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Veröffentlicht am 27.09.2019

Wenn alles vorbeirauscht

Fliegen
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In Deutschland pendeln wahnsinnig viele Menschen täglich zwischen ihrer Wohnung und der Arbeitsstätte. Für einige von ihnen sind es nur wenige Minuten Weg, für manche Stunden und für wieder andere große ...

In Deutschland pendeln wahnsinnig viele Menschen täglich zwischen ihrer Wohnung und der Arbeitsstätte. Für einige von ihnen sind es nur wenige Minuten Weg, für manche Stunden und für wieder andere große Reisen. Doch was ist, wenn man alles verloren hat, man sich die Wohnung nicht mehr leisten kann und einzig ein Fahrticket und eine kleine Reisetasche übrig bleibt? Genau so ergeht es der Protagonistin in Albrecht Selges Roman "Fliegen".

Das Buch handelt von einer Frau auf ständiger Reise, abgeschottet von der Außenwelt reist sie täglich von Bahnhof zu Bahnhof, von Nord nach Süd und wieder zurück. Früher hatte sie ein ganz normales Leben mit einer eigenen Wohnung, einem Beruf, ein paar Liebschaften. Heute bleibt ihr einzig eine kleine Reisetasche, ein paar Dokumente, ein kleines gelbes Buch und ihre beste Freundin Lilo, die sie hin und wieder einmal anruft oder besucht. Ihre Rente lässt sie sich einmal im Jahr auszahlen und davon leistet sie sich eine Bahncard100. Ihr Leben fliegt nun auf Schienen. Die Bahn, ihr neues Zuhause stets auf wechselnder Strecke, im gleichen wöchentlichen Rhythmus samt Verspätungen und Hindernissen. So erzählt sie nun in einzelnen Fragmenten von ihrem Innersten, das was sie sieht und erlebt, was in der Außenwelt passiert und wie sie abgeschottet in ihrer 'hohlen Röhre' durchs Land zieht und ihr Leben lebt.

Ihre Geschichte hat mich irgendwie total getroffen, fasziniert und doch unberührt zurückgelassen. Selge beschäftigt sich sehr intensiv mit dieser Frau und doch bleibt sie bis zum Ende fast ein Rätsel. Man weiß, sie hat ihre Wohnung verloren, ist Rentnerin, hat einiges in der Bahn erlebt, hat Lilo und dann war's das beinahe auch schon. Aber das ist dann auch gar nicht weiter schlimm, denn auch wenn man täglich die gleichen Menschen in der Bahn trifft, so weiß man auch nach Jahren des Nebeneinandersitzens recht wenig voneinander und doch, kann man sich leiden. Sprachlich finde ich "Fliegen" teilweise sehr poetisch, manchmal etwas wirr, manchmal echt und manchmal einfach ganz sensibel und melancholisch. Selge schafft es in "Fliegen" eine in sich ruhende Bahnatmosphäre zu erzeugen, einen Raum zu schaffen, in dem sich einfach so viel gedanklich und real abspielt. Und auch wieder nicht. Es ist eine Reise wie das Leben selbst. Dass sich dann auch noch gegen Ende einzelne Erzählungen in ähnlicher Art wiederholen, finde ich zum Beispiel sehr faszinierend, zumal es die ständige Routine des Reisens wiederspiegelt, aber auch den Alltag so herrlich beschreibt. Die Protagonistin schaut hinaus in die Welt. Sie blickt hinein in den Spiegel der Dunkelheit und sieht sich selbst. Sie erlebt kaum etwas und scheint doch in ihrer 'Kapsel' zu ruhen, obwohl alles stets in Bewegung ist. Und gerade das macht sie als ältere, kleine Frau dann auch wieder so unheimlich zerbrechlich. Wie sie so dasitzt, hofft, dass sie niemand mehr belästigt, und darauf wartet anzukommen. Schon allein der Anblick einer Bahn, reißt mich immer wieder zurück in diesen Bann und nimmt mich erneut mit, gedanklich in die Geschichte, die Unbekanntheit und das Leben der Protagonistin einzutauchen. Wahrscheinlich wird sie mich nun immer begleiten.

Veröffentlicht am 27.09.2019

so verstörend, klaustrophobisch, gewalttätig, anders.

Mein loser Faden
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Dennis Cooper redet nicht lange um den heißen Brei und so ist dann auch der Einstieg von "Mein loser Faden". Er spielt mit der Verwirrung und Zerrissenheit und so wird auch der Leser in eine Situation ...

Dennis Cooper redet nicht lange um den heißen Brei und so ist dann auch der Einstieg von "Mein loser Faden". Er spielt mit der Verwirrung und Zerrissenheit und so wird auch der Leser in eine Situation reingeworfen, die er zwar noch nicht ganz überblicken kann und deren Ursachen, beteiligte Personen und vorangegangene Geschehnisse zunächst fraglich bleiben. Nach den ersten Zeilen ist klar, es ist etwas Schlimmes geschehen und so baut sich ein Gefühl auf, das sagt, dass alles einfach nur noch schlimmer werden kann...

Larry plagen Schuldgefühle. Vor einem Jahr ist ist sein Freund Rand gestorben und er glaubt, dass die Auseinandersetzung mit ihm und ein zu fester Faustschlag ihm das Leben genommen haben. Aber nicht nur das, Larry steckt in etwas viel Größerem fest. Sein Umfeld? Eine Katastrophe. Seine Mutter? Alkoholikerin. Sein Vater? Schwerst krebskrank. Sein Bruder? Ähnlich gestört wie er selbst. Vielleicht ist auch Larry daran schuld, denn er fühlt sich zu seinem Bruder Jim hingezogen. Misshandlungen und Vergewaltigungen sind keine Seltenheit. Als wäre das alles noch nicht schlimm genug, gibt es noch weitere Charaktere, die den Abgrund immer größer werden lassen. Pete bekam von Gilman, dem Anführer einer rechtsextremen Gruppierung, den Auftrag Bill zu töten und diesem ein Notizbuch abzunehmen. Er bittet Larry um Hilfe, doch dieser ist in seiner Abstrusität aus Lügen, Fragen und Gedächtnislücken gefangen. Und gerade dieses Notizbuch wird alles noch einmal in ein anderes Licht rücken. Er versucht einen Ausweg zu finden, zu verstehen, zwischen Lüge und Wirklichkeit zu unterscheiden, doch wenn Gewalt im Spiel ist, kann alles einfach nur noch schlimmer werden.

Puh, was für ein furchtbar aufwühlendes, beklemmendes und zugleich verstörendes Buch. Hier zu sagen, dass es mir sehr gefallen hat, wäre irgendwie fragwürdig, da es schließlich von Gewalt, Missbrauch, Mord, Depression und Liebe handelt, aber genau das hat es letztendlich getan. Diese thematische Wucht in Form eines sehr direkten, kurzen Romans zu verpacken, gleichzeitig die Verwirrung und Zerrissenheit so spürbar zu machen, ist einfach dermaßen erschütternd eindrucksvoll, dass ich Cooper hier hohen Respekt zollen muss. Ich könnte nicht mal genau sagen warum, denn zu sehr fehlen mir hier auch noch Tage nach dem Lesen die Worte. Und ich würde nun lügen, dass mir dieser 'Ausflug' leicht gefallen wäre, denn zu sehr behindern die zahlreichen Charaktere und Dialoge das Verständnis, sodass mir vieles erst im Nachhinein so wirklich klar geworden ist. Es ist schlicht und ergreifend die deprimierende Gewalt in Buchform. Im Buch selbst heißt es: "Mein loser Faden ist eine Reportage über jugendliche Depression, moralische Leere und die Verwirrungen der Liebe, es ist klaustrophobisch und das Erschütterndste daran ist die Erkenntnis, wie nahe Gewalt an Liebe oder besser dem Wunsch danach liegt." Und genau das ist es. Ich kann es nicht besser beschreiben. Und daher spreche hier eine vorsichtige und doch ganz klare Empfehlung aus, allerdings ist diese dann natürlich nur mit Vorsicht zu genießen.

Veröffentlicht am 27.09.2019

ein Generationenroman über das Auseinanderdriften einer ganzen Familie und den Verlust ihrer Heimat

Die Kunst zu verlieren
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Dass verschiedene Generationen kaum noch Berührungspunkte zu haben scheinen, ist heutzutage ja leider schon recht normal geworden. Wie ist es dann allerdings, wenn es nicht nur die fehlenden gemeinsamen ...

Dass verschiedene Generationen kaum noch Berührungspunkte zu haben scheinen, ist heutzutage ja leider schon recht normal geworden. Wie ist es dann allerdings, wenn es nicht nur die fehlenden gemeinsamen Interessen betrifft, sondern schon an der Sprache und Nähe hapert? Alice Zeniters Roman "Die Kunst zu verlieren" setzt genau dort an, bzw. führt uns zunächst nach Algerien zu Naimas Großeltern Ali und Yema.

Nachdem Ali im Sturzbach eine Olivenpresse findet, kommt alles wie von allein und er, seine Brüder, seine Verwandten und Freunde sind angesehene Menschen im Dorf. Doch dieser Erfolg sollte nicht ewig bestehen. Der algerische Unabhängigkeitskrieg macht sich selbst in dem abgelegenen Dorf hinter den Gebirgskämmen bemerkbar. Unruhen, Auseinandersetzungen, einmarschierende Truppen der FLN, der algerischen Unabhängigkeitsbewegung, halten seine Familie und die Bewohner auf Trab. Als Ali dann bei der französischen Armee um Schutz bittet, wird er von den nationalen Befreiern als sogenannter 'Harki' abgestempelt und muss nun nicht nur um seinen Hof, sondern auch um Yema und seine drei Kinder Hamid, Kader und Dalila bangen. Er will sie retten. Er will sich retten und so gibt es auch nur eine Möglichkeit - die Flucht nach Frankreich.

In Frankreich folgen weitere Auseinandersetzungen. Die Familie verbringt gut 2 Jahre in einem Auffanglager in Jouques bis ihnen endlich eine kleine Wohnung zuteil wird. Die Kinder besuchen eine französische Schule und mit der Sprache wächst dann nach und nach auch die Distanz zu ihren Eltern. Hamid wendet sich von allem ab, zieht nach Paris und will auch von der Vergangenheit nichts mehr wissen. "Li fat met" - Die Vergangenheit ist tot. In Paris gründet er dann etwas später mit Clarisse seine eigene Familie, aus der dann seine Tochter Naima hervorgeht und gerade sie ist es dann auch, die Fragen stellt...

Naima möchte mehr über ihre Vergangenheit, ihre Heimat und den familiären Ursprung erfahren. Doch Hamid will ihr dazu keine Auskünfte geben, denn schon alleine das Fluchtjahr bzw. Jahr ihrer Immigration 1962 lässt negative Rückschlüsse zu. Ali hat bereits das Zeitliche gesegnet und mit ihrer Großmutter Yema kann sie sich kaum verständigen. Als sie dann durch einen Zufall mit der Aufgabe betraut wird, die Bilder eines algerischen Künstlers zusammenzutragen, zögert sie. Wird sie die Reise in ihre Vergangenheit auf sich nehmen? Und wie wird man dort auf sie, die Verwandte eines Verräters, reagieren?

Ich glaube, ich habe mit "Die Kunst zu verlieren" bereits mein Jahreshighlight gefunden. Alice Zeniter schafft es, mich für ein Land zu interessieren, dessen Entwicklung ich, ehrlich gesagt, kaum auf dem Schirm hatte. Der Algerienkrieg, ein Krieg um die Unabhängigkeit Algeriens von Frankreich in der Zeit von 1954 bis 1962 gehörte bei mir nicht so wirklich zum damaligen Geschichtsunterricht (oder ich habe grade da nicht aufgepasst) und gerade in der Romanform beschäftigt man sich nicht einfach nur mit Daten und Zahlen, sondern hauptsächlich mit den Menschen, deren Erlebnissen und Beweggründen. Die Auswirkungen des bewaffneten Konflikts auf die Algerier und die Flucht der "Harkis", deren Aufnahme und Neubeginn in Frankreich und der damit einhergehenden Ungewolltheit, Angst, Verdrängung sowie Neugier und Suche späterer Generationen nach ihrer verlorenen Heimat hat Zeniter wirklich eindrucksvoll in ihrem Generationenroman verwoben. In Hinblick auf die Globalisierung, Migration und vorherrschenden Auseinandersetzungen in vielen südlichen Ländern, ist dieser Roman für mich hochaktuell. Die flüchtenden Menschen verlieren nicht nur ihr zuhause, sondern auch ihre Heimat, ihre Vergangenheit, ihr bisheriges Leben und auch wenn sich die Situation irgendwann wieder beruhigen wird und sie zurückkehren können, so wird es nie wieder das Gleiche sein. Auch zukünftige Generationen der Großfamilien werden nicht einfach so wieder zusammenfinden, zu groß ist die Distanz, sei es kulturell oder sprachlich gesehen. Dieses Auseinanderdriften einer Familie und die Auswirkungen auf die einzelnen Folgegenerationen spielt in diesem Roman eine sehr große Rolle und die Autorin schafft es auf eine sehr empathisch kluge und lebendige Art und Weise eben dieses aus den verschiedenen Perspektiven einzelner Familienmitglieder darzustellen. Vielleicht liegt es daran, dass ihre Großeltern selbst "Harkis" waren und sie mit ihrem Roman somit auch einen Teil über sich erzählt. Vielleicht ist es auch nur Zufall und sie ist einfach eine Meisterin in der Erschaffung charakterstarker Protagonisten. Beinahe jede ihrer Figuren habe ich in gewisser Weise ins Herz geschlossen. Und so fiebert man mit und fragt sich, was alles passieren mag, wenn die Familie bereits auf den ersten Seiten dieses Romans mit den Bedrohungen des Krieges konfrontiert wird. Genauso freut man sich auch über so Kleinigkeiten, sei es, dass Yema in Frankreich ohne jegliche Sprachkenntnisse einkaufen geht und sich einzig an den Bildern der Produkte orientiert und stolz auf sich ist oder als sich Ali überraschender Weise mit Mohand, einem Mann aus seinem Dorf, der Vergangenheit, in Paris trifft und sie somit irgendwie wieder zusammenfinden. Oder man erfährt einfach mehr über das doch so unbekannte Land, den Glauben und die Traditionen...

Zeniter gibt den Verdrängten Algeriens eine Stimme und das so bewegend, dass man diesen Roman und diese Familie einfach nur mögen kann. Ich würde gar sagen, wer "Das achte Leben (für Brilka)" von Nino Haratischwilli gelesen und gemocht hat, wird "Die Kunst zu verlieren" mindestens genauso lieben.

Veröffentlicht am 27.09.2019

Zeig mir dein Innerstes und ich helfe dir wieder zu leben.

Durch deine Augen
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Wie wäre es, wenn man in das Bewusstsein anderer eintauchen und sich direkt mit den Gefühlen, Eindrücken und Bildern derjenigen auseinandersetzen könnte? Wäre dies eine Möglichkeit zu Traumapatienten einen ...

Wie wäre es, wenn man in das Bewusstsein anderer eintauchen und sich direkt mit den Gefühlen, Eindrücken und Bildern derjenigen auseinandersetzen könnte? Wäre dies eine Möglichkeit zu Traumapatienten einen neuen Zugriff zu bekommen und ihnen zu helfen ihre Ängste zu überwinden, Geschehnisse neu zu verarbeiten und sich verstanden zu fühlen? Genau dieser Frage oder besser gesagt diesem Ansatz geht Lisa in Peter Høegs Roman "Durch deine Augen" nach. Als Professorin ihrer eigenen Forschungseinrichtung hat sie eine neuartige Möglichkeit gefunden mittels Hologrammen und Scans die Gefühls- und Gedankenwelt ihrer Patienten erlebbar zu machen.
Auch Peter hat von dieser neuen Therapiemethode gehört und nimmt zu Lisa Kontakt auf. Sein Bruder hat versucht Selbstmord zu begehen und befindet sich nun stationär in einer psychiatrischen Klinik. Peter möchte ihm helfen, wieder zurück ins Leben zu finden, doch dies ist leichter gesagt als getan. Die drei kennen sich sogar schon aus dem Kindergarten. Doch dies ist Lisa gar nicht im Gedächtnis geblieben, denn aufgrund eines schrecklichen Unfalls hat ihr Bewusstsein beinahe all ihre Erinnerungen bis zu ihrem 7. Lebensjahr gelöscht. Durch die Therapie kommen sie sich näher und erzählen sich Geschichten aus Kindertagen. Anscheinend hatte Lisa schon früher das Talent in Träume anderer einzudringen und damit auch ein Stück weit die Zukunft zu beeinflussen... Doch die Frage bleibt: Was ist eigentlich noch Erinnerung, was Erzählung und vor allem was ist die wirkliche Wahrheit?

"Durch deine Augen" ist für mich mal wieder ein Roman, der zahlreiche Denkanstöße liefert. Auch wenn es für heutige Verhältnisse noch etwas verrückt klingt in andere Menschen einzutauchen und mittels einfachen Helmen miteinander verbunden zu werden, so ist bereits die Vorstellung recht imposant. Und die Beziehung zwischen eigentlich Fremden würde so aufs Innerste hinausgehen. Was wäre alles möglich? Und vor allem wie würden die Erkenntnisse, darüber wie intensiv der andere wirklich fühlt, ausfallen?

Eher ruhig und sachlich schafft Peter Høeg es den Leser an dieses Gedankenexperiment heranzuführen. Dabei schafft er zwei 'Behandlungsräume' in verschiedenen Zeitebenen. Während in der gegenwärtigen Situation hauptsächlich die Beziehung und Therapiemöglichkeit einzelner traumatisierter Patienten aufgezeigt werden, spielt sich in den Erinnerungen bzw. den Rückblenden in die Kindheit der Protagonisten hauptsächlich die Frage nach der Beeinflussung der Zukunft ab. So wie im echten Leben, bergen die einzelnen Therapiesitzungen jeweils sehr aufwühlende Ereignisse über die Høeg ohne in Absurditäten abzudriften ganz klar und unverblümt erzählt. So entsteht dann auch insgesamt ein fiktives und dennoch so kluges und real mögliches Bild, welches ich wirklich gerne entdeckt habe. Ich kann zwar nicht sagen, dass es für mich ein absolutes Highlight mit Wow-Effekt war, aber dieser Roman hat mich wirklich gut und vor allem auch gedanklich unterhalten.

Veröffentlicht am 27.09.2019

Zuckerfrei die X-te

Goodbye Zucker für jeden Tag
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Auf den ersten Blick war ich von diesem Kochbuch mit Ratgeberfunktion sehr begeistert. Es ist kein plumpes Kochbuch mit Vorwort und komischen Schritt-für-Schritt-Anleitungen, sondern man hat das Gefühl ...

Auf den ersten Blick war ich von diesem Kochbuch mit Ratgeberfunktion sehr begeistert. Es ist kein plumpes Kochbuch mit Vorwort und komischen Schritt-für-Schritt-Anleitungen, sondern man hat das Gefühl Sarah Wilson nimmt den Leser an die Hand, berichtet von ihrem sehr verantwortungsvollen Umgang mit Lebensmitteln und teilt ihr Wissen und ihre Erkenntnisse einfach mal. So geht es dann auch zunächst sehr ansprechend um die ganz simple Küchen-/Kochausstattung, die richtige Sortierung im Kühlschrank oder die Vorbereitung und Lagerung im Gefrierschrank. Bei ihr wird kein Rest, auch wenn er noch so klein ist, weggeworfen, alles findet stets Verwendung und verfeinert eben noch einmal als Soßenbeigabe oder Sud ein späteres Gericht. Den Hauptteil stellen dann natürlich die angekündigten 200 neuen Rezepte. Hier geht es dann wie in jedem klassischen Kochbuch auch, um alles was das Herz begehrt. Basics, Frühstück, Snacks, Fisch, Fleisch, Gemüse, die sogenannten "Wunder aus einem Topf" und Gerichte aus Resten.

Doch auch hier unterscheidet sich das Kochbuch dann auch optisch von den zahlreichen anderen, verfügbaren Rezeptbüchern. Natürlich sind alle Rezepte ohne Zucker bzw. (leider) gibt es dann doch hier und da Ersatzstoffe. Aber dieses Buch macht einfach Lust sich mit dem Gezeigten zu beschäftigen, man will es nachkochen und mindestens genauso schön angerichtet, bunt und gesund hinbekommen.



Ich könnte nun an dieser Stelle von zahlreichen Gerichten schwärmen, aber vielleicht überlasse ich das nun auch jedem selbst, schließlich ist bei der Mischung so beinahe für jeden etwas dabei. Was ich jedenfalls toll und recht einzigartig finde ist ihr stets begeistertes umweltorientiertes Verhalten. "saisonal kaufen, weniger verschwenden, mehr verwenden." und dabei noch wenig bis gar keinen Zucker zu verwenden ist in dieser Kombination einfach optimal für uns und die Gesundheit, die Natur und natürlich auch für den Geldbeutel. Zwar müsste ich für viele Gerichte/Zutatenlisten auch erst einmal einkaufen gehen, aber ich empfinde sie an dieser Stelle nicht zu komplex und unendlich lang. Auch Austauschprodukte werden erwähnt und kochen ist schließlich auch immer ein bisschen mutiges Ausprobieren.

Allerdings wäre ich nicht ich, wenn ich nicht etwas zu kritisieren hätte und auch da habe ich tatsächlich so einiges Fragliches entdeckt. So wird z.B. Schweinefleisch in Form eines Regenerationsgerichts (nach zu viel Zuckerkonsum, bei Autoimmunerkrankungen...) verwendet. Sie erklärt zwar, dass Schweine und Menschen genetisch ähnlich sind und Schweinefleisch somit etwas enthalten könnte, das bei der Reparatur von arteriellen Schäden hilft, natürlich mit dem Hinweis, dass es sich hier um eine reine Hypothese handelt. Und trotzdem sagte mir bisher jeder Ernährungsberater und Biochemiker, dass Schweinefleisch eher vermieden werden sollte, da es dem Menschen zu sehr ähnelt und somit der Körper sich auf die Dauer auch selbst angreifen könnte. Daher sollte man dies eher mir Vorsicht genießen, auch wenn es in diesem Fall äußerst appetitlich aussieht. Ein ähnliches Problem hätte ich dann auch mit den verwendeten Süßungsmitteln. Sie greift hier hauptsächlich auf Reissirup und Stevia zurück, was in Hinblick auf Fruktose sicherlich die beste Alternative darstellt. Allerdings ist dieser Stevia-Hype schon längst überholt und eher Xylit besser geeignet (heißt es). Natürlich, so denke ich, beruht dieses Buch hauptsächlich auf ihren eigenen Erfahrungen und darauf, dass die Originalausgabe bereits 2015 erschien, dennoch erwarte ich gerade an dieser Stelle irgendwie mehr.