Schwierig
All das zu verlierenAls Leser begleitet man Adele, eine Frau, die eigentlich alles hat, was viele Menschen als erstrebenswert betrachten. Sie arbeitet als Journalistin, hat mit ihrem Ehemann einen kleinen Sohn und wohnt mit ...
Als Leser begleitet man Adele, eine Frau, die eigentlich alles hat, was viele Menschen als erstrebenswert betrachten. Sie arbeitet als Journalistin, hat mit ihrem Ehemann einen kleinen Sohn und wohnt mit ihrer Familie in einem schicken Pariser Viertel. Ihr Ehemann Richard ist ein erfolgreicher Chirurg, sodass sie sich auch selbst einen gewissen Luxus finanzieren kann – Wochenendtrips ans Meer, teure Kleidung und ein großes Haus auf dem Land. Dennoch ist Adele nicht glücklich, sie ist unzufrieden mit ihrem Leben, mit den Menschen um sich herum, aber im Laufe der Geschichte erkennt man, vielmehr ist es wohl eine Unsicherheit in ihrer eigenen Existenz.
Ich habe schnell denn Eindruck gewonnen, dass Adele alles um sich herum verabscheut, sich selbst wahrscheinlich am meisten. Ihr Leben wirkt eintönig, obwohl es das eigentlich gar nicht ist. Tief in ihr verspürt Adele eine Leere, die sich durch nichts füllen lässt. Die einzige Sache, der sie Bedeutung beimessen kann, ist Sex – und das nicht mit ihrem Ehemann. Sie stürzt sich in zahlreiche Affären und betont immer wieder, wie sehr sie das braucht. Sie bieten ihr eine Art Flucht aus ihrem Leben, auch wenn ich nicht genau verstehen konnte, vor was genau sie flüchtet. Und am Ende folgt immer wieder die Ernüchterung. Trotz dessen, dass Sex das einzige Element in Adeles Leben ist, dem sie eine Bedeutung abgewinnen kann, hält dies nicht länger, als für den Moment.
Ich hatte Schwierigkeiten damit, Adele zu verstehen. Sie begreift ihr Leben selbst als eintönig, ist dauerhaft genervt und an keiner Stelle wirklich glücklich. Das habe ich verstanden. Den Grund dahinter allerdings nicht. Immer wieder gibt es Rückblenden in Adeles Kindheit und Jugendalter, die Zeit, in der vermutlich ihre Unzufriedenheit mit sich selbst entstanden ist. So ganz konnte ich die Ursache allerdings nie wirklich greifen.
Ein bisschen unbefriedigt ließ mich auch die Tatsache zurück, dass Adele nie wirklich versucht etwas zu ändern. Zumindest aus meiner Sichtweise nicht. Dass sie nicht wirklich glücklich ist, merkt man auf den ersten Seiten, aber wieso tut sie denn nichts dagegen? Vieles bleibt unverständlich und auch die Handlungen ihres Ehemanns Richards waren für mich an manchen Stellen nicht nachvollziehbar.
Adele blieb für mich durchweg unsympathisch, aber dennoch ein interessanter Charakter, den ich versucht habe zu verstehen. Auf der einen Seite erschien sie mir immer sehr arrogant, selbstbezogen, egoistisch und überheblich. Auf der anderen Seite war sie wiederum verletzlich, schwach und bemitleidenswert, kommt sie doch aus ihrem eigens geschaffenen Teufelskreis nicht hinaus. Trotzdem konnte ich auch an diesen Stellen nicht wirklich Mitleid empfinden, da sie für mich nach wie vor ein wirklich unsympathischer Charakter blieb. Trotzdem blieb sie interessant und geheimnisvoll, immer wieder wartete ich darauf, dass sie endlich etwas ändern würde.
Leila Slimanis Erzählstil und Sprache hat mir sehr gut gefallen. Auf der einen Seite sehr einfach gehalten, in kurzen Sätzen und nüchterner Sprache, wurde ich immer wieder von poetischen Elementen und Metaphern überrascht.
FAZIT:
Die Geschichte hat einige Fragezeichen bei mir hinterlassen und wie ich schon erwähnt habe, weiß ich nicht so Recht, was ich davon halten soll. Durch den geringen Umfang hat sich die Geschichte sehr schnell gelesen und die kurzen Kapitel haben den Lesefluss zusätzlich gefördert. Das Buch konnte mich fesseln, durch Adeles Abgründe und die Hoffnung, sie würde endlich aus ihrem Teufelskreis entfliehen können. Trotzdem hat mir am Ende etwas gefehlt, weshalb ich das Buch nicht mit voller Überzeugung weiterempfehlen würde.
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