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heinoko

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.02.2018

Klein und sehr fein

Wenn es Frühling wird in Wien
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Wien, 1912. Im Haushalt von Arthur Schnitzler lebt Marie als Kindermädchen. Marie stammt aus einfachsten Verhältnissen, hat wenig Bildung, aber sie ist neugierig und hat vor allen Dingen, so jung sie auch ...

Wien, 1912. Im Haushalt von Arthur Schnitzler lebt Marie als Kindermädchen. Marie stammt aus einfachsten Verhältnissen, hat wenig Bildung, aber sie ist neugierig und hat vor allen Dingen, so jung sie auch ist, Herzensbildung. Die ihr anvertrauten beiden Kinder von Arthur und Olga Schnitzler betreut sie sehr liebevoll. Durch Zufall begegnet sie Oskar, einem mittellosen Buchhändler, und durch ihn lernt sie die Welt der Bücher, des Lesens, der Buchhandlungen kennen. Das zarte Pflänzchen der Zuneigung wächst…

Wir dürfen in diesem zauberhaften Buch durch das Schlüsselloch schauen in die Zeit der Belle Èpoque in Wien, in den durchaus herrschaftlich geführten Haushalt von Arthur Schnitzler und seiner Familie. Und wir schauen auch auf das klaglose Leben der Dienstboten. Ich war hingerissen von der Fähigkeit des Staunens bei Marie, von dem arbeitsamen, aber gerechten Miteinander im Hause Schnitzler. Ich erlebte mit ihnen intensiv all ihre kleinen und großen Erlebnisse, ihre Wünsche und Hoffnungen, ihre Unsicherheiten und Glücksgefühle. Und ebenso hingerissen war ich von den Schilderungen der Welt der Wiener Buchhandlungen in jener Zeit und der Liebe zu Büchern, von der Verführung zum Lesen.

Petra Hartlieb schreibt unaufgeregt und fein beobachtend. Und noch viel wichtiger: sie schreibt mit dem Herzen. Der Leser entwickelt ganz konkrete innere Bilder beim Lesen, und das liegt nicht nur an der bildhaften Erzählweise, sondern auch an der sorgfältigen Recherche-Arbeit der Autorin, die ganz unauffällig in den Text hineinfließt, ihn aber so authentisch macht.
Fazit: Ein liebevoll gezeichnetes kleines und sehr feines Zeitbild, das hoffentlich eine Fortsetzung erfährt.




Veröffentlicht am 27.02.2018

Ein rundum spannendes Lesevergnügen

Blackwood Castle
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Andrew Collins ist ein ehemals gefragter Anwalt, inzwischen jedoch hoch verschuldet aufgrund der Heirat mit Heather, einer oberflächlichen unsympathischen Person, die nichts als Ansprüche mit in die Ehe ...


Andrew Collins ist ein ehemals gefragter Anwalt, inzwischen jedoch hoch verschuldet aufgrund der Heirat mit Heather, einer oberflächlichen unsympathischen Person, die nichts als Ansprüche mit in die Ehe gebracht hat. Andrew braucht dringend Geld. Da entdeckt er zufällig in einem Kellerverlies unterhalb einer einsam gelegenen Burgruine eine junge Frau, die dort gefangen gehalten wird. Er wittert die Chance auf Lösegeldforderung und damit auf Lösung all seiner Probleme. Doch da wird er hinterrücks angegriffen und im Kampf erschießt er unfreiwillig den Angreifer. Ab diesem Zeitpunkt hat Andrew keine ruhige Minute mehr…

Auch wenn das Schriftbild des Buches nicht gerade augenfreundlich ist, habe ich es doch sehr zügig und sehr gerne gelesen. Die kurzen Kapitel, teils mit Cliffhangern versehen, verleiten zum steten Weiterlesen. Der Thriller ist gekonnt geschrieben, die Spannung wird von Anfang bis Ende gleichbleibend hoch gehalten und die Protagonisten werden lebendig und authentisch dargestellt. Ungewöhnlich, aber sehr fesselnd, empfand ich, dass der Leser tatsächlich besondere Sympathie, aber auch Mitleid, entwickelt für die Hauptperson. Andrew fährt sein Leben von Seite zu Seite mehr an die Wand. Er ist schwach, verschiebt das Nachdenken über sein Handeln stets auf später, macht andere für das eigene Versagen verantwortlich, übertritt ohne besondere Gewissenskonflikte rechtliche Grenzen und manövriert sich so systematisch in den Abgrund – und doch mochte ich ihn und hoffte bis zum Schluss auf eine glückliche Wendung. Raffiniert geschrieben!

Veröffentlicht am 24.02.2018

Leichte, spannende Kost

Das dunkle Netz
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Als bekennender Gmeiner-Verlag-Fan gehe ich auf jedes Buch aus diesem Verlag mit gespannter positiver Erwartung zu. So auch in diesem Fall.

Die Handlung ist gemäß Klappentext schnell erzählt: Mark ...



Als bekennender Gmeiner-Verlag-Fan gehe ich auf jedes Buch aus diesem Verlag mit gespannter positiver Erwartung zu. So auch in diesem Fall.

Die Handlung ist gemäß Klappentext schnell erzählt: Mark Becker, Feldjäger, findet auf seine Mailbox die Nachricht eines ehemaligen Kameraden mit der dringenden Bitte um ein Treffen, da er Beweise für ihn habe. Als Mark ein paar Stunden später zu ihm fährt, ist der Mann jedoch spurlos verschwunden. Ein paar Tage später wird eine verkohlte Leiche im Wald aufgefunden. Lisa Schäfer von der Kriminalpolizei beginnt ihre Ermittlungen.

Dank der kurzen Kapitel und der authentisch wirkenden, lebendigen Dialoge liest sich das Buch sehr schnell. Es ist Seite um Seite spannend, mitunter etwas klischeehaft in den Darstellungen von Situationen und Personen. Der Plot weist nicht gerade die allergrößte Raffinesse auf, aber dennoch löst er allerlei Rätselraten aus. Was absolut stört, sind die vielen Abkürzungen. Zwar gibt es am Ende ein Abkürzungsverzeichnis, das jedoch nur einen geringeren Teil der tatsächlich vorkommenden Abkürzungen enthält.
Fazit: Ein durchaus spannend geschriebenes Buch für Lese-Stunden, in denen leicht lesbare Kost ohne besondere Tiefe angebracht ist.

Veröffentlicht am 22.02.2018

Sinnenfreuden

Château Mort
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Heiß ist es in der Aquitaine. Und der berühmte jährliche Marathonlauf, bei dem sich die Läufer in fantasievolle Kostüme werfen, findet trotz der Hitze statt. Kommissar Luc Verlaine begleitet die Läufer ...

Heiß ist es in der Aquitaine. Und der berühmte jährliche Marathonlauf, bei dem sich die Läufer in fantasievolle Kostüme werfen, findet trotz der Hitze statt. Kommissar Luc Verlaine begleitet die Läufer auf dem Motorrad, um auf die Sicherheit der Teilnehmer und der Zuschauer zu achten. Da brechen mehrere Läufer während des Laufs zeitgleich zusammen und einer von ihnen stirbt auf völlig unerklärliche Weise. Bald rückt Richard, ein alter Freund von Luc Verlaine und Winzer mit erheblichen Geldproblemen, in den Focus der Ermittler. Doch Luc Verlaine glaubt nicht an dessen Schuld und macht sich eigenständig auf Mördersuche.

Der Plot ist raffiniert gestrickt und schickt den Leser immer wieder in die Irre, ins Ungewisse. Die Geschichte bleibt bis zum Schluss, bis zur endgültigen Aufklärung immer spannend, immer fesselnd. Es gibt keine Längen, keine hölzernen Konstruktionen, keine Unglaubwürdigkeiten. Die handelnden Personen sind sehr lebendig und lebensnah geschildert, wie überhaupt der gesamte Erzählstil lebendig und lebensnah ist. Dass viel Hintergrundwissen und Recherche-Arbeit im Text steckt, merkt man nur ganz indirekt, weil man nach Lektüre des Buches zum Beispiel mit einem völlig veränderten Bewusstsein eine Flasche französischen Rotwein in die Hand nimmt.
Was das Buch für mich jedoch zu einer Besonderheit in der riesigen Krimi-Landschaft macht: Es ist mit allen Sinnen geschrieben. Der Leser sieht, schmeckt, riecht und fühlt. Da wird nicht nur erzählt. Da wird geschwelgt, in der Schönheit der Landschaft zum Beispiel. Da gibt es zahllose Genussvarianten, ob beim Essen, ob beim Trinken. Der Leser wird, ob er will oder nicht, in die atmosphärisch dicht beschriebenen Freuden des Genießens hineingezogen. Man sitzt mitten unter den sich unterhaltenden Personen auf Sonnenterrassen, genießt exzellente Fischgerichte und leichten, kühlen Weißwein dazu oder man wandert durch die Weinberge und spürt den Geschmackseplosionen von prall reifen Trauben nach. Und so geht es in diesem großartig geschriebenen Krimi um Geld, um Suche nach Anerkennung, aber auch um die Kunst des Genießens. Darauf ein Glas „Chateau La Tour de By 2011“!

Veröffentlicht am 18.02.2018

Nackerd oder bemalt

Tod im Hopfengarten
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Normalerweise liest man einen Krimi, indem man die Protagonisten kennenlernt, es einen oder mehrere Leichen gibt, und dann das Ermittlerteam, mehr oder weniger sympathisch, seine Arbeit beginnt. Der ...



Normalerweise liest man einen Krimi, indem man die Protagonisten kennenlernt, es einen oder mehrere Leichen gibt, und dann das Ermittlerteam, mehr oder weniger sympathisch, seine Arbeit beginnt. Der Leser denkt mit, denkt sich sein Teil und behält am Ende recht oder auch nicht. Das alles war bei „Tod im Hopfengarten“ ebenso, und doch ganz anders.

Zwei Geschehnisse beschäftigen die Münchener Polizei: eine Serie von Kunstdiebstählen und eine zufällig aufgefundene bereits skelettierte Leiche. In Wolnzach, einem Marktflecken im idyllischen Landstrich der Holledau gelegen, gibt es zwar viele Mutmaßungen, aber man spricht nicht mit Fremden, schon gar nicht mit evangelischen Fremden. Da ist es gut, dass der Ludwig Wimmer, Metzgermeister im Ruhestand und Hobbydetektiv, auf seine ganz eigene Weise den Leuten beim „Brauchtümeln“ zuschaut…

Die wild ausgekippten Puzzle-Teile des Krimi-Geschehens waren jedes für sich gesehen bereits so urkomisch, so bayerisch sturschädelig oder schwäbisch sparsam, so hinterkünftig, dass es mir streckenweise gar nicht mehr wichtig war, ein stimmiges Gesamtbild zu erstellen. Ich verlor mich in der Technik eines zerlegten uralten Fleischwolfs oder im Sortieren von Heiligen, nackerd oder bemalt. Ich folgte den Irrwegen eines plattgefahrenen Heilands und ging auch sonst dem Autor immer wieder auf den Leim. Ich grantelte auf bayerisch und forschte auf schwäbisch, dabei kicherte ich mich durch die Seiten. Und am Ende war das zusammengepuzzelte Bild doch ein sehr stimmiges Ganzes geworden, ohne dass ich etwas anstrengen musste außer meine Lachmuskeln.

Ich ziehe meinen Hut vor diesem Autor, der es versteht, fundiertes Wissen, kritisches Denken, scharf-liebevolle Beobachtungsgabe und blühende Fantasie zu einem Buch zusammenzu“binden“, das zu lesen vordergründig einen Heidenspaß bereitet und hintergründig der Bigotterie, der weit verbreiteten Welt der Vorurteile und rechtsgerichtetem Denken den Spiegel vorhält.