Profilbild von giannadanarosa

giannadanarosa

Lesejury Star
offline

giannadanarosa ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit giannadanarosa über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.02.2021

Weltliteratur

Der Gesang der Flusskrebse
1


Ich habe eine Abneigung gegen Dreiecksgeschichten. Normalerweise mache ich um Plots, in denen eine Frau zwischen zwei Männern steht (oder umgekehrt) einen sehr großen Bogen. Als jedoch immer deutlicher ...


Ich habe eine Abneigung gegen Dreiecksgeschichten. Normalerweise mache ich um Plots, in denen eine Frau zwischen zwei Männern steht (oder umgekehrt) einen sehr großen Bogen. Als jedoch immer deutlicher wurde, dass man an Delia Owens „Der Gesang der Flusskrebse“ nicht vorbeikommt, wanderte die Geschichte auf meine Leseliste. Und nein, ich habe es nicht bereut.

Inhalt:
Kya ist sechs Jahre alt, als ihre Mutter die Familie verlässt. Nach ihrem Fortgang machen sich auch die älteren Geschwister davon und Kya bleibt mit ihrem gewalttätigen Trinkervater allein in ihrer Hütte in der Marsch zurück. Die Marsch ist ein Sumpfgebiet, welches das Festland an der Küste North Carolinas mit dem Ozean verbindet. Eine Art gesetzloser Raum, dessen Bewohner in den umliegenden Städtchen verachtet werden. Weil sie von den anderen Kindern verspottet wird, geht Kya nie zur Schule. Sie verbringt ihre Zeit allein in der Natur, die Vögel sind ihre Freunde und ein kleines Motorboot ihr zuhause. So wächst Kya zu einer klugen, aber sehr sehr einsamen jungen Frau heran, die von den Menschen „Das Marschmädchen“ genannt wird. Kya sehnt sich nach Liebe und Gemeinschaft und im Laufe der Jahre sucht sie diese bei zwei Männern. Am Ende ist einer der beiden tot und die Polizei glaubt, dass ausgerechnet sie die Schuld daran trägt.

Meine Meinung:
Wenn ich lese, ist der Schreibstil das Wichtigste für mich. Werde ich mit der Sprache eines Autors nicht warm, kann der Plot noch so gut sein, die Geschichte wird mich nicht einfangen. Die Sprache von Delia Owens ist nicht von dieser Welt. Die Naturbeschreibungen in dieser Geschichte sind sprachlich wie atmosphärisch atemberaubend. Kein Wunder, dass dieses Buch zu einem Weltbestseller wurde.
Sie sind so schön, dass ich Seitenweise nur Natureindrücke über das Marschland lesen könnte. Für mich wäre also gar keine Handlung nötig gewesen und trotzdem gab es unwahrscheinlich viel davon.
„Der Gesang der Flusskrebse“ ist eine einzigartige Mischung aus Coming-Off-Age, Liebesgeschichte und Kriminalroman. Das zentrale Thema ist dabei immer Kyas Einsamkeit, die so dicht und so eindrücklich geschildert wird, dass sie beinahe greifbar wird. Die Einsamkeit scheint ein undurchdringlicher Nebel zu sein, der sich über das Leben dieser Protagonistin legt. Es zerreißt mich beim Lesen beinahe, dass sie einfach keinen Ausweg daraus finden kann.
Die Liebesgeschichte ist gar keine typische Dreiecksgeschichte, sondern vielmehr die Suche nach Zuflucht in einem anderen Menschen. Die Darstellung beider Beziehungen hat mir gut gefallen, weil sie nicht eindimensional gezeichnet wurden.
Der Kriminalprozess wird unfassbar spannend geschildert. Man springt zwischen Kapiteln hin und her, die aus Kyas Leben erzählen und dann wieder welchen, in denen über die Ermittlungen und den Prozess berichtet wird. Man kann sich bis zum Schluss nicht sicher sein, wie es ausgeht. Das Ende der Geschichte hat mich sprachlos gemacht. Ich habe viel darüber nachgedacht und bin schlussendlich nicht sicher, ob ich die Motivation dahinter verstanden habe. Für die den Handlungsverlauf war es sicherlich eine kluge Entscheidung. Trotzdem kam es mir vor, als hätte die Autorin ihre Figuren verraten.

Fazit:

„Der Gesang der Flusskrebse“ ist beeindruckender und unvergleichlicher Roman, der lange nachhallt. Man muss ihn gelesen haben. 9/10 Sternen, weil ich mit dem Ende so sehr gehadert habe.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 25.02.2021

Warm. Warm. Warm.

Hard Land
0

Mir tut alles weh: Herzweh, Bauchweh, Kopfweh. Auch die Augen tun mir weh, weil ich Hard Land bis in die tiefe Nacht hinein ausgelesen habe. Das ist bei mir häufig so. Wenn mich ein Buch einfängt, dann ...

Mir tut alles weh: Herzweh, Bauchweh, Kopfweh. Auch die Augen tun mir weh, weil ich Hard Land bis in die tiefe Nacht hinein ausgelesen habe. Das ist bei mir häufig so. Wenn mich ein Buch einfängt, dann inhaliere ich die letzte Hälfte auf Ex. Genau das ist bei „Hard Land“ passiert.

Inhalt:
Missouri, 1985: Sam Turner lebt in der heruntergekommenen Kleinstadt Grady, in der alles kurz davor ist, zu Ende zu gehen. Er wird bald sechzehn und hat keine Freunde, seit sein ehemals bester Kumpel nach Kanada ausgewandert ist. Seine Mutter ist an einem Gehirntumor erkrankt und nun soll er die Sommerferien auch noch bei seinen Cousins verbringen, die ihn immer nur schikanieren. Um diesen miesen Aussichten zu entgehen, sucht Sam sich einen Job im örtlichen Kino. Dort lernt er Kirstie, die Tochter des Kinobesitzers, und ihre Freunde Cameron und Brandon (alias Hightower) kennen. Die drei sind zwei Jahre älter als er und anfangs eine verschworene Gemeinschaft, zu der er keinen Zugang findet. Doch sobald sich das ändert, steckt er mittendrin in einem Sommer voller Abenteuer und Möglichkeiten. Ein Sommer, nach dem nie mehr etwas so sein wird wie zuvor.

Meine Meinung:
Ich habe bereits vorausgeahnt, dass dieses Buch großartig sein würde, allerdings war mir nicht klar, dass es SO großartig sein würde.
Ich hoffe, dass sich niemand an dieser Stelle gespoilert fühlt.
Da man es allerdings bereits im ersten Satz erfährt, verrate ich hoffentlich nicht zu viel, wenn ich sage, dass Sams Mutter den Sommer nicht überlebt. Und genau an dieser Stelle schlägt die ganz große Stunde dieses Romans. Die Darstellung von Sams Trauer hat mich so sehr berührt. „Hard Land“ hat mir viele neue Gedanken zu Tod und Trauer vermittelt. Und genau aus diesem Grund lese ich Bücher: Ich will Facetten eines Themas begreifen, die ich mir selbst nie erdacht hätte. Das geht mit diesem Buch. Es ist aber keineswegs düster und bedrückend, es ist schön traurig und schmerzlich schön. Man kann weinen beim Lesen und es macht trotzdem glücklich. Außerdem steckt die Geschichte voller kluger, witziger und anrührender Szenen und Gedanken.
Benedict Wells erzählt die Ereignisse eines Sommers aus Sams Perspektive, mit einer Stimme, in der man die Jugend des Sprechers hört: Als würde Sam tatsächlich aus dem Off erzählen.
Ich mochte die zahlreichen Anspielungen auf Filme und Songs der Achtzigerjahre. Hard Land wird damit beworben, dass es eine Hommage an „Stand by me“ oder „The Breakfast Club“ sein soll. Und diesem Anspruch wird das Buch mehr als gerecht! Vor allem Dank seiner fabelhaften Charaktere. Sams grandiose Freunde, die in all ihren Schichten beleuchtet werden und das wunderbar geschilderte Konstrukt der Familie Turner, das so individuell, so schmerzlich und gleichzeitig so liebevoll ist.
Besonders gefallen hat mir außerdem, dass das Buch in 49 Kapitel gegliedert ist. Die Zahl 49 spielt nämlich eine große Rolle in der Geschichte. Bei Kapitel 40 habe ich richtig geweint. Das Gefühl, dass es bald so weit sein würde, hat sich allerdings schon länger aufgebaut.

Fazit:
Meine Lieblingsszene von „Hard Land“ ist die, in der Sams Freund Cameron sein Dreischichtenmodell erklärt. Seit ich das gelesen habe, denke ich jeden Tag mehrfach an diese Theorie und versuche sie selbst anzuwenden. Ich möchte an dieser Stelle nicht vorgreifen, was genau das Dreischichtenmodell ist. Das soll jeder selbst lesen.
Aber auch wenn sich das Dreischichtenmodell nicht auf Bücher bezieht, übertrage ich es an dieser Stelle einfach auf „Hard Land“. Ergebnis: Warm. Warm. Warm.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 23.02.2021

Viele Köche verderben den Brei

Die Bücherfrauen
1

Ich liebe Bücher! Und ich bin eine Frau. Also bin ich wohl auch eine Bücherfrau. Der Titel des Romans hat mich sehr angesprochen, dementsprechend glücklich war ich darüber, „Die Bücherfrauen“ in einer ...

Ich liebe Bücher! Und ich bin eine Frau. Also bin ich wohl auch eine Bücherfrau. Der Titel des Romans hat mich sehr angesprochen, dementsprechend glücklich war ich darüber, „Die Bücherfrauen“ in einer Leserunde besprechen zu dürfen. Leider hat mich der Inhalt ratlos zurückgelassen.

Inhalt:
Kansas, 2008: Die Bibliothekswissenschaftlerin Angelina (39) kehrt in die Heimatstadt ihres Vaters zurück, um dort ihre Dissertation zu beenden. Sie forscht bereits seit zehn Jahren über die sog. Carnegie-Bibliotheken und erhofft sich das Tagebuch ihrer längst verstorbenen Großmutter zu finden, die einst am Bau einer solchen Bibliothek beteiligt war. Die Künstlerin Traci (26) verschlägt es ebenfalls nach New Hope. Sie soll Kunst am Kulturzentrum der Stadt unterrichten, das mittlerweile in den Räumlichkeiten der ehemaligen Bibliothek untergebracht ist. Ihre Referenzen hat Traci dafür gefälscht. Sie will verbergen, dass sie gar nicht wirklich studiert hat. Und dann ist da auch noch Gayle, eine Frau aus der Nachbarstadt Prairie Hill. Durch einen Tornado hat sie ihre ganze Existenz verloren

Meine Meinung:
Ich betone das Alter der Protagonistinnen so sehr, weil das mit meinem Hauptproblem in Verbindung steht. Die zeitlichen Zusammenhänge sind für mich rätselhaft geblieben.
Das Buch spielt im Jahr 2008 und bezieht sich auf die Jahre 1910 und 1911, in denen die Bibliothek gebaut wurde, Angelinas Großvater starb und ihr Vater geboren wurde. Angelinas Familiengeschichte wurde in diese große Zeitspanne hinein erzählt und das ging meines Erachtens nicht auf. Ich möchte an dieser Stelle nicht detailliert auf das Warum eingehen, weil ich diese Rezension spoilerfrei halten möchte. Nur so viel sei gesagt: Ein Vater, der in sehr hohem Alter noch Kinder zeugt, spielt dabei eine Rolle.
Überhaupt bleibt Angelina als Protagonistin eher blass und wenig greifbar. Ihre Vergangenheit ist für mich nach wie vor unklar. Sie arbeitet seit zehn Jahren an ihrer Dissertation, ihre Recherchen scheinen jedoch noch ganz am Anfang zu stehen. Man erfährt einzig und allein, dass sie finanziell abhängig von ihrer emotional toxischen Mutter gewesen ist. Genauer beleuchtet wird aber auch das nicht.
Die Geschichte wechselt in kurzen Kapitel zwischen den Sichtweisen von Angelina, Traci und Gayle.
Traci war meine Lieblingsprotagonistin. Sie wurde als Baby in einer Mülltonne gefunden und hat einen sehr geringen Selbstwert. Von ihr hatte ich das klarste Bild. Die Liebesgeschichte zwischen ihr und einem einheimischen Künstler fand ich süß, wenn auch überstürzt. Gayle hingegen blieb vollkommen undurchsichtig. Ihre Kapitel sind kürzer als die der anderen und irgendwie farblos. Ihre Geschichte scheint losgelöst vom Hauptplot und ich habe vergeblich darauf gehofft, dass die Autorin sie irgendwann integriert.
An dieser Stelle kommen wir zu einem weiteren Problem des Buchs. Die Geschichte will zu viel auf einmal. Es gibt zahlreiche Probleme, die nur oberflächlich angerissen und dann zu schnell gelöst werden. Das Kulturzentrum, die Bibliotheken, die verfeindeten Städte, der Tornado, Angelinas Dissertation, Angelinas Vergangenheit, Tracis Vergangenheit, Tracis Lügen, ein schwerer Autounfall, Liebesgeschichten, emotional labile Teenager und und und.
„Die Bücherfrauen“ hat viele Zutaten, die eine tolle Geschichte braucht, aber am Ende schmeckt das Essen nicht richtig, weil der Fokus verloren gegangen ist.
Zusätzlich gestört hat mich, dass der Schreibstil der Autorin immer wieder zu einer unnötigen Dramatik neigt. Damit meine ich keine emotionalen Szenen, sondern dramatische Nebenschauplätze, auf die dann zu wenig eingegangen wird. Außerdem weint ständig jemand ohne nachvollziehbaren Grund.
Die Sprache ist ansonsten einfach, aber flüssig lesbar. Ab und zu gibt es ein paar holprige Formulierungen.
Abschließend möchte ich unbedingt noch deutlich machen, wie wunderschön ich die Aufmachung des Hardcovers finde. Es ist ein Schmuckstück in jedem Bücherregal. Ich liebe den texturierten Einband und das reduzierte Cover. Es ist ein Jammer, dass der Inhalt diesem tollen Äußeren nicht gerecht werden kann.

Fazit:
Ich habe gelesen, dass die Übersetzerin von „Die Bücherfrauen“ auch „City of Girls“ von Elisabeth Gilbert aus dem Fischer-Verlag übersetzt hat. Das habe ich letztes Jahr gelesen und abgöttisch geliebt. So ein wundervolles, atmosphärisches und kluges Buch über ein Frauenleben abseits der Konventionen seiner Zeit. Genau so etwas habe ich mir von „Die Bücherfrauen“ auch erhofft. Wenn ich Bücher lese, dann will ich sie immer, immer, immer mögen. Aber das gelingt mir hier einfach nicht recht.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 19.02.2021

Das Verschwinden eines Thrillers

Das Verschwinden der Erde
0

Thriller lese ich eher selten und auch nur sehr ausgewählt. Dann, wenn sie sich in erster Linie an ein weibliches Publikum richten und die Aufmachung vermuten lässt, dass es sich mehr um ein „Wer ist der ...

Thriller lese ich eher selten und auch nur sehr ausgewählt. Dann, wenn sie sich in erster Linie an ein weibliches Publikum richten und die Aufmachung vermuten lässt, dass es sich mehr um ein „Wer ist der Mörder?“-Buch handelt und keines, in dem über viele Seiten hinweg die Verstümmlungen einer Leiche beschrieben werden. Das Cover von „Das Verschwinden der Erde“ und die Werbung des Verlags, in der dieses Buch als „Literarischer Thriller“ angekündigt wurde, hat mich sehr angesprochen. Mit solchen Genre-Cross-Overs kann man mich immer locken.
Der Inhalt des Buchs hat mich nicht enttäuscht, dafür aber sehr überrascht.

Inhalt:


Auf der russischen Halbinsel Kamtschatka verschwinden die beiden Schwestern Aljona und Sofija spurlos. Die ganze Bevölkerung hält den Atem an. Suchtrupps durchkämmen die Stadt und die ratlosen Ermittler verfolgen wüste Theorien. Die einzigen Zeugin behauptet die Mädchen in einem blank geputzten, schwarzen SUV gesehen zu haben. Ihr wird wenig Glauben geschenkt.
Das ist die Rahmenhandlung des Buchs In den darauffolgenden Kapiteln wird jeweils die Geschichte einer Frau erzählt, die oft nur sehr lose mit den verschwundenen Schwestern in Verbindung steht. Die Kapitel sind voneinander unabhängig. Sie klingen wie Kurzgeschichten mit eigenem Spannungsbogen und eigenem Konflikt. Politische Themen werden dabei angerissen. Aber auch Liebe, Trauer, Familienkonflikte. Übergeordnet ist meistens die Unterdrückung der Frau durch eine patriarchale Gesellschaft.

Meine Meinung:

„Das Verschwinden der Erde“ ist ein komisches Buch. Komisch, aber großartig! Ich habe einen solchen Roman noch nie gelesen. Er war zwar sehr spannend, aber einen Thriller würde ich ihn nicht nennen. Ich würde das Buch als ein Mosaik bezeichnen, das sich einen Kriminalfall zu Nutzen macht und dann in Splitterfragmenten die Gesellschaft beleuchtet, in der sich dieser zugetragen hat.
Der Schreibstil der Autorin hat mir außerordentlich gut gefallen. Sehr poetisch und atmosphärisch. Obwohl man die Figuren nur über kurze Zeitabschnitte begleitet, begreift man sie und kann mit ihnen mitfiebern. Julia Philipps baut ihre Kapitel so auf, dass die jeweilige Geschichte immer genau dann endet, wenn die Spannung auf ihrem Höhepunkt ankommt. Man bleibt jedes Mal mit einem Cliffhanger zurück. Wenn man Glück hat, erhält man in einem Nebensatz der folgenden Kapitel die Auflösung, die man sich im vorherigen so gewünscht hat. Die Kapitel sind, wie bereits erwähnt, spannend, aber auch schwermütig. Die Frauen in den Geschichten haben es nicht leicht.
Man merkt, dass die Autorin sich intensiv mit Russland und vor allem mit der Region Kamtschatka auseinandergesetzt hat. Da ich selbst absolut kein Vorwissen besitze, kann ich nicht einordnen, inwieweit ihre Darstellung authentisch ist. Als Amerikanerin geht Julia Philipps allerdings für mein Empfinden sehr hart mit den Russen ins Gericht.
Das Ende der Geschichte hat mir in seiner Vielschichtigkeit außerordentlich gut gefallen und mich auch ein bisschen sprachlos gemacht. Ich hätte nicht gedacht, dass die Geschichte auf diese Weise aufgelöst wird.
An dieser Stelle möchte ich aber auch eine Warnung aussprechen. „Das Verschwinden der Erde“ ist absolut lesenswert und mein erstes Lieblingsbuch 2021. Ich kann mir allerdings vorstellen, dass es Leser*innen geben wird, die enttäuscht sein könnten. Gerade solche, die regelmäßig und gerne herkömmliche Thriller lesen. Man bekommt hier nämlich etwas ganz, ganz anderes. Wenn man sich allerdings auf diese Art des Erzählens einlassen kann, dann eröffnet das „Verschwinden der Erde“ beim Lesen neue kulturelle und menschliche Perspektiven.

Fazit: 

Ein sprachlich schönes und inhaltlich außergewöhnliches Buch, das sich aus individuellen Geschichten zusammensetzt, die um einen Kriminalfall konvergieren. Eine große Leseempfehlung für all diejenigen, die sich gerne mit Kultur und Gesellschaft auseinandersetzen wollen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 13.02.2021

Der Räuber und seine Muse

Inspired
0

Ich lese aktuell wenig Fantasy. Die Idee hinter „Inspired“ hat mich dennoch angesprochen. Eine Entführung und eine ungewünschte magische Partnerschaft. Das schreit doch nach Enemies to lovers, dachte ich ...

Ich lese aktuell wenig Fantasy. Die Idee hinter „Inspired“ hat mich dennoch angesprochen. Eine Entführung und eine ungewünschte magische Partnerschaft. Das schreit doch nach Enemies to lovers, dachte ich mir. Und damit kann man mich immer abholen.

Inhalt:
In einer Welt voller unterschiedlicher Spezies von Menschen und magischen Wesen stehen die Musen am oberen Ende der Gesellschaft. In einem heiligen Bündnis mit einem Menschen, kann die Kraft einer Muse ihrem Partner zu außergewöhnlichen Fähigkeiten auf unterschiedlichen Gebieten der Kunst verhelfen.
Der junge Jay Fischer befindet sich in einer scheinbar ausweglosen Situation. Jay wird von einer mafiösen Organisation bedroht und braucht dringend Geld. Deswegen entführt er die Muse Niliana auf offener Straße und hofft durch ihre Magie und ihren sozialen Einfluss seine Probleme lösen zu können. Allerdings läut bei Jay wenig nach Plan und so aktivieren Niliana und er bei der Entführung kurzerhand das Musenbündnis. Danach müssen sie enger aneinander rücken als es ihnen beiden lieb ist.

Meine Meinung:
„Inspired“ ist ein Buch mit einem rasanten Plot. Ständig passiert etwas Neues und hinter jeder Ecke lauert ein weiterer Twist. Nicole Gozdek schreibt spannend und führt den Leser mehr als nur einmal an der Nase herum. Manchmal werden in Nebensätzen kleine Informationen eingestreut, die den Plot in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen. Dabei sind mir ihr Sätze phasenweise ein bisschen zu lang und schachtelig konstruiert. Gegen Ende des Buchs wird das allerdings besser.

Das schnelle Tempo ist definitiv der größte Pluspunkt von „Inspired“, bringt jedoch auch seine Nachteile mit sich.

Die Charakterentwicklung von Jay und Niliana bleibt hinter der Handlung leider etwas zurück. Um die beiden besser verstehen zu können, hätte man mehr über ihre inneren Konflikte erfahren müssen. So wirken die beiden in ihrem Handeln jünger und naiver, als sie es eigentlich sind. Gerade mit Jay hatte ich zu kämpfen. Er hat so viel Hintergrund und Vergangenheit. Das macht seinen Charakter wirklich interessant. Trotzdem wirkt er wie ein Jugendlicher und nicht wie der Mann von zweiundzwanzig Jahren, der er eigentlich ist. Niliana ist leichter zu mögen, aber in ihren Handlungen auch noch sehr kindlich.

Trotzdem steckt das Buch voller spannender und kreativer Ideen. Die Nebenfiguren sind fantasievoll und zum Liebhaben. Vor allem mit ihnen habe ich mitgefiebert. Die Welt, in der die Geschichte spielt ist sehr innovativ. Eine Art Urban Fantasy Paris mit unterschiedlichen Planeten. Auch hier hätte man noch ein paar mehr Details herausarbeiten können, damit die Leser das Setting und die Probleme der Gesellschaft besser vor Augen haben. Sehr viele Themen wurden angerissen: Das komplizierte Verhältnis zwischen Musen und ihren Bündnispartnern, die ihnen einen Teil ihrer Magie wegnehmen, die politischen Einschränkungen des Musenbündnisses, die Trennung der einzelnen Spezies innerhalb der Gesellschaft. Alles sehr interessant, aber über nichts davon wusste ich am Ende genug, um damit zufrieden zu sein.

Andererseits spricht das natürlich auch für die Geschichte. Man will mehr. Man hat das Gefühl, dass man nur einen Ausschnitt gesehen hat.

Fazit:
„Inspired - Magie der Muse“ ist ein tolles, kurzweiliges Fantasyabenteuer, mit kleinen Schwächen in den Details. Vor allem jugendlichen Lesern, die actionreiche Lovestories mögen, würde ich es unbedingt ans Herz legen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere