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Veröffentlicht am 19.03.2024

Besser als Rooney

Das Leben in Nuancen
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Im Englischen heißt dieses Buch „Wet Paint“ und wer schon einmal Wände gestrichen hat, weiß, wie lange es manchmal dauert, bis die Farbe trocken ist. Noch länger dauert es, bis das Leben wieder, naja, ...

Im Englischen heißt dieses Buch „Wet Paint“ und wer schon einmal Wände gestrichen hat, weiß, wie lange es manchmal dauert, bis die Farbe trocken ist. Noch länger dauert es, bis das Leben wieder, naja, getrocknet ist, wenn etwas wirklich Schlimmes passiert. In Eves Fall ist das der Tod ihrer besten Freundin Grace vor fünf Jahren.

Eve wohnt in einer WG mit einem Pärchen als alles den Bach runtergeht. Erst verliert sie ihren Restaurant-Job als sie sich gegen die sexuelle Belästigung eines übergriffigen Gastes wehrt. Betrunken knutscht sie mit ihrem Mitbewohner, der das Geständnis an Weihnachten seiner Freundin unter den Tannenbaum legt und prompt fliegt Eve aus der gemeinsamen Wohnung. Ihr alkoholkranker Vater möchte sie nicht aufnehmen, es bleibt nur Max, ihr seit Jahren platonischer und dann doch richtiger Freund. Und Eves große Angst, es mit Max so richtig zu ruinieren, die bleibt auch. Vor allem, weil sie Graces Tod noch immer nicht verarbeitet hat.

„Das Leben in Nuancen“ ist ein Buch über Trauer, über Verarbeitung traumatischer Erlebnisse, aber auch eines über die Lebensrealitäten von Late-20s und Thirty-Somethings. Eines über Großstadtleben und Aushilfsjobs, über persönliche Entwicklungen und wie unterschiedlich das Leben sein kann, auch wenn man nahezu gleich alt ist.

Ich mag es sehr, wie Chloe Ashby die Protagonistin angelegt hat, sie immer wieder stolpern und aufstehen lässt. Ich bin kein Kunstmensch und kann dennoch ihre Faszination greifen, mit der sie Woche für Woche ins Museum geht, ihre eigene Selbsthilfegruppe mit Manets Bardame Suzon, die plötzlich, genau wie Grace, weg ist, wenn auch nur in einem Pariser Museum und nicht auf einem Friedhof. Und mit gefällt wie Eve plötzlich merkt, dass sie nicht alleine ist, durch Max, durch ein kleines Mädchen namens Molly und trotz der Abwesenheit ihrer Eltern und Graces Tod.

Kein leichtes Buch, aber trotz der schweren Themen auch kein schwermütiges. Und für mich besser, intensiver und ehrlicher erzählt als die Romane von Sally Rooney. Wer die aber schon mag, liegt mit Chloe Ashby sicher richtig.

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Veröffentlicht am 19.03.2024

Unterhaltsam, aber zu perfekt.

The Distance from me to you
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Drei Sterne für die Geschichte. "The Distance from me to you" ist kein zweites "Wild". Das ist auch nicht tragisch. Das eine ist die wahre Trail- und Lebensgeschichte der Autorin. Dieses hier ist ein Jugendbuch, ...

Drei Sterne für die Geschichte. "The Distance from me to you" ist kein zweites "Wild". Das ist auch nicht tragisch. Das eine ist die wahre Trail- und Lebensgeschichte der Autorin. Dieses hier ist ein Jugendbuch, bei der die fiktive Protagonistin nach dem Highschool-Abschluss ihren Rucksack packt und sich (eher trotzig als notgedrungen) alleine auf den Weg macht.

Der Weg, der Appalachian Trail von Maine nach Georgia, bleibt dabei leider blass und austauschbar. Ein paar Wegpunkte werden genannt, so richtig wichtig sind sie nicht. Kendra, die Hauptfigur, begegnet einem Bären und einem Elch, aber ansonsten könnte die Geschichte auch in Australien oder sogar auf einem verlängerten Rheinsteig spielen.

Trotzdem ist Kendras Wanderung unterhaltsam. Der erste Anstieg scheitert, dann kommt sie ins Rollen und trifft einen wunderlichen Jungen, der ganz andere Probleme als das perfekte Mädchen aus der fast perfekten Familie hat. Problematisch wird es erst, als er abseits des Trails wandern möchte - und sie ihm trotz aller Alarmglöckchen folgt.

Warum nur zwei Sterne für das Buch? Der Schreibstil ist ermüdend. Zu oft wird nach gedacht und diese Gedanken in kleine, um Verständis werbende Sätze aufgeteilt. Die Hauptfigur soll gemocht werden und dafür wird ständig getrommelt.

Fast noch schlimmer: Die Autorin scheut sich, die Protagonistin nackig zu machen und in wahre Abgründe zu blicken. Nicht wortwörtlich, ein paar mal legt Kendra ihre Klamotten beiseite und schaut abseits des Trails auch über eine Klippe. Aber im übertragenen Sinn macht sie es nicht.

Die Wanderung ist trotz des miesen Starts zu perfekt. Kendra bekommt keine Blasen (da sie ihre Schuhe brav eingelaufen hat), sie hat immer Proviant dabei, sie hat für alles und jeden Verständnis. Die einzigen kleinen Dramen: Ihr Lieblingsshirt ist irgendwann so verschwitzt und dreckig, dass es im Mülleimer landet und ihr Körper nach der Hälfte der Wanderung nicht so drahtig wie erhofft. Oh, und das iPhone ist kaputt.

Das mag natürlich alles einen Sinn verfolgen: Die Autorin möchte eine Hauptfigur, die alles alleine auf die Kette bekommt, die sich durch nichts aus der Ruhe bringen lässt. Als Vorbildfunktion für andere Mädchen, die nach der Schule ihren Rucksack packen wollen. Aber Vorbilder dürfen auch mal auf die Nase fallen, Pläne über den Haufen schmeißen, weinen. Sie müssen nicht immer stark sein. Und es ist etwas schwierig, dass sich Kendras Rolle genau dann ändert, als sie das macht, was man tunlichst lassen sollte - als sie den Trail verlässt.

Mit diesen warnenden Gedanken im Hinterkopf ist es aber ein durchaus unterhaltsames Buch. Eines, das Lust auf weitere großartige Wanderbücher macht. Wie "Picknick mit Bären", "Laufen. Essen. Schlafen." und natürlich "Wild". Und das motiviert, die Wanderstiefel zu schnüren und loszulaufen. Aber denkt immer dran: Es ist nicht immer alles perfekt. Auch nicht auf dem Trail.

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Veröffentlicht am 19.03.2024

In einem Konzertland vor unserer Zeit

Wir könnten Freunde werden
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"Wie viele Konzerte werden pro Tag gegeben? Wie viele Menschen gehen pro Tag auf ein Konzert?" (Wir könnten Freunde werden, Seite 135)

Puh, vielleicht nicht die cleverste Lektüre in einer Pandemie, bei ...

"Wie viele Konzerte werden pro Tag gegeben? Wie viele Menschen gehen pro Tag auf ein Konzert?" (Wir könnten Freunde werden, Seite 135)

Puh, vielleicht nicht die cleverste Lektüre in einer Pandemie, bei akuter Konzertvermissung, beim Gedanken daran mal wieder mit einem schalen Bier in einem Plastikbecher in einer verschwitzten Menschenmenge bei Lieblingsliedern dümmlich, aber glücklich in Richtung Bühne zu grinsen.

Schon komisch, wenn ein Buch aus der Zeit gefallen wirkt, und das nicht daran liegt, dass für Zigaretten und T-Shirts noch DM fällig waren und Thees und Dirk und Arne und Jan und Rick und alle anderen einfach mal Mitte 20 und pausbackig waren, sondern weil die Idee, so, ich schnapp mir jetzt mein Wegbier und geh ins Underground (was ja leider eh nicht mehr geht, Ehrenfelder Abrissbirnen sei Dank) und höre mir Rock'n'Roll an, einfach mal seit fast einem Jahr auf Eis liegt.

Trotzdem, es ist eine tolle Reise in eine andere Zeit, eine Zeit, die vielleicht, ach was, bestimmt, irgendwann wieder einmal kommt, nicht mit alter Währung, aber mit altbewährten Mustern der Musikliebe. Und vielleicht ist es auch diese merkwürdige Zeit, in der wir gerade leben und lesen, die ein viertes Sternchen an dieses Buch hängt, das so etwas wie der Vorläufer der geschätzten Uhlmannschen Facebook Posts ist, herrlich ausufernd, oft quatschig, nicht selten emotional, manchmal anstrengend, aber immer wieder mit dem gleichen Abschlussgedanken: Danke, Thees!

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Veröffentlicht am 19.03.2024

Die Geschichte seines Lebens

Das Geschenk eines Regentages
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1999 war da der Kurzfilm. She and her Cat - 彼女と彼女の猫. Eine Frau findet an einem Regentag eine Katze und nimmt sie mit nach Hause und die Geschichte nimmt ihren Lauf - auch für Makoto Shinkai. Aus dem Kurzfilm ...

1999 war da der Kurzfilm. She and her Cat - 彼女と彼女の猫. Eine Frau findet an einem Regentag eine Katze und nimmt sie mit nach Hause und die Geschichte nimmt ihren Lauf - auch für Makoto Shinkai. Aus dem Kurzfilm wird ein Anime, ein Manga und dieses Buch.

Ein Buch über Frauen und ihre Katzen. Oder umgekehrt. Ein Buch über tierisch menschliche Schwierigkeiten und das tiefe Verständnis, das eine Beziehung zwischen den Katzen, einem Hund und ihren Frauen erzeugen kann.

Von der alleinlebenden Miyu, die nicht nur ihren Freund, sondern auch ihre beste Freundin verliert. Von der Kunststudentin Reina, die an ihrem Talent zweifelt und sich von einem zweifelhaften Mann vereinnahmen lässt. Von der Mangazeichnerin Aoi, die um ihre beste Freundin Mari trauert und sich die Schuld an ihrem frühen Tod gibt. Und von der älteren Shino, die erst ihren Schwiegervater und dann ihre Schwiegermutter gepflegt hat, als ihr Mann sie längst für eine andere Frau verlassen hat.

Vom kleinen Chobi, der ein neues Zuhause findet. Von der kleinen, schwerhörigen Mimi, die erst Chobi umgarnt und sich dann verletzt und versetzt mit einem anderen Kater einlässt. Von ihrer Tochter Cookie, die ihrer neuen Freundin ein lange veloren geglaubtes Schmuckstück wiederbringt. Von Kuro, der seinem Freund John verspricht, nach dessen Tod eine wichtige Aufgabe zu übernehmen.

Vier Geschichten, die alle über vier mal vier Pfoten miteinander verwoben sind und ganz am Ende zu einem bunten Wollknäuel zusammenlaufen.

Funktioniert das? Ja, wenn man sich auf die Hintergründe der Erzählung einlässt, die Wurzeln in der Anime- und Manga-Welt. Die Erzählweise ist manchmal etwas zu simpel, der Blick der Katzen auf ihre Menschen zu kindisch - ein Fakt, der aber auch an der Übersetzung der Geschichte liegen kann. Die feinen japanischen Zwischentöne zu treffen ist eine Kunst und ob dies Heike Patzschke gelungen ist, ist, ohne den originalen Text zu kennen, schwer zu beantworten.

So bleibt „Das Geschenk eines Regentages“ in erster Linie ein Buch für Freund:innen japanischer Kultur, Manga- und Anime-Fans und Besitzer:innen von Katzen. Wer sich nicht dazu zählt: Es lohnt sich, einen Blick auf die erste Geschichte zu werfen - denn für Makoto Shinkai ist es die Geschichte seines Lebens.

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Veröffentlicht am 19.03.2024

Grand Theft Duster

Blacktop Wasteland
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Eine staubige Landschaft im Nirgendwo. Trailerparks. Schnelle Autos. Abgewrackte Rednecks. Die Welt von Blacktop Wasteland erinnert nicht nur ein bisschen an Grand Theft Auto V. Auch die Hauptfigur – Beauregard ...

Eine staubige Landschaft im Nirgendwo. Trailerparks. Schnelle Autos. Abgewrackte Rednecks. Die Welt von Blacktop Wasteland erinnert nicht nur ein bisschen an Grand Theft Auto V. Auch die Hauptfigur – Beauregard Montage – ist der typische Antiheld der erfolgreichen Videospielreihe. Er war mal im Knast. Er möchte das Beste für seine Familie. Er macht noch diesen einen Job. Und dann? Ja dann …

S. A. Cosby nimmt die Leser:innen mit in seine Heimat, in seine Vergangenheit. Aufgewachsen in Virginia, in einem Trailerpark, die Toilette im Hof, der Rassismus allgegenwärtig, alltäglich. Das Literaturstudium musste er abbrechen, um seine Mutter zu pflegen. Und dennoch: Zwischen der Betreuung und den Nebenjobs las er, schrieb er und veröffentlichte nach einer gefeierten Kurzgeschichte und zwei Romanen seinen Durchbruch: Blacktop Wasteland.

Beauregard Montage, genannt Bug, hat ein paar Jahre Jugendknast abgesessen, als Fluchtwagenfahrer Geld verdient und führt jetzt ein recht zurückgezogenes Leben mit eigener Werkstatt im verdammten Hinterland Virginias. Doch dann fehlt das Geld. Der eine Sohn braucht eine Brille, der andere eine Zahnspange, das Pflegeheim seiner Mutter fordert über 30.000 Dollar nach und die Konkurrenz hat seiner Werkstatt hat einen lukrativen Deal vor der Nase weggeschnappt. Da taucht ein alter Bekannter auf. Mit dem Plan für einen letzten Coup, der eigentlich nicht schiefgehen kann. Und natürlich schiefgeht.

Klingt nicht unbedingt neu, ist aber wahnsinnig gut erzählt. Cosby nimmt die Leser:innen mit auf eine oft schonungslose Reise in ein Land voller Konföderierten-Flaggen, Trumpismus, einem kaputten Gesundheitssystem, Gewalt, Medikamenten- und Drogensucht. Aber auch in eine Welt voller Familienbande, Hoffnung, actionreichen Verfolgungsjagden und fein aufblitzendem schwarzen Humor.

Der Dreh und Angelpunkt: Die Hauptfigur mit den zwei Gesichtern. Der Vater, Sohn und Ehemann Beauregard auf der einen Seite, der seine Werkstatt, seine Familie retten und schützen möchte. Und der Fahrer Bug, der seine spektakulären Fähigkeiten zu wilden Autofahrten und schonungsloser Selbstzerstörung von seinem Vater geerbt hat, eine weitere Geschichte, die diesen dichten Roman schnell vorantreibt.

Blacktop Wasteland liest sich wie ein Videospiel, wie eine Netflix Serie, wie ein rasant geschnittener Kinofilm. Kein Wunder, dass die Filmrechte schon verkauft sind. Genau wie die von Cosbys nächstem Roman. Und der ist nicht mal erschienen. Sieht schon ganz gut aus, die Zukunft von S. A. Cosby. Und das nach einer staubigen Jugend im Trailerpark.

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