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fredhel

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 01.06.2018

Verzwickte Story

Schwindelfrei ist nur der Tod
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"Schwindelfrei ist nur der Tod" ist nicht der erste Alpenkrimi von Jörg Maurer für mich. Ich mag einfach seine Erzählweise und seine Freude am Fabulieren. Ich glaube, er reiht seine Protagonisten im Geiste ...

"Schwindelfrei ist nur der Tod" ist nicht der erste Alpenkrimi von Jörg Maurer für mich. Ich mag einfach seine Erzählweise und seine Freude am Fabulieren. Ich glaube, er reiht seine Protagonisten im Geiste vor seinem Schreibtisch auf, verleiht ihnen skurrile Charaktere und lässt sie dann munter agieren. So auch in dem hier vorliegenden Band. Inhaltlich bin ich diesmal nicht ganz so begeistert, denn es gibt zu viele Handlungsstränge und Personen. Deshalb ist es etwas zäh, in den Lesefluß zu kommen und ich möchte auch keinen Inhalt an dieser Stelle zusammenfassen, weil man dann auf einen Rutsch das ganze Buch nacherzählen müsste. Ich habe das Gefühl, dass sich der Autor etwas verzettelt hat, aber das macht sein Wortwitz und sein Auge für auch allerkleinste Details bei seinen Charakteren wieder wett. Allerdings ist mir manches auch viel zu unglaubwürdig. Zum Beispiel kann ich mir nicht vorstellen, dass eine Frau einen Heißluftballonabsturz in der Ballonhülle überleben kann. Aber andererseits vertraue ich darauf, dass ein Autor solche essentiellen Fakten vorher recherchiert hat. Spass hatte ich allemal bei der Lektüre dieses Krimis, nur fürs Lesen hätte ich 3 Sterne vergeben.

Aber da gibt es ja noch die Version für die Ohren:
Wenn ein Autor sein eigenes Werk als Hörbuch einliest, kann das gehörig in die Hose gehen. Bei Jörg Maurer dagegen ist der absolute Glückgriff. Maurer lebt jede einzelne Person beim Lesen aus, gibt ihr eine charakteristische Stimme, einen unverwechselbaren Tonfall und Dialekt, und schafft es spielend, aus einem Hörbuch quasi ein geistiges Kino zu machen. Ich bin absolut begeistert von der Hörbuch-Version. Hier verzeihe ich gern manch inhaltliche Schwäche, denn für mich war jede Minute ein Genuss.

Veröffentlicht am 01.06.2018

Detailgetreu

Commissaire Le Floch und das Geheimnis der Weißmäntel
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Der Autor, Jean-Francois Parot, ist ein ausgesuchter Kenner der Materie, wenn er den Leser ins Paris des 18.Jahrhunderts versetzt, um den jungen Ermittler Nicolas Le Floch bei seinem Kampf gegen das Verbrechen ...

Der Autor, Jean-Francois Parot, ist ein ausgesuchter Kenner der Materie, wenn er den Leser ins Paris des 18.Jahrhunderts versetzt, um den jungen Ermittler Nicolas Le Floch bei seinem Kampf gegen das Verbrechen und für die Ehre des Königs Ludwig XV. zu begleiten. Ursprünglich stammt Le Floch aus der Bretagne, wo er das große Glück hatte, als namenloses Findelkind in guten Verhältnissen aufwachsen zu dürfen, mit einem Adligen als Patenonkel. Dieser schickt ihn mit einem Empfehlungsschreiben zum Polizeipräfekten von Paris, der sich um seine weitere Ausbildung kümmert. Er wird bei Kommissar Lardin einquartiert, wohl auch, weil der Präfekt durch Nicolas ein Auge auf Lardin haben will, dem er dunkle Geschäfte bislang noch nicht nachweisen konnte. Als Lardin spurlos verschwindet, beginnt der berufliche Aufstieg Le Flochs, denn trotz seiner Unerfahrenheit deckt er alle Spuren auf und erweist seinem König einen großen Dienst.

Die Handlung an sich ist schon äußerst spannend, doch der malerische Erzählstil von Parot läßt das alte,laute,stinkige Paris, das vor bitterarmen Leuten genauso wimmelt wie von hoffärtigen Neureichen und Adligen, vor den Augen des Lesers bildhaft werden. Am Rande wird immer wieder etwas von der damaligen Lebensweise vermittelt, sei es vom wilden Treiben im Karneval oder von der Esskultur. Hier biegen sich die Tafeln der Reichen von der Last der erlesensten Speisen in mehreren Gängen, während die Bettlerinnen verbotenerweise vergammeltes Fleisch aus der Abdeckerei zu Suppe verarbeiten und diese auf der Strasse verkaufen. Es gibt zum Beispiel auch einen Mann, der quasi eine Wandertoilette betreibt, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Nicolas muss sich auch mit den kleinen Leuten gut stellen, denn gerade sie geben unschätzbare Informanten ab.

Dieses Buch ist beides: ein spannender, intelligenter Krimi, aber zugleich auch eine literarische detailgetreue Darstellung des Paris im Jahr 1761. In Frankreich gibt es schon zahlreiche Fortsetzungen von Le Floch, hier müssen wir leider noch bis nächstes Frühjahr warten, ehe der zweite Band herauskommt. Ich bin schon sehr gespannt, denn wie es aussieht, verfolgt der Leser dann nicht nur den Lebensweg von Nicolas, sondern erlebt Frankreichs Geschichte hautnah mit.

Sehr angenehm ist übrigens das doppelte Glossar am Ende dieses dicken Buches. Erst werden die im Buch erwähnten historischen Persönlichkeiten mit ihren Lebensdaten und -wegen kurz skizziert, dann kommt im zweiten Teil eine Erklärung von Begriffen, die man normalerweise nicht kennt. Sehr praktisch. Besonders gut gefallen hat mir auch die kostenlose Kindle-Edition "Die Welt des Commissaire Le Floch", die noch genauere Erläuterungen zum Werk, zum Autor und erst recht zum damaligen Alltag gibt.

Veröffentlicht am 01.06.2018

Tödlicher Baumschmuck

Tannenglühen
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Franziska Ferstl, eine Wiener Strafverteidigerin, Ende 50, gerade von einer schweren Erkrankung genesen, plant den beruflichen Ausstieg mit einer ausgiebigen Südfrankreichtour auf der geliebten Harley ...

Franziska Ferstl, eine Wiener Strafverteidigerin, Ende 50, gerade von einer schweren Erkrankung genesen, plant den beruflichen Ausstieg mit einer ausgiebigen Südfrankreichtour auf der geliebten Harley Davidson einzuläuten. Der plötzliche Mord an einem Kanzleipartner macht allem einen Strich durch die Rechnung, da ein anderer Seniorpartner direkt von zwei Personen als Mörder beschuldigt wird und sie ihren Max Frank nach all den Jahren freundschaftlicher Zusammenarbeit nicht im Stich lassen kann und will. Da sie einige Zeit aus dem Geschäft aussen vor war, tun sich nun wahre Abgründe vor ihr auf, als sie sich in die Vorgänge einarbeitet. Hinter ihrem Rücken wurden zwielichtige Geschäfte mit den Russen abgewickelt. Mit denen ist alles andere als gut Kirschenessen und auch die Schlinge um Franks Hals zieht sich immer fester zu, während er versucht, seine Franziska im Dunklen tappen zu lassen und irgendwie seine geldverschwendende junge Frau nicht zu verlieren. Nichts ist, wie es scheint, und dann dreht sich alles noch einmal herum.....

Die Handlung ist facettenreich erdacht und die Charaktere schön herausgearbeitet. Besonders gut gefallen hat mir, wie die Autorin das Wiener Flair in den Text einarbeitet. Sie kommt ohne plumpe Dialekt-Dialoge aus. Auch so weiß der Leser durch Feinheiten in der Satzstellung, dass er sich auf österreichischem Terrain befindet. Der Erzählstil unterstützt den Spannungsbogen, schweift nie ab und ufert nicht aus. Überhaupt: der Spannungsbogen hat es in sich, nie kann man seiner Vorahnung trauen, denn ständig kommen neue Indizien ans Licht und schon wechselt die Beweislage wieder. Toll.

Zum kleinen Star in einer Nebenrolle mutiert für mich die junge Kanzleihelferin Nathalie, die sich von Kapitel zu Kapitel vom mürrischen Gothicgirl in eine attraktive und tüchtige Mitarbeiterin verwandelt und hinterher wieder Richtung Gothic tendiert.

Ich finde, die Familiengeschichten rund um Franziskas Schwester hätten ruhig etwas weniger intensiv ausfallen können. Die waren zwar auch bunt und quirlig, auch nicht richtig langweilig, aber irgendwie lief dieser Erzählstrang nebenher ohne wirklich relevant zu sein.

Trotzdem: Tannenglühen ist ein sehr lebendiger Krimi, der Wienliebhaber und Krimifans gleichermaßen anspricht.

Veröffentlicht am 28.05.2018

Mutige Cora

Schwarzbubenland
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An der Journalistin Cora Johannis ist nichts konventionell. Sie hat lange freischaffend aus gefährlichen Krisengebieten berichtet, aber nun muss sie ihren Lebensmittelpunkt wieder im heimatlichen Solothurner ...

An der Journalistin Cora Johannis ist nichts konventionell. Sie hat lange freischaffend aus gefährlichen Krisengebieten berichtet, aber nun muss sie ihren Lebensmittelpunkt wieder im heimatlichen Solothurner Umland einrichten, damit sie ein Auge auf ihre anstrengend pubertäre Tochter Mila werfen kann. Zum Glück lebt noch der erwachsene Sohn Julian mit im Haushalt, der als ausgleichendes Element zwischen den aufbrausenden Frauen fungiert. Die Auftragslage ist schlecht, die Lebenskosten hoch, so schätzt Cora sich glücklich als sie von Herrn vom Staal auf einen Cold Case angesetzt wird. Elisabeth vom Staal ist vor Jahren spurlos verschwunden, und da sie vor der Ehe in einem Bordell gearbeitet hatte und ursprünglich aus Russland stammt, wurde damals der Fall schnell ad Acta gelegt. Man glaubte, Elisabeth hätte nur das Ziel gehabt, ihren Ehemann auszunutzen.

Kein Wunder also, dass sich vom Staal beim Auftauchen von neuen Hinweisen einen privaten Ermittler sucht und eine üppige Bezahlung garantiert. Cora findet tatsächlich eine heiße Spur, die aber nicht nur zwei wichtigen Zeugen den Tod bringt, sondern auch sie selbst allerhöchster Gefahr aussetzt.

"Schwarzbubenland" ist mehr als ein Regionalkrimi, denn trotz der gemütlich schweizerischen Ausdrucksweise, die wirklich äußerst dezent zwischen den Zeilen durchschimmert, entwickelt sich ein Spannungsbogen, der nur hin und wieder durch häusliche Erziehungsscharmützel unterbrochen wird. Auf dem Cover prangt ganz zu Recht ein roter "Bestseller"-Button.

Veröffentlicht am 28.05.2018

Etwas langweilig

Das Geräusch der Dinge, die beginnen
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"Das Geräusch der Dinge, die beginnen" von Evita Greco ist ein sehr ruhiger Roman. Es hat relativ lange gedauert, ehe ich mich einlesen konnte. Das liegt vor allem in der Hauptperson Ada begründet. Sie ...

"Das Geräusch der Dinge, die beginnen" von Evita Greco ist ein sehr ruhiger Roman. Es hat relativ lange gedauert, ehe ich mich einlesen konnte. Das liegt vor allem in der Hauptperson Ada begründet. Sie ist eine merkwürdige junge Frau, die als kleines Kind von der Mutter verlassen und von einer überfürsorglichen Großmutter aufgezogen wurde. Großmutter Teresa liegt nun todkrank in einer Klinik und Ada richtet ihr ganzes Leben nach den Besuchszeiten aus. Ada macht auf mich einen leicht zurückgebliebenen Eindruck, emotional instabil, dabei zugleich extrem stark sämtliche Dinge und Begebenheiten des Alltags reflektierend, weit über das normale Mass hinaus. Sie freundet sich mit der behandelnden Krankenschwester Giulia an und beginnt eine komplizierte Liebesbeziehung zu dem Handelsvertreter Matteo. Der Roman beschreibt die Entwicklung der Beziehungen untereinander, kann aber den Leser nicht wirklich einfangen. Meines Erachtens liegt das an Ada, zu deren Gedankenwelt man nur schwer Zugang findet. Allein des zauberhaften Sprachstils der Autorin, die immer wieder mit leisen poetischen Wahrheiten und fast schon philosophischen Gedanken aufwartet, ist es zu verdanken, dass man das Buch dann doch bis zu Ende liest. Mich persönlich konnte es nicht fesseln, aber es wird Leser geben, die begeistert sein werden.