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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.07.2018

Zeitgeschichte unterhaltsam verpackt

Das Jahrhundertversprechen (Jahrhundertsturm-Serie 3)
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Leider kannte ich die beiden Vorgängerbände dieser Trilogie bislang nicht, was ich im Nachhinein sehr bedauere. Dennoch konnte ich mich sofort gut in diesem dritten Band mit seinen Personen zurechtfinden. ...

Leider kannte ich die beiden Vorgängerbände dieser Trilogie bislang nicht, was ich im Nachhinein sehr bedauere. Dennoch konnte ich mich sofort gut in diesem dritten Band mit seinen Personen zurechtfinden. Dem Autor ist es gut gelungen, auch „Neulesern“ den Einstieg problemlos zu ermöglichen.

Es geht um die Familie Briest in der Zeit der Weimarer Republik 1921. Obwohl der erste Weltkrieg bereits seit 3 Jahren zu Ende ist, herrschen Not und Elend. Hohe Reparationszahlungen zwingen das Land in die Knie. Hunger ist Alltag. Wirre politische Strömungen schaffen Angst und Unsicherheit. Otto und Hermine Briest stehen kurz vor dem Bankrott, die Tochter Luise hofft auf eine Filmkarriere. Die Menschen suchen Ablenkung von ihrer Not, und so boomt alles, was kurzzeitig Vergnügen bereitet, Filmtheater, Varietés und Autorennen. Max, der Ziehsohn der Familie Briest, der einst Luisa das Leben gerettet hatte, versucht sich als Rennfahrer zu beweisen, doch ein Erzfeind der Familie von Briest nutzt die Politik der Zeit, um den Untergang der Familie von Briest voranzutreiben.

Vom Buchumfang von mehr als 650 Seiten zu Anfang etwas verschreckt, nahm mich die Geschichte jedoch nach kurzem Einlesen restlos gefangen, und ich las mich mit großer Freude und kurzweilig unterhalten durch die Zeit von 1921 bis 1928. Richard Dübell versteht es meisterhaft, eine Zeitspanne lebendig werden zu lassen, deren Schattenseiten mir bislang in dieser geschilderten Eindrücklichkeit nicht bewusst waren. Die Zwanziger Jahre waren mir als Zeit der überschäumenden Lust an Ablenkung, an Unterhaltung, an Tanz und Champagner im Gedächtnis. Die unendliche Not, der zu entfliehen die Menschen versuchten, wurde mir erst durch dieses Buch augenfällig, nachspürbar, erschreckend nah. Dem Autor gelingt es auf großartige Weise, politisches, gut recherchiertes Hintergrundwissen so mit der erzählten Handlung zu verweben, dass man keinen Moment der Langeweile erlebt, aber dennoch diese gespenstisch anmutende Zeit der Tristesse, der Orientierungslosigkeit, des aufkommenden Nationalsozialismus und all der damit verbundenen Ängste stets als leise Drohung im Hintergrund grollen hört. Bedeutende Namen lernen wir kennen wie Fritz Lang, den Stummfilm-Regisseur, oder den Politiker Walter Rathenau, der als Reichsaußenminister einem Attentat zum Opfer fiel. Die anständige Familie von Briest und Max mit seiner liebenswerten Berliner Schnauze sind mir im Buch ans Herz gewachsen, und so beende ich diesen dritten Band der Trilogie etwas traurig, insgesamt jedoch bereichert und mit einer unbedingten Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 27.07.2018

Manches bleibt im Dschungel-Dunkel

Ins Dunkel
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Ein unglaublich fesselndes Buch, das ich nur wärmstens empfehlen kann!

Es wirkt fast wie ein Schulausflug: Eine Männer- und eine Frauengruppe, jeweils zu fünft, fröhlich-aufgeregt, haben als teambildende ...

Ein unglaublich fesselndes Buch, das ich nur wärmstens empfehlen kann!

Es wirkt fast wie ein Schulausflug: Eine Männer- und eine Frauengruppe, jeweils zu fünft, fröhlich-aufgeregt, haben als teambildende Maßnahme von ihrer Firma eine mehrtägige Wanderung durch den australischen Busch zu absolvieren, nur mit Landkarte, Kompass und ihrem Rucksack versehen. Kein Handy. Beide Gruppen haben unterschiedliche Routen, Treffpunkt am vierten Tag 12 Uhr wieder zurück am Ausgangspunkt. Die Männer sind pünktlich da. Viele Stunden später tauchen auch die Frauen auf, verletzt, nach Hilfe schreiend – und es sind nur vier! Der Ermittler Aaron Falk und seine Kollegin müssen Alice, die vermisste Frau, unbedingt finden, denn sie ist eine wichtige Information.

Bereits der Prolog hat mich gepackt, und so ist es das gesamte Buch über geblieben. Ich hing an den Seiten, konnte nicht mehr aufhören. Jane Harper hat einen unglaublich intensiven Sprachstil, dessen Bilderwelt einen regelrecht verfolgt. Geradezu filmreif sieht man das Geschehen vor sich, man wird hineingestoßen in eine Welt, in der die Natur die wahre Herrscherin ist, ihren eigenen Gesetzen folgend, die uns Menschen in ihrer Gewalt Angst macht. Man erlebt hautnah die Kälte, die in jede Pore zieht, und spürt den eisigen Regen, der überall eindringt. Man erlebt, wie Dunkelheit und seltsame Geräusche die Angst steigern. Und wie vor allen Dingen die fünf Frauen in ihrer Unterschiedlichkeit sich erst einmal mit halbwegs freundlicher Bereitschaft bemühen, miteinander auszukommen, aber je mehr Angst und Verzweiflung Raum gewinnen, fällt diese Fassade ab und harte Wahrheiten brechen auf.
Man tut gut daran, das Buch möglichst zeitnah von Anfang bis Ende zu lesen (wozu einen die Spannung sowieso bringt). So stören die nach rückwärts unterschiedlich zeitversetzten Perspektivwechsel etwas weniger. Diese verhackstückte Erzählweise ist leider ein derzeit gerne benutztes Stilmittel zur Spannungsverdichtung, wobei das vorliegende Buch dies absolut nicht gebraucht hätte, denn die Geschichte ist richtig gut, absolut packend, sie spielt intensiv mit unseren Ängsten und sie schildert psychologisch nachvollziehbar extrem unterschiedliche Charaktere und deren Reaktion in einer Ausnahmesituation.

Bis fast zum Schluss bleibt man als Leser im Ungewissen. Nicht alles findet letztlich im unerwarteten Ende der Geschichte eine schlüssige Erklärung, auch bleibt mir persönlich absolut rätselhaft, weswegen sich die Frauen beharrlich siezen. Dennoch bleibt mein Fazit: Ein großartig geschriebener Thriller, fesselnd bis zur letzten Seite, in seiner Intensität lange nachwirkend.

Veröffentlicht am 23.07.2018

Meine Güte, ist das Buch gut!

Die Kunst, einfache Lösungen zu finden
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Als ich meine Rezension zu schreiben begann, stellte ich fest, dass sie wie eine Werbebotschaft des Verlags klingt, wie eine geradezu marktschreierische Werbung. Und doch wollte ich nur meiner uneingeschränkten ...

Als ich meine Rezension zu schreiben begann, stellte ich fest, dass sie wie eine Werbebotschaft des Verlags klingt, wie eine geradezu marktschreierische Werbung. Und doch wollte ich nur meiner uneingeschränkten Begeisterung Ausdruck verleihen, mit einem gewissen Überschwang zugegebenermaßen.
Meine Güte, ist dieses Buch gut! Jedem, wirklich jedem möchte ich zurufen: Lesen Sie dieses Buch! Egal wer Sie sind, wie alt Sie sind, ob Sie viel oder wenig lesen, ob Sie Probleme haben oder nicht – lesen Sie dieses Buch! Es wird Sie erheitern, es wird Sie erstaunen. Und es wird Ihnen Gewinn bringen, es geht gar nicht anders, denn der Buchinhalt bleibt im Sinn. Passagen, die für Sie wichtig sind, bleiben wie Kaugummi in Ihren Gedanken kleben, es gibt keine Chance des Entkommens.

Steve de Shazer war Psychotherapeut und entwickelte auf der Grundlage von Milton Erickson die lösungsorientierte Kurztherapie. Auf de Shazer, Watzlawick und auf andere kluge Menschen bezieht sich der Autor und holt aus ihren Werken jeweils das Beste und Eingängigste hervor, um es dank seines eigenen Wissens und Denkens zu einem Buch höchster Wirksamkeit zu verdichten.
Alles hängt mit allem zusammen. Wenn wir das verstanden haben, wird uns klar, weshalb bereits kleinste Interventionen unser Problem- oder Streitgefüge massiv stören können. Unscheinbar sind die Lösungsmöglichkeiten, es fehlt ihnen an jeglichem Drama, und das macht sie irgendwie geradezu unbeliebt. Denn mein Problem ist ein großes Drama, da kann der Lösungsweg nicht einfach so um die Ecke kommen, so harmlos, so nebenbei… Und wenn wir dann weiter noch verstehen, dass unser persönliches Weltbild eine ganz und gar subjektive Konstruktion ist, erahnen wir bereits nach wenigen Buchseiten, dass das, was wir persönlich zum Problem erklären, ein ebenso subjektives Empfinden ist. Meist agieren wir in unserem persönlichen „Theater des Bewusstseins“, ohne seine Subjektivität zu erkennen, und definieren die Mitspieler, die sich nicht an unser Drehbuch halten, als Problem, an dem es gilt sich abzuarbeiten. Christian Ankowitsch reicht uns in seinem Buch einen ganzen Schlüsselbund zum Knacken unserer persönlichen Problemschlösser. Und das macht er auf beeindruckende Weise, mit großem fachlichem Hintergrundwissen (23 Seiten kleingedruckte Anmerkungen!). Er schreibt nicht wissenschaftlich-verstiegen, sondern menschennah, geradezu freundschaftlich, und vor allen Dingen mit entlarvend-intelligentem Humor. Er setzt uns Lesern sehr kurzweilig Problemlösungen in appetitlichen Häppchen vor, so verlockend angerichtet, dass wir ihm nach wenigen Seiten bereits aus der Hand fressen.
Probieren Sie es aus!

Veröffentlicht am 21.07.2018

Poesie der Weisheit

Der Duft des Lebens
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Es gibt Bücher zur Unterhaltung, zum Ängstigen, zur Wissensvermittlung, zum Ärgern – und es gibt ganz, ganz selten ein Buch wie dieses hier: Märchen, Weisheit, Poesie, Literatur, unausschöpflich, zum ...


Es gibt Bücher zur Unterhaltung, zum Ängstigen, zur Wissensvermittlung, zum Ärgern – und es gibt ganz, ganz selten ein Buch wie dieses hier: Märchen, Weisheit, Poesie, Literatur, unausschöpflich, zum immer wieder Lesen, zum Schwelgen in schönen Worten, in tiefen Sätzen, in poetisch formulierten Feinheiten. „Der Duft des Lebens“ ist ein Buch, so unglaublich schön, so unglaublich tief, dass ich es nicht einfach nur lesen konnte im Sinne von Konsumieren. Ich gönnte mir dieses Buch in ganz kleinen Teilen, wie wenn man etwas besonders Gutes zu essen auf dem Teller hat und es ganz klein schneidet, damit man es länger genießen kann.

Die Geschichte spielt in irgendeiner Vergangenheit, vielleicht auch in einer nahen Gegenwart oder in einer zeitlosen Zeit, wer weiß das schon bei Märchen. Sie geschehen einfach immer wieder und wieder, in der Hoffnung, dass sie verstanden werden.
Aviv, dessen Mutter Helene bei seiner Geburt gestorben war, wurde von der Hebamme Selma liebevoll aufgezogen. Aviv wird Glasbläser und erhält von Kaminski, einem Arzt mit schwarzer Seele, den Auftrag, 50 Glasfläschchen zu fertigen. Diese sollen einem perfiden Plan des Arztes dienlich sein, nämlich die gute Essenz von menschlichen Seelen einzufangen, damit er letztlich sich selbst einverleiben könne, was seiner eigenen Seele fehlt.

Das Buch zu lesen, erfordert es, ganz leise zu werden in unserem lauten Leben, und abzurücken von all dem ewigen Geplapper der Welt um uns herum. Und erst wenn es uns gelingt, ganz still in uns selbst zu werden, erst dann, so glaube ich, können wir all die Klänge, Farben und Düfte der Worte dieser Erzählung nachempfinden. Kein Wort im Buch steht zufällig da, keines ist zuviel. Und ich hatte das Gefühl, über den Zeilen zu schweben, ganz vorsichtig, um den Zauber nicht zu zerstören. Der Text ist wie ein Gedicht zu lesen, Zeile für Zeile, Bild für Bild, sorgsam, langsam, um die Schönheit der Sprache nicht zu zerstören.
Vielleicht ist das Buch eine Allegorie des Sich-Bemächtigens des eigenen Schicksals, oder vielleicht will es uns das Wissen um die Einzigartigkeit jedes Menschen vermitteln. Jeder mag seine eigene Botschaft im Buch finden. Auf jeden Fall bleibt mir: „… weil jeder ein kleines bisschen Verantwortung in sich trägt, das, was ihm vom Leben geschenkt wird, in die Welt zu tragen und zu einem Geschenk an alle zu machen.“ (S. 343)

Veröffentlicht am 13.07.2018

Die Kraft der Herzenswärme

Lavendelträume
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Normalerweise lese ich Bücher gemäß des Rezensionsauftrages mit Offenheit, mit Neugier, aber auch mit einem gewissen Maß an fachlich-nüchterner Distanz, um mir ein sachlich fundiertes Urteil erlauben zu ...

Normalerweise lese ich Bücher gemäß des Rezensionsauftrages mit Offenheit, mit Neugier, aber auch mit einem gewissen Maß an fachlich-nüchterner Distanz, um mir ein sachlich fundiertes Urteil erlauben zu können. Das vorliegende Buch jedoch ermöglichte mir diesen Blickwinkel erst einmal nicht. Es bahnte sich auf ungeahnten direkten Wegen mitten hinein in mein emotionales Zentrum, und ich brauchte eine Weile Abstand, um für die Rezension zurück auf die Ebene der Sachlichkeit zu finden.
Den Inhalt möchte ich nur extrem verkürzt andeuten: Julia, die sich schuldig fühlt am Unfalltod ihrer Mutter und sich generell in ihrem eigenen Leben nicht mehr zurecht findet, entdeckt im Nachlass der Mutter den Liebesbrief eines Parfümeurs aus der Provence. Um dem vermuteten Geheimnis ihrer Mutter auf die Spur zu kommen, reist sie nach Frankreich. Allerdings ist der Absender des Briefes zwischenzeitlich verstorben, Julia trifft stattdessen auf seinen Sohn Nicolas und lernt in der Folge viel, sehr viel über die wirklich wichtigen Themen des Lebens.
Was macht nun dieses Buch zu einem besonderen Buch? Es ist ohne Zweifel die faszinierend starke emotionale Kraft, der sich der Leser nicht entziehen kann. Was bedeutet, dass das Buch gekonnt geschrieben ist. Leichte, eingängige, vielleicht sogar romantisch zu nennende, gut lesbare Geschichten zu schreiben, ohne ins Seichte oder Kitschige abzugleiten, ist große Schreibekunst. Gabriele Diechler erzählt lebendig, bildhaft und fesselnd, sie malt geradezu mit Wörtern. Mit allen Sinnen schildert sie feine und feinste Wahrnehmungen so intensiv, dass die erzählte Farbigkeit sofort im Kopfkino ihr reiches Leben entfaltet. Man schmeckt den Käse, man riecht das Parfüm, man schwelgt in der Schönheit der Landschaft, man fühlt den Wind, man wird Teil des Geschehens. Man sitzt mitten unter den Protagonisten, isst und trinkt mit ihnen, hört ihnen zu und verfällt, ohne es zu merken, geradezu rauschhaft dem Buch. Eine weitere Stärke des Buches sind die Schilderungen der Menschen. Die Autorin taucht tief in die Seelen der Protagonisten ein und legt ihre eigene Lebensklugheit den Romanfiguren in ganz unterschiedlicher Weise in den Mund. Sie zeichnet psychologisch stimmig und empathisch sympathische, individuelle Charaktere, in all ihren Stärken und Schwächen, aber stets mit wohlwollendem Blick.
Und diese positive Sicht der Autorin teilt sich unmittelbar dem Leser mit. Ihre im Buch so deutlich spürbare Herzenswärme lockt auch im Leser das Beste hervor. Ich wüsste nicht, was es Besseres über ein Buch zu sagen gäbe…