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heinoko

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.09.2024

Beeindruckende Darstellung der Kraft einer Frau

Sing, wilder Vogel, sing
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Wie immer, war ich besonders gespannt auf einen neuen Roman aus meinem Lieblingsverlag, dem ich schon so manche besondere Lese-Erlebnisse verdanke. Bereits jedes ausgesuchte Gemälde auf dem Cover sehe ...


Wie immer, war ich besonders gespannt auf einen neuen Roman aus meinem Lieblingsverlag, dem ich schon so manche besondere Lese-Erlebnisse verdanke. Bereits jedes ausgesuchte Gemälde auf dem Cover sehe ich mir immer sehr genau an und nehme dessen Stimmung und Ausdruck auf, bevor ich das Buch überhaupt öffne. So auch bei diesem Roman, der mich nicht nur mit dem Coverbild, sondern auch mit seinem Schreibstil und Inhalt sehr berührte. Und wie unglaublich passend, die Worte von Rainer Maria Rilke, die dem Roman vorangestellt sind.
Es geht um Honora, eine junge Frau Mitte des 19. Jahrhunderts, lebend in einem Dorf an der irischen Westküste. Sie ist eine Außenseiterin, eine Frau, die lieber in den Wäldern lebt als in einer Hütte, die Freiheit braucht und im Alleinsein und aus der Natur ihre Kraft schöpft. Unvergleichlich intensiv wird eine Hungersnot geschildert, die das gesamte Dorf auf brutalste Weise trifft. Es geht nur noch ums blanke Überleben. Unvorstellbar für uns, die wir im unfassbaren Überfluss jeden Tag leben und schon lange nicht mehr wissen, was wirklich lebens-notwendig ist. Ein Teil des Dorfes macht sich mit letzter Kraft auf den Weg durch die Berge, weil ihnen angeblich dort Essensrationen zugeteilt werden könnten. Doch die meisten Dorfbewohner sterben. Honora aber gibt nicht auf, denn sie hat in sich ein unglaublich großes Kraftreservoir, obwohl sie schon von Kindheit an so viel Leid und Elend erlebt hatte. Sie schafft es auf ein Schiff, das sie nach Amerika bringen soll. Denn dort, so glaubt Honora, wartet auf sie die lang ersehnte Freiheit. Und doch erfährt sie zunächst nichts anderes als Gewalt und Unterdrückung.
Den Schreibstil fand ich äußerst beeindruckend. Ich bekomme die Bilder des gnadenlosen Hungers nur noch schwer wieder aus dem Kopf. Und im Buchaufbau, springend vor und zurück im Leben von Honora, spiegelt sich wider deren Inneres, das freiheitsstrebend und unbezähmbar ist. Dass historische Gegebenheiten den Hintergrund für diesen Roman bilden, macht den Roman noch um ein Weiteres mehr beeindruckend. Die Kraft und Stärke einer Frau ist selten so bemerkenswert intensiv dargestellt worden.

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Veröffentlicht am 05.09.2024

Unvollständiges Urteil über einen grandiosen Roman

Unsere Jahre auf Fellowship Point
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Dieser Roman brauchte 17 Jahre bis zu seiner Vollendung. Und er hat es verdient, dass sich der Leser für die 730 Seiten viel Zeit nimmt. Denn dieser Roman ist nicht einfach zum Herunterlesen geschrieben ...


Dieser Roman brauchte 17 Jahre bis zu seiner Vollendung. Und er hat es verdient, dass sich der Leser für die 730 Seiten viel Zeit nimmt. Denn dieser Roman ist nicht einfach zum Herunterlesen geschrieben worden, ganz im Gegenteil. Er verlangt Hingabe. Hingabe an die außerordentlich schöne Sprache und Hingabe an den außerordentlich vielfältigen und vielschichtigen Inhalt. Doch mir blieben nur drei Wochen Zeit, um mein Urteil abzugeben. Drei Wochen Lese-, Denk- und Schreibzeit sind dieses großen Romans nicht würdig! Und so schreibe ich meine Eindrücke termingerecht, aber ohne das Buch bis zu Ende gelesen zu haben. Man möge mir diesen „unvollständigen“ Eindruck verzeihen. Mir jedenfalls bleibt anschließend weitere genussvolle Lektüre-Zeit ohne Abgabedruck.
Aus oben genanntem Grund zitiere ich auszugsweise zur Inhaltsangabe das, was der Verlag sehr schön in Worte gefasst hatte. (Ein Vorgehen, das ich normalerweise nie wähle.) „Agnes und Polly sind von Kindheit an miteinander verbunden. Schon als Kinder verbrachten sie jeden Sommer mit ihren Familien auf Fellowship Point an der Küste Maines und haben seither Glück und Kummer geteilt. Die fürsorgliche Polly hat ihr Leben ihrer Familie gewidmet, die unabhängige Agnes ihres dem Schreiben. Als die Zukunft von Fellowship Point auf dem Spiel steht, geraten die Dinge in Bewegung…“
Und ich zitiere mein erstes Fundstück der Lektüre: „Gewohnheiten füllten die Fissuren eines alternden Körpers und Geistes.“ Allein an diesem Satz blieb ich tagelang hängen. Aber er wird wohl nur von jemandem verstanden, der aufgrund des höheren Alters diese Fissuren kennt und sich mit Regelmäßigkeit und Gewohnheiten bei Laune hält. So wie Agnes, diese aufrechte, stolze, oftmals schroff wirkende Frau, die als Schriftstellerin sehr erfolgreich war, aktuell aber von einer Schreibblockade „befallen“ wird. Polly, ihre Lebenszeit-Freundin, ist ihrem sich selbst überschätzenden Ehemann unterwürfig und sieht ihre Lebensaufgabe darin, die Welt freundlicher zu machen. Agnes dagegen steht für einen unabhängigen, lautlosen Feminismus. Der Roman beleuchtet dieses Frauenpaar und deren lebenslange Freundschaft aus unterschiedlichen Perspektiven in Gegenwart und Vergangenheit. Rund um diese beiden Frauen treten verschiedene Personen ins Blickfeld, werden präzise beobachtet und verschwinden auch wieder, wie im richtigen Leben. Die 17 Jahre Entstehungsgeschichte des Romans schaffen eine ganz besondere Weitsicht des Lebens. Eine Fülle an Themen und Ansichten regt zum Nachdenken, oftmals auch zum Widerspruch an. Hinreißend schön, geradezu zart in Worte gefasst sind eingestreute Naturbeobachtungen. Um die Vielfalt des Romans und die volle Schönheit der Sprache zu erfassen, braucht es wache Sinne und viel Zeit. Nur so gelingt es, alle feinen Facetten dieses grandiosen Romans zu erfassen.

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Veröffentlicht am 27.08.2024

Ein kleines Buch mit großer erzählerischer Kraft

Die Gräfin
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Ein kleines Buch von großer erzählerischer Kraft
Das dünne Büchlein hat ein wunderschönes, ruhiges, den Blick in die Weite lenkendes Cover – allein dieses Äußere sagt sehr viel über den Inhalt aus. Ich ...

Ein kleines Buch von großer erzählerischer Kraft
Das dünne Büchlein hat ein wunderschönes, ruhiges, den Blick in die Weite lenkendes Cover – allein dieses Äußere sagt sehr viel über den Inhalt aus. Ich habe ein wenig gebraucht, bis ich mich eingefunden habe in die Art des Erzählens. Die Autorin, die erst im höheren Alter diesen Roman schrieb, hat eine besondere Fähigkeit, sehr viel zwischen den Zeilen zu vermitteln. Aber es braucht innere Ruhe, um ihr zu folgen und den Reichtum im Ungesagten zu entdecken.
Es werden 6 Tage geschildert, kein Vorher, kein Nachher, nur 6 Tage im Leben der historisch verbrieften und von Geheimnissen und Mythen umgebenen Hallig-Gräfin Diana von Reventlow-Criminil. Wir haben das Jahr 1944. Die Angst vor den Nazis und gleichzeitig der beharrliche Stolz der Insulaner weht durch die Seiten. Es sind heiße Tage, die Hitze liegt auf dem Meer wie eine schwere Last. Ein englischer Pilot, ein Feind, stürzt mit seinem kleinen Flugzeug ins Watt. Der Hund der Gräfin wittert lange vor den Menschen dieses ungewöhnliche Ereignis. Die Gräfin und Maschmann, ihr getreuer Helfer, ziehen den bewusstlosen Piloten aus seiner Kanzel und bringen ihn auf die Warft. Meta, die seit vielen Jahren das zurückgezogene Leben der Gräfin teilt, pflegt mit Hingabe den Fremden. Diese kleine Gemeinschaft an Menschen erfährt durch die Anwesenheit des Fremden auf sehr individuelle Weise innere Unruhe…
Es passiert nicht allzu viel auf diesen 170 Seiten. Nicht viel, wenn man auf dramatische Ereignisse wartet. Und doch packte mich beim Lesen eine innere Spannung, denn im Grunde geschieht enorm viel, wenn man sich Zeit dafür nimmt zu erspüren, was die Autorin so geschickt zwischen den Zeilen versteckt. Das Kammerspiel am Meer in einer dunklen historischen Zeit zeichnet Menschen mit unaufgeregtem Mut. Es wird nichts totgeplappert, sondern nur das Nötigste geredet. Die Kostbarkeit der Wörter zeigt sich in der leidenschaftlich klassische Texte zitierenden Gräfin. Und es wird fein beobachtet. Und so findet man im Buch wunderbare Landschaftsschilderungen, Stimmungen am Meer und feinfühlig skizzierte Szenen. Der manchmal etwas spröde Sprachstil in seinem besonderen Charme passt genau zu den Menschen, ebenso die eingestreuten plattdeutschen Einwürfe, die spätestens beim laut Vorlesen gut verständlich werden.
Dieses kleine große Buch hat eine immense Kraft, weil es nach der Lektüre, gerade weil der Text irgendwie unvollständig wirkt, noch lange nachtönt und man geneigt ist, über die 6 Tage hinaus die Geschichte in der Fantasie weiter zu träumen.

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Veröffentlicht am 18.08.2024

Eine wunderbare Ode ans Lesen für Klein und Groß

Die magische Bibliothek der Buks 1: Das Verrückte Orakel
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Selten hat mir das Lesen eines Kinder- bzw. Jugendbuchs so viel Freude bereit wie dieses hier. Denn es hat alles, tatsächlich alles, was ein wirklich gutes Buch ausmacht: Es liest sich spannend, es ist ...

Selten hat mir das Lesen eines Kinder- bzw. Jugendbuchs so viel Freude bereit wie dieses hier. Denn es hat alles, tatsächlich alles, was ein wirklich gutes Buch ausmacht: Es liest sich spannend, es ist voll von Überraschungen, gewürzt mit ein wenig Magie, mit mutigen und ideenreichen Kindern als Hauptpersonen, und es ist lehrreich und immens klug, auf geschickt verpackte Weise. Ich bin hingerissen von diesem wunderbaren Buch!
Wir befinden uns in einer nicht zu fernen Zukunft. Bücher gibt es nicht mehr. Kaum einer erinnert sich noch an diese längst vergangene Welt. Finn, Nola, Mira und Thommy, in Freundschaft verbundene Kinder, klettern nach einem Sturm über einen entwurzelten Baum und über eine dadurch neu sichtbare Mauer, hinter der eine alte Villa auftaucht, dunkel und geheimnisvoll. Die mutigen und neugierigen Kinder erfahren, dass diese Villa eine riesige Bibliothek aufbewahrt. Die Buks, sie sind Buchschutzgeister, für unterschiedliche Buchgattungen verantwortlich, haben die Aufgabe, diese letzte Bibliothek der Welt zu bewahren. Doch die Bücher sind von einer seltsamen Krankheit befallen, die zunehmend Buchstaben verschwinden lässt. Das verrückte Orakel prophezeit Hilfe durch 5 Menschenkinder. Doch wer ist das fünfte Kind?
Dies und noch viel mehr enthält dieser spannend-aufregende und fantastische Roman. Man kann den Reichtum dieses Buches hier gar nicht im Detail auflisten. Man muss die gesamte Geschichte unbedingt selber lesend entdecken. So gibt es zum Beispiel unzählige Verweise auf andere Kinderbücher. Wie schön wäre es, wenn dies die Neugier der Kinder (und der Erwachsenen) anstacheln würde, auch in die erwähnten Titel reinzuschauen bzw. sich überhaupt auf den eigenen Weg zu machen, neue Bücher zu entdecken. Was für eine entsetzliche Vorstellung ist doch eine Welt ganz ohne Bücher. Die Menschen wissen dann nichts mehr von der Kraft der Freundschaft, von dem Wunder der Magie, von den Möglichkeiten, zu denen Bücher ermutigen können. Lesen erweckt in Kindern die Kraft der Vorstellung, aber auch die Fähigkeit, über die Realität hinaus Utopien zu erträumen und damit die wunderbaren Möglichkeiten des Lebens weiter und größer zu erfahren, als es der buchlose Alltag je könnte. Unbedingt erwähnen muss man die vielen grandiosen Illustrationen von Hauke Kock, die den Text kongenial bereichern und auch Weniglesern die Lektüre schmackhaft machen.
Fazit: Dieses Buch ist eine großartig gelungene, spannend aufbereitete, gut lesbare wunderbare Ode ans Lesen für Klein und Groß. In diesem klugen Buch steht übrigens neben vielen anderen ein kluger Satz, den ich allen Kindern und Eltern so sehr ans Herz legen möchte: „Kinder, die lesen, wachsen über sich selbst hinaus“ (gilt für Erwachsene übrigens auch).

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Veröffentlicht am 06.08.2024

Perfekte Krimi-Unterhaltung

Das Dickicht
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Angesprungen hat mich dieser Titel, weil ich auf der Innenseite des Covers las, dass einer der Ermittler gebürtiger Finne ist. Das machte ich neugierig, weil ich eine gute Bekannte habe, die aus Finnland ...


Angesprungen hat mich dieser Titel, weil ich auf der Innenseite des Covers las, dass einer der Ermittler gebürtiger Finne ist. Das machte ich neugierig, weil ich eine gute Bekannte habe, die aus Finnland stammt. Und neugierig machte mich auch das Autorenpaar, das „auf keinen Fall“ einen Krimi schreiben wollte. PR vom Feinsten und genau mein Humor. Und in der Tat hat mich dieser Kriminalroman bestens unterhalten. Meine Erwartungen wurden allesamt mehr als erfüllt.
Worum geht es: Im Buch lernt man ein sehr besonderes Ermittler-Duo kennen, denen das Autoren-Duo genau im richtigen Maß Farbe und Persönlichkeit verliehen hat, nicht zu viel und nicht zu wenig. Es passiert mir selten, dass ich echte Sympathie für die jeweiligen Ermittler hege. Doch in diesem Roman habe ich mein Herz sofort verloren an Juha Korhonen, einen jungen, engagierten ehemaligen Fernspäher aus Finnland. An seinen gelegentlichen finnischsprachlichen Einwürfe hatte ich besonderen Spaß. Interessant fand ich auch seinen dunkelhäutigen Kollegen Lukas alias Lux Adisa, dem es erstaunlich gut gelingt, mit seiner bipolaren Störung zurecht zu kommen. Die beiden, nun zusammen tätig im LKA Hamburg, sollen sich um einen aktuellen Entführungsfall kümmern. Juha fallen seltsame Parallelen auf zu einem viele Jahre zurückliegenden Cold Case, einem Verbrechen, das Juha bis heute nicht loslässt. Der Junge Daniel wurde in einer Kiste im Wald vergraben und konnte schließlich nur noch tot geborgen werden. Der Täter hatte Suizid begangen. Und tatsächlich, je mehr die beiden Ermittler in der Vergangenheit graben und Unstimmigkeiten entdecken in der damaligen Tragödie, umso mehr wandeln sich auch in der Gegenwart die Vorzeichen von Gut und Böse…
Der Kriminalroman ist gekonnt geschrieben. Zwar war für mich anfangs ein wenig gewöhnungsbedürftig der sprachliche Wechsel zwischen Präsens und Imperfekt. Doch gerade die Perspektivwechsel machen die Spannung aus. Das Tempo des Romans wird nicht nur durch die geschilderte Handlung zunehmend höher. Die Szenen wechseln auch mehr und mehr zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Und je näher sich die beiden Ermittler persönlich kommen, desto rasanter entwickeln sich auch die Entdeckungen – die von früher und die gegenwärtigen. Nicht zu vergessen der rasante Twist am Ende.
Kurzum: Gekonnt konstruiert, mit durchgehendem Spannungsbogen, menschlich sympathisch, psychologisch nachvollziehbar, sprachlich lebendig, mit leisem Humor – für mich die perfekte Krimi-Unterhaltung!

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