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Veröffentlicht am 29.06.2019

Spannender, gut geschriebener Roman

Mengele Zoo
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Manchmal dauert es ein wenig, bis ein Buch ins Deutsche übersetzt wird. Bei Gert Nygårdshaugs „Mengele Zoo“ dauerte es genau 30 Jahre, bis der Roman in diesem Jahr nun in deutscher Übersetzung veröffentlicht ...

Manchmal dauert es ein wenig, bis ein Buch ins Deutsche übersetzt wird. Bei Gert Nygårdshaugs „Mengele Zoo“ dauerte es genau 30 Jahre, bis der Roman in diesem Jahr nun in deutscher Übersetzung veröffentlicht wurde. Eine lange Zeit, wenn man bedenkt, dass das Buch in Norwegen ein Erfolg war.

An Aktualität hat das Buch dennoch kaum verloren. Am Beispiel des Schmetterlingssammlers Mino zeigt Gert Nygårdshaug auf, welche Konsequenzen die Abholzung des Regenwaldes für die Bewohner hat. Minos Vater ernährt seine Familie mit Schmetterlingspräparaten. Mino ist es, der als Kind für seinen Vater die Schmetterlinge fängt. Während Mino im Dschungel auf Schmetterlingsjagd ist, wird eines Tages das komplette Dorf ausgelöscht – es war mitsamt seinen Bewohnern einer Ölfirma im Weg.

Das zweite Drittel des Buches handelt schließlich davon, wie es Mino gelingt, Waise der er nun ist, wieder Fuß zu fassen, indem er sich einem Magier anschließt und zum Assistenten des Zauberers wird. Im letzten Drittel des Buches – so viel sei angedeutet – macht sich Mino schließlich erneut auf den Weg – und wird zum Rächer und Retter des Regenwaldes.

Auch wenn ich den Titel des Buches nicht für gelungen halte, da er einfach nur reißerisch wirkt, aber das Thema des Buches nicht trifft, so hat mich das Buch fasziniert. Es ist sprachlich sehr gelungen, man liest mit Genuss die Beschreibungen des Regenwaldes, der Schmetterlinge und der Reisen. Zum Schluss hin allerdings hat das Buch deutliche Längen, sodass ich mehrfach Seiten grob überflogen habe.

Der Schutz des Regenwaldes vor den Interessen der Industrie (und des Staates) zieht sich als roter Faden durch das Buch. Leider hat sich in den letzten dreißig Jahren nichts daran geändert, dass der Regenwald in seiner Existenz bedroht ist. Deshalb ist „Mengele Zoo“ ein Roman, der nicht nur aufgrund seiner sprachlich herausragenden Darstellungen der Natur und der genauen Beschreibung von Personen lesenswert ist, sondern immernoch aufgrund seines Themas, dem Schutz des tropischen Regenwaldes.

Lassen wir uns überraschen, wie lange es dauert, bis die weiteren Bände der Mino-Reihe den Weg in die deutsche Übersetzung finden.

Veröffentlicht am 16.06.2019

12 Tage Unsicherheit

#ichwillihnberühren
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So ganz warm geworden bin ich mit dem Buch nicht. Die Geschichte von zwei Freunden, die sich schließlich finden und lieben, hat ihre Reize. Die Idee, nur eine kurze Zeitspanne von 12 Tagen als Erzählzeit ...

So ganz warm geworden bin ich mit dem Buch nicht. Die Geschichte von zwei Freunden, die sich schließlich finden und lieben, hat ihre Reize. Die Idee, nur eine kurze Zeitspanne von 12 Tagen als Erzählzeit zu nutzen, funktioniert. Alles ist verdichtet auf die Frage, ob der andere auch das Gleiche fühlt. Auch die Idee, das Internet bzw. das „Jodel“-Forum um Rat zu fragen, ist gut. Aber nach einer Weile des Lesens hat mir doch der Pepp gefehlt. Die Rückblenden fand ich zumeist nicht interessant, das doppelte Erzählen des Geschehenen aus zwei Perspektiven war nur am Anfang interessant, später wirkt es doch zu wiederholend. Auch die Freundin von „Er“ hat mir zum Schluss hin zu viel Raum eingenommen.

Veröffentlicht am 26.05.2019

Leise Töne

Papaverweg 6
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Es sind die leisen Töne, die Margarita Kinstner in ihrem Buch „Papaverweg 6“ anschlägt. Das Leben geht seinen Gang in dem Mehrfamilienhaus in Wien, das im Papaverweg 6 gelegen ist. Papaver heißt nichts ...

Es sind die leisen Töne, die Margarita Kinstner in ihrem Buch „Papaverweg 6“ anschlägt. Das Leben geht seinen Gang in dem Mehrfamilienhaus in Wien, das im Papaverweg 6 gelegen ist. Papaver heißt nichts anderes als Mohn, und so steht der Papaverweg für einen vergleichsweise ruhigen Wohnort.

Zehn Wohnungen gibt es in diesem Haus, deren Bewohner man nach und nach kennenlernt. Ganz unterschiedliche Menschen wohnen in dem Haus: von der alleinerziehenden Mutter bis zur Weltreisenden, vom Sozialarbeiter bis zur Öko-Aktivistin. Und gegenüber wohnt Oskar. Oskar, der Alte, der am Fenster sitzt, hinüberschaut und beobachtet, was sich alles in dem Haus abspielt. Oskar, der Alte, der ein Buch führt mit den Namen der Mieter. Vielleicht weil er neugierig ist, vielleicht, weil er sich um seine Mitmenschen Gedanken macht, vielleicht, weil er vergesslich geworden ist.

Oskar ist die heimliche Hauptfigur des Romans. Nicht nur, dass sein Blick aus dem Küchenfenster immer wieder das Haus mit all seinen Bewohnern ins Zentrum rückt, auch sein Leben wird immer mehr entfaltet. Der schmerzliche Tod seiner Frau, die beginnende Demenz und ein Geheimnis, das in der Erde ruht – all das breitet Margarita Kinstner mit ihrem liebevollen Blick auf den Menschen aus.

Es ist nicht der voyeuristische Blick zum Nachbarn, der Thema ist. Dazu passiert im Papaverweg viel zu wenig, als dass das interessant sein könnte. Es ist der Alltag all dieser unterschiedlicher Menschen, den man als Leser irgendwann nicht mehr vermissen möchte. Gerade auch, weil jeden etwas ganz anderes umtreibt.

Margarita Kinstner erzählt unaufgeregt, langsam, präzise. Das ist es, was mir an dem Buch so gut gefallen hat.

Veröffentlicht am 14.05.2019

Sich öffnende Herzen

Alte Sorten
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Als ich das Buch „Alte Sorten“ von Ewald Arenz gelesen habe, musste ich unweigerlich an Muscheln denken. Sind sie geschlossen, so weiß man, dass sie leben. Nur ab und an öffnen sie sich langsam, um sich ...

Als ich das Buch „Alte Sorten“ von Ewald Arenz gelesen habe, musste ich unweigerlich an Muscheln denken. Sind sie geschlossen, so weiß man, dass sie leben. Nur ab und an öffnen sie sich langsam, um sich bald wieder zu verschließen.
So wirken auf mich auch Sally und Liss, die Hauptfiguren des Romans. Beide haben in ihrem Leben Verletzungen erfahren, obwohl sie in ganz unterschiedlichem Alter sind. Sally ist 17, dabei ihr Abitur zu machen, Liss ist an die 50, hält einen Bauernhof am Leben.
Beide haben sich nach ihren negativen Erfahrungen zurückgezogen, die Einsamkeit gesucht. Sich verschlossen. Und nun haut Sally aus der Klinik, in die sie ihre Eltern gesteckt haben ab, und trifft auf Liss, die sie ohne viel zu fragen aufnimmt. Die beiden reden zunächst kaum miteinander, Sally hilft ihr bei der Arbeit, lernt ihre Grenzen kennen, lernt Neues kennen.
Beide Frauen nehmen sich bedingungslos an, als sie aufeinandertreffen, ohne Vorurteile. Ewald Arenz gelingt es ganz meisterhaft zu beschreiben, wie nach und nach aus diesem ersten Sich-Verstehen eine Freundschaft wächst.
Zudem hat er ein Gespür für die Landschaft. Sie ist nicht idyllisch, sie ist rau und karg. Es ist harte Arbeit, die in der Natur, auf den Feldern, beim Beschneiden der Obstbäume verlangt wird. So wird die Natur der Ort der Selbstbehauptung und auch der Ort an dem die Heilung alter Wunden möglich scheint.
„Alte Sorten“ gehört zu den Büchern, die man mit Gewinn mehrmals lesen kann.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
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  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Atmosphäre
Veröffentlicht am 14.05.2019

Herrliche Münchauseniade

Die Analphabetin, die rechnen konnte
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In Johannesburg beginnt der Roman von Jonas Jonasson. In Schweden endet er. Dazwischen findet in „Die Analphabetin, die rechnen konnte“ eine ganz und gar abstruse Abenteuergeschichte statt, die ihresgleichen ...

In Johannesburg beginnt der Roman von Jonas Jonasson. In Schweden endet er. Dazwischen findet in „Die Analphabetin, die rechnen konnte“ eine ganz und gar abstruse Abenteuergeschichte statt, die ihresgleichen sucht. Hauptperson: Nombeko Mayeki.

Mit ihr begibt man sich als Leser auf eine herrliche Münchhauseniade voller absurder Abenteuer und unwahrscheinlichen Begegnungen. An manchen Stellen wirkt es fast so, als ob das Unwahrscheinliche die Normalität ist. Jonas Jonassons Einfallsreichtum scheint unerschöpflich zu sein.

Das beginnt schon mit Nombeko selbst. Die Latrinentonnenträgerin arbeitet sich in Südafrikas größtem Slum nach und nach vom Latrinenbüro von Soweto hoch, denn sie kann zwar nicht lesen, aber dafür umso besser rechnen. Sie landet als Putzfrau bei einem Ingenieur, hilft mit, Südafrikas erste Atombombe zu bauen. Mit ihr zusammen landet sie schließlich in Schweden. Doch wie wird man eine Atombombe wieder los?

Ihre Klugheit bringt Nombeko immer wieder weiter. Sie schafft es überall, mit den Füßen auf dem Boden zu landen. Das ist der eine Grund, weshalb mir „Die Analphabetin, die rechnen konnte“ gefiel: man kann die schelmenhaft clevere Nombeko einfach nur liebgewinnen. Der andere Grund ist die Art, wie Jonas Jonasson erzählt: er ist ein Meister der Fabulierkunst. Pointenreich erzählt er, immer mit einem Lächeln im Gesicht, was man im Leben alles so erleben könnte.Wenn es dabei zu den ungewöhnlichsten Begegnungen kommt: umso besser. Dass die Personen, die sonst noch in dem Buch auftauchen, eher stereotyp sind, tut keinen Abbruch. Denn je stereotyper sie sind, umso mehr Ecken und Kanten haben sie. Und die witzig-charmant aufs Korn zu nehmen, das ist Jonas Jonassons Spezialität.

Ich bin eigentlich kein allzu großer Freund von Hörbüchern. Meistens entgeht mir beim Hören im Auto irgend etwas, und ich muss mir ein Kapitel nochmal anhören, was auf dauer etwas nervt. Mit diesem Hörbuch bin ich aber gut zurecht gekommen. Anfangs irritieren die zwei Erzählstränge in Südafrika und in Schweden, aber spätestens wenn sie sich vereinigt haben, kann man den Irrungen und Wirrungen der Geschichte gut und leicht folgen. Ein idealer Roman für ein Hörbuch. Katharina Thalbachs Stimme habe ich dabei sehr genossen – sie liest sehr betont, nicht überhastet, lässt Pausen. Warum auch immer: im Auto kam ihre Stimme nicht so knörzig rüber als im CD-Player, daher wurde es mein Auto-Hörbuch für einige Wochen. Und ja: es waren unterhaltsame Autofahrten.