Profilbild von gaensebluemche

gaensebluemche

Lesejury Star
offline

gaensebluemche ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit gaensebluemche über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.11.2019

Außergewöhnlich!

Ende
0

„Ende“ ist ein ganz besonderes und spezielles Buch. Eines, das seine Leser gefangen nimmt und sie atemlos zurücklässt. Eines, das Raum braucht, um sich zu entfalten. Das Zeit fordert, um verarbeitet zu ...

„Ende“ ist ein ganz besonderes und spezielles Buch. Eines, das seine Leser gefangen nimmt und sie atemlos zurücklässt. Eines, das Raum braucht, um sich zu entfalten. Das Zeit fordert, um verarbeitet zu werden.

Dabei fängt es ganz harmlos und ruhig an. David Monteagudo nimmt sich viel Zeit, um dem Leser die Hauptcharaktere des Romans vorzustellen. Oder vielmehr: Er überlässt seinen Charakteren die Vorstellung selbst. Aus Dialogen, die sie miteinander führen, lässt sich heraushören, wer von ihnen aufbrausend ist, wer besänftigend. Wer ruhig und gelassen bleibt oder schnell in Panik verfällt. Monteagudo beschreibt die Figuren nicht – die Figuren beschreiben sich selbst. Aus ihren Worten lässt sich so manche Schlussfolgerung über ihren Charakter ziehen. Diese Art und Weise der Personenbeschreibung ist ganz besonders und speziell. Einige Charaktere fallen sehr negativ auf, andere wirken ansatzweise sympathisch.

Die vier Männer und fünf Frauen sind Freunde seit Kindesbeinen an, die mit dem Laufe der Jahre aber den Kontakt zueinander verloren haben. Die sich aufgrund eines alten Versprechens nach fünfundzwanzig Jahren erneut wiedertreffen. An einem Ort, den sie schon einmal aufgesucht haben. Eine Herberge in der Nähe einer Burg, in der Nähe einer Schlucht. Es soll ein Wiedersehen alter Freunde werden, doch es wird ein Wiedersehen von Fremden, die sich nicht mehr wiedererkennen und die nicht in der Lage sind, die Freundschaft von damals wieder aufleben zu lassen. Stattdessen steigern sich die Männer in Machtdemonstrationen hinein, versuchen, sich ins rechte Licht zu rücken und sich gegenseitig zu übertrumpfen. Die Frauen stehen hilflos daneben, halten aber immerhin zusammen.

In diesen ersten 100 Seiten setzt sich der Roman vor allem aus Dialogen zusammen. Lediglich die Handlungsumgebung beschreibt der Autor in wenigen Zeilen. Besonders bei den Gesprächen ist, dass der Autor Zusätze wie „sagte er“ oder „fragte sie“ einfach weglässt und stattdessen jeweils mit einer neuen Zeile einen Wechsel des Sprechers verdeutlicht.

Diese ersten 100 Seiten verlaufen sehr ruhig, abgesehen von den Differenzen zwischen den Charakteren. Doch mit jeder Seite, die umgeblättert wird, steigert sich das Buch, steigert sich vor allem die Spannung. Es liegen 250 aufregende Seiten vor dem Leser.

Ganz plötzlich verschwindet einer der Charaktere. Spurlos. Grundlos. Doch damit nicht genug: Die ganze Welt scheint sich schlagartig verändert zu haben. Der Himmel nimmt eine eigenartige Färbung an, der Strom fällt aus, Handys und Uhren funktionieren nicht mehr, Wasser hört auf zu fließen. Die alten Freunde begeben sich auf die Suche nach dem Verschwundenen und treffen dabei auf keine andere Menschenseele. Die Städte und Dörfer in der näheren Umgebung scheinen menschenleer zu sein. Autos blockieren führerlos die Straßen, die Häuser sind leer. Dafür spielen die Tiere völlig verrückt.

Was nun folgt, erinnert sehr stark an ein Kinderlied mit dem Titel „Zehn kleine Negerlein“ und wird besonders dramatisch dadurch, dass in den Kapitelüberschriften immer ein weiterer Charakter fehlt. Sie lösen sich einfach in Luft auf, verschwinden binnen eines Augenblicks aus der Landschaft. Für jeden Charakter hat sich der Autor einen besonderen Moment bzw. eine eigene Art und Weise des Verschwindens ausgesucht.

War das Buch anfangs noch ruhig, nimmt es nun sehr beängstigende und spannende Züge an. Als Leser steht man den Entwicklungen genau wie die Figuren machtlos gegenüber. Man kann lediglich mit ansehen, wie sich die Zahl der Freunde immer weiter dezimiert. Das Buch wirkt bedrückend, unfassbar, furchteinflößend. Dem Autor gelingt es hervorragend, den Leser im Dunkeln zu lassen und ihn gleichzeitig eng an das Buch zu fesseln. Es ist nun nicht mehr möglich, das Buch zur Seite zu legen. Stattdessen verfolgt man atemlos das weitere Geschehen und kommt erst mit dem letzten Satz wieder zum Atemholen. Bis dahin bleibt die Gänsehaut, die sich erst nach und nach wieder legt.

Das Ende (im wahrsten Sinne des Wortes) könnte nicht besser sein. Doch es bietet Diskussionsstoff. Daher meine Bitte an euch: Lest ganz schnell dieses Buch!

Mein Fazit:

Ein außergewöhnliches Buch, das den Leser atemlos zurücklässt. Bitte lesen!

Veröffentlicht am 17.11.2019

Ein typischer King: faszinierend, fesselnd, begeisternd!

Der Anschlag
0

Wer bislang einen Bogen um Kings Romane gemacht hat, aus Angst, darin schrecklichen Monstern und Ungeheuern zu begegnen, der darf sich getrost an "Der Anschlag" heranwagen. Denn hier gibt es nur sehr, ...

Wer bislang einen Bogen um Kings Romane gemacht hat, aus Angst, darin schrecklichen Monstern und Ungeheuern zu begegnen, der darf sich getrost an "Der Anschlag" heranwagen. Denn hier gibt es nur sehr, sehr wenige Horror-Elemente. Auch der Fantasy-Anteil ist zwar bedeutsam, aber gering. Als Leser muss man sich lediglich darauf einlassen können, dass Zeitreisen tatsächlich möglich sind. Ansonsten ist "Der Anschlag" eher eine Charakter- und Milieustudie. Zwar begegnet der Leser durchaus auch Monstern, diese sind aber durchweg menschlicher Natur.

"Der Anschlag" wurde sehnsüchtig erwartet und schafft es, komplett zu überzeugen und die in ihn gesetzten Erwartungen zu erfüllen. Schon mit dem kurzen Prolog schafft es King, seine ganz eigene und besondere Atmosphäre aufzubauen und diese durchweg mit Spannung zu füllen. Kings Romane haben einfach etwas Besonderes an sich, das sich nur schwer in Worte fassen lässt, das aber einfach und schnell gefangen nimmt und begeistert.

Vielleicht liegt es an den Charakteren, mit denen sich King so viel Mühe gibt. Für die er sich so viel Zeit nimmt und deren Entwicklung auch bei "Der Anschlag" im Vordergrund steht. Jake ist ein Charakter, mit dem man sofort mitfühlt und vor allem mitlebt. Er wirkt auf Anhieb sympathisch und überzeugend und es macht Spaß, sich mit ihm zusammen auf die Handlung einzulassen. Auch Al, der ein kleines bisschen Überzeugungsarbeit leisten muss, um Jake von seinem "Projekt" zu überzeugen, gewinnt auf Anhieb die Sympathien des Lesers. Und das lässt sich einfach über jeden der "Guten" sagen - dabei ähneln sie sich aber nicht wie ein Ei dem Anderen. King schafft es stattdessen, für jede Figur besondere Eigenheiten und Charaktereigenschaften herauszuarbeiten, die sie von den anderen unterscheiden und einzigartig machen. Für die "Bösen" gilt dies natürlich auch. Allerdings fällt es hier wesentlich schwerer, Sympathien zu entwickeln. Aber auch diese Figuren sind überzeugend mit dem gewissen Etwas gezeichnet.

Vielleicht liegt das Besondere an Kings Romanen aber auch in dessen jeweiliger Handlung, die auch in "Der Anschlag" wieder sehr besonders ist. Schon allein die Idee zu diesem Buch ist einzigartig und die Umsetzung ebenso. Die Handlung ist fesselnd ohne durchweg spannend zu sein. Aber schon allein das Verhalten der Charaktere zu verfolgen, macht Spaß und begeistert. Was natürlich nicht zuletzt an den überzeugenden Charakteren selbst liegt. Dazu lässt es King sich nicht nehmen, überraschende Wendungen einzubauen, die begeistern, aber auch erschrecken können. Viele dieser Szenen lösen diesen "Wow"-Gedanken aus, der sich nur bei besonders unfassbaren Entwicklungen einstellt.

Das Buch besteht aus einem großen Haupterzählstrang, der sich an einigen Stellen verzweigt, Umwege nimmt oder noch einmal von vorn beginnt. Auch dies ist etwas Besonderes an diesem Roman. Er verläuft nicht geradlinig und konzentriert sich nicht nur auf einen Personenkreis. Stattdessen werden für kurze Zeit neue Charaktere eingeführt, die der Handlung Umfang und Anschaulichkeit verleihen und sie vorantreiben. Im Verlauf des Romans werden viele Andeutungen gemacht, aus denen sich zunächst nicht viel entnehmen lässt und die nicht dazu beitragen Erklärungen zu bieten. Am Ende des Romans findet sich jedoch auf jede offene Frage eine Antwort. Das Buch ist durchweg logisch konstruiert und ergibt ein nachvollziehbares und verständliches Bild.

Insgesamt ist die Handlung sehr abwechslungsreich und vereint verschiedene Genres. Es finden sich Krimielemente, Szenen, wie sie in einem Liebesroman nicht schöner hätten geschrieben werden können oder Szenen aus einem Agentenroman. Manchem Leser mögen manche Genres lieber sein als andere, dementsprechend mag man manche Handlungsteile lieber lesen als andere.

Nicht jeder Leser dieses Romans hat die 60er Jahre selbst erlebt. Aber King schafft es problemlos, seine Leser in diese Zeit einzuführen und insbesondere das besondere Lebensgefühl der 60er lebendig werden zu lassen. Es sind viele kleine Details, für die King einen untrüglichen Blick hat und die ein farbenprächtiges und faszinierendes Bild ergeben. Das fängt bei den Autos an und hört bei der Bekleidung und Ausdrucksweise der Figuren auf. Es fällt nicht schwer, sich in der Vergangenheit wohlzufühlen, wenn man dabei von einem großartigen Erzähler und liebevollen Charakteren begleitet wird.

Treue King-Leser wird es freuen, in das altbekannte Derry zu reisen und dabei auf alte Bekannte zu treffen. Diese hat King nicht nur deshalb in seine Handlung eingebaut, um den Leser zu erfreuen. Stattdessen spielen die beiden Charaktere für das Voranschreiten der Handlunge eine besondere Rolle. Aber lest selbst.

Mein Fazit:

Ein typischer King: faszinierend, fesselnd, begeisternd!

Veröffentlicht am 17.11.2019

So wundervoll!

Das Haus zur besonderen Verwendung
0

Es gibt Bücher, die aus mir als Langschläferin eine Frühaufsteherin machen. Die mich guten Gewissens vom Lernen abhalten, die mich alles um mich herum vergessen machen. So ein Buch ist "Das Haus zur besonderen ...

Es gibt Bücher, die aus mir als Langschläferin eine Frühaufsteherin machen. Die mich guten Gewissens vom Lernen abhalten, die mich alles um mich herum vergessen machen. So ein Buch ist "Das Haus zur besonderen Verwendung".

Schon von der ersten Seite an war ich völlig eingenommen von dem wunderbaren Stil des Autors. John Boyne versteht es, mit Wörtern ein Kunstwerk zu erschaffen. Jedes Wort ist wohlgewählt, passt zu seinen Vorgängern und Nachfolgern. Dabei schafft der Autor eine Atmosphäre, die gefangennimmt und nicht mehr loslässt. Ich habe jede Leseunterbrechung verflucht, denn dieses Buch übt einen Sog aus, dem ich nicht widerstehen konnte.

Dabei ist der Stil des Autors eher nüchtern und sachlich. Aber er schafft es, beim Leser dafür umso mehr Emotionen zu verursachen. Ich habe mit den Charakteren des Buches gelebt und mich dabei wie ein Teil von ihnen gefühlt. Ich wollte ihnen nicht mehr von der Seite weichen, ihnen ein Freund sein und mehr von ihrem Leben erfahren. Georgi und Anastasia, der Zar und der Zarewitsch, Georgis Schwester Asja: Sie alle waren mir sofort sympathisch. Aber es gibt in diesem Buch auch Charaktere, die mir überhaupt nicht sympathisch waren. Insgesamt wirkten sie jedoch alle authentisch, wurden dem Leser umfassend beschrieben, sodass sie vor meinem inneren Auge Gestalt annehmen konnten. John Boyne verwendet viel Mühe darauf, den Lebensweg seiner Charaktere umfassend zu zeichnen: Freunde, Beruf, Eheleben, alles beschreibt er ebenso genau wie die Orte, an denen die Handlung spielt: Russland, Paris, England.

Der Aufbau des Buches hat mich ebenfalls sehr fasziniert. Zwei Handlungsstränge laufen aufeinander zu und treffen sich in der Mitte. Ich habe noch kein Buch gelesen, bei dem die Erzählweise ähnlich ist, und sie hat mich sofort fasziniert. Dazu ist die Handlung des Romans sehr packend und ergreifend. Ich habe ein Wechselbad der Gefühle erlebt, denn zusammen mit dem Ich-Erzähler Georgi durchläuft der Leser Momente des Glücks, der Trauer, des Hasses, der Liebe. John Boyne schafft es, eine Geschichtsstunde abzuhalten, die kurzweilig und dabei doch interessant und lehrhaft ist. Auch Leser ohne Hintergrundwissen werden gut in die Geschichte Russlands eingeführt. Mir hat es große Freude bereitet, von John Boyne auf eine lebhafte und spannende Weise unterrichtet zu werden.

Veröffentlicht am 17.11.2019

Ihr erster Thriller für Erwachsene

Fünf
0

„Fünf“ richtet sich, im Gegensatz zu den Vorgängerromanen von Ursula Poznanski an ein erwachsenes Publikum. Während „Erebos“ und „Saeculum“ als Jugendthriller natürlich auch von Erwachsenen gelesen werden ...

„Fünf“ richtet sich, im Gegensatz zu den Vorgängerromanen von Ursula Poznanski an ein erwachsenes Publikum. Während „Erebos“ und „Saeculum“ als Jugendthriller natürlich auch von Erwachsenen gelesen werden können, empfiehlt es sich im Umkehrschluss nicht, „Fünf“ auch jugendlichen Lesern ans Herz zu legen. Denn „Fünf“ ist zum großen Teil ein erschreckendes Buch mit grausamen Szenen, die sich durch die bildhaften Beschreibungen der Autorin vor dem geistigen Auge des Lesers zu einem wahren Horrorfilm entwickeln können. Organe werden in Plastikbehältnissen versteckt und der Täter spielt mit den Ermittlern ein perfides Katz-und-Maus-Spiel, bei dem sie wie auf einer Schatzsuche Hinweisen hinterherjagen, die ihnen der Täter hinterlässt. Die Idee, aus dem unterhaltsamen Zeitvertreib des Geocachings Ernst werden zu lassen ist so neu wie genial. Zusammen mit den Ermittlern begibt sich der Leser in Wälder, in Höhlen, in Bachläufe, um nach Leichenteilen zu suchen. Nur um zu erkennen, dass der Täter wieder einen Schritt voraus ist und die Ermittler voll im Griff hat.

Mit der Kommissarin Beatrice Kaspary ist der Autorin eine sehr authentische Figur gelungen. Beatrice ist eine toughe Frau, die sagt, was sie denkt. Und doch ist sie keine Superheldin. Stattdessen hat sie Ecken und Kanten und liebenswerte Schwächen, die sie glaubhaft machen. Obwohl Beatrice meist überlegt vorgeht, kommt es auch zu Handlungen aus dem Bauch heraus. Für daraus resultierende Fehler steht sie gerade und hält ihren Kopf hin.

Der Leser lernt die Ermittlerin nicht nur von ihrer beruflichen Seite kennen. Auch ihr Privatleben wird beleuchtet und spielt für den Verlauf der Handlung eine wesentliche Rolle. Dadurch wird Beatrice umfassend beschrieben und charakterisiert und als Leser fällt es nicht schwer, sich in sie hinein zu denken und zu fühlen. Dafür sorgt auch der Humor der Figur, der an passenden Stellen für Schmunzler sorgt.

Gleichzeitig sorgt der Erzählstrang, der sich mit Beas Privatleben befasst, für Spannung. Denn der Täter, dem die Ermittler auf der Spur sind, tritt persönlich mit ihr in Verbindung. Es sind SMS, die meist nur aus einem oder zwei Wörtern oder Abkürzungen bestehen, die aber für Gänsehaut und eine bedrückende Stimmung sorgen. Die anderen Charaktere sind ebenfalls ausführlich und bildhaft gezeichnet. Einige von ihnen scheinen jedoch vor den Zweck zu erfüllen, Vorurteile über Ermittler und ihre Vorgesetzten zu bedienen.

Poznanski gibt sich viel Mühe damit, die Arbeit der Kommissare anschaulich und detailliert zu beschreiben. Dabei verliert sie sich stellenweise in den ausführlichen Beschreibungen, wodurch die Handlung ins Stocken gerät und man als Leser den Drang verspürt, die Kommissare anzufeuern und dazu zu animieren, die Ermittlungen wieder aufzunehmen bzw. in eine andere Richtung zu lenken.

Die Handlung ist durchweg konsequent und logisch konstruiert. Einige Hinweise, die die Autorin im Verlauf des Buches streut, sorgen dafür, dass man als Leser die Lösung praktisch schon vor Augen sieht, sie aber einfach nicht greifen kann. So geht es auch Bea, die letztlich dem Täter auf die Spur kommt, dessen Motiv zwar nicht verständlich, aber doch nachvollziehbar ist.

Mein Fazit:

Poznanskis erster Thriller für Erwachsene sorgt für Gänsehaut und schafft es größtenteils mühelos, den Leser zu fesseln.

Veröffentlicht am 17.11.2019

Spannung pur!

Weiße Krähe
0

„Weiße Krähe“ ist ein Gothic Thriller. Ohne die Besonderheiten dieses Genres genauer definieren zu wollen oder zu können, lässt sich auf jeden Fall sagen, dass dieses Buch mystisch, düster und unheimlich ...

„Weiße Krähe“ ist ein Gothic Thriller. Ohne die Besonderheiten dieses Genres genauer definieren zu wollen oder zu können, lässt sich auf jeden Fall sagen, dass dieses Buch mystisch, düster und unheimlich ist. Der Leser begleitet Rebecca und ihren Vater in den geheimnisvollen Ort Winterfold, der Stückchen für Stückchen vom Meer verschlungen wird und in dem vor zweihundert Jahren Schreckliches geschah. Die Bewohner dieses kleinen Küstenstädtchens haben nicht unbedingt etwas gegen Fremde, verhalten sich ihnen gegenüber aber auch nicht gerade freundlich und entgegenkommend, sondern eher misstrauisch und distanziert. Fragen werden nicht offenherzig beantwortet, argwöhnische Blicke werden ausgetauscht. Man spürt die Abneigung gegenüber Rebecca und ihrem Vater, die schon bald folgenreiche Taten nach sich ziehen wird.

Nicht nur die Bewohner von Winterfold sorgen für Befremdlichkeit und Mystik, sondern auch die Gebäude. Eine verfallene Kirche, ein verlassenes Herrenhaus und Andeutungen auf Ereignisse, die vor knapp zweihundert Jahren dort stattgefunden haben. Marcus Sedgwick legt sein Augenmerk sehr stark auf die Beschreibung der Gebäude, die vor dem geistigen Auge des Lesers neu entstehen.

Die Handlung verläuft sehr geradlinig und konzentriert sich nur auf die wirklich wichtigen Ereignisse, die dazu geeignet sind, die Handlung voranzutreiben. Der Autor baut nur Informationen ein, die für die Entwicklung der Geschichte wichtig sind. Nebensächlichkeiten oder Erzählstränge, die vermutlich die Handlung weiter ausbreiten könnten, aber nicht zu ihrer Entwicklung beitragen, werden weggelassen. So erfährt der Leser kaum etwas über das Leben von Rebecca, bevor sie nach Winterfold gekommen ist. Allein Adam, ihr Exfreund, wird immer wieder erwähnt. Das aber auch nur, weil er bzw. die Beziehung zwischen ihm und Rebecca für die Entwicklung der Handlung von Bedeutung ist. Dennoch ist die Handlung sehr detailreich. Der Autor hat sich viele Kleinigkeiten ausgedacht, die für ein mulmiges Gefühl beim Leser und für Spannung sorgen. Eine harmlose DVD oder eine nicht abgeschlossene Tür können leicht für Gänsehaut sorgen. Die Geschichte übt dadurch einen enormen Sog aus, der den Leser gefangen nimmt. Das Buch ist durchweg spannend, ohne dass ständig etwas Besonderes passiert. Es sind einfach Kleinigkeiten und vor allem viele unbeantwortete Fragen, die den Lesefluss aufrechterhalten und den Leser an die Geschichte fesseln.

Es fällt leicht, sich mit Rebecca anzufreunden. Sie ist ein sympathisches und aufgeschlossenes Mädchen. Ferelith ist dagegen nicht so leicht zu durchschauen. Die Kapitel, die aus ihrer Sicht geschrieben sind, geben ein wenig Aufschluss über ihre Gedanken- und Gefühlswelt, aber dennoch bleibt sie bis zum Ende des Buches ein Rätsel. Ein sehr verwirrender Charakter ist der Pfarrer, der durch seine Tagebucheinträge aus dem 18. Jahrhundert wieder lebendig wird und als zweiter Ich-Erzähler fungiert. Man merkt als Leser einfach, dass mit ihm etwas nicht stimmt, dass er eine Idee verfolgt, die wahnsinnig ist. Sie fordert eine Handvoll Menschenleben und hat zudem Auswirkungen bis in die Gegenwart. Folgen, die nun Rebecca zu spüren bekommt.

Viele Informationen, die der Autor dem Leser anbietet, machen nicht sofort Sinn. Stattdessen ist es die Aufgabe des Lesers, die Puzzlestückchen aufzusammeln und sie zu einem Bild zusammenzusetzen. Schon nach den ersten Andeutungen ergibt sich ein Hauch eines Bildes, dessen Details aber nur zu erahnen sind. Sichtbar wird dieses allerdings nicht eher, als der Autor es zulässt und weitere nützliche Hinweise anbietet..

Der Schreibstil des Autors ist sehr eindringlich und für ein Jugendbuch angemessen. Das Buch liest sich leicht und flüssig. Die drei verschiedenen Erzählstränge lassen sich an kleinen Besonderheiten, wie zum Beispiel den Kapitelüberschriften, leicht auseinander halten. Sie geben der Geschichte das gewisse Etwas.

Mein Fazit:

Spannung pur – dieses Buch bereitet Gänsehaut und übt einen enormen Sog aus.