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Veröffentlicht am 22.04.2022

Im Fenster brennt noch Licht

Morgen kann kommen
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Nachdem ich „Morgen kann kommen“ von Ildikó von Kürthy bereits gelesen habe, habe ich in den letzten Tagen Ildikós Stimme gelauscht, während sie mir ihr Buch nicht einfach nur vorgelesen, sondern die Geschichte ...

Nachdem ich „Morgen kann kommen“ von Ildikó von Kürthy bereits gelesen habe, habe ich in den letzten Tagen Ildikós Stimme gelauscht, während sie mir ihr Buch nicht einfach nur vorgelesen, sondern die Geschichte erzählt hat.

Als Ruth erkennt, dass ihr Mann sie betrügt, fährt sie kurzentschlossen mit Auto und Hund aber ohne Gepäck in das einzige Zuhause, in dem sie sich je wohl gefühlt hat – die Villa ihrer Großeltern in Hamburg. In ihrem Zimmer dort brannte immer eine kleine Lampe im Fenster, wie bei einem Leuchtturm, damit sie sich im Dunklen nicht fürchtete und nach Hause fand. Sie hat das Haus zuletzt vor 15 Jahren betreten, bevor es zum großen Knall kam, bevor sie sich mit ihrer Schwester Gloria zerstritten hat. Der gehört das Haus jetzt, doch sie bewohnt es nicht allein. Gloria wirkt nach außen sehr barsch, hat aber ein großes Herz. Jeder der ein offenes Ohr oder einen Unterschlupf braucht, findet das bei ihr. Wie Rudi, der gute Sozi, der Ordnung liebt und immer für andere da ist. Er wird nicht mehr lange bleiben, nur noch bis zu seinem selbstbestimmten Tod. Oder der exaltierte Erdal, der eigentlich gerade eine Detox-Kur macht, die er aber nicht erträgt. Er bringt seine Cousine Fatma und ihre Teenager-Tochter mit, die das Fass zum Überlaufen bringen …

Nicht zum ersten Mal ist mir aufgefallen, dass ich beim Hören einen anderen Focus auf ein Buch habe als beim Lesen, andere Stellen werden plötzlich wichtig. Mir fallen die Ähnlichkeiten und Unterschiede der Schwestern stärker auf, ihre früher extrem innige Beziehung, wie sehr sie sich gegenseitig Mut und Halt gegeben haben.
Außerdem finde ich den Kontrast zwischen Ruth, die gerade mit einem Knall zurück ins Leben findet, und Rudi stärker, der sich immer mehr verabschiedet, ganz leise, um niemanden zu stören. Mir wird bewusster, wie er den Bezug zur Wirklichkeit und Realität immer mehr verliert, wie seine Angst vorm Tod immer kleiner wird, während die vorm Dahinsiechen zunimmt. Welche seiner Ängste gewinnt am Ende? Und natürlich stellt sich mir dann die Frage, wie mutig man sein muss, um seinem Leben ein Ende zu setzen, bevor eine Krankheit das übernimmt.
Aufgelockert werden diese schwierigen Themen durch Erdal, der immer im genau richtigen Moment schonungslos offen das ausspricht, was andere nicht mal zu denken wagen und die Situationen dadurch auflockert. Die Balance zwischen Humor und den nachdenklichen Stellen gelingt Ildikó von Kürthy sehr gut, auch bei der Modulation ihrer Stimme trifft sie immer genau die richtige Nuance Gefühl oder Witz.

Ildikó von Kürthy hat es auch mit ihrem Hörbuch geschafft, mich zum Lachen und Weinen zu bringen, zum Nachdenken und Träumen. „Morgen kann kommen“ hat mich sprachlos gemacht und erschüttert – aber gleichzeitig auch Hoffnung verbreitet.

Und wenn ich mich jetzt am Ende zwischen Buch oder Hörbuch entscheiden müsste, dann könnte ich das ehrlich gesagt nicht. Mir hat es sowohl beim Selbstlesen als auch Zuhören sehr gut gefallen und extrem berührt. Ich bin gespannt, ob und wie Ruths und Glorias Geschichte weitergeht. Denn jedem Ende wohnt ein Anfang inne …

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Veröffentlicht am 21.04.2022

Brot mal anders

Die Gemüsebäckerei
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Nicht erst seit der Mehlknappheit „strecke“ ich Brot mit Gemüse. Vor allem mein Apfel-Möhre-Mehrkornbrot erfreut sich bei Familie und Freunden großer Beliebtheit, weil es sehr gut schmeckt und durch das ...

Nicht erst seit der Mehlknappheit „strecke“ ich Brot mit Gemüse. Vor allem mein Apfel-Möhre-Mehrkornbrot erfreut sich bei Familie und Freunden großer Beliebtheit, weil es sehr gut schmeckt und durch das Obst und Gemüse im Teig auch länger frisch bleibt. Im Sommer backe ich gern mit Zucchini und im Herbst und Winter mit Kürbis – aber letztendlich greift man immer auf die gleichen Rezepte zurück.
Darum war ich so gespannt auf „Die Gemüsebäckerei“ von Lina Wallentinson. Was die Abwechslung und Inspiration ihrer Rezepte betrifft, wurde ich auch nicht enttäuscht. Egal ob Brötchen, Knäckebrot, Weichgebäck oder süße Köstlichkeiten, Gemüse nimmt stets eine zentrale Rolle ein und die ausprobierten Rezepte (Süßkartoffelwaffeln, Möhrenbrötchen, grüne Baguettes mit Spinat und Zucchini, Kartoffel-Tartelette und Rote-Beete-Kuchen) waren auch sehr lecker, nur im Grützbrot fehlt eindeutig Brotgewürz oder Ähnliches.

Allerdings hat das Buch einige Mankos vorzuweisen, die es vor allem Anfängern schwer machen werden. Die Bäckerin ist Schwedin und mir ist klar, dass die Mehlsorten dort anders heißen als bei uns, aber ich habe auch durch Googeln nicht herausbekommen, was das Gegenstück zu Weizen-Spezialmehl oder grobem Roggenmehl ist – evtl. feiner Roggenschrot? Es fehlt einfach grundsätzlich die Angabe, welcher Mahlgrad jeweils gemeint ist und auch beim Backen werden zwar Temperaturen angegeben, aber nicht die Backart (also Heißluft, Ober/Unterhitze etc.). Zudem habe ich nur einmal die Menge fertiger Gebäckstücke herausbekommen, die im Buch angegeben wird – ansonsten wurden es statt 20 Brötchen nur 13 (ziemlich kleine) und statt 12 Waffeln sogar nur 4. Auch der Rote-Beete-Gugelhupf füllte die Form gerade mal zur Hälfte aus, ertrank dafür aber in dem Guss. Außerdem sind die Brot- und Brötchenteige extrem weich und mit der Hand kaum zu verarbeiten, werden darum oft nur aufs Blech oder in eine Form „geklickert“ (mit einem Esslöffel portioniert). Da wird viel Potential verschenkt und ich frage mich, ob die Rezepte schlecht übersetzt oder nicht noch einmal ausprobiert wurden.

Mein Fazit: Die Grundidee ist super und die Gebäckstücke sind lecker, aber bei der Umsetzung und Anwenderfreundlichkeit lassen die Rezepte leider zu wünschen übrig.

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Veröffentlicht am 21.04.2022

Emanzipation Ende des 19. Jahrhunderts

Die Frauen vom Karlsplatz: Auguste
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Auguste ist 15, als sie mit ihren Eltern nach Lichterfelde an den neu gebauten Karlsplatz zieht. Sie darf noch ein Jahr eine höhere Mädchenschule besuchen, um auf ihr Leben als Ehefrau und Mutter vorbereitet ...

Auguste ist 15, als sie mit ihren Eltern nach Lichterfelde an den neu gebauten Karlsplatz zieht. Sie darf noch ein Jahr eine höhere Mädchenschule besuchen, um auf ihr Leben als Ehefrau und Mutter vorbereitet zu werden – für einen Mann, den ihre Eltern für sie aussuchen werden. Sie macht sich keine Gedanken deswegen, das ist in ihrer Gesellschaftsschicht eben so. „… es stand ihr nicht zu, eine Meinung zu haben, das verstand sie wohl und war nicht traurig deswegen.“ (S. 15)
Doch ihre neue Schule ist sehr fortschrittlich und vertritt die These, dass Frauen nicht nur für die die Ehe trainiert, sondern auch eine gute Bildung erhalten sollten. „… Wissen ist das Schönste, was das Leben zu bieten hat, und Klugheit die größte Zierde einer Frau.“ (S. 27) Augustes neue beste Freundin Lotte träumt sogar davon, Ärztin zu werden und lehnt sich gegen die Zukunftspläne ihrer Eltern auf. „Es ist wie im Gefängnis. Das ist kein Leben, Auguste. Jedenfalls nicht für mich.“ (S. 42) Schnell werden die beiden unzertrennlich, aber dann soll Auguste verlobt werden und widerspricht zum ersten Mal ihren Eltern. Und Lotte lässt sich zu einer folgenschweren und unüberlegten Handlung hinreißen die alles verändert …

Anne Stern siedelt ihre beiden Protagonistinnen in einer Zeit an, in der sich die Welt schon im Umbruch befindet, die bigotte Elterngeneration aber noch an alten Traditionen und Werten hängt. Mädchen werden von klein auf in ein Korsett gezwängt – im wirklichen und übertragenen Sinn. Sie brauchen keine Bildung oder gar einen Beruf, ihr ganzes Streben soll einem Mann und Kindern dienen.
Auguste hat dieses Leben nie in Frage gestellt, bis sie Lotte kennenlernt. Deren moderne Ansichten und unrealistischen Wünsche erschrecken sie und imponieren ihr gleichermaßen. Sie beginnt, über ihre eigene Zukunft nachzudenken und sich immer mehr zu emanzipieren.

Die Autorin schildert eine sehr zarte und innige Beziehung zweier junger Frauen, die sich regelrecht von der Welt abkapseln. „Zwei Mädchen in schwarzen Kleidern, mit Spitzensaum und schmaler Taille, die durch eine gläserne Schneekugel wanderten, abgeschirmt von der Welt, aber auch eingeschlossen in ein Gefängnis aus Schnee und Glas.“ (S. 110) Das weckt in ihren Eltern die Angst, dass die Beziehung über das Schickliche hinausgeht.

Es war erschreckend zu lesen, wie eingeengt und vorbestimmt Augustes und Lottes Leben war und ich bin froh, dass ich das Buch jederzeit zuklappen und in meine Zeit zurückkehren konnte.

„Die Frauen vom Karlsplatz: Auguste“ ist ein schöner Reihenauftakt. Ich mag die poetische Sprache und das emotionale Drama um die beiden Freundinnen, allerdings war die Handlung für mich etwas zu vorhersehbar.

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Veröffentlicht am 17.04.2022

Das Ende der Unschuld

Das Grand Hotel - Die der Brandung trotzen
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Bernadette von Plesow lässt die Verhaftung ihres Sohnes keine Ruhe. Constantin, der den Berliner Ringverein leitet, soll einen Kontrahenten umgebracht haben und jetzt dafür evtl. zum Tode verurteilt werden. ...

Bernadette von Plesow lässt die Verhaftung ihres Sohnes keine Ruhe. Constantin, der den Berliner Ringverein leitet, soll einen Kontrahenten umgebracht haben und jetzt dafür evtl. zum Tode verurteilt werden. Also fährt sie nach Berlin, um dem Prozess beizuwohnen und seinem Anwalt auf die Finger zu schauen.
Bei der Gelegenheit sucht sie auch nach Margrit, der Witwe ihres Sohnes Alexander. Die hat ihre kleinen Zwillingssöhne in Binz zurückgelassen, um sich für die NSDAP zu engagieren und der in ihren Augen übermächtigen Bernadett zu entkommen. „Sie würde aus dem Schatten ihrer Schwiegermutter heraustreten, wie sie es längst hätte tun sollen, und in Berlin ihren eigenen Weg einschlagen.“ (S. 79)
Auch Maria, Constantins heimliche Geliebte und die Hausdame seines Hotels, sorgt sich um ihn. Als er kurz vor dem Prozess spurlos verschwindet, bekommt sie es mit der Angst zu tun – wurde Constantin „nur“ entführt oder von einem Kontrahenten ermordet?
Bernadettes Tochter Josephine bleibt derweil in Binz, um sich um Margrits Söhne zu kümmern und die Renovierung des Palais voranzutreiben, das Bernadette von ihrem verstorbenen Geliebten geerbt hat. Josephine will es in eine Künstlerhotel umwandeln und bekommt dabei unerwartet Hilfe von ihrem alten Freund Friedrich.

Der letzte Band der Reihe dreht sich vorwiegend um Constantin. Im Geschäft wirkt er genauso hart und unnachgiebig wie seine Mutter und eigentlich sollte man ihn als Leser wahrscheinlich unsympathisch finden und für seine Taten verachten, aber durch seine Liebe zu Marie und den Umgang mit seinen Untergebenen bleibt er trotz allem menschlich.
Bernadette hat keine Illusionen, wohin er sich entwickelt hat und womit er sein Geld verdient. „Ihr Sohn war ein skrupelloser Gangster geworden, dem jedes Mittel recht war, um seine Ziele zu erreichen.“ (S. 14) Aber sie liebt ihn trotzdem. Um ihn freizubekommen, ist ihr jedes Mittel recht – auch ein unsauberer Deal. „Sie erledigen die schmutzigen Geschäfte und ich die sauberen. Am Ende bekommt jeder seinen Anteil und alle sind glücklich.“ (S. 238) Bernadett läuft zur Hochform auf und beweist, dass sie nicht umsonst seit Jahren die uneingeschränkte Chefin des Grand Hotels ist.

Auch der Erzählstrang um Margrit hat mir sehr gut gefallen. Sie glaubt fest an die Ziele und Zukunft der NSDAP. Ihr nächster Ehemann soll unbedingt aus deren Führungsriege kommen – dafür hat sie einen Großteil ihres Erbes investiert. Geschickt laviert sie um alle Hindernisse, bis Bernadette bei ihr auftaucht …

„Die der Brandung trotzen“ ist der würdige Abschluss der Grand-Hotel-Saga, in dem Caren Benedikt noch einmal alle Akteure auftreten lässt, lose Fäden verknüpft und offene Handlungsstränge beendet. Wie schon in den ersten beiden Bänden schreibt sie extrem spannend und mitreißend. Einmal angefangen, kann man das Buch kaum aus der Hand legen. Ich bin schon sehr gespannt, wohin uns die Autorin als nächstes entführt.

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Veröffentlicht am 15.04.2022

Sterben, wo andere Urlaub machen

In einer stillen Bucht
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Der Sommer ist schon fast vorbei, als in einem angespülten Koffer vor Capri eine Frauenleiche gefunden wird. Schnell finden die Inselpolizisten Enrico Rizzi und Antonia Cirillo heraus, dass es sich bei ...

Der Sommer ist schon fast vorbei, als in einem angespülten Koffer vor Capri eine Frauenleiche gefunden wird. Schnell finden die Inselpolizisten Enrico Rizzi und Antonia Cirillo heraus, dass es sich bei der Toten um Maria Grifo, die Direktorin des Musikkonservatorium von Neapel handelt, die in einem Hotel auf Capri übernachtet hatte. Bei der Suche nach einem Mordmotiv stellen sie fest, dass Maria nicht sonderlich beliebt war, sich mit ihrer Tochter zerstritten hatte und bei den Lehrern und Schülern des Konservatoriums als streng, kompromisslos und unnahbar galt. Während Cirillo und Rizzi in diese Richtung ermitteln, taucht ein letzter Brief von Maria an ihre Tochter auf. Darin kündigt diese eine große Überraschung an, ein neues, besseres Leben für sie beide. Wie wollte sie das finanzieren? Auf ihrem Konto sind nur Schulden. Hat sie einen Geldregen erwartet und hängt das evtl. mit der verschwundene Stradivari-Harfe zusammen?

In ihren dritten Fall sind Rizzi und Cirillo ein eingespieltes Team und ergänzen sich perfekt. Sie ermitteln im Milieu der klassischen Musik und bekommen einen Einblick in die harte Auswahl und Ausbildung der Musiker. Dabei legen sie sich wegen ihrer Eigenmächtigkeiten wieder mit ihrem Vorgesetzten an, kommen der Lösung am Ende aber nur durch einen Zufall auf die Spur.
Ihr Privatleben spielt wieder eine große Rolle. So setzt Rizzi im Zuge seiner Nachforschungen auf die Nachbarinsel Procida über, auf der seine Ex-Frau wohnt, sieht ihr Haus aber nur wehmütig aus der Ferne an – ihre Beziehung wird immer noch vom Tod ihres gemeinsamen Sohnes überschattet. Seine Eltern drängen, dass er endlich seine Freundin Gina heiratet, aber die lebt lieber in wilder Ehe. Und Rizzi selber scheint es auch nicht eilig zu haben – die Uhren auf der Insel gehen eben langsamer …
Cirillo hingegen bekommt am Ende nebulösen Besuch aus ihrer Vergangenheit. Ich bin gespannt ob man je erfährt, warum sie nach Capri strafversetzt wurde und ihr Sohn in einem anderen Land lebt.

„In einer stillen Bucht“ ist ein entspannter Cosy-Krimi mit viel italienischem Flair, der Lust auf Capri-Urlaub macht – nach Möglichkeit aber bitte ohne Mord !

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