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Veröffentlicht am 10.05.2019

Der Hypochonder

Unheilbar glücklich
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„Lieber ein paar Tage als jahrelang sterben.“ (S. 38) sagt sich Konstantin, als er von seinem Hausarzt die Diagnose Leberkrebs im Endstadium bekommt. Dabei hatte er doch nur leichte anhaltende Schmerzen ...

„Lieber ein paar Tage als jahrelang sterben.“ (S. 38) sagt sich Konstantin, als er von seinem Hausarzt die Diagnose Leberkrebs im Endstadium bekommt. Dabei hatte er doch nur leichte anhaltende Schmerzen im rechten Oberbauch. Jahrelang hat er sich in alle möglichen Krankheitsszenarien reingesteigert und nun das. Total kopflos lässt er sein altes Leben hinter sich und fliegt nach Thailand, um Freya wiederzusehen, die neben ihm im Wartezimmer saß und dort Yoga-Unterricht erteilt. Er, der immer alles durchorganisiert und sich dreifach absichert, reist ohne Gepäck und Impfung. Schließlich hat er ja nichts mehr zu verlieren. Doch schon bei der Ankunft gibt es Probleme. Auf einem Markt schenkt im eine alte Frau einen Bergkristall, der nach Ansicht von Käthe, einer anderen Deutschen, verhext ist. Prompt fängt er sich einen Magen-Darm-Virus ein, Yoga erweist sich als „ ... Sadomaso in Sportklamotten.“ (S. 71) und Käthe entwickelt sich zur Stalkerin – sein Leben könnte wirklich beschaulicher enden. Und dann erinnert sich Freya nicht mal an ihn ...

Selten hatte ich soviel Mitleid und musste gleichzeitig so laut lachen über einen jammernden Mann. Konstantin ist aber auch wirklich eine arme Sau. Seine Freundin hat ihn nach 14 Jahren abserviert. Er horcht dauernd in sich rein und analysiert sich selbst, ist er der Guru in einem (für den Leser sehr amüsanten) Selbsthilfeforum und hat für jedes Zipperlein die passende Krankheit inkl. der Behandlungsmöglichkeiten und Statistik zur Überlebenschance parat. Konstantin hat eigentlich vor allem Angst, vorm Leben genau so wie vorm Sterben. „Als ich die Möglichkeit hatte zu leben, versteckte ich mich in Planung, Pflicht und Arbeit, und als ich krank wurde, flüchtete ich nach Thailand.“ (S. 88) Doch auch in Thailand kann er sich weder auf das tolle Land, noch auf die Leute einlassen, weil er in allem immer nur die Gefahr sieht.

Sehr humorvoll und gleichzeitig philosophisch schreibt Jonas Erzberg über Konstantins Sinnsuche. Neben Leben, Krankheit und Tod und wie wir damit umgehen, geht es auch um die Schnelllebigkeit unserer Zeit. Wir sind immer online, immer sichtbar, immer auf dem neuesten Stand und uns selber damit meist schon drei Schritte voraus. Wir verbleiben nicht mehr im Jetzt und hören kaum noch unserem Körper (oder Ärzten) zu, sondern suchen unsere Informationen im Netz und verlernen bzw. verpassen dabei unser Leben. „... hören sie endlich mit dem Leben in Schonhaltung auf!“ „Leben ist die beste Therapie!“ (S. 172)

„Unheilbar glücklich“ ist kein Liebesroman, obwohl natürlich auch ein kleines bisschen Liebe vorkommt, schließlich verguckt sich Konstantin in Freya, auch wenn es ihm schwer fällt, ihr das zu zeigen.
Für mich ist das Buch ein Aufruf, sein Leben mal wieder zu genießen und sich Zeit für sich zu nehmen – oder wenigstens für dieses Buch . „Und ich spürte den warmen Sand zwischen meinen Zehen, ich war Pilger, Entdecker, Abenteuerreisender, und ich wollte es genießen.“ (S. 74)

Hinter dem Pseudonym Jonas Erzberg steht übrigens der Journalist Hannes Finkbeiner, dessen Roman „Jogginghosen-Henry“ ich Euch ebenfalls sehr empfehlen kann.

Veröffentlicht am 04.05.2019

Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust

Die Schwarzkünstlerin
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Wer kennt nicht dieses Faust-Zitat und was wäre, wenn es nicht ein, sondern zwei Menschen – ein Mann und eine Frau – gewesen wären, die Goethe als Vorbild für seinen „Faust“ gedient haben? Gut und Böse, ...

Wer kennt nicht dieses Faust-Zitat und was wäre, wenn es nicht ein, sondern zwei Menschen – ein Mann und eine Frau – gewesen wären, die Goethe als Vorbild für seinen „Faust“ gedient haben? Gut und Böse, Ying und Yang, Adam und Eva, Engel und Teufel – das eine kann ohne das andere nicht sein. Darauf baut Roman Rausch seinen Faust-Roman, seine „Schwarzkünstlerin“ auf.

„Eher gehe ich durch die Hölle, als mich ihrer Zucht noch länger zu unterwerfen.“ (S. 33)
Margarethe ist die Tochter eines einflussreichen Fürsten, die wegen ihrer Wissbegier und Unbeugsamkeit in ein Kloster abgeschoben wurde. Aber auch dessen Mauern können sie nicht halten. Auf ihrer Flucht begegnet sie dem Scharlatan Georg Helmstätter, der die Kleingläubigen mit seiner Scharade als Magister Sabellicus unterhält und abzockt. Er versucht Margarethe für seine Betrügereien zu gewinnen, aber sie widersteht und beginnt als Johann Faust ein Studium in Heidelberg. Doch als sie ihm später wieder über den Weg läuft, lockt er sie mit seinem geheimen Wissen über Magie und Alchemie. Sie zieht mit ihm durchs Land, fühlt sich endlich frei. Allerdings muss sie bald erfahren, dass sie als gelehrte Frau nichts gilt. Doch Sabellicus hat einen Plan – „Wie weit bist Du bereit, für Deine Träume zu gehen?“ (S. 141) – den sie letztendlich teuer bezahlen muss. Den Rest ihres Lebens wird sie von ihrem Hass auf Sabellicus getrieben, der Suche nach ihm, dem Durst nach Rache.

Roman Rausch hat ein sehr umfassendes Sittengemälde der damaligen Zeit geschaffen. Die Welt ist im Umbruch, die Bauernkriege verwüsten das Land, Luther spaltet die Gläubigen, der Buchdruck verbreitet sich (und damit Nachrichten, egal ob wahr oder falsch), Gewalt und Tod sind an der Tagesordnung. Aber es werden auch theologische und wissenschaftliche Streitgespräche geführt, man will der Welt auf den Grund gehen, will wissen „was die Welt im Innersten zusammenhält“.

Rauschs Margarethe ist keine verführte Unschuld sondern eine sehr kluge und wissbegierige Frau, die das will, was nur Männern zusteht – eine umfassende Bildung und die Welt erforschen, ihr Wissen anwenden und vielleicht sogar weitergeben, ohne dafür in einem Kloster gefangen zu sein. Leider geht sie dabei Georg Helmstätter auf den Leim und hilft ihm unbewusst, als Dr. Faust berühmt zu werden.

„Die Schwarzkünstlerin“ ist keine leichte Historische Unterhaltungsliteratur sondern anspruchsvoll und fordert seine Leser.

Veröffentlicht am 02.05.2019

Mehr politisches Statement als Krimi

Bronstein
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Wien 1936: Oberst David Bronstein soll zusammen mit seinem Mitarbeiter Cerny den Mord an Hans Binder aufklären, einem ehemaligen Vertrauensmann der Sozialdemokraten, welcher in seiner Wohnung erschossen ...

Wien 1936: Oberst David Bronstein soll zusammen mit seinem Mitarbeiter Cerny den Mord an Hans Binder aufklären, einem ehemaligen Vertrauensmann der Sozialdemokraten, welcher in seiner Wohnung erschossen wurde. Allerdings finden sich keinerlei Hinweise auf den Täter oder wenigstens ein Motiv. Die anderen Mieter im Haus meinen „Die G´schicht´ ist ja eh völlig klar. Den Hans, den haben die Faschisten g´macht.“ (S. 17)
So ist es auch nicht verwunderlich, dass Bronsteins Chef ihn nur 2 Tage später von dem Fall abzieht. Der tote Binder interessiere keinen, um den kann sich der Cerny kümmern. Er soll stattdessen in einem Sozi-Prozeß einen Zuschauer spielen und die anderen Zuschauer bespitzeln. Bronstein hat keine Lust, aber schon der erste Verhandlungstag macht ihm klar, dass dieser Prozess ein Politikum ist und seine Meinung über die herrschenden Verhältnisse nachhaltig beeinflusst.

„Bronstein – sein vergessener Fall“ ist bereits der 5. Fall dieser Reihe und obwohl ich die Vorgängerbände nicht kenne, hatte ich keine Probleme, die Figuren oder ihre Handlungen zu verstehen. Trotzdem konnte mich Andreas Pittler nicht ganz überzeugen.
Oberst Bronstein kein schneidiger Ermittler, sondern ein netter, älterer, gemütlicher Herr, der auf seine Pensionierung wartet und die Zeit gern im Kaffeehaus oder der Wirtschaft verbringt. „Wie sollte da er, alt und verbraucht, einen Mörder fangen, wenn überhaupt nichts mehr so war, wie es vordergründig den Anschein hatte?“ (S. 109) Im Umgang mit Frauen ist er etwas ungelenk aber charmant. Die Welt ist im Umbruch und Bronstein wird das alles zu viel. Der erste Weltkrieg war doch schlimm genug, warum haben die Menschen nichts daraus gelernt sondern bekriegen sich schon wieder?! Am liebsten würde er am Meer sitzen und in die Wellen starren. Genau so ermittelt er auch, ganz in Ruhe.

Mit fehlte hier eindeutig Spannung. Die Handlung tröpfelt nur so vor sich hin. Ungefähr die Hälfte des Buches beschäftigt sich mit dem Gerichtsprozess und der Nazifizierung Europas, statt mit dem Mord. Ich war regelrecht überrascht, als es dann auf den letzten 60 Seiten doch noch mal um den Fall ging und er auch endlich aufgeklärt wurde.
Der Autor erzählt sehr weitschweifig, kommt vom Hundertsten ins Tausendste und verwendet sehr viele österreichische Begriffe, die leider nicht alle erklärt werden. Das sorgt zwar für viel Wiener Schmäh, aber auch Verwirrung bzw. Verzögerung, weil man immer mal wieder Googeln muss, was denn nun gemeint ist.
Leider nur 3 von 5 Sternen.

Veröffentlicht am 29.04.2019

Einsame Lady aus Lanster

Eine irische Familiengeschichte
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... steht über der Anzeige, die Patricia nach dem Tod ihrer Mutter aufgibt. „Die letzten 14 Jahre hatte sie damit verbracht darauf zu warten, dass es ihrer Mutter besser gehen würde oder dass sie starb.“ ...

... steht über der Anzeige, die Patricia nach dem Tod ihrer Mutter aufgibt. „Die letzten 14 Jahre hatte sie damit verbracht darauf zu warten, dass es ihrer Mutter besser gehen würde oder dass sie starb.“ Inzwischen ist sie schon Mitte 30 und gilt als alte Jungfer. Jetzt soll ihr Leben endlich anfangen – mit einem Mann. Edwards Antwort auf ihre Annonce gefällt ihr am besten, also treffen sie sich.

Elisabeth ist geschieden und lebt mit ihrem Sohn in New York. Nach dem Tod ihrer Mutter Patricia fliegt sie nach Irland, um deren Haushalt aufzulösen und das Haus zu verkaufen. Dabei entdeckt sie eine Kiste mit einem alten Babyschuh und Briefen aus dem Jahr 1973. „Erinnerungen verschwinden nicht einfach, sie verstecken sich nur.“ Elisabeth erfährt aus ihnen, dass ihre Mutter mit Hilfe einer Annonce einen Mann gesucht hat. Da sie ihren Vater nie kennengelernt hat, ist sie neugierig – sind die Briefe vielleicht von ihm?

Graham Norton erzählt die Geschichte dieser irischen Familie abwechselnd auf zwei Zeitebenen, wobei die Übergänge oft fließend sind.
Patricia hat nie über Elisabeths Vater geredet, es hieß, er wäre vor ihrer Geburt gestorben. Die Briefe allerdings sprechen eine ganz andere Sprache. Aber weder ihre irische Verwandtschaft noch ehemaligen Freundinnen ihrer Mutter wissen etwas darüber oder wollen darüber reden: „Was glauben sie dort zu finden? ... Meiner Erfahrung nach gibt es immer deutlich weniger Antworten als Fragen.“
Edward kam nie über den Tod seines Bruders hinweg, obwohl dieser schon Jahrzehnte her ist. Er bewirtschaftet den Hof und das Land zusammen mit seiner Mutter – ein einsamer Mann, der endlich eine eigene Familie will.

Der Autor schildert das Kennenlernen von Edward und Patricia aus ihrer beider Sicht. Sie erleben das gleiche, empfinden es aber ganz anders. Eigentlich löst Edward keine Gefühle bei Elisabeth aus, aber er bemüht sich sehr um sie und sie liebt die Idee, verliebt zu sein und einen Mann zu haben. Davon kann sie nicht mal seine merkwürdige Mutter abhalten. Ist er Elisabeth’ Vater?

Das Hörbuch ist viel spannender und emotionaler, als es das Cover und der Klappentext vermuten lassen. Die unheimliche Atmosphäre auf Edwards Hof und während Elisabeth’ Suche werden sehr fesselnd beschrieben. Für mich geht es in der Geschichte um 3 Neuanfänge – Edward und Patricia suchen eine Zukunft, Elisabeth ihre Vergangenheit. Dabei entdeckt sie ein düsteres, erschreckendes Familiengeheimnis, eine sehr verstörende Mutter-Sohn-Beziehung.

Ich mag Charly Hübner als Sprecher sehr, es war auch nicht mein erstes Hörbuch mit ihm. Er bringt die düstere, fast schon depressive und verzweifelte Stimmung der Protagonisten sehr gut rüber.

Mein Fazit: Eine extrem spannende Familiengeschichte und ein psychologisches Meisterwerk mit einem gleichermaßen überraschenden wie schockierenden Ende.

Veröffentlicht am 28.04.2019

Zu wenig Krimi und „dolce vita“, dafür zu viel Drama

Taxi criminale - Ein Fall für die rasanteste Hobbyermittlerin Roms
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Eigentlich wollte Debora Polizistin werden, doch dann starb ihr Vater und sie übernahm sein Taxi, um Geld für die Familie zu verdienen.
Eines Tages bittet eine elegante Kundin sie, vor einem Wohnblock ...

Eigentlich wollte Debora Polizistin werden, doch dann starb ihr Vater und sie übernahm sein Taxi, um Geld für die Familie zu verdienen.
Eines Tages bittet eine elegante Kundin sie, vor einem Wohnblock auf sie zu warten, sie müsse nur schnell was holen. Nach einer Stunde gibt Debora auf, die Kundin ist nicht zurückgekommen und nicht erreichbar. Debora ärgert sich, bis sie die Frau am nächsten Tag in der Zeitung sieht – sie wurde ermordet. Der zuständige Commissario Raggio ist begeistert, als Debora ihre Aussage macht., das ändert sich allerdings, als sie ziemlich barsch fordert, ihn bei dem Fall unterstützen zu dürfen ...

„Taxi criminale“ von Nora Venturini ist vermutlich der Auftakt einer neuen italienischen Cosy-Krimi-Reihe mit Taxifahrerin Debora und Commissario Raggio, denn natürlich raufen sie sich im Laufe der Handlung zusammen und kommen sich näher, als für beide gut ist. Debora ist nicht nur viel jünger als er, er ist auch noch verheiratet.

Debora wohnt noch zu Hause und muss mit ansehen, wie ihr jüngerer Bruder, der Medizin studiert, von ihrer Mutter nach Strich und Faden verwöhnt wird, während sie zu funktionieren hat. Das Klima ist also etwas angespannt. Sie ist solo und flüchtet sich immer wieder in recht dramatische Tagträume (die mir viel zu übertrieben waren), in denen immer häufiger Raggio eine tragende Rolle einnimmt.
Auch sonst hatte ich so meine Probleme mit der Debora. Zum einen hadert sie dauernd mit ihrer Figur und fängt eine Diät an, die sie nie länger als 3-4 Stunden durchhält, dabei trägt sie Kleidergröße 36 – was für ein Frauenbild soll uns das vermitteln?! Sie verbeißt sich immer mehr in den Fall und drängt Raggio beiseite: „Die Polizei bin ICH!“ (S. 174). Auch ihre zum Teil etwas kopflose übersteigerte Verliebtheit wirkte unrealistisch – Raggio sieht nicht gerade aus wie ein römischer Gott und ermuntert sie auch nicht!

Der Fall an sich ist recht interessant, da die Tote neben ihrem Ehemann wohl mindestens zwei Geliebte hatte und diese gern mal unter den Partner ihrer Freundinnen oder innerhalb der Familie rekrutierte. „Die Familie ist ein Hort unterdrückter Leidenschaften.“ (S. 271) Leider war mir trotzdem schon nach der Hälfte klar, wer sie warum umgebracht hat.

Auch zum Cover muss ich mich an dieser Stelle kurz äußern. Darauf ist eine schöne schlanke Frau mit langen glatten Haaren auf einer Vespa abgebildet – eine Vespa kommt aber in dem ganzen Buch nicht vor. Debora fährt nur Taxi und hat eine wilde Lockenmähne (und Probleme mit ihrer Figur). Auch auf den Handlungsort Rom weißt außer dem Kolosseum auf dem Cover leider nicht viel hin, da hätte ich mir mehr erwartet.

Meine Fazit: Die Grundidee für das Buch fand ich gut, aber Debora ist zu aufdringlich und dramatisch. Außerdem fehlte mir „dolce vita“ und Spannung bzw. Tempo.
2,5 von 5 Sternen.