Ein steter Kampf um Würde und Stolz
Als wir Schwäne warenAuf "Als wir Schwäne waren" von Behzad Karim Khani bin ich bereits vor einiger Zeit auf der Lesung zu Khanis Debüt "Hund, Wolf, Schakal" aufmerksam geworden. Hier erzählte der Autor, dass er bereits an ...
Auf "Als wir Schwäne waren" von Behzad Karim Khani bin ich bereits vor einiger Zeit auf der Lesung zu Khanis Debüt "Hund, Wolf, Schakal" aufmerksam geworden. Hier erzählte der Autor, dass er bereits an einem neuen Roman schreibt und sich dabei sehr intensiv mit seinen Traumata auseinandersetzt. So erwartete ich mit Spannung einen eher tiefgründigen, wie sehr persönlichen Roman, der Khanis eigenen Werdegang aufgreift und etwas Nähe zulässt. Der Anfang war dann auch sehr rührend und emotional. Khani schildert einen Vater, der seinem Sohn schreibt, ein ganzes Buch, das erklärt, damit er ihre Geschichte versteht und Verbündete findet. Doch schon zu Beginn dieses Rückblicks auf das Leben des Protagonisten kippt es und es geht mehr oder minder um Gewalt, die "drei Straßenköter", die an ihrer Tür klingeln und nach Essen betteln, der Junge aus der Schule, dem er die Nase bricht, den Vater seines Freundes... "Dann ging er seinem Vater an die Gurgel. Würgte ihn für Turnschuhe. Wir saßen im Kinderzimmer, wollten C64 spielen, als es im Flur laut wurde. Der Blick des Vaters deines Freundes, wenn er von ihm vor dir geschlagen wird. Dein Blick in seinen Augen. Silvio war der Erste in unserer Siedlung mit Air Force One."
Umringt von wirklich emotionalen Szenen und Erinnerungen geht es hier in erster Linie um Gewalt und den damit wachsende Stolz des Protagonisten, während ihm der soziale Abstieg droht bzw. er sich immer mehr in so einen Teufelskreis mit Schlägern und Dealern reinmanövriert. Und ja, das erinnert dann von der Handlung her schon sehr an "Hund, Wolf, Schakal", es ist mehr so eine Kurzfassung seines Erstlings, gemischt mit einigen, kurzen Erinnerungskapiteln, sehr luftig gesetzt, sehr gewaltig.
"Noch nie hatte es an der Schule Gewalt von dieser Qualität gegeben. Der Junge kommt fünf, sechs Wochen lang täglich in einer anderen Farbe zur Schule. Violett. Grün. Blau. Gelb. Rot. Orange. Danach bin ich King. Scheiß auf Ray Cokes, Chief Ironside. Scheiß auf He-Man. Ich bin der Master of the Universe. Scheiß auf >auch<. Scheiß auf Anschluss. Scheiß auf >uns<. Scheiß auf SPD."
Und ich glaube, das ist dann auch der Knackpunkt... dieser Roman ist mehr ein überschaubares "Hund, Wolf, Schakal"-Konzentrat mit dem Fokus auf Gewalt und Abstieg, Stolz und Würde mit einigen, emotionaleren, gar wehmütigen Erinnerungen. Thematisch springt Khani sehr stark zwischen den einzelnen Kapiteln - es gibt Anekdoten über das Brot, über ihren Umgang mit der Werbung, deutsche Schuhe, die seinem Vater nicht passen, die Maiskolben, die es in Deutschland nicht zu kaufen gibt, eine Erinnerung, wie die Mutter das Radfahren lernt, wie sie gemeinsam Kornelkirschen pflücken, die die Deutschen scheinbar für giftig halten, und dann gibt es den Jungen, der "die Pusteblumen am Wegrand mit Tritten enthauptete", zur Schule geht und dessen glücklichster Moment der Jugend es war, als Dimitri sich mit einem Nazi anlegt. "Hier, Nazijunge! Hier! Wir haben euch damals gefickt. Wir werden euch auch dieses Mal ficken." und dann gibt es da eben noch diesen Erwachsenen, der dealt und abrutscht und doch ständig auf eine bessere Zukunft hofft.
Vielleicht hätte ich diesen Roman mehr gemocht, hätte der Fokus auf eben jenen Erinnerungen gelegen oder wäre alles mehr miteinander verknüpft und nicht so fragmentarisch. Auch sprachlich enthält dieses Buch einige schöne Sätze und Gedanken, aber auch sehr komische Wortkonstrukte. Und eben sehr viel Gewalt und Kraftausdrücke... „Wir sind ein Alptraum. Ich weiß nur nicht, wessen." Ich auch nicht, mir fehlte da leider sehr viel.