Profilbild von gagamaus

gagamaus

Lesejury Star
offline

gagamaus ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit gagamaus über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.09.2016

empfehlenswert

Als wir unsterblich waren
0

"Als wir unsterblich waren" ist ein ziemlich gehaltvoller historischer Roman dem man etwas Zeit und Muße widmen sollte, da er nicht nur eine schwierige Zeit der deutschen Geschichte zum Hintergrund hat, ...

"Als wir unsterblich waren" ist ein ziemlich gehaltvoller historischer Roman dem man etwas Zeit und Muße widmen sollte, da er nicht nur eine schwierige Zeit der deutschen Geschichte zum Hintergrund hat, sondern auch durch ein facettenreiches Ensemble besticht, welches eine große Palette menschlicher Gefühle erlebt. Ich war als Leser schon etwas gebeutelt von den Hochs und Tiefs. Ich durfte mich mitfreuen, mitlieben, mitleiden, mitweinen.

Ein Großteil der Geschichte spielt in der Zeit kurz vor dem ersten und kurz vor dem zweiten Weltkrieg. Paula liebt Clemens, einen jungen Sozialisten. Es ist eine Zeit des Umbruchs und des Wandels. Die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen und Entwicklungen werden unterhaltsam in die Geschehnisse verwoben, verändern und beühren das Leben der Protagonisten. Die Art und Weise, wie hier über die Weimarer Republik, den ersten Weltkrieg und die Jahre vor dem zweiten Weltkrieg berichtet wird, fand ich sehr interessant geschildert. Die Liebesgeschichte ist ergreifend aber nicht kitschig und hat einige Schattenseiten, die das Ganze realistisch würzen. Einige ebenfalls sehr liebenswerte Nebenfiguren beleben die Handlung und icvh habe sie schnell liebgewonnen. Ein Stück Zeitgeschichte in eine spannende Story verpackt macht einfach Spaß zu lesen. Die Protagonisten sind großteils engagierte Menschen, die versuchen ihre eigene kleine Welt und das Heimatland zu gestalten und zu verbessern. Sie kommen sehr glaubhaft und realistisch rüber mit all ihren Fehlern und Schwächen und Stärken.

Ich gestehe jetzt, dass ich die Handlung in der "Gegenwart" gar nicht unbedingt gebraucht hätte. Hier ist die Hauptperson aus der Vergangenheit alt geworden und trägt schwer an der Vergangenheit. Ihre Enkelin ist ihre einzige noch lebende Verwandte und Auch wenn Alex und Oliver mit ihrer Liebe einen versöhnlichen Schlussakkord in die Geschehnisse bringen. Das ist aber wohl eine persönliche Geschmackssache, da ich lieber eine als zwei Geschichten in einem Buch lese (ist mir auch schon in anderen Büchern passiert, dass ich den einen Teil bevorzugt habe).

Das Buch ist empfehlenswert und vermittelt viel Geschichte und die Dramatik der damaligen Entwicklungen kam gut rüber.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Mit Keksen durchs Jahr

Sechs Millionen Kekse im Jahr
0

Die Vorstellung, die man von der Tourette-Krankheit hat, sind im ersten Augenblick nicht falsch, wenn man dieses Buch liest. Im Gehirn läuft bei diesem Krankheitsbild etwas ab, was ich wie ständige Kurzschlüsse ...

Die Vorstellung, die man von der Tourette-Krankheit hat, sind im ersten Augenblick nicht falsch, wenn man dieses Buch liest. Im Gehirn läuft bei diesem Krankheitsbild etwas ab, was ich wie ständige Kurzschlüsse beschreiben würde, die in verbalen und motorischen Zuckungen herauskommen. Dies sind aber nicht immer nur derbe Flüche, sondern weitaus häufiger, zumindest im Falle der Autorin Jessica Thom, seltsame Wortkombinationen, für den Aussenstehenden wirre Sätze und im besonderen das Wort Keks. Man kann sich als gesunder Mensch nicht vorstellen, was hier im Kopf abläuft, da ihre Äußerungen und Bewegungen unsteuerbar und unverhersehbar sind. Dennoch überrascht Jessica mit einer riesengroßen Portion Lebensmut, Weisheit und Humor, die ihr durch die Widrigkeiten ihres Alltags helfen. Auf eine Weise ist sie wirklich eine Behinderte, da sie oft die Hilfe fremder Menschen benötigt, um ihres verrückt spielenden Körpers Herr zu werden. Dies ist meist auch peinlich und unangenehm - ihr, weil sie diese Hilfe braucht aber gar nicht brauchen will und den Menschen, weil sie aus Unwissenheit oder Ignoranz oft falsch reagieren und sie und ihre Krankheit falsch einschätzen. Als Laie weiß man natürlich viel zu wenig von Tourette aber wie bei allen Behinderungen sollte man doch ganz normal und freundlich mit den Betroffenen umgehen und sie fragen, ob sie Hilfe benötigen und in welcher Form.
Sechs Millionen Kekes erzählt in Tagebucheinträgen von einem Jahr im Leben von Jessica. All ihre persönlichen Höhen und Tiefen werden teils sehr kurz und ehrlich geschildert. Sie spart nicht an Ironie und Selbstbetrachtung aber man spürt auch, dass sie manchmal an den garstigen Mitmenschen fast verzweifeln möchte. Erschreckend fand ich, dass sie sich manchmal Dinge versagt, da sie Angst hat vor ihren Ticks und den daraus resultierenden Situationen. Schön ist aber, dass sie liebe Menschen hat, die ihr immer wieder aufhelfen, sie aufrichten und sie von Herzen so lieben, wie sie nämlich ist. Ein kluger und lebenslustiger Mensch, der trotz einer hinterhältigen Krankheit, die im Laufe ihres Lebens immer neue größere Ticks nach sich zieht, das eigene Glück sucht und unbeirrt an das Gute glaubt.
Ein wunderschönes Buch.
Es ist sehr dünn - der Preis ist wirklich horrend und wird viele interessierte Leser abschrecken, was schade ist. Ds sollte der Verlag überdenken. Ich ziehe aber keinen Stern ab, weil das Buch so schön ist.

Veröffentlicht am 15.09.2016

gruselig

Winter People - Wer die Toten weckt
0

Sara liebt ihre kleine Tochter Gerie abgöttisch, ist die Übermutter mit Leib und Seele und hängt gluckenhaft an ihrer Tochter. Als Gertie stirbt, kann sie mit dieser Tatsache nicht umgehen und erinnert ...

Sara liebt ihre kleine Tochter Gerie abgöttisch, ist die Übermutter mit Leib und Seele und hängt gluckenhaft an ihrer Tochter. Als Gertie stirbt, kann sie mit dieser Tatsache nicht umgehen und erinnert sich schnell an die Gebrauchsanweisung von Auntie, mit der man Verstorbene ins Leben zurückholen kann. Ihr Mann ahnt, was sie vorhat und ihm graust davor.
In der Zukunft verschwindet eine Mutter und deren 19jährige Tochter Ruthie sucht nach dem Grund dafür. Alte Aufzeichnungen von Sara, geheimnisvolle Gegenstände. Stück für Stück fügt sich in der einen Zeit zusammen, was in der Vergangenheit passiert ist und welche Paralellen es zur Ggenwart gibt.

Saras Beweggründe sind sehr selbstsüchtig. Sie sollte doch wie ihr Mann daran denken, was ihre Tochter empfindet, wenn sie kurzzeitig wieder zu den Lebenden darf. So was kann man keinem Kind antun. Und keinem Menschen der ja dann doch wieder sterben muss. Es geht um die Erweckung geliebter Menschen von den Toten, um sich von ihnen zu verabschieden - vordergründíg. Aber doch wohl eher, weil man ihren Tod - das Endgültige - nicht akzeptieren möchte. Eigentlich wird die Geschichte einer falschen Trauer erzählt und welche Blüten sie treibt.

Für mich der größte Haken waren allerdings die Einschübe der Gegenwart. Ich mag keine Bücher, in denen zwei Geschichten in zwei Zeiten erzählt werden. Das ist eine persönliche Abneigung, die ich nicht ablegen kann, die sich aber auch in diesem Buch wieder bestätigt hat. Ich habe gerne Bücher, die in einer Zeitschiene erzählen. Da kann das Buch natürlich nichts dafür ich wusste nicht, dass es in zwei Zeiten spielt. Ich hatte aber auch leichte Schwierigkeiten mit dem Schreibstil. Für mich zu ausufernd und manchmal etwas zu "lieblich". Ich hatte mir defenitiv noch mehr Grusel erhofft - bin wohl geschädigt vom Friedhof der Kuscheltiere. Es handelt sich hier um ein Buch mit gemäßigten Horroreffekten und über weite Strecken ist der Grusel gepflegt und spielt sich nur in der Vorstellungskraft des Lesers ab. Leider hat das Buch nicht ganz meinen Geschmack getroffen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

spannungsarm

Das dunkle Haus
0

Erik Winter ermittelt nach zwei Jahren freiwilliger Auszeit wieder und sein erster Fall ist bereits Furcht einflößend. Nicht nur, dass eine Mutter und zwei kleine Kinder die Opfer waren. Die Erkenntnis, ...

Erik Winter ermittelt nach zwei Jahren freiwilliger Auszeit wieder und sein erster Fall ist bereits Furcht einflößend. Nicht nur, dass eine Mutter und zwei kleine Kinder die Opfer waren. Die Erkenntnis, dass das überlebende Baby von dem Mörder wohl absichtlich über mehrere Tage am Leben gehalten wurde, erschreckt den Kommisar – und den Leser gleichermaßen. Verdächtige gibt es jede Menge. Angefangen natürlich vom Ehemann, der sich zur Tatzeit auf Geschäftsreise befand und den Erik zwar gefühlsmäßig auschließt aber er wäre kein guter Kommissar, wenn er ihn nicht trotzdem weiter befragen würde. Lange wird auch nach dem Mann gesucht, der den kleinen Hund der Ermordeten gekauft hat. Ich fand auch den alten Mann, der die Toten mehr oder weniger gefunden hat, etwas fragwürdig. Und es kommen weitere hinzu. Die Geschichte ist sicher vom ermittlungstechnischen sehr treffend erzählt. Die Arbeit der Polizei spielt sich mehr in den Köpfen und in der Puzzle-Arbeit ab. Der Pathologe und die anderen Fachleute kommen hier stark zum Einsatz, um den Ablauf plausibel zu rekonstruieren. Zum Ende hin macht der Mörder einen entscheidenden Fehler - er unterschätzt eine Kollegin von Erik Winter doch ganz gehörig.

Es ist mein erstes Buch mit Erik Winter als Kommissar aber nicht mein erstes Buch von Ake Edwardson. Wie bereits in seinem Roman „Die Rache des Chamäleons“, so spielt der Autor auch hier seine große Stärke aus. Über die Hälfte des Romans besteht aus Gesprächen. Der Kommissar versucht mit all seinen Mitarbeitern das Geschehen der Morde zu rekapitulieren. Er sucht nach den Beweggründen, nach einem logischen Ablauf anhand der vorliegenden Indizien, nach dem Täter mit Hilfe der Zeugenaussagen. Aber auch sämtliche Verdächtige und auch der Mörder werden durch wörtliche Rede beleuchtet und ihre Charakter ergründet und gezeichnet. Ich bin ein Fan guter Dialoge und schlecht sind die hier wirklich nicht. Aber ich muss zugeben, dass es sogar mir manchmal etwas zu viel Palaver wurde. Die Aktion schreitet nicht wirklich voran und die vielen falschen Fährten und die Masse an Mutmaßungen und Vermutungen erdrückt den Leser etwas.
Zu einem richtigen Pageturner fehlt dem Buch doch noch einiges. Ich denke mal, dass mir einfach die Erzählweise von Edwardson zu langatimig und wenig temporeich war. 

Veröffentlicht am 15.09.2016

interessant

Die Frau, die nie fror
0

Die Lage ist verfahren. Pirio hat ein Schiffsunglück überlebt, der Kapitän, der Vater ihres Patenkindes Noah ist dabei ertrunken. Und niemand schert sich drum, niemand fragt nach den Schuldigen. Pirio ...

Die Lage ist verfahren. Pirio hat ein Schiffsunglück überlebt, der Kapitän, der Vater ihres Patenkindes Noah ist dabei ertrunken. Und niemand schert sich drum, niemand fragt nach den Schuldigen. Pirio begibt sich also auf die Suche. Denn das ist sie ihrer Freundin Thomasina und ihrem Sohn Noah schuldig. Die können schließlich nichts dafür und Thomasina ertränkt ihr Unglück in Alkohol, kümmert sich nicht mehr um ihr Kind, verfällt zusehens. Die Geschichte wird eindringlich doch nicht rührseelig erzählt. Langsam entrollt sich vor dem Leser ein Leben, welches von Rück- und Tiefschlägen gezeichnet war. Von zwei jungen Frauen, die nach Leichtigkeit und Liebe gelechzt haben und doch beide nicht gefunden haben was sie suchen. Jetzt wagt Pirio den Versuch, wenigstens dieses Unglück zu klären um ihr Leben zu hinterfragen und einen Sinn in all der Tragik zu finden. Das Buch war für mich kein Thriller sondern ein Roman über die Suche einer Frau nach Antworten um damit nicht nur den Tod eines Menschen sondern vielleicht auch ihr eigenes Überleben zu reflektieren. Was hatte es für einen Sinn, wenn nicht den, die Wahrheit herauszufinden? Wer kümmert sich schon um die Verlierer, wenn nicht eine wie sie? Auch fast eine Verliererin macht sie sich auf einen Weg und erkennt schnell, dass viel mehr hinter dem angeblichen Schiffsunglück steckt. Das Buch hat nur wenige Thrilleffekte, lebt nicht von großer Spannung sondern von seinen Charakteren, die suchen und finden, die wachsen und sich selbst erkennen. Kälte in innen und außen spielt eine Rolle - Smillia wurde hier schon bei zwei Vorrezensenten treffen erwähnt. Man muss ein bisschen am Ball bleiben bei der Geschichte, sollte keinen Krimi sondern eine schön erzählte Geschichte erwarten, wenn man das Buch aufschlägt.

Schöner Schreibstil. Unaufdringlich und doch anspruchsvoll genug für schwierige Themen und schwierige Menschen. Gefällt mir ausnehmend gut. Und das Cover ist einfach nur der Hammer. Ich liebe es jetzt. Sehr gute 4 Sterne mit Tendenz zu 5.