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Veröffentlicht am 30.09.2017

Evas Geschichte - verstörend, aber langatmig

Und es schmilzt
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Lize Spit nimmt uns mit ihrem Roman "Und es schmilzt" mit in die Erlebniswelt von Eva. Bereits zu Beginn stellen sich viele Fragen um sie und einen Eisblock. Eva sieht sich selbst nicht als ein normales ...

Lize Spit nimmt uns mit ihrem Roman "Und es schmilzt" mit in die Erlebniswelt von Eva. Bereits zu Beginn stellen sich viele Fragen um sie und einen Eisblock. Eva sieht sich selbst nicht als ein normales Mädchen. In ihrer Familie gibt es wahnsinnige Probleme. Alkohol. Suizidgedanken. Eine von Ticks besessene Schwester. Keine Liebe."Ich ging weg, wünschte mir, wir wären dümmer oder weniger sensibel, wie die meisten unserer Nachbarn, wie Laurens' Eltern. Dann hätte sie mir fester ins Gesicht geschlagen, mit einer eisernen Suppenkelle zum Beispiel, mir genug weh getan, um sie zu hassen, um zumindest weinen zu dürfen."

Nun gut, die Ausgangslage verspricht sehr viel. Es folgt jedoch eine sehr langatmige Umschreibung ihrer Kindheit und die Reise mit ihrem Eisblock. Mit jeder Seite erwartet man, dass die zu Beginn aufgeworfenen Fragen beantwortet werden und etwas schreckliches passiert. Und ja, es kommt spät. Spät, aber dafür knallhart und verstörend. Ich habe noch nie so viel Mitleid empfunden - Mitleid mit Eva, mit ihrer verhaltensgestörten Schwester Tesje und ihrer dem Alkohol verfallenen Familie. "Wenn ich mir ihre bleichen, dünnen Schenkel und ihre violett verfärbten Krampfadern ansah, erkannte ich, dass ich dabei war, sie kaputtzumachen." Kinder können so wahnsinnig grausam sein. Nie ließ mich ein Roman so fassungslos und erschüttert zurück.

"Und es schmilzt" ist ein Roman, von dem ich sehr viel erwartet habe und leider enttäuscht wurde. Dieser Roman kursiert bereits eine Weile in aller Munde und entweder findet man ihn spannend, makaber, grausam oder eher fraglich und langweilig. Ich gehöre großteils eher der zweiten Gruppe an. Eine klarere Richtung und Kürzung würde dem Ganzen sehr gut tun. Mehr kann ich leider dazu auch nicht sagen.

Veröffentlicht am 22.09.2017

Sehr lebensnah und doch am Thema vorbei

Als der Teufel aus dem Badezimmer kam
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"Im Supermarkt sind die Armen leicht zu erkennen. Es sind die mit einer Einkaufsliste in der Hand, von der sie nicht abweichen. Die, die Waren ohne Preisschild mit dem Barcodescanner prüfen. Die, die vor ...

"Im Supermarkt sind die Armen leicht zu erkennen. Es sind die mit einer Einkaufsliste in der Hand, von der sie nicht abweichen. Die, die Waren ohne Preisschild mit dem Barcodescanner prüfen. Die, die vor den Regalen von einem Fuß auf den anderen treten. Die, die lange vor dem Überangebot an Joghurt verharren und Vergleiche anstellen [...] in der Hoffnung, die klügste Wahl zu treffen " - Willkommen im Leben von Sophie.

Das Buch "Als der Teufel aus dem Badezimmer kam" eine Art Biografie, nur anders. Sophie Divry schreibt sehr offen über ihre Gedanken und das Dasein als Arbeitslose, Schriftstellerin und von der Grundsicherung Lebende. Der Weg hinaus aus diesem Leben ist nicht einfach und gar häufig schwieriger als es aussieht - die Verlockung steckt überall und macht nicht am fehlenden Plus auf dem Konto halt. Sophie hat gerade noch 17,70 Euro für die nächsten Tage ... eine weitere Rechnung? Bingo! Überzogen.

Es wird bereits zu Beginn nur von einem "Improvisationsroman voller Unterbrechungen und ohne Anspruch auf Tiefgang" gesprochen, dennoch hätte ich mehr erwartet. Die durch den Titel erwartete Auseinandersetzung mit dem Teufel beschränkt sich auf wenige Seiten, die kaum der Rede wert sind. Es ist eine Art Collage aus Alltagsbeschreibung, lustigen Metaphern und Umschreibungen sowie Auseinandersetzungen mit dem gesellschaftlichen Problem der Arbeitslosigkeit. Der lockere Schreibstil macht es recht einfach in Sophies Leben hineinzuversetzen, dennoch denke ich, dass vieles durch die Übersetzung aus dem Französischen verloren ging. Das Besondere an diesem Buch ist die Gestaltung, bereits der minimalistische Titel macht aufgrund seiner Ausstanzung der Teufelshörner neugierig und die Innenseiten brechen häufig aus dem alltäglichen Blocksatz heraus. Ansonsten muss man leider sagen: "am Thema vorbei". Sehr schade!

Veröffentlicht am 19.09.2017

Glück für Einsteiger und Fortgeschrittene

Die Entdeckung des Glücks
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"Die Entdeckung des Glücks" stellt sich als eine sehr interessante Zusammenstellung von Theorie, Beispielen und Praxis heraus. Isabell Prophet schafft es auf freundschaftlich, angenehmer Art und Weise ...

"Die Entdeckung des Glücks" stellt sich als eine sehr interessante Zusammenstellung von Theorie, Beispielen und Praxis heraus. Isabell Prophet schafft es auf freundschaftlich, angenehmer Art und Weise das Thema Glück dem Leser näher zu bringen und auf verschiedene Zusammenhänge aufmerksam zu machen.

"Die Menschen um uns herum können unser Leben bereichern oder zerstören, uns fordern oder langweilen, amüsieren oder betrüben"

Das Wichtigste ist dabei wie man selbst damit umgeht und in wie weit man sich positiv oder negativ lenken lässt. Diese Erkenntnis sollte bereits vor dem Lesen klar sein. Eine gute Mischung aus Arbeit, Sport und Freundschaften ist der Schlüssel und dieses Buch hilft über viele Situationen seines Lebens nachzudenken und diese eventuell auch zu verbessern. Teilweise gibt in dem theoretischen Abschnitt Aussagen, die ich als recht kritisch bewerte oder einfach nicht als differenziert genug erachte z.B. PTBS/Traumata-Verarbeitung.

"Glücklich sein im Beruf kann man lernen - es hat uns nur noch niemand gezeigt, wie."

Falls Isabell Prophet uns mit ihrem Buch den Weg dahin zeigen will, gelingt es ihr meiner Meinung nach nur im Ansatz.
"Die Entdeckung des Glücks" ist dennoch ein gutes Einstiegswerk mit zahlreichen, nützlichen Verweisen und ich würde es jedem empfehlen dieses Buch wenigstens ein Mal gelesen und durchdacht zu haben. Den Rest muss man sich dann selbst erarbeiten.

Veröffentlicht am 11.09.2017

Wenn Berge Freundschaft bedeuten

Acht Berge
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"Acht Berge" ist für mich ein bis ins Detail stimmender Roman über die Freundschaft, das Leben, die Ruhe, den Verlust und die Liebe zu den Bergen. Kein Wunder, dass dieses Buch bereits in Italien zu einem ...


"Acht Berge" ist für mich ein bis ins Detail stimmender Roman über die Freundschaft, das Leben, die Ruhe, den Verlust und die Liebe zu den Bergen. Kein Wunder, dass dieses Buch bereits in Italien zu einem Bestseller wurde, mein Lieblingsbuch ist es bereits. Die Erzählung besteht aus 3 Teilen - "Berge der Kindheit", "Haus der Versöhnung" und "Winter eines Freundes" - von denen bereits jeder Einzelne etwas Wunderbares besitzt. Die "Berge der Kindheit" widmet sich der Entwicklung der Freundschaft zwischen den Kindern Pietro und Bruno, dem Bergjungen. Pietro hatte in Mailand nie wirklich Freunde gefunden, doch als seine Eltern beschlossen auf dem Land ein Haus zu mieten, lernt er den Neffen der Vermieterin kennen. Aus beiden werden nicht nur Freunde, sondern Bruno fügt sich immer mehr in die Familie ein und wird so etwas wie ein Bruder. Doch "Unsere Freundschaft war in diesen Bergen beheimatet, und was im Tal passierte, durfte nicht damit in Berührung kommen." Gemeinsam erleben und teilen sie fast alles miteinander, bauen ein Haus und wir begleiten sie durch die kommenden Höhen und Tiefen. Der Berg und Grana wird für Pietro so etwas wie ein Zufluchtsort, sein Freund, sein Ausgleich. Er folgt den Spuren seines Vaters und lernt ihn nach seinem Tod von einer ganz neuen Seite kennen zulernen.


"Denn von meinem Vater habe ich [...] gelernt, dass es für manche Menschen Berge gibt, zu denen sie nicht zurückkehren können. Dass es mitunter, genau wie für ihn oder mich, unmöglich ist, zu den Bergen zurückzukehren, die im Mittelpunkt alle anderen und am Anfang der eigenen Lebensgeschichte stehen."


Paolo Cognetti entführt uns auf seine ganz eigene Art und Weise in eine Gegend abseits des Trubels, voller Liebe und Wärme. Die vielen schönen Details, die Ruhe und die emotionale Tiefgründigkeit machen es zu einem rundum großartigen Roman, der noch lange nachhallt und den man immer wieder neu entdecken und lesen kann.


"Du bist derjenige, der kommt und geht, während ich bleibe, genau wie immer."­

Veröffentlicht am 10.09.2017

Vom Kapitalismus in Afrika

Der Sandmaler
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Zu dem Roman "Der Sandmaler" kann man eigentlich gar nicht so viel sagen, außer dass er so viel Wahrheit über die Zustände Afrikas und den Einfluss des Kapitalismus enthält. So begleiten wir den wohlhabenden ...

Zu dem Roman "Der Sandmaler" kann man eigentlich gar nicht so viel sagen, außer dass er so viel Wahrheit über die Zustände Afrikas und den Einfluss des Kapitalismus enthält. So begleiten wir den wohlhabenden Stefan und die 'normale' Elisabeth im Urlaub auf ihrer Reise in die unbekannte Lebenssituation der Armen der Welt. Es handelt sich hierbei um eine frühere englische Kolonie und Touristenhochburg inmitten von Armenvierteln.

"Elisabeth bekam den Eindruck, dass alles, was die Menschen hier besaßen, Reste und Abfälle aus jener Welt waren, in der sie selbst lebte. Als würde dieses Land von den reichen Industriestaaten als Müllhalde benutzt."

Es ist erschreckend, wenn man bedenkt, dass die schwedische Originalausgabe bereits 1974 erschienen ist und sich bis heute eigentlich nichts Grundlegendes verändert hat. Mankell greift in Form dieses Romans unzählige seiner Reiseeindrücke, von der schnellen Nummer/Prostitution und Bettelei bis hin zur eigentlichen Kultur Afrikas auf und setzt sich mit diesen kritisch auseinander.

"Aber weißt du, solche Bräuche werden sehr schnell verschwinden, wenn dieses Land sich nach ausländischen Interessen entwickelt. Man wird dann nur ein paar pittoreske Riten aufrechterhalten, um sie den Touristen vorzuführen. Aber die eigentliche Kultur wird ausgelöscht und durch Coca-Cola und schwedische Popmusik ersetzt werden."

Das Bemerkenswerte, wie ich finde, ist, dass dieser Roman um die Haupthandlung herum so viel Wahrheit enthält. Den reichen und gut situierten Menschen der Welt sind die dort herrschenden Zustände gänzlich egal, Hauptsache es geht ihnen gut und an ihrer eigenen Einstellung wird sich wenig ändern. Elisabeth, die normal Bügerliche - sofern man das so sagen kann - ist diejenige, die durch die Zustände erschüttert wird, sich Gedanken macht, helfen mag und auf so viel Kultur und Menschlichkeit trifft."Der Sandmaler" ist kein mitreißender Roman, es ist ein eindrucksvoller Reise- und Situationsbericht, der der wohlhabenderen Gesellschaft die Wahrheit und das afrikanische Leben vor Augen halten soll.