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Veröffentlicht am 18.09.2021

Zu viele eigenständige Nebenhandlungen

Der längste Tag im Leben des Pedro Fernández García
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Moritz Rinkes Roman „Der längste Tag im Leben des Pedro Fernández García“ handelt von eben jenem Pedro, dessen Leben durch die Trennung von seiner Freundin gewaltig durcheinander gerät.

Pedro ist Postbote ...

Moritz Rinkes Roman „Der längste Tag im Leben des Pedro Fernández García“ handelt von eben jenem Pedro, dessen Leben durch die Trennung von seiner Freundin gewaltig durcheinander gerät.

Pedro ist Postbote auf Lanzarote. Weil niemand mehr Briefe geschweige denn Postkarten schreibt, ist das Leben Pedros sehr gemütlich. Auf seiner Post-Tour kann er mühelos einen längeren Stop im Café einplanen, bevor er mit dem Moped vor allem Werbesendungen austeilt.

Auch wenn seine Freundin ihn dazu drängt, einen anderen Beruf zu finden: Moritz hat sich in seinem Leben eingerichtet. Umso schmerzlicher trifft es ihn, dass seine Freundin ihn zusammen mit Sohn Miguel verlässt und nach Barcelona zieht. Während Pedro noch lethargisch jammert, drängen ihn seine Freunde immer mehr, um Miguel zu kämpfen.

Stringent wird diese Geschichte jedoch nicht erzählt. Ein Reigen anderer Geschichten ist eingeflochten, sodass man sich wundern muss, was alles plötzlich in den Vordergrund des Erzählers rückt. Die Vater-Sohn-Geschichte, die Beziehungs-Geschichte, die Künstler-Geschichte um den auf Lanzarote lebenden José Saramago, die Geschichten der Freunde, die Geschichte um die Verwebungen von Pedros Großvater mit den Nazis, die Geschichte des Flüchtlings Amado. Und natürlich darf auch Franco nicht fehlen.

Sicherlich: ohne all diese anderen Geschichten wäre Rinkes Roman ziemlich schnulzig dahergekommen, mit einem äußerst platten happy end. Als Gesellschafts- oder Familienroman taugt er aber nicht. Es ist zuallervörderst eine Beziehungsgeschichte. Alles andere beugt sich dem unter. Nur leider ist es doch zu viel, was hier noch ans Tageslicht dringt.

Vermisst habe ich an manchen Stellen eine ironische Brechung – immer wieder steht der Roman kurz davor schnulzig zu wirken, bevor es am Schluss dann wirklich wird. Da kann auch der Sprecher des Hörbuchs, Hans Löw, mit seiner sanften Stimme nichts mehr rausreißen.

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Veröffentlicht am 23.08.2021

Spannendes Thema, komplexe Erzähltechnik

Die vier Ohnmachten des Chaim Birkner
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In seinem Roman „Die vier Ohnmachten des Chaim Birkner“ fordert Omer Meir Wellber seine Leser stark heraus. Auf unterschiedlichen, ineinander verwobenen Erzählebenen wird das Leben des Chaim Birkner entfaltet.

Mit ...

In seinem Roman „Die vier Ohnmachten des Chaim Birkner“ fordert Omer Meir Wellber seine Leser stark heraus. Auf unterschiedlichen, ineinander verwobenen Erzählebenen wird das Leben des Chaim Birkner entfaltet.

Mit 108 Jahren ist Birkner der älteste Einwohner Israels. Und er ist so etwas wie ein Anti-Held. Er ist einer, auf den man – um es mit Bertolt Brecht zu sagen – nicht bauen kann. Unzuverlässig, unsicher, unbeständig: all das trifft auf Chaim Birkner zu. Er könnte sich ein Leben aufbauen, aber er nimmt eine andere Identität an; er könnte eine Beziehung aufbauen, verlässt aber das Kibbuz; er könnte…

Was den Leser stark herausfordert, sind die ineinander verwobenen Erzählebenen. Innerhalb eines Satzes kann plötzlich ein Zeitsprung auf ein anderes ähnlich gelagertes Ereignis erfolgen, kann plötzlich zu einer anderen Figur des Romans gewechselt werden. Von der Kindheit in Budapest zum Kibbuz in Israel und umgekehrt.

Der Roman beginnt in Budapest, 11 Jahre ist Chaim da alt. Er spielt mit seiner Freundin, kauft Kaugummi, während eingeschoben erzählt wird, wie Chaim zusammen mit seinem Vater zwei Tora-Rollen aus der Synagoge rettete. Die Schnitte zwischen den Ebenen können dabei ziemlich hart sein. Auf das ernste Gespräch der Eltern über die Zukunft folgt die Verabredung zum Spielen:

„Was wird in einer Woche sein? Das ist die Frage. Das Morgen ist zu ertragen, das Übermorgen auch, aber wie soll das alles enden?“
„Treffen wir uns dann am Baum?“, fragte ich Leon lässig, als wäre es mir nicht so wichtig.“

Wenn man so will, verweist diese Erzähltechnik auf das Leben aus der Erinnerung heraus. Umso erstaunlicher ist es, dass der 108-jährige Chaim Birkner eher spontan entscheidet, Israel wieder zu verlassen und mit 108 Jahren wieder nach Ungarn zu ziehen, zurück in das alte Haus, das nie verkauft werden konnte. Und so ist „Die vier Ohnmachten des Chaim Birkner“ auch so etwas wie eine Dystopie. Im Jahr 2038 ist das Israel, in das Chaim Birkner 1944 flüchtete, keine Heimat mehr für ihn.

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Veröffentlicht am 17.08.2021

Roman eines Lebens

Die ganze Welt ist eine große Geschichte, und wir spielen darin mit
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Michael Ende - Roman eines Lebens" - so nennt Charlotte Roth ihr Buch im Untertitel. Weder ist es eine Biografie noch eine Romanbiografie, vielmehr ist es der Versuch, den Menschen Michael Ende lebendig ...

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Michael Ende - Roman eines Lebens" - so nennt Charlotte Roth ihr Buch im Untertitel. Weder ist es eine Biografie noch eine Romanbiografie, vielmehr ist es der Versuch, den Menschen Michael Ende lebendig werden zu lassen. Der Mensch Michael Ende zeigt sich bei Roth vor allem im Umgang mit Menschen, in seinem Vertrauen zu Freunden, seinem Umgang mit Frauen und darin, was er unter Treue verstand. Was wahr ist, was erfunden ist. Roth gibt es nicht preis, wie sie in ihrem Nachwort schreibt. Der Roman will eine Fiktion sein. 

"Die ganze Welt ist eine große Geschichte und wir spielen darin mit" lautet der Titel von Charlotte Roths Romans, bei dem es sich um ein Zitat aus Michael Endes Buch "Momo" handelt. Dies zeigt sich vor allem am Anfang des Romans. Sehr ausführlich geht Charlotte Roth auf Kindheit und Jugend Endes in München ein. Vor allem dem Vater, Edgar Ende, ein surrealistischer Maler, wird sehr viel Raum eingeräumt. 

Hier verknüpft Charlotte Roth sehr geschickt Edgar Endes Art zu malen mit Michael Endes Art zu schreiben. wo der Vater im verschlossenen Zimmer wartet, bis die Bilder zu ihm kommen, wartet der Sohn auf die Geschichten, bis sie in ihm lebendig werden. Er kann nicht weiterschreiben, wenn die Figuren nicht zu ihm sprechen. Ein Schriftsteller sei wie ein Angler, heißt es im Text, er müsse geduldig sein und warten können. 

Dem, wie Michael Ende geschrieben hat, wird in dem Buch nicht viel Platz eingeräumt, wohl aber dem, wie er mit seinem Stoff umging, wenn er ihn erst einmal gefunden hatte. Auch den Enttäuschungen wird Raum gegeben: den vergeblichen Versuchen, sich als Schriftsteller (oder Schauspieler) in der Nachkriegszeit zu etablieren, dem schwieriger werdenden Verhältnis zum Vater und schließlich der Enttäuschung durch einen Freund, der zugleich Finanzverwalter seines Geldes war und nicht nur Endes Vermögen an der Börse verzockte, sondern Ende zugleich einen riesigen Schuldenberg von 7 Millionen D-Mark verursacht hat. 

Allerdings: Beim Lesen von Charlotte Roths Roman bekommt man den Eindruck, dass es Michael Ende mehr Verdruss bereitete, dass die Verfilmung der "Unendlichen Geschichte" aus Sicht Endes ein Desaster war, als dass es er vom Millionär zum Hochverschuldeten wurde. 

Die Sprache des Buches kommt an manchen Stellen sehr opulent daher, wenn über Ingeborg Hoffmann, Endes spätere Ehefrau und rechte Hand, etwa gesagt wird, ihre "Augen waren Bojen, um die der Ozean hätte tosen können, ohne dass sie sich erschüttern ließen". Das Nachmittagslicht kann da schon mal "wie Honig vom Himmel tropfen". 

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Veröffentlicht am 01.08.2021

Raumfahrer

Raumfahrer
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„Raumfahrer“ heißt der neue Roman von Lukas Rietzschel. Es ist eine Geschichte mit doppeltem Boden: Auf der einen Seite die untergehende DDR, die Wendezeit, und auf der anderen eine Geschichte, die direkt ...

„Raumfahrer“ heißt der neue Roman von Lukas Rietzschel. Es ist eine Geschichte mit doppeltem Boden: Auf der einen Seite die untergehende DDR, die Wendezeit, und auf der anderen eine Geschichte, die direkt zu Zeiten der DDR spielt. Auf der einen Seite die Frage nach der Identität, nach dem Osten, auf der anderen Seite eine Stasi-Geschichte, verknüpft mit dem Künstler Georg Baselitz.

Mein Urteil sei vorweggenommen: So ganz wird Lukas Rietzschel keinem seiner Themen gerecht.

Zunächst begegnet uns in dem Roman Jan, ein junger Pfleger, in Kamenz aufgewachsen, der mit ansehen muss, wie immer mehr Abteilungen seines Krankenhauses geschlossen werden. Von einem Patienten erhält Jan eines Tages einen Schuhkarton mit Dokumenten.

Dann gibt es da noch den Vater eben jenes Patienten, Günter Kern, Fahrlehrer. Von ihm und seinem berühmteren Bruder, dem Maler Georg Baselitz, handeln die Dokumente, die Jan eher widerwillig unter die Lupe nimmt – bis er nach und nach herausfindet, was sie mit ihm zu tun haben. Der Leser erfährt es erst auf den letzten Seiten des Buches.

„Raumfahrer“ ist ein sehr konstruierter Roman, zu dessen Schwäche es gehört, dass Themen, die zeitweise im Fokus stehen, plötzlich zu Nebenschauplätzen werden. Während am Anfang der Neuanfang nach dem Untergang der DDR im Zentrum steht, folgt bald schon die Ablösung durch eine Vater-Sohn- und eine (tatsächlich sehr spannende) Stasi-Geschichte. Eingewoben ist zudem der Blick auf Baselitz‘ Bilder, die „zerstückelten“ Personen wie auch die unnatürlich wirkenden Helden.

Wer nun glaubt, etwas über den Maler Georg Baselitz zu erfahren, wird enttäuscht. Er ist eine Randfigur, mehr nicht. Letztlich aber, so sehr es auch schmerzt, kann man das über alle Figuren des Buches sagen. Sie sind Raumfahrer, abgekapselt von ihrer Umwelt, mit sich selbst beschäftigt.

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Veröffentlicht am 01.05.2021

Hat mich nicht überzeugt

Erzähl mir was Schönes
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Lioba Werrelmanns Buch „Erzähl mir was Schönes“ stellt zwei ganz unterschiedliche Frauen gegenüber: Isabelle, die Forsche ist konservativ und reich – Julia, die Linke, ist dagegen zurückhaltend und arm. ...

Lioba Werrelmanns Buch „Erzähl mir was Schönes“ stellt zwei ganz unterschiedliche Frauen gegenüber: Isabelle, die Forsche ist konservativ und reich – Julia, die Linke, ist dagegen zurückhaltend und arm. Beide verbindet seit ihrer Studienzeit eine Freundschaft. Eine beständige Freundschaft, die auf ihre Art zumindest in den ersten Jahren innig ist. An anderen Stellen fragt man sich dagegen, was die beiden Freudinnen überhaupt noch zusammenhält.

Die zwei ganz und gar unterschiedlichen Freundinnen bescheren dem Leser freilich Dialoge, die einem die Haare zu Berge stehen lassen:

„Aber Isabelle“, ruft Julia aus, „die Todesstrafe ist zutiefst unmenschlich! Niemand hat das Recht, jemand anders zu töten!“
„Aber klar doch, selbstverständlich! Wenn einer einen anderen Menschen umbringt, hat er das Recht zu leben verwirkt.“
„Nein!“, beharrt Julia. „Das Recht auf Leben ist universell und immer gültig! Und die Todesstrafe ist grausam.“

Später heißt es dann:

Sie fragt Isabelle nicht, ob sie mitkommt zur Demo gegen den Paragrafen 218. Isabelle findet den Paragrafen 218 nämlich ganz prima.

Ganz prima? Die allzu plump präsentierten Argumente (wenn man sie überhaupt so nennen will) kann man noch den Figuren des Buches in die Schuhe schieben, nicht aber die allzu plumpe Darstellung des Dialogs.

So sehr man sich bei der nüchternen Sprache der Autorin über Metaphern freut: auch diese wirken manchmal sehr gewollt, manchmal sehr, sehr schräg. Das Herz schlägt Julia „bis zum Halse heraus„, Isabelle wird herausgeholt „aus dem grauen Schlauch„. Allzu nüchtern dagegen können die Landschaftsbeschreibungen sein: „Dieselbe Straße. Eng. So viele Kurven. Wiesen, Kühe, noch mehr Wiesen. Am Horizont die Berge. Plötzlich Dunkel. Der Wald.“

Vielleicht auch, weil mir die Sprache des Buches so gar nicht zugesagt hat, sind mir die Figuren beim Lesen fremd geblieben. Da half auch nicht, dass die Handlung immer wieder durch Rückblenden ganz geschickt unterbrochen ist.

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