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Veröffentlicht am 25.01.2018

Ermittlungen im rechtsradikalen Milieu

M
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Ein wenig enttäuscht hat er mich zurückgelassen, Friedrich Anis Kriminalroman „M“ – der 19. Tabor-Süden-Roman. Nicht nur, dass am Schluss nicht alles schlüssig aufgelöst wird, die Handlung bewegt sich ...

Ein wenig enttäuscht hat er mich zurückgelassen, Friedrich Anis Kriminalroman „M“ – der 19. Tabor-Süden-Roman. Nicht nur, dass am Schluss nicht alles schlüssig aufgelöst wird, die Handlung bewegt sich zudem recht zäh vom Fleck.

Dabei geht es zunächst sehr spannend los: Eine Frau kommt in die Detektei Liebergesell und lässt einen vermissten Freund suchen. Schnell landet der Detektiv und Ex-Kommissar Tabor Süden bei seiner Suche im rechtsradikalen Milieu. Schnell gibt es einen ersten Toten, ein Kollege von Tabor Süden. Doch ab diesem Moment bewegt sich die Handlung nur noch zäh voran. Tabor Süden ist zwar gefühlt ständig unterwegs, doch es geht zunehmend um Verstrickungen von Kripo, LKA und Verfassungsschutz, um verdeckte Ermittler und um neue und alte Nazis. Und auch die Auftraggeberin gerät in den Fokus der Ermittlungen.

Friedrich Ani verirrt sich zudem immer mehr im Innenleben seiner Figuren. Tabor Südens Behäbigkeit wird immer wieder beschrieben, dann die Chefin, die um ihren toten Sohn trauert. Ermittlungserfolge: eher Zufallssache. Man hat das Gefühl, dass ein Schleier über der ganzen Ermittlung liegt, der alles verlangsamt und eine große Lethargie hervorruft. Die rechtsradikale Szene im Buch wirkt deutlich fitter und durchtriebener als es die Detektei jemals sein kann.

Das ist schade, denn das tut dem Plot des Kriminalromans nicht gut, so sehr auch die Personen dadurch plastischer werden. Zudem bleiben manche Seiten außen vor: Was es mit der Auftraggeberin auf sich hat, erfährt man von ihr selbst kaum, es sind Außenstehende, die über sie berichten, was ihren Charakter nicht gerade überzeugender wirken lässt. Wie gefährlich das rechtsradikale Netzwerk ist, kann man nur vermuten. Das gilt übrigens auch für den Titel: man kann nur vermuten, was er bedeuten soll. Zu dem Film „M“ von Fritz Lang lassen sich keine Verbindungen herstellen, bleibt nur die Stadt München als Ort des Geschehens.

Das Hörbuch selbst ist gut gesprochen, Süden und seine Leute wirken genauso behäbig und unnahbar wie sie beschrieben sind.

Veröffentlicht am 25.01.2018

Kabarett á la Andreas Rebers

Anarchophobie - Die Angst vor Spinnern
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„Vielleicht leidet ein Schalke-Fan viel mehr als ein Flüchtling, der ertrinkt, weil das Leid beim Schalke-Fan schon viel länger anhält — als der Flüchtling die Luft.“ Philip Simon liebt es, zu provozieren. ...

„Vielleicht leidet ein Schalke-Fan viel mehr als ein Flüchtling, der ertrinkt, weil das Leid beim Schalke-Fan schon viel länger anhält — als der Flüchtling die Luft.“ Philip Simon liebt es, zu provozieren. Monologartig nimmt er in seinem Programm „Anarchophobie“ das politische Geschehen aufs Korn.

Dabei repräsentiert er das moralische Kabarett im Stil eines Andreas Rebers. Philip Simon ist ein wenig zynisch, ein wenig ironisch, aber immer politisch. Auch wenn einem manchmal das Lachen im Halse stecken bleibt wie bei dem anfangs zitierten Vergleich: zum Nachdenken regt Simon allemal an. Nicht nur, weil Simon Zahlen nennt (z.B. 350 Frauenhäuser in Deutschland), bevor er das Frauenbild von Nordafrikanern mit dem des Bachelors vergleicht.

An einigen Stellen gelingt es Philip Simon freilich nicht, das Niveau eines Andreas Rebers zu halten. Zum Beispiel, wenn er das Lied „Ich geh mit meiner Laterne“ umformuliert zu „Ich geh mit meiner Granate“. Das ist genauso wenig witzig wie sein Gag, dass Bildzeitungsleser immer weiterscrollen würden, wenn am Ende der Bild-Internetseite nicht stehen würde „Sie haben das Ende der Seite erreicht“.

Zu den Stärken von Simons Programm gehören die Ausführungen zu Flüchtlingen, Klimawandel und Bio-Wahn. Wenn Simon sagt, es werde in Europa ein Pfandflaschensystem für Flüchtlinge installiert, dann trifft er in Blick auf das Dubliner Abkommen den Nagel auf den Kopf. Wenn Simon hinterfragt, warum im Landkreis Dachau die Tafeln kein Essen für Flüchtlinge ausgeben wollen, wo es doch gar keine entsprechende Nachfrage gebe, erkennt Simon einen – vorherrschenden – Ton der Fremdenfeindlichkeit. Nur selten wird er dabei zum echauffierten Oppositions-Politiker.

Zu Philip Simons Programm gehört es, dass man nicht alles, was er sagt, gut finden kann. Einmal, weil einem das Lachen im Hals stecken bleibt, aber auch, weil man nicht alles richtig finden kann, was Simon provozierend in die Welt setzt. Philip Simon will anecken, keine Frage. Und immer wieder gelingt ihm das auch.

Mich hat an Simons Programm vor allem fasziniert, wie es ihm immer wieder gelingt, die großen Themen runterzubrechen auf die Welt im Kleinen und wie er immer wieder seinen Zuhörern zumutet, die Perspektive zu wechseln, wenn er etwa von der Angst von Muslimen spricht, die sich in christliche Länder trauen. Da verzeiht man Philip Simon auch manche wenig gelungene Albernheit.

Veröffentlicht am 04.01.2018

Äußerst schwer lesbar

Kultur
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Was ist Kultur? Was soll Kultur sein? Wie entwickelt sie sich? Terry Eagleton geht in seinem Buch „Kultur“ diesen Fragen nach. Ich muss zugeben: ich habe mir etwas anderes von diesem Buch erwartet. Eine ...

Was ist Kultur? Was soll Kultur sein? Wie entwickelt sie sich? Terry Eagleton geht in seinem Buch „Kultur“ diesen Fragen nach. Ich muss zugeben: ich habe mir etwas anderes von diesem Buch erwartet. Eine Streitschrift, ein Plädoyer. Doch „Kultur“ ist nichts anderes als eine essayistisch verfasste wissenschaftliche Abhandlung, die zudem äußerst schwer lesbar ist.

Bräsig kommt sie an vielen Stellen daher. Die vielen flapsigen Beispiele, die Eagleton, teilweise wohl um zu provozieren, anführt, machen das Buch nur an wenigen Stellen lesenswerter. Was fehlt, ist eine rote Linie, die durch das Buch führt. Es gibt allenfalls Stichwortverknüpfungen an manchen Stellen, eine ausgefuchste Argumentation ist Fehlanzeige. Bei all den Ausführungen, die in die Breite gehen, ist es überhaupt schwer, in „Kultur“ eine Argumentationslinie zu finden.

Da sieht Eagleton kulturpessimistisch den Tod der Geisteswissenschaften am Horizont, unterstellt dem Kapitalismus „Hybridität“, also Vermischung und Pluralität zu forcieren, und kommt zu dem Schluss, dass die Kultur ihre Unschuld verloren habe. Doch was er selbst bei all dem, was er von anderen zitiert und reflektiert dagegensetzt, bleibt verschwommen. Er legt wert darauf, dass es auch eine Notwendigkeit der Einheitlichkeit bzw. Gemeinsamkeit zur Identitätsfindung bedarf, kritisiert die fehlende Diskussion über Solidarität und Gerechtigkeit. In seiner Argumentation gegenüber den romantischen Nationalisten ist Eagleton dann plötzlich die Vielfalt wieder wichtig. Dann hangelt er sich an Edmund Burke, Johann Gottfried Herder und Oscar Wilde entlang, um einen Kulturbegriff des „sozialen Unbewussten“ zu manifestieren, spricht auch von der harmonisierenden Wirkung der Kultur. In den letzten beiden Kapiteln will Eagleton schließlich ein modernes Kulturkonzept beleuchten – doch modern ist daran wenig. Überwiegend geht es um die Industrialisierung und die damit einhergehende Angst vor Kulturverlust.

Als Leser bin ich ratlos zurückgeblieben. Was mir Eagleton sagen will: ich weiß es nicht. So gar nicht.

Sicher, ich bin mehr denn je mir bewusst, dass Kultur ein äußerst vielschichtiger Begriff ist, der kaum fassbar ist. Und ja, dass die Populärkultur zu kritisieren ist, inklusive der Anbindung an kapitalistische Kulturindustrie, ist nichts Neues. Aber was soll nun werden? Mehr Hochkultur will Eagleton nicht. Ein Verzicht auf Massenkultur ebenso wenig. Mehr Werte, ja. Mehr Gerechtigkeit. Vielleicht auch unbewusst im Sinne des „sozial Unbewussten“.

Mag sein, dass Eagletons Buch für Kulturwissenschaftler spannend zu lesen ist mit seiner Auseinandersetzung mit dem Kulturbegriff. Mich hat es nicht angesprochen.

Veröffentlicht am 03.01.2018

Für junge Leser geschrieben

Ikarus fliegt
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„Ikarus fliegt“ von Sally Christie hat eine große Stärke: es ist für 12-Jährige aus der Sicht eines Zwölfjährigen erzählt. Keine abgehobene Erwachsenenperspektive prägt das Buch. Alex, die Hauptfigur, ...

„Ikarus fliegt“ von Sally Christie hat eine große Stärke: es ist für 12-Jährige aus der Sicht eines Zwölfjährigen erzählt. Keine abgehobene Erwachsenenperspektive prägt das Buch. Alex, die Hauptfigur, schildert seine Sicht der Dinge, und dazu gehört auch, dass er selten so richtig den Durchblick hat.

Während man am Anfang bei „Ikarus fliegt“ noch den Eindruck hat, es handle sich um eine typische Anti-Mobbing-Geschichte, weil Alex ständig darüber philosophiert, auf welche Art und Weise man nicht zum Opfer in der Klasse wird, entwickelt sich das Buch immer mehr zu einer Geschichte um Freundschaft und Mut. Denn ein Mitschüler aus Alex‘ Klasse verteilt heimlich Zettel, die sagen: Ein Junge wird fliegen, wie Ikarus. Und schnell wird klar: Alex‘ Strategie, möglichst nicht aufzufallen, kann bald nicht mehr funktionieren.

Überzeugend ist dabei vor allem die Darstellung, wie zaghaft Freundschaft entsteht. Denn Alex findet heraus, von wem der Zettel stammt und will bei dem Abenteuer Ikarus mitmachen und zwischen den beiden Jungen entsteht nach und nach eine zaghafte Freundschaft. Die Gefahr sieht Alex zunächst nicht.

Dass am Schluss des Buches noch aus einer zweiten Perspektive erzählt wird, um die Handlung zu einer guten Auflösung zu bringen, ist schade. So braucht es doch den deus ex machina, der in die Handlung eingreift. Dabei ist es gerade die Frage, ob der Flug des „Ikarus“ nun gut ausgeht, die für Spannung sorgt. Da bleibt es nicht aus, dass man als Leser ein wenig enttäuscht zurückbleibt.

Fazit: Ein Buch, das für junge Leser bis 12 spannend ist, älteren dürfte die Handlung zu konstruiert und die Charaktere nicht nah genug sein.

Veröffentlicht am 28.12.2017

Falsche Gottesvorstellungen

Lügen, die wir uns über Gott erzählen
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William Paul Young ist durch sein Buch „Die Hütte“ berühmt geworden. In seinem neuen Buch „Lügen, die wir uns über Gott erzählen“ geht er auf falsche Vorstellungen von Gott ein. Wer seinen Roman „Die Hütte“ ...

William Paul Young ist durch sein Buch „Die Hütte“ berühmt geworden. In seinem neuen Buch „Lügen, die wir uns über Gott erzählen“ geht er auf falsche Vorstellungen von Gott ein. Wer seinen Roman „Die Hütte“ gelesen hat, kennt einige davon bereits.

So ist das Buch vor allem für Leser interessant, die bereits „Die Hütte“ kennen. Denn Young geht immer wieder darauf ein, erklärt, wie das Buch entstanden ist, begründet seine Darstellungen. Zudem erfährt man einiges über Youngs Leben, unter anderem wie ihn seine Kindheit mit einem allzu strengen Vater geprägt hat.

Wer sich für diese Hintergründe nicht interessiert, dürfte mit Youngs Buch über weite Strecken nicht allzu viel anfangen. Für mich waren die 28 „Lügen“ über den Glauben, die Young auflistet, selbstverständlich Irrtümer, der Erkenntnisgewinn war daher eher gering. Die meisten Argumentationen Youngs basieren auf der Bestimmung des Menschen als Beziehungswesen, das Verhältnis zu Gott ein Beziehungsgeflecht. Der Mensch als sündiges Wesen, das sich von Gott trennt? Gott ein Christ? Für Young gehört das zum Glauben seiner Kindheit, den er überwunden hat. Mühsam überwunden hat. Wem eine Selbstverständlichkeit ist, kann Youngs Eifer – wie ich – wohl nicht nachvollziehen bei der Gegenrede.

Manches an Youngs Argumentationen ist für mich gelinde gesagt befremdlich. Wenn er das Wort „Christus“ als verspottende Bezeichnung für Christen darstellt, ohne dabei darauf einzugehen, dass damit der Messias, der Gesalbte, gemeint ist. Ebenso ist verstörend, dass Young behauptet, es gebe im Griechischen kein Wort für Prinzip und Priorität – weil er es in einem Lexikon nicht gefunden hat. Als ob es nicht die Tugend gebe und die Vorherrschaft…

Interessant sind Youngs Ausführungen, wo er sich als Querdenker erweist. So verteidigt er vehement an einigen Stellen, dass dem Menschen Freiheiten geschenkt sind, die Gott akzeptiert – Gott sei ein „fügsamer“ Gott, schreibt Young. Interessant, aber nicht ganz klar sind seine Ausführungen zum Zufall. So wendet er sich vehement gegen die Vorstellung, dass es einen Zufall gebe, wo alles von Gott geschaffen ist, spricht sich aber gleichermaßen gegen die Vorstellung der Vorherbestimmung. Interessant waren für mich auch die Ausführungen zu Jesu Kreuzigung. Zunächst geht Young da der Frage nach, ob Gott die Kreuzigung gewollt habe (seine Antwort: natürlich nicht!) und zum Tod, mit dem eben nicht alles aus sei, sondern ein „heilsamer Prozess“ beginne, der hin zu Gott, zur Liebe, führe. Und dort erst gebe es die Liebe ohne Leiden, in einer Welt ohne Tod. Interessant fand ich auch, wie stark Young verteidigt, dass Gott eben nicht nur den Christen, sondern der ganzen Welt das Heil bringe. Dies war Young so wichtig, dass er an den Schluss seines Buches eine ganze Beweiskette an Bibelzitaten dazu auflistet.

„Lügen, die wir uns über Gott erzählen“ hat für mich beim Lesen ganz unterschiedliche Seiten gezeigt: streckenweise sehr mühsam zu lesen, mit sich ähnlich wiederholenden Begründungsspiralen, streckenweise aber auch interessant zu lesen, mit Aussagen, die zum Nachdenken anregen.