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heinoko

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.12.2017

Thriller ohne Thrill

Wer Sünde sät
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Bei Arbeiten auf einem Golfplatz in Bad Sodernheim wird eine Leiche gefunden, eine sogenannte Wachsleiche, die bereits vor ungefähr 30 Jahren zu Tode gekommen war. Bei einem Klassentreffen von Ehemaligen, ...

Bei Arbeiten auf einem Golfplatz in Bad Sodernheim wird eine Leiche gefunden, eine sogenannte Wachsleiche, die bereits vor ungefähr 30 Jahren zu Tode gekommen war. Bei einem Klassentreffen von Ehemaligen, die vor 30 Jahren in Bad Sodernheim Abitur gemacht hatten, wird über diesen Leichenfund viel spekuliert. Außerdem lernen wir einen 31-jährigen Mann kennen, der sich auf die Suche nach seinen ihm bisher unbekannten leiblichen Eltern macht. Und in Dortmund verschwindet auf unerklärliche Weise die Ehefrau eines Oberarztes… Gibt es Zusammenhänge, Geheimnisse, die in der Vergangenheit liegen?

Soweit der Plot, der durchaus das Potenzial hätte für einen spannenden Thriller. Leider konnte mich die Ausführung jedoch nicht überzeugen. Am Schreibstil an sich lag es nicht. Das Buch ist angenehm und zügig zu lesen, die Konversationen sind lebendig formuliert. Aber die Protagonisten bleiben allesamt blutleer, blass. Sie werden vom Autor nüchtern und emotionslos dargestellt und sind teilweise in ihrem Verhalten unglaubwürdig und weit von psychologisch nachvollziehbaren Reaktionen entfernt.
Die Handlung schreitet zwar logisch durchdacht voran bis zu einer durchaus überraschenden Aufklärung. Aber die beständige Spannung, die einen Thriller von einem Krimi unterscheidet, fehlt leider. Nur wenige Stellen vermögen den Leser wirklich zu fesseln. Das liegt natürlich zum einen daran, dass die vorgestellten farblosen Charaktere keine Identifikation zulassen. Gravierender jedoch empfinde ich als spannungstötend die konstruiert-verkopfte Erzählweise insgesamt. Auftretende Fragen oder Probleme werden ganz schnell durch irgendwelche komischen Zufälle aus dem Weg geräumt. Immer tritt zur rechten Zeit jemand mit einer passenden Fähigkeit oder einer Erklärung gebenden Erinnerung auf und so wird jegliches Geschehen schnell durch passende Fügungen glatt gebügelt und jegliche mögliche Spannung im Keim erstickt.
Fazit: Solide, aber emotionslos geschrieben und spannungsmäßig meilenweit von einem Thriller entfernt.

Veröffentlicht am 15.12.2017

Noch viel Platz nach oben

Falsche Engel küsst man nicht
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Ratlos stehe ich vor der Aufgabe, über dieses Buch eine Rezension zu schreiben. Da mir das Buch zur Verfügung gestellt wurde, sollte ich dankbar sein und ein wohlwollendes Urteil abgeben. Da der Autor ...

Ratlos stehe ich vor der Aufgabe, über dieses Buch eine Rezension zu schreiben. Da mir das Buch zur Verfügung gestellt wurde, sollte ich dankbar sein und ein wohlwollendes Urteil abgeben. Da der Autor mitliest, sollte ich bemüht sein, ihm ein Feedback zu geben, das ihn nicht ärgert oder gar verletzt. Das alles sollte ich. Aber das kann ich nicht. Denn ich habe das Buch wirklich gelesen, von der ersten bis zur letzten Seite, aufmerksam und fachlich-kritisch. Und ich gebe immer, immer, in meinen Rezensionen meine ehrliche ungeschminkte Meinung wieder, verfüge nicht über Gefälligkeits-Textbausteine, die zu jedem Buch nahezu das Gleiche erzählen. Tja, was mache ich nun…
Der Inhalt ist in Kurzform schnell erzählt gemäß Klappentext: Von einer internationalen Stadtentwicklungsfirma soll in Meißen ein Großprojekt umgesetzt werden. Der Oberbürgermeister, der diesem Plan im Weg stand, wird ermordet. Steffen Schröder wird beauftragt, anhand eines ähnlichen Bauprojektes, das auf Mallorca bereits realisiert wurde, gegen diese Stadtentwicklungsfirma zu ermitteln. Völlig unerwartet gerät Steffen Schröder in große Gefahr…Klingt gut, nicht wahr? Dazu ein ansprechendes Cover, wenngleich ohne jeglichen Bezug zum Buchinhalt.

Und was schreibe ich jetzt als Fazit? Vielleicht geht es anhand positiver Empfehlungen: Als Autor soll man sein Handwerkszeug, die Sprache, perfekt beherrschen. Oder einen Lektor bemühen, der alle sprachlichen und grammatikalischen sowie Zeichensetzungs-Fehler und sämtliche inhaltlich-logischen Unrichtigkeiten ausmerzt. Zudem ist immer empfehlenswert, sich die Grundlagen kreativen Schreibens vor Augen zu führen. Einen Krimi, einen Roman, eine Erzählung zu schreiben, ist etwas ganz anderes als einen Zeitungsartikel, einen Erfahrungsbericht oder einen Aufsatz zu verfassen. Erzählend muss es gelingen, den Leser (auch) emotional zu erreichen. Dazu genügt es nicht, wenn mehr oder weniger geschickt Fakten nüchtern und verkopft aneinandergehängt werden. Sondern es braucht das Einbeziehen aller Sinne. Geschehnisse und Protagonisten werden erst lebendig, wenn der Leser sie hören, fühlen, riechen und schmecken kann. Also noch viel Platz nach oben…


Veröffentlicht am 14.12.2017

Zuviel Vielerlei

Scherbennacht
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Der vorliegende Band ist der dritte einer Reihe rund um Kommissar Waechter und seine Kollegen in der Münchner Mordkommission.
Demonstrationen, Straßenschlachten, brennende Autos – ein glühheißer Sommer ...

Der vorliegende Band ist der dritte einer Reihe rund um Kommissar Waechter und seine Kollegen in der Münchner Mordkommission.
Demonstrationen, Straßenschlachten, brennende Autos – ein glühheißer Sommer in Münchens Innenstadt. Und dann ein Polizistenmord! Leo Thalhammer, Drogenfahnder, liegt auf dem Beifahrersitz seines Autos, erschossen mit seiner eigenen Dienstwaffe. Kommissar Waechter, ein erfahrener Ermittler mit Herzproblemen und seine Kollegen beginnen, akribisch dem Fall nachzugehen. Es gibt viele Denkansätze, viele mögliche Verdächtige, immer wieder laufen die Spuren ins Nichts. Neue scheinbar vielversprechende Fakten tauchen auf, führen in die eigenen Reihen der Polizei, aber interne Machtrangeleien behindern das konsequente Verfolgen dieser Spuren. Und so wird der Leser kreuz und quer durch München gejagt, bekommt so manchen ekelhaften Geruch in die Nase, beginnt mit den Protagonisten reichlich zu schwitzen – und ist am Ende des Buches völlig perplex über die Lösung des Falles…
Mit diesem Krimi habe ich mich schwergetan. Zwar steigt der Spannungsbogen in der zweiten Buchhälfte kontinuierlich an und der bisweilen locker eingestreute Münchner Jargon hat etwas Sympathisches, aber in der Summe lässt mich das Buch sehr unzufrieden zurück. Nahezu jeder der Protagonisten hat entweder einen dunklen Fleck in der Vergangenheit oder ist sonst irgendwie „beschädigt“ oder belastet. Zwar arbeiten sie alle in irgendeiner Form zusammen, sind aber nie wirklich ehrlich zueinander. Gefühlt ist das Buch zur Hälfte angefüllt mit Berichten über missglückte Beziehungen, über erlittene Traumata, über negative Vorerfahrungen, über Ängste, Krankheiten und unerfüllte Sehnsüchte der handelnden Personen und lässt dadurch das eigentliche Geschehen des Kriminalromans sehr oft völlig in den Hintergrund treten. Nach einer Weile des bereitwilligen Durchhaltens gingen mir die Protagonisten schließlich allesamt ziemlich auf die Nerven, denn sie blieben mir bis zum Ende entweder unsympathisch oder gleichgültig und all der private Kram, die Fülle der für die Handlung unbedeutenden Nebenschauplätze wurde mir schlichtweg zuviel. Etwas mehr Konzentration auf das Wesentliche des Kriminalromans, nämlich auf den durchaus interessanten und raffinierten Plot, hätte meiner Meinung nach dem Buch gut getan.

Veröffentlicht am 13.12.2017

Unterhaltsam, mehr nicht

Kalt ruht die Nacht. Historische Kriminalgeschichten aus dem Westerwald
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Eine „Kriminalgeschichte“ ist per definitionem eine Geschichte, bei der ein Verbrechen und seine Aufklärung im Mittelpunkt stehen. „Historisch“ bedeutet wiederum per definitionem, einer bestimmten Geschichtsepoche ...

Eine „Kriminalgeschichte“ ist per definitionem eine Geschichte, bei der ein Verbrechen und seine Aufklärung im Mittelpunkt stehen. „Historisch“ bedeutet wiederum per definitionem, einer bestimmten Geschichtsepoche angehörend (und darüber informierend). Die im Buch gesammelten Geschichten erfüllen die mit dem Untertitel „Historische Kriminalgeschichten aus dem Westerwald“ geweckten Erwartungen nur sehr eingeschränkt.
Auch wenn die Autorin sich bemüht, anhand des Anhangs nachzuweisen, wie fleißig sie z. B. in Dorfchroniken recherchiert hat, so fehlen doch in vielen Geschichten konkrete westerwaldtypische Gegebenheiten und Verhaltensweisen der damals dort lebenden Menschen. Viele der in den Geschichten geschilderten Örtlichkeiten, der Landschaften, der Bäche, Wälder und Ruinen könnten auch in grauer Vorzeit irgendwo anders gelegen haben. Es genügt meines Erachtens für eine historische „Westerwälder“ Geschichte nicht, z. B. einen Töpfer als unbedeutende Randfigur auftreten zu lassen, dessen Namen als historisch belegt im Anhang zu rechtfertigen, ohne dass wir auch nur irgendetwas in der Geschichte selbst von dem Töpferhandwerk zu der Zeit und speziell in dieser Gegend erfahren.
Genauso verhält es sich mit dem Begriff „Kriminalgeschichten“. Es gibt zwar Tote, das ja, aber nicht immer handelt es sich um einen Mord, geschweige denn, dass Geschehnisse und Täter konsequent verfolgt und zur Aufklärung gebracht werden. Oftmals handelt es sich um geradezu schicksalhafte Verstrickungen oder um tragische Gegebenheiten, um das im Menschen immanente Böse. Aber immer weiß der Leser Bescheid, muss nicht selbst „ermitteln“, schaut einfach nur zu, lässt sich mehr oder weniger gut unterhalten und ist nach der Lektüre nicht klüger als zuvor.
Nimmt man den hohen Anspruch, den die Autorin durch ihren Untertitel an sich selbst gestellt hat und damit scheitert, einmal zur Seite, dann muss man ihr zugute rechnen, dass sie recht plastisch und bildhaft erzählen kann. Insofern sind ihre Geschichten unterhaltsam und kurzweilig zu lesen. Allerdings bräuchte es noch so manche sprachliche Überarbeitung. Nur wenige Beispiele seien hier angeführt: „scheinbar“ und „anscheinend“ sollten nicht verwechselt werden, „liege“ und „läge“ ebenso. „Das Knacken der Walderde“ meint doch wohl eher das Knacken von Unterholz, Erde habe ich noch nie knacken hören. Unfreiwillige Komik müsste ausgemerzt werden „…. schlugen seine Beine eine Richtung ein…“. Die Aufzählung ließe sich leider noch beliebig fortsetzen.
Es ist der Autorin zu wünschen, dass sie mit einem gehörigen Maß Selbstkritik ihr zweifellos vorhandenes Schreibtalent weiter ausbaut. Wer gerne einigermaßen spannende Geschichten aus alter Zeit lesen mag, ist mit diesem Buch aber durchaus gut bedient.

Veröffentlicht am 11.12.2017

Grenzüberschreitungen

Abgründe
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Es handelt sich im vorliegenden Buch um eine Sammlung von 20 sehr unterschiedlichen Kurzgeschichten. Die Autorin hat ihrem Buch den Titel „Abgründe“ gegeben, mit dem Untertitel „20 abgrundtiefe Kurzgeschichten“. ...

Es handelt sich im vorliegenden Buch um eine Sammlung von 20 sehr unterschiedlichen Kurzgeschichten. Die Autorin hat ihrem Buch den Titel „Abgründe“ gegeben, mit dem Untertitel „20 abgrundtiefe Kurzgeschichten“. Aus dem Titel entnehme ich, dass die Autorin damit die Tiefe der Geschichten vermitteln will, sie denkt also sozusagen vertikal. Warum auch immer – ich habe, sobald ich zu lesen begonnen hatte, eher horizontal gedacht. Mir drängte sich das Wort „Grenzüberschreitungen“ auf. Vielleicht in diesem Sinne Nähe statt Tiefe, dachte ich, insofern uns unmittelbar betreffend, keine Distanz möglich. Die Sammlung an kleinen, feinen Kurzgeschichten spielt mit Situationen des Lebens, die eine Entscheidung fordern oder gefordert haben und die oftmals rechtzeitig zu treffen versäumt wurde. Oder es werden Geschehnisse geschildert, in die man geradezu schicksalhaft hineingeworfen wird ohne eigenes Zutun und ohne Chance des Entkommens. Oder die Erzählungen muten uns die Grenzerfahrungen des hemmungslos Bösen zu.
Die Grenze zwischen dem realen Leben in all seinen Schattierungen und dem Absturz, dem Abgrund, dem Bösen, dem Grauen ist in diesen Geschichten nur hauchdünn. Eine Winzigkeit genügt, um die Grenze durchlässig zu machen oder gar ganz aufzuheben. Schöne äußere Bilder kippen unvermittelt um in finstere Gewalt oder unbedingte Ausweglosigkeit. Die Autorin lullt uns ein mit wunderschönen Naturbildern, mit behütetem Alltagsleben, mit kerzenerleuchteten Ballsälen. Und während wir noch wohlig lesend die Seite umblättern, öffnet sie unvermittelt den Blick auf Bilder des blanken Horrors und spielt so auf perfekte Weise mit unseren geheimsten Ängsten, dass wir erschauern.
Für diese kleinen, feinen, gekonnt geschriebenen Kabinettstückchen, die uns die Brüchigkeit unserer heilen Welt erahnen lassen, möchte ich meine uneingeschränkte Leseempfehlung aussprechen.