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Veröffentlicht am 31.01.2021

Traumastudie mit Krimi-Elementen

Die treue Freundin
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Die Geschichte zeigt wie sehr das Unterbewusstsein unsere Handlungen bestimmt und Verdrängtes an die Oberfläche befördern will. Daraus entwickelt Lisa Unger einen Krimi um das Leben nach dem Trauma.

Im ...

Die Geschichte zeigt wie sehr das Unterbewusstsein unsere Handlungen bestimmt und Verdrängtes an die Oberfläche befördern will. Daraus entwickelt Lisa Unger einen Krimi um das Leben nach dem Trauma.

Im Mittelpunkt steht Rain, eine Journalistin, die mit der Geburt ihrer Tochter ihren Beruf an den Nagel gehängt hat. Vor allem die Versorgung ihrer kleinen Tochter bestimmt Rains Alltag und sorgt dafür, dass sie sich ständig mit dem Konflikt der perfekten Mutterrolle und der Sehnsucht, wieder beruflich erfolgreich sein zu wollen, auseinandersetzt. Als ihre Freundin und frühere Arbeitskollegin im Radio von einem Mord berichtet, dessen Opfer als Täter freigesprochen wurde, drängt es Rain zur Recherche und damit in die Konfrontation mit ihrer eigenen Vergangenheit. Auch die nach außen perfekte Ehe offenbart plötzlich Risse. Rains Konflikte scheinen in ihrem Kopf ständig präsent.

Parallel zu Rains Alltag erzählt Rains Kindheitsfreund Hank in der Ich-Perspektive vom gemeinsamen Trauma und seinem Leben als Psychiater. Die Autorin legt viel wert darauf, psychologische Ausnahmezustände in der Innensicht zu zeigen und diese in der psychiatrischen Diagnostik einzuordnen. Eine weitere Ich-Perspektive gibt Rätsel auf.

Mit dem Wechselspiel der Perspektiven baut die Autorin Spannung auf, die sie immer wieder mit familiären Alltagsszenen bricht. Von Szene zu Szene verändert sich das Bild von Rains Leben und ihrer Vergangenheit. Lange steht das Erlebte im Fokus, und es bleibt unklar, worin die Verbindung zum aktuellen Mord besteht. Gegen Ende überschlagen sich dann die Ereignisse.

Die Aufklärung ist zum Großteil schlüssig, wenn auch die psychologischen Erklärungen für meinen Geschmack überstrapaziert werden. Die Erzählung der wenig abwechslungsreichen Alltagsszenen wirken erst überflüssig und nehmen die Spannung, bis sich die Funktion dem Leser erschließt.

Fazit: Wer einen Psychothriller erwartet, wie der Verlag verspricht, wird leider enttäuscht. Das Buch erzählt von Auswirkungen schwerer kindlicher Traumata und verwebt dieses mit Krimielementen. Leider kommt der Thrill erst im letzten Drittel auf.

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Veröffentlicht am 12.01.2021

Leichte Romanze im Ikea-Style

Liebe mit Zimt und Schweden
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Die 29jährige Rena genießt noch alle Wohltaten des elterlichen Zuhauses. Als eines Tages der Brief eines Nachlassverwalter, die Erbschaft einer Villa in Schweden von ihrem unbekannten Vaters verspricht, ...

Die 29jährige Rena genießt noch alle Wohltaten des elterlichen Zuhauses. Als eines Tages der Brief eines Nachlassverwalter, die Erbschaft einer Villa in Schweden von ihrem unbekannten Vaters verspricht, muss sie mit etwas Druck überredet werden, sich auf den Weg zu machen.

Der Nachlass ist leider in einem desolaten Zustand, doch Rena nimmt allen Mut zusammen und stellt sich der Herausforderung. Schnell findet sich Unterstützung von dem netten Arvid. Doch als der grantige Nachbar versucht Renas Pläne scheitern zu lassen und zu allem Übel ihre Eltern mit ihrem Ex-Freund auftauchen, scheint sich der schwedischen Traum in Luft aufzulösen.

Mir gefällt der lockere Erzählton. Die Geschichte lebt von der Schönheit der schwedischen Natur und der Naivität der Protagonistin. Ihre Versuche, sich aus der bequemen elterlichen Vormundschaft zu lösen, entbehren nicht einer gewissen Komik. Manches Mal scheinen ihre Reaktionen jedoch zu pubertär für eine 29-Jährige sowie ihre Bereitschaft, allem und jedem Glauben zu schenken, anstatt manches kritisch zu hinterfragen. Die Charaktere allen voran Renas Mutter und ihr Exfreund werden sehr überzogen dargestellt, dadurch wirkt manche Szene überdreht.

Es reihen sich einige unglückliche und peinliche Situationen aneinander und stellen sich dem Happyend in den Weg. Gott sei Dank taucht der verträgliche und handwerklich begabte Arvid immer zur rechten Zeit auf, und kann das Schlimmste verhindern.

Fazit: Seichte Unterhaltung mit schwedischem Flair und zu erwartendem Happyend

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Veröffentlicht am 10.01.2021

Mikroskopischer Blick auf dörfische Strukturen

Unterleuten
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Nach außen scheint das Dorf ruhig und beschaulich, doch die Dorfgemeinschaft wurde durch ihre Geschichte und Politik bereits vor langer Zeit in Bewegung gesetzt, zieht Strippen, streitet offen und hinter ...

Nach außen scheint das Dorf ruhig und beschaulich, doch die Dorfgemeinschaft wurde durch ihre Geschichte und Politik bereits vor langer Zeit in Bewegung gesetzt, zieht Strippen, streitet offen und hinter verschlossenen Türen, besinnt sich auf alte Banden, knüpft neue Kontakte, manipuliert, sabotiert und prügelt wüst aufeinander ein – alles unter dem Deckmäntelchen, das Beste für das Dorf erreichen zu wollen. Mitten drin ein paar Zugezogenen mit ihren ganz eigenen Problemen und Zielen und dem Gefühl, den Punkt erreicht zu haben, an dem man im Dorf endlich mitmischen kann.

Nach gut 150 Seiten zündet die Autorin eine Lunte, die ganz nach ihrem Plan abbrennt. Die Planung der Landesregierung, eine Windkraftanlage in Unterleuten zu platzieren. teilt das Dorf in Gegner und Befürworter. Die teils jahrzehntelangen schwelenden Konflikte beginnen wieder aufzulodern und steigern sich zu einem martialischem Flächenbrand.

Das Buch lebt von dem Blick hinter die Kulissen, es seziert die Beziehungen bis tief in die Vergangenheit und räumt jedem Protagonisten viel Raum und Zeit zum Denken und Fühlen vor dem eigentlichen Handeln ein. Ein Buch, das mich auf der einen Seite fasziniert, auf der anderen unbeteiligt lässt.

Seite um Seite werden die Dorfbewohner entblättert und ihr Inneres vor dem Leser ausgebreitet. Dies entbehrt nicht einer gewissen Spannung, gleichzeitig benötigt man auch Geduld und Konzentration. Es zieht sich, bis ich die Vielzahl der Protagonisten erst einmal kennengelernt, ihren Tag- und Nachtträumen beigewohnt habe und den sich im Alltag spiegelnden Abgründe gewahr geworden bin.

Leider gelingt es der Autorin nicht, mich emotional zu beteiligen. Mir fehlen Identifikationsfiguren, es scheint nur Macher oder Opfer zu geben und jede Entwicklung in diesem Spektrum wandelt sich zu einem Extrem. Weder Dörfler noch Zugezogenen bieten mir einen Platz an, an dem ich mich einrichten möchte.

Ich fühle mich wie ein unbeteiligter Zaungast bei einem Faustkampf, dessen Choreographie einem Plan folgt. Die Anfeuerungsrufen und wüsten Beschimpfungen der Umstehenden gellen in meinen Ohren, aber der Ausgang bleibt mir völlig egal.

Die Technik der Autorin, jede Szene unter einem Vergrößerungsglas zu betrachten, ist auf der einen Seite interessant und ungewöhnlich - auf Dauer aber auch anstrengend und langatmig. Ich fühle mich durch die detaillierte und Zeit verzögerten Beobachtungen gezwungen, die Bahn jedes einzelnen Schweißtropfens oder Speichelfadens dieses Kampfes zu verfolgen. Manches Mal hätte ich mir weniger Details, weniger Verknüpfungen und weniger innere Landkarten gewünscht und dafür mehr Handlung und mehr Freiraum eigene Gedanken spinnen zu dürfen.

Fazit: Die Geschichte folgt einem genialem Plan, der nichts dem Zufall überlässt, aber auch leider kaum Platz für emotionale Beteiligung lässt. Jeder Gedanke wird mir abgenommen, weil die Autorin bereits festgelegt hat, was ich zu denken habe.

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Veröffentlicht am 03.01.2021

Spannendes Setting, blasse Nebencharaktere

Zusammen wie Schwestern
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Eins der Jugendbücher, die mit einem spannenden Setting und gutem Plot unterhalten, deren Charaktere aber nicht über die genügende Tiefe verfügen.

Die Geschichte wird aus Brits Sicht erzählt und mit ihr ...

Eins der Jugendbücher, die mit einem spannenden Setting und gutem Plot unterhalten, deren Charaktere aber nicht über die genügende Tiefe verfügen.

Die Geschichte wird aus Brits Sicht erzählt und mit ihr zusammen lernt man das Bootcamp für „trotzige Mädchen“ kennen. Hier wird mit psychischen und physischen Druck die Mädchen wieder auf die Spur zu bringen, so wie sie von der Familie und der Gesellschaft gewünscht werden. Mich überraschte, dass es bei der Anzahl von Mädchen mit psychischen Problemen oder traumatischen Erlebnissen nicht viel mehr Ausfällen und Unglücksfällen gegeben hat. Aber dies liegt vielleicht daran, dass die Geschichte sich hauptsächlich auf Brit und ihre vier Wegbegleiterinnen konzentriert.

Leider bleiben auch V, Bebe, Martha und Cassie in dem Buch sehr blass. Ich hatte lange Zeit Probleme sie auseinander zu halten Jede von Ihnen steht für ein vermeintlich psychisches Grundproblem (wie Übergewicht, Homosexualität, Vernachlässigung und Angstörung), darüber hinaus erlangen sie keine Tiefe oder Schattierungen und wenig Aussicht auf die Überwindung ihrer Probleme.

Stück für Stück erfährt man mehr von Brits Vergangenheit und warum sie im Camp gelandet ist. Sie scheint die meiste Zeit als völlig gesund in ihren Gedanken und Taten. Und so erscheinen die Gründe, warum ihr Vater sie im Camp abgeliefert hat, bis zum Schluss als zu schwach. Es wundert mich generell, wie viel Vertrauen Eltern in die unbekannte Einrichtung setzen, ohne sich persönlich ein Bild zu machen, wie es den Mädchen geht und ohne vor Ort sich andere Hilfe gesucht zu habe. Mag sein, dass dies in Amerika üblich ist, mir erschien es wenig unglaubhaft, dass sich so viele Eltern so verantwortungslos verhalten.

Ab der Mitte mausert die Geschichte sich aber zu einer spannenden Coming-of-Age Erzählung mit einem guten Spanungsbogen und effektiver Suspense.

Fazit: Das Buch hat gut unterhalten, wenn ich mir auch mehr Tiefe gewünscht hätte.

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Veröffentlicht am 02.01.2021

Erschütternd

Die Farbe von Milch
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Mary lebt 1830 auf dem Hof ihres Vaters als jüngste von drei Schwestern. Ihr herrischer Vater führt die Familie mit harter Hand und schickt Mary mit 15 in die Dienste des Pfarrers. In ihrer einfachen Sprache ...

Mary lebt 1830 auf dem Hof ihres Vaters als jüngste von drei Schwestern. Ihr herrischer Vater führt die Familie mit harter Hand und schickt Mary mit 15 in die Dienste des Pfarrers. In ihrer einfachen Sprache schildert Mary die Geschehnisse in diesem Jahr, die ihr Leben so radikal veränderten.

Wie rückblickende Tagebucheinträge erscheinen die einzelnen Kapitel. Anfänglich hatte ich etwas Mühe mich an die Erzählweise wie u.a. die indirekte Rede zu gewöhnen. Gleichzeitig macht es die Geschichte so authentisch, als läse man ein Zeitzeugnis. Stück für Stück lerne ich Marys Alltag kennen, ihren Freigeist und ihre unverblümte Ausdrucksweise lieben.

Die Rolle der Frau in der patriarchalen Gesellschaft, die harte Arbeit, die das Überleben sichert, und die ermüdenden Wiederholungen, die der Alltag fordert, zeichnen ein erdrückendes Bild vom entbehrungsreichen Leben der jungen Frau.

Die rückblickende Erzählung zieht die Schlinge immer enger um Marys Hals. Sie bleibt sich unbeirrbar treu, egal welche Bürden ihr das Schicksal auferlegt. Am Ende bleibe ich tief berührt zurück und bin stolz auf diese junge Frau, die sich nicht beugen lässt.

Fazit: Eine Geschichte, die gehört werden soll. Absolute Leseempfehlung. Triggerwarnung!

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