Profilbild von gagamaus

gagamaus

Lesejury Star
offline

gagamaus ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit gagamaus über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.07.2020

berührend und wahrhaftig

Und auf einmal diese Stille
0

Ich lese sehr selten Sachbücher, denn oft sind sie langatmig oder zu emotionslos, haben keinen Spannungsbogen, sind überfrachtet mit überflüssigen Erklärungen und Beschreibungen und wenn sie Themen und ...

Ich lese sehr selten Sachbücher, denn oft sind sie langatmig oder zu emotionslos, haben keinen Spannungsbogen, sind überfrachtet mit überflüssigen Erklärungen und Beschreibungen und wenn sie Themen und Geschehnisse aus der Vergangenheit behandeln, sind die Dinge unabänderlich und oft hinlänglich bekannt.

Manches trifft auch auf den 11. September 2001 zu. Gefühlt jeder erwachsene oder jugendliche Mensch weiß noch, wo er die Minuten und Stunden verbrachte und wie er von dem Attentat auf die Twin Towers erfahren hat. Ich war in der Küche beim Kochen und konnte das dann nicht mehr tun, weil ich nur noch vor dem Fernseher das Unglück verfolgte. Später habe ich mehrmals den Film der Feuerwehr über ihren grauenhaften Einsatz gesehen und das Buch 102 Minuten von Jim Dwyer gelesen. Und dennoch oder gerade deswegen musste ich „Und auf einmal diese Stille“ von Garrett M. Graff unbedingt lesen.

Akribisch hat der Autor in langen Monaten unendlich viele Versatzstücke der vielen Beteiligten dieses Anschlags zusammengesucht und sie in einen zeitlichen und emotionalen Kontext gesetzt. ER beginnt bei Piloten und Flugpassagieren (solchen, die in den Flugzeugen saßen aber auch solchen die durch Zufall nicht an den Flügen teilnahmen), von Menschen deren Liebste morgens in die Twin Towers zum Arbeiten gingen, von Polizisten, Anwohnern, Einsatzkräften… Unendliche viele Schicksale, unendliche viele Tragödien. Es wird gelacht und geweint, Alltäglichkeiten erzählt, die im nachträglichen Scheinwerfer des Dramas eine ganz andere tiefere Bedeutung erhalten. Die Menschlichkeit in all ihren Facetten steckt in diesem Buch. In den kleinen und großen Geschichten, die zusammen ein großes Ganzes ergeben. Der Anschlag auf die Twin Towers war ein Anschlag auf Tausende von Menschen, eine ganze Stadt, ein ganzes Land, die ganze Erde. Die Möglichkeit durch die Medien hautnah dabei gewesen zu sein und dann die Filme und Bücher über die Schicksale berühren immer wieder aufs Neue und sie sind wichtig und wertvoll. Niemand und nichts soll vergessen werden.

Ein unglaublich berührendes und wahrhaftiges Buch.

Veröffentlicht am 21.07.2020

genialer Erzählstil

Daisy Jones and The Six
0

»Das Buch ist die Geschichte einer fiktiven Band in der echten Welt.« The New York Times
Dieser Satz hat mich magisch angezogen. Ich konnte mir nichts drunter vorstellen, dachte vorher, es wäre eine echte ...

»Das Buch ist die Geschichte einer fiktiven Band in der echten Welt.« The New York Times
Dieser Satz hat mich magisch angezogen. Ich konnte mir nichts drunter vorstellen, dachte vorher, es wäre eine echte Band und eine Art Biographie. Und das ist das Witzige, dass dieser Eindruck hier im Buch verstärkt wird. Nein, es ist sogar das Programm dieser Geschichte, dass man glaubt, es handelte sich um eine reale Gruppe, um reale Ereignisse. Die Autorin spielt mit dem Leser. Sie gibt vor, das Buch wäre aus diversen Interviews entstanden. Die Akteure – einschließlich der namensgebenden Daisy Jones – berichten über ihr Leben, über die Band, die Erfolge und wie es zur Trennung kam. Das liest sich wunderbar locker und intensiv und man kann vermuten, dass diverse andere Bands Pate standen und in die Story eingeflossen sind.

Ich war total geflasht von diesem Buch. Der Erzählstil der Autorin ist einfach wunderbar. Direkt und wild, romantisch und so ungestüm und verdreht wie die Protagonisten teilweise sind. Ich bin zum Fan dieser Band geworden, ohne ihre Musik gehört zu haben. Ich bin zum Fan dieser Autorin geworden, die ich vorher nicht kannte. Deshalb musste ich mir sofort ein weiteres Buch von ihr bestellen (Emmas Herz).

Von mir eine ganz dicke Leseempfehlung zu diesem ungewöhnlichen Buch. Ein Bucherlebnis welches mir ohne netgalley entgangen wäre. Vielen Dank dafür.

Veröffentlicht am 21.07.2020

modernes Märchen

Das Mädchen mit den meerblauen Augen
0

Mich hat erst mal dieses unglaublich schöne Cover angezogen. Und die Beschreibung des Inhalts klang magisch und verträumt. Eine andere Rezensentin hat es als sehr französisch bezeichnet. Das trifft es ...

Mich hat erst mal dieses unglaublich schöne Cover angezogen. Und die Beschreibung des Inhalts klang magisch und verträumt. Eine andere Rezensentin hat es als sehr französisch bezeichnet. Das trifft es tatsächlich ganz gut. Ich musste beim Lesen an Bücher von Anna Gavalda und David Foenkinos denken. Gemeint ist damit nicht unbedingt der Schreibstil sondern der "französische" Unterton, den ich gespürt habe. Ist schwierig zu erklären. Es ist ein Buch über die Liebe und den Verlust, über Sehnsüchte und über das einfach Leben an der bretonischen Küste. Ich könnte es mir gut vorstellen, das Buch dort am Strand zu lesen, innezuhalten und aufs Meer zu blicken, so wie die Hauptdarstellerin, die dort einen letzten Blick auf ihren Vater erhaschen möchte, den die See ihr genommen hat. Und dann kommt - gar nicht metaphorisch sondern sehr real - von oben ein Mann geflogen.

Ein kleines bisschen hat mir zur perfekten Geschichte gefehlt. Ich hätte mir gerne mehr und intensivere Dialoge zwischen den Protagonisten gewünscht. Es war alles in allem ein modernes Märchen mit Darstellern, die teilweise sehr seltsam waren. Oder halt doch typisch südfranzösisch.

Veröffentlicht am 14.07.2020

Schatten der Welt

Schatten der Welt
0

Izquierdo ist ein spannender Autor, denn weder lässt er sich in ein Genre noch eine Zeitepoche einordnen. Immer wieder sucht er nach neuen Themen und findet auch immer wieder einen eigenen Ton für seine ...

Izquierdo ist ein spannender Autor, denn weder lässt er sich in ein Genre noch eine Zeitepoche einordnen. Immer wieder sucht er nach neuen Themen und findet auch immer wieder einen eigenen Ton für seine Geschichten. Diesmal ist es eine Coming-of-Age Geschichte vor und während des ersten Weltkrieges. Wir finden uns in 'Westpreußen. Carl, der eigentlich eher der Verlierertyp ist, kann Artur als Freund gewinnen, der bei Streitigkeiten immer der Gewinner ist und der sich vor nichts zu fürchten scheint. Als sich zu den beiden noch die aufgeweckte Isi gesellt, entwickelt sich ein Dreigestirn voller kreativer Ideen, voll überschäumendem jugendlichen Elan und die Liebe klopft auch bereits vorsichtig an die Tür. Aber wie das Leben damals so spielte werden die drei durch den Krieg auseinandergerissen und jeder hat seinen eigenen Überlebenskampf zu kämpfen.

Die Geschichte an sich hat mir gut gefallen. Izquierdo bringt die damalige Zeit wirklich gut rüber. Alle drei Jugendlichen kommen aus Verhältnissen, in denen manches knapp bemessen ist und die gerade lernen, was geht und was nicht geht und welche Zukunft sie sich wünschen würden. Aber als der Krieg dann kommt, müssen die Jungen an die Front und Isi geht es auch nicht viel besser. Es steckt viel Herz und Drama in der Geschichte - und dennoch. Irgendwie wurde ich nicht so richtig warm mit den Darstellern. Ich kann gar nicht genau sagen, woran das lag. An manchen Stellen zog es sich für mich etwas und eine Weile habe ich es mal abgebrochen um es jetzt doch noch zu beenden. Einfach, weil ich schon wissen wollte, wie es ausgeht. Im letzten Drittel hatte mich der Autor dann doch wieder. Die Kriegsgeschehnisse sind eindringlich und man kann mit Isi und den Jungen mitbangen.

Mein Fazit: 3,5 Sterne.

Veröffentlicht am 13.07.2020

hervorragend

Schwarzer August
0

Eigentlich ist Leander Lost ja nur befristet im Austausch für einen portugiesischen Kollegen nach Fuseta gekommen. Und eigentlich tut er sich immer schwer mit Kollegen – wie überhaupt mit Menschen – da ...

Eigentlich ist Leander Lost ja nur befristet im Austausch für einen portugiesischen Kollegen nach Fuseta gekommen. Und eigentlich tut er sich immer schwer mit Kollegen – wie überhaupt mit Menschen – da er am Asperger Syndrom leidet und sehr speziell ist, was seine Wahrheitsliebe und seine mangelnde Fähigkeit, die Emotionen anderer richtig einzuordnen, ist. Aber hier in Portugal hat er etwas gefunden, was ihm in Deutschland verwehrt geblieben ist. Kollegen die ihn schätzen und jetzt sogar eine Frau, die ihn liebt, so wie er ist. Kein Wunder, dass Lost zu Höchstform aufläuft.

Mir gefällt auch dieser 4.te Band wieder ausnehmend gut. Die Charaktere sind mir allesamt schon sehr ans Herz gewachsen in den letzten Fällen und ich freue mich, wie verständnisvoll und harmonisch alles abläuft, obwohl Leander so richtig schräg sein kann. Außerdem ist der Kriminalfall gewohnt spannend und hat ein paar überraschende Wendungen. Gerade das schätze ich so am Schreibstil des deutschen Autors. Genau wie in seinen Drehbüchern kann er mich auch hier fesseln und auf eine falsche Fährte locken. Großes Kopfkino ist hier sicher.

Ich hoffe sehr, es gibt noch weitere Teile dieser Reihe. Das Cover mit seinem tiefen Azurblau ist wie immer ein Hingucker und perfekt für einen heißen Sommer im tödlichen Fuseta zu lesen.