...

An der Journalistin Cora Johannis ist nichts konventionell. Sie hat lange freischaffend aus gefährlichen Krisengebieten berichtet, aber nun muss sie ihren Lebensmittelpunkt wieder im heimatlichen Solothurner Umland einrichten, damit sie ein Auge auf ihre anstrengend pubertäre Tochter Mila werfen kann. Zum Glück lebt noch der erwachsene Sohn Julian mit im Haushalt, der als ausgleichendes Element zwischen den aufbrausenden Frauen fungiert. Die Auftragslage ist schlecht, die Lebenskosten hoch, so schätzt Cora sich glücklich als sie von Herrn vom Staal auf einen Cold Case angesetzt wird. Elisabeth vom Staal ist vor Jahren spurlos verschwunden, und da sie vor der Ehe in einem Bordell gearbeitet hatte und ursprünglich aus Russland stammt, wurde damals der Fall schnell ad Acta gelegt. Man glaubte, Elisabeth hätte nur das Ziel gehabt, ihren Ehemann auszunutzen.
Kein Wunder also, dass sich vom Staal beim Auftauchen von neuen Hinweisen einen privaten Ermittler sucht und eine üppige Bezahlung garantiert. Cora findet tatsächlich eine heiße Spur, die aber nicht nur zwei wichtigen Zeugen den Tod bringt, sondern auch sie selbst allerhöchster Gefahr aussetzt.
"Schwarzbubenland" ist mehr als ein Regionalkrimi, denn trotz der gemütlich schweizerischen Ausdrucksweise, die wirklich äußerst dezent zwischen den Zeilen durchschimmert, entwickelt sich ein Spannungsbogen, der nur hin und wieder durch häusliche Erziehungsscharmützel unterbrochen wird. Auf dem Cover prangt ganz zu Recht ein roter "Bestseller"-Button.

Veröffentlicht am 21.11.2017

Stadtplanung mal anders

Falsche Engel küsst man nicht
0

Stadtplaner haben Großes mit Meißen vor. Die Innenstadt soll restauriert werden und in den leerstehenden Geschäften sollen alte Handwerksbetriebe einziehen. Der Investor hat schon solch ein gut brummendes ...

Stadtplaner haben Großes mit Meißen vor. Die Innenstadt soll restauriert werden und in den leerstehenden Geschäften sollen alte Handwerksbetriebe einziehen. Der Investor hat schon solch ein gut brummendes Dorfmodell in Italien laufen, eins auf Mallorca steht kurz vor der Fertigstellung und nun soll Meißen als nächstes dran sein. Als aber zwei Morde geschehen, kommt es an den Tag: viele Personen mit Einfluss haben sich für ihre Unterstützung munter unter der Hand entlohnen lassen. Eigentlich soll sich der Privatdetektiv Steffen Schröder auf Mallorca in das Geschäft einschleusen, um der Investorenfirma auf den Zahn zu fühlen. Alles scheint sauber zu sein, Schröder fühlt sich pudelwohl in seinem neuen Leben auf der Sonneninsel und möchte eigentlich dort bleiben, weil er sich ein sehr kuschliges Leben samt Gespielin einrichten konnte. Alles läuft viel zu glatt für ihn, um wahr zu sein. Nach einigen tiefer gehenden Recherchen kommt er einem genialen Geldwäschertrick auf die Spur und damit einer Verbrecherorganisation mächtig in die Quere. Es wird mehr als brenzlig und Wochen danach sogar noch brenzliger. Der lange Arm des Syndikats reicht quer über den Erdball und bedroht Steffens Lebensgefährtin Annemarie. Sie ist die Person, die mir in dem Roman am allerbesten gefallen hat. Sie ist hochintelligent, unerschrocken und emanzipiert. Steffen ist dagegen eher einfach gestrickt, rau aber herzlich. Er ist die Hauptfigur in dem Roman, man erlebt alles aus seiner Sichtweise heraus. Ich denke, seine Rolle ist noch ausbaufähig, denn es gibt doch hoffentlich weitere Fortsetzungen?

In "Falschen Engel küsst man nicht" gibt es viel Action, die Spannung erzeugt, aber auch stimmungsvolle Ortsbeschreibungen, die neugierig auf Land und Leute machen. Mich hat das Buch gut unterhalten, auch wenn manches leicht vorhersehbar war.

Veröffentlicht am 31.10.2017

Nachlese halten

Scythe – Die Hüter des Todes
1

Das Jahr, in dem "Scythe" von Neal Shusterman spielt, ist nicht mehr zu benennen, denn irgendwann hat man mit der Berechnung aufgehört, nachdem der Supercomputer THUNDERHEAD die Leitung über das Wohlergehen ...

Das Jahr, in dem "Scythe" von Neal Shusterman spielt, ist nicht mehr zu benennen, denn irgendwann hat man mit der Berechnung aufgehört, nachdem der Supercomputer THUNDERHEAD die Leitung über das Wohlergehen der Welt übernommen hat. Hunger, Krieg und Terror sind Vergangenheit, ebenso die Sterblichkeit. Um einer Überbevölkerung entgegenzuwirken, gibt es die Kaste der Scythen, die nach einer strengen Ausbildung samt Abschlussprüfung den Tod zu auserwählten Menschen bringen. Leider verfällt der Sittenkodex in einigen Scythengruppierungen und die Situation eskaliert, als zwei Jugendliche gleichzeitig von einem angesehenen Scythen als Lehrlinge angenommen werden. Es läuft auf einen Wettstreit auf Leben und Tod hinaus.
Zwischen dem normalen Handlungsstrang findet sich als Kapiteltrennung immer eine Seite aus dem Tagebuch eines der beteiligten Scythen. Zuerst haben mich diese trockenen Sequenzen etwas gestört, aber nach und nach wurden sie mir immer wichtiger für das Verständnis der allgemeinen Situation.
"Scythe" ist kein kompliziertes Buch. Es gibt im Prinzip nur den einen Handlungsstrang und es gibt auch wenig zwischen den Zeilen zu lesen. Interessant ist für mich die Vorstellung, wie sich eine Welt darstellt, in der es keinen Tod mehr gibt, keine Krankheit, kein Alter....irgendwie wirkt alles übersättigt und sinnentleert, wenn auch die Menschen dieser perfekten Welt es wahrscheinlich anders sehen. Nur die Scythen beenden diesen paradiesischen Zustand, aber die Wahrscheinlichkeit, ausgesucht zu werden, ist relativ gering.
Mich hat diese Dystopie sehr angesprochen. Einerseits ist der Erzählstil eher spröde, nur vereinzelt gibt es einige spannende Kampfszenen, aber dennoch will man wissen, wie sich die beiden Lehrlinge entwickeln werden und auch ob die Klasse der Scythen zu ihrem ursprünglichen Ehrenkodex zurückfinden kann. Am Ende bleiben keine Fragen offen, aber dennoch ist die Aussicht auf den zweiten Teil der Trilogie verlockend.

Veröffentlicht am 29.10.2017

Detailgetreu

Commissaire Le Floch und das Geheimnis der Weißmäntel
0

Der Autor, Jean-Francois Parot, ist ein ausgesuchter Kenner der Materie, wenn er den Leser ins Paris des 18.Jahrhunderts versetzt, um den jungen Ermittler Nicolas Le Floch bei seinem Kampf gegen das Verbrechen ...

Der Autor, Jean-Francois Parot, ist ein ausgesuchter Kenner der Materie, wenn er den Leser ins Paris des 18.Jahrhunderts versetzt, um den jungen Ermittler Nicolas Le Floch bei seinem Kampf gegen das Verbrechen und für die Ehre des Königs Ludwig XV. zu begleiten. Ursprünglich stammt Le Floch aus der Bretagne, wo er das große Glück hatte, als namenloses Findelkind in guten Verhältnissen aufwachsen zu dürfen, mit einem Adligen als Patenonkel. Dieser schickt ihn mit einem Empfehlungsschreiben zum Polizeipräfekten von Paris, der sich um seine weitere Ausbildung kümmert. Er wird bei Kommissar Lardin einquartiert, wohl auch, weil der Präfekt durch Nicolas ein Auge auf Lardin haben will, dem er dunkle Geschäfte bislang noch nicht nachweisen konnte. Als Lardin spurlos verschwindet, beginnt der berufliche Aufstieg Le Floch, denn trotz seiner Unerfahrenheit deckt er alle Spuren auf und erweist seinem König einen großen Dienst.

Die Handlung an sich ist schon äußerst spannend, doch der malerische Erzählstil von Parot läßt das alte,laute,stinkige Paris, das vor bitterarmen Leuten genauso wimmelt wie von hoffärtigen Neureichen und Adligen, vor den Augen des Lesers bildhaft werden. Am Rande wird immer wieder etwas von der damaligen Lebensweise vermittelt, sei es vom wilden Treiben im Karneval oder von der Esskultur. Hier biegen sich die Tafeln der Reichen von Last der erlesensten Speisen in mehreren Gängen, während die Bettlerinnen verbotenerweise vergammeltes Fleisch aus der Abdeckerei zu Suppe verarbeiten und diese auf der Strasse verkaufen. Es gibt zum Beispiel auch einen Mann, der quasi eine Wandertoilette betreibt, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Nicolas muss sich auch mit den kleinen Leuten gut stellen, denn gerade sie geben unschätzbare Informanten ab.

Dieses Buch ist beides: ein spannender, intelligenter Krimi, aber zugleich auch eine literarische detailgetreue Darstellung des Paris im Jahr 1761. In Frankreich gibt es schon zahlreiche Fortsetzungen von Le Floch, hier müssen wir leider noch bis nächstes Frühjahr warten, ehe der zweite Band herauskommt. Ich bin schon sehr gespannt, denn wie es aussieht, verfolgt der Leser dann nicht nur den Lebensweg von Nicolas, sondern erlebt Frankreichs Geschichte hautnah mit.

Sehr angenehm ist übrigens das doppelte Glossar am Ende dieses dicken Buches. Erst werden die im Buch erwähnten historischen Persönlichkeiten mit ihren Lebensdaten und -wegen kurz skizziert, dann kommt im zweiten Teil eine Erklärung von Begriffen, die man normalerweise nicht kennt. Sehr praktisch. Besonders gut gefallen hat mir auch die kostenlose Kindle-Edition "Die Welt des Commissaire Le Floch", die noch genauere Erläuterungen zum Werk, zum Autor und erst recht zum damaligen Alltag.