Zum Ende hin weniger fesselnd
Das PhilosophenschiffMichael Köhlmeier spielt in seinem neuen Roman „Das Philosophenschiff“ mit Fiktion und Wahrheit. Doppelbödig lässt er eine 100-jährige erfolgreiche Architektin ihr Leben erzählen.
Die eigene turbulente ...
Michael Köhlmeier spielt in seinem neuen Roman „Das Philosophenschiff“ mit Fiktion und Wahrheit. Doppelbödig lässt er eine 100-jährige erfolgreiche Architektin ihr Leben erzählen.
Die eigene turbulente Lebensgeschichte soll für die Ewigkeit festgehalten werden. Darum geht es der 100-jährigen Anouk Perleman-Jacob. Einen Schriftsteller, den Ich-Erzähler im Buch, will sie dazu bringen, ihre Geschichte aufzuschreiben. Die beiden führen regelmäßig Gespräche, die gefeierte Architektin erzählt von ihrem Leben, vor allem von der Flucht aus der Sowjetunion.
Als junges, 14-jähriges Mädchen floh sie auf einem der so genannten Philosophenschiffe. Mit diesen Schiffen, das ist historisch verbürgt, hat die Regierung unliebsame Bürger des Landes verwiesen – zu ihrem eigenen Schutz, wie die russische Propagandamaschinerie formulierte.
Doch bald schon beginnt der Schriftsteller selbst zu recherchieren, was damals wirklich geschah. Denn seine Auftraggeberin erweist sich als sehr unzuverlässig. Missliebiges verschweigt sie, Unliebsames lässt sie lieber weg oder ändert die Tatsachen.
Ganz und gar unglaublich ist die Geschichte, auf die sich alles zubewegt: das Schiff macht sich mit überraschend wenigen Passagieren auf den Weg – und das nicht nur, weil viele der Passagiere wegen angeblicher Devisenvergehen zuvor erschossen wurden. Plötzlich stoppt das Schiff auf offener See, ein Beiboot bringt einen weiteren Passagier auf das fast leere Schiff, der in der 1. Klasse untergebracht wird.
Neugierig schleicht sich die 14-jährige Anouk zu dem alten Mann, der dann sogar noch offiziellen Besuch bekommt. Eine famose Lügengeschichte? Oder nichts als die Wahrheit, die reine Wahrheit?
Ein wenig schade ist, dass im Laufe des Buches die Rahmenerzählung um den Schriftsteller und die 100-Jährige immer mehr an Gewicht bekommt, während die Binnen-Erzählung um das Schiff an Kontur verliert. Allerdings: Worüber will ein 14-jähriges Mädchen auch mit einem betagten Staatsmann sprechen, das für die Nachtwelt von Interesse ist?
So sehr mich das „Philosophenschiff“ am Anfang in seinen Bann gezogen hat, zum Ende hin hat es mich nicht mehr fesseln können.