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Veröffentlicht am 30.08.2017

"Das Glück auf das wir warten, kann das Glück, das wir erleben, verderben."

Odysseus aus Bagdad
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In diesem Roman geht es um die Geschichte von Saad Saad, einem Iraker. Der Krieg und die darauf folgenden Unruhen um Sadam Hussein hatten den Verlust seines Vaters, beider Schwäger und seiner kleine Nichte ...

In diesem Roman geht es um die Geschichte von Saad Saad, einem Iraker. Der Krieg und die darauf folgenden Unruhen um Sadam Hussein hatten den Verlust seines Vaters, beider Schwäger und seiner kleine Nichte gefordert. Auch seine große Liebe Leila schien zu den Opfern zu gehören. Saad will raus aus dem Chaos und nach Europa. Wir begleiten ihn auf seiner beschwerlichen Reise. Um zu entkommen will er Islamist werden, schließt sich Drogenschmugglern an, will als politischer Flüchtling eingestuft werden, bezahlt Schlepper um nach Europa und seinem großen Ziel London zu kommen. Auf seiner Reise lernt er einige Menschen kennen, die ihn unterstützen oder kurzzeitig Freunde für ihn sind. Immer wieder taucht dabei der Geist seines Vaters auf, um ihn Ratschläge zu erteilen. Kurz vor seinem Ziel findet er Leila wieder, aber die Freude soll nur von kurzer Dauer sein ...


"Das London, in dem ich Quartier bezogen habe, verwirrt mich. Agatha Christie hat mir keinen Ort dieser Art beschrieben; Dickens wahrscheinlich schon eher, aber Dickens habe ich nicht gelesen, weil Sadam Hussein ihn nicht verboten hatte."


Insgesamt ein recht interessanter Roman über Trauer und Hoffnung, Krieg und Grenzen, die Probleme und das Leben eines Flüchtlings. Eric-Emmanuel Schmitt schafft es in diesem Roman dem Leser eine Welt zu zeigen, die man sich so kaum vorstellen kann. Leider schaffte er es nicht, mich dabei emotional zu packen. Es ist eine Geschichte, die sehr vielversprechend beginnt, doch gibt es im Verlauf keinen Höhepunkt. Dass Saad seine große Liebe Leila kurz vor der englischen Küste zufällig wiederfindet, beide allerdings über komplett andere Wege dorthin gelangt waren, empfand ich dann auch eher als fraglich. Es scheint gar so, als hätte hier noch ein Weggefährte gefehlt, und da Leilas Verbleib nie ganz geklärt werden konnte, musste eben sie erneut herhalten. Schade.

Veröffentlicht am 29.08.2017

Über den Wahn des Krieges, der Liebe und der Psyche

Der große Wahn
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Das 20. Jahrhundert war eine Katastrophe, "oder genauer vielleicht: ein großer Wahn. Womöglich erwachen wir eines Tages und stellen fest, dass es sich um eine psychotische Episode handelte, die wir abschließen ...

Das 20. Jahrhundert war eine Katastrophe, "oder genauer vielleicht: ein großer Wahn. Womöglich erwachen wir eines Tages und stellen fest, dass es sich um eine psychotische Episode handelte, die wir abschließen sollten. Aber von dort aus, wo wir heute stehen, scheint das Ganze kein Ende zu nehmen."
Die Ausprägungen des Wahns, die in diesem Roman zum Vorschein kommen, sind sehr vielfältig, genauso vielfältig, wie die Anzahl verschiedener Szenen und Erinnerungen zwischen denen der Autor umherspringt. Vorrangig geht es um Hendricks, ein Mensch, für den die Einsamkeit Normalität zu sein scheint. Eines Tages erhält dieser einen Brief des ihm bis dato unbekannten Psychiaters und Kollegen Dr. Pereira, der ihn um einen Besuch auf seiner kleinen französischen Insel bittet, einen Nachlassverwalter sucht und in seinen alten Tagebüchern etwas über Hendricks Vater gefunden hat.


Sein Vater hatte ihn schon früh verlassen, eigentlich kann er sich kaum noch an ihn erinnern, so wie an vieles andere. "Von dem, was dann geschah, habe ich bis heute nur ein verworrenes Bild. Viele Jahre lang habe ich versucht, eine Abfolge von Ereignissen zu verstehen, bei der die Zeit zusammenbrach, und bin daran gescheitert."
Durch die Gespräche mit Dr.Pereira arbeitet Hendricks seine verdrängte Vergangenheit und Erinnerungen neu auf. Er geht wieder auf Menschen zu, wird nahbarer und empfänglicher für Gefühle. "Wir dürfen bereits nachgewiesen haben, dass ein Großteil der menschlichen Persönlichkeit durch die Art und Weise geformt wird, wie sie sich erinnert. Wohlgemerkt, nicht an was sie sich erinnert, sondern wie sie sich erinnert."

Wir bewegen uns zwischen Kriegserlebnissen, Wiedersehen alter Freunde, Arbeit, psychischen Erkenntnissen, beruflichen Vorhaben und Zielen, Sex, Vorlieben und Beziehungen zu verschiedenen Frauen ... die Anzahl der behandelten Themen ist gar riesig. Die immer wieder einfließenden psychiatrischen Erkenntnisse und Erforschungen der damaligen Zeit sowie tiefgründigen Abschnitte über das Leben und die Psyche machen dieses Buch zu etwas Besonderem. Sebastian Faulks schafft es innerhalb kurzer Zeit eine mitfiebernde Spannung zu erzeugen. Die Beschreibungen des Krieges gegen die Deutschen sind sehr intensiv und bildhaft, allerdings widmen wir uns danach wieder anderen Themen und die Spannung ist mehr oder weniger schlagartig verflogen. Manchmal hat man das Gefühl, es wäre eine reine Abarbeitung von Themenkomplexen und Einschüben, die dem Autor immer mal wieder einfallen. Es ist leider kein thematisch fokussierter und aufeinander aufbauender Roman, was das Verständnis etwas erschwert. Des Weiteren empfinde ich Hindricks "Liebeswahn" und die Beschreibungen weiblicher Schenkel auch eher störend als unterstützend. Alles in allem ist es ein guter Roman, der allerdings noch viel mehr Potenzial gehabt hätte.

Veröffentlicht am 29.08.2017

Über Vergangenheit, Verlust und Zerbrechlichkeit

Whiteout
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"Benommen sinke ich auf die Knie, lege die Hände in den Schnee, der weder weich ist noch sanft. In meinen Bronchien rasselt der Atem, es klopf und wummert im ganzen Leib. Ich kann nicht anders, als zu ...

"Benommen sinke ich auf die Knie, lege die Hände in den Schnee, der weder weich ist noch sanft. In meinen Bronchien rasselt der Atem, es klopf und wummert im ganzen Leib. Ich kann nicht anders, als zu hören, wie das Blut durch meine Adern pumpt. Höre mein Leben. Und dahinter, davor, darüber eine mächtige, gewaltige Stille." - Whiteout

Dieser Roman ist für mich eine recht ruhige und leise Geschichte, die ohne große Aktion und Spannung auskommt. Gespickt mit einer Menge Humor begeben wir uns mit auf eine Forschungsreise in der Antarktis. Hier ist Hanna mit ihrem Team auf der Suche nach der Vergangenheit - ihre eigene verdrängt sie mehr oder weniger. Als sie auf der Expedition vom Tod ihrer ehemals besten Freundin erfährt, bröckelt erstmals ihre starke Fassade und Erinnerungen kommen hoch.

"Das Karussell fährt wieder. Die alten Gefühle, die alten Fragen drehen sich im selben Kreis wie früher. Sehnsucht, Trauer, Unverständnis und Stolz hocken auf ihren Holzpferdchen, winken mir bei jeder Runde zu. Immer weiter, immer weiter. Neue Fahrt, neues Glück."

Der Leser nimmt in der Erinnerung die Rolle Friederike ein. Frido, wie sie alle nannten, Hannas beste Freundin und Vorbild, die sie plötzlich im Stich gelassen hat und nicht gemeinsam mit ihr in die Zukunft aufbrach. Die harsche, ehrgeizige, ordnungsverliebte und sture Hanna eifert nun allein ihren Kindheitstraum hinterher, geht auf die Suche im Eis und findet dann aufgrund einer einzigen E-Mail die kleine, ängstliche Hanna und sich selbst.

"Die Luft hat sich kalt um meine Schultern gelegt. Oder es ist dieses feinmaschige Netz aus Vergangenheit, unsichtbar wie ein Spinnengewebe, in dem sich meine Gedanken immer wieder verfangen..."

Dieser Roman wirft bei mir eine Menge Fragen auf und mit ihr die bereits von der Autorin selbst gestellte "Was bleibt, wenn ein Mensch wortlos geht?" Er zeigt, wie der Mensch von der Vergangenheit bzw. Kindheit geprägt wird und inwieweit uns unsere Gedanken manchmal beeinflussen und hindern. Durch die sehr bildhaften Umschreibungen, die interessanten Charaktere und tiefgründigen bis ergreifende Abschnitte ein für mich rund um tolles Buch, welches ich sehr gerne gelesen und durchdacht habe. Da ich hier sehr viele Lieblingszitate gefunden habe, möchte ich meine Rezension abschließend mit einem weiteren bereichern.

"Die Vergangenheit sagt uns, wer wir sind, ohne sie verlieren wir unsere Identität."

Veröffentlicht am 28.08.2017

Von Schregeln und Glücksziplinen

Lebe nach deinen eigenen Regeln
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"Lebe nach deinen eigenen Regeln" oder lerne Vishen Lakhianis Gesetze und Anregungen kennen. Von Ratgebern kann man ja immer halten, was man mag - entweder passt es zu einem und seiner Lebensansicht oder ...

"Lebe nach deinen eigenen Regeln" oder lerne Vishen Lakhianis Gesetze und Anregungen kennen. Von Ratgebern kann man ja immer halten, was man mag - entweder passt es zu einem und seiner Lebensansicht oder eben nicht. Dieses Buch war für mich allerdings eine große Herausforderung. Den Autor würde ich schon als eine Art Guru betrachten, der weiß, worüber er spricht und was er vermitteln möchte. Allerdings eckt er mit seiner Einstellung häufig bei mir an, sodass es zunächst eher eine Art Hassliebe wird. So ist auch seine Einstellung gegenüber Religion für mich etwas kontrovers zu sehen. So werden in Kapiteln wie "Die Lügen, die wir glauben wollen", "Die Merkwürdigkeiten der Kultur" oder "Wie sich unsere Überzeugungen auf Aussehen und Gesundheit auswirken" Behauptungen und Zusammenhänge aufgestellt, denen ich überhaupt nicht folgen kann und auch nich als richtig erachte. Vieles kann man in verschiedenen Richtungen deuten und hier versucht der Autor ganz klar uns von seiner, doch etwas fraglichen, zu überzeugen.


Das Buch ist in 4 grobe Abschnitte geteilt, von denen für mich gerade mal zwei entscheidend sind und mit denen man auch arbeiten kann. Es ist großteils leider ein 'in den nächsten Kapiteln werden wir folgendes betrachten'-Verweis oder eine Art Selbstdarstellung mit Eigenwerbung für das, was Lakhiani in seinem Leben bisher aufgebaut hat. Teilweise schildert er sehr überspitzt seine Ansichten, welches zum Denken und Aufregen einlädt. Es ist dadurch auch kein klassischer 'ich erarbeite mit Dir etwas'-Ratgeber wie man ihn hier erwarten würde.


Ich bin ein großer Freund seines Glücksziplinsystems, welches den Ursprung in Dankbarkeit, Vergebung und Geben sieht. Seine Unterscheidung zwischen Zweckzielen und Bestimmungszielen sowie sein 3-teiliger Bauplan der Seele sind durchaus gut durchdacht und greifbar. Das Wesentliche dieses Buch bildet für mich jedoch erst der Anhang mit seinen "Tools für die Reise" - Zusammenfassung und Anwendungen.


Insgesamt komme ich so zu dem Schluss, dass man dieses recht mächtige Werk sehr stark auf nur einzelne Kapitel reduzieren kann, die dann auch recht hilfreich daherkommen. Was man daraus macht und wie man damit umgeht und ob man bestehende Regeln durch seine vorgeschlagenen Gesetze und Worterfindungen ersetzt, ist dann wiederum jedem selbst überlassen.

Veröffentlicht am 26.08.2017

mehr als nur ein Krimi

Ein angesehener Mann
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"I sat back on the bed and, not for the first time, questioned what I was doing out here, in this country where the natives despised you and climate drove you mad and the water could kill you. And not ...

"I sat back on the bed and, not for the first time, questioned what I was doing out here, in this country where the natives despised you and climate drove you mad and the water could kill you. And not just the water, pretty much everything out here seemed designed to kill an Englishman..."

A RISING MAN - ein Buch, welches mich ab der ersten Seite nicht mehr losgelassen hat. Diese Geschichte spielt im alten Calcutta, Indien in der Zeit um 1919, als der frisch versetzte Sam Wyndham dort auf seinen ersten Fall stößt.

Der Krimi als solches hat einen recht standardmäßigen Ablauf - ein mysteriöser Mord, die Ermittlungen folgen, Zeugenbefragungen, eine Festnahme, es war der Falsche und am Ende ist es dann doch jemand aus dem näheren Umfeld, mit dem man nicht unbedingt gerechnet hatte. Abir Mukherjee schafft es jedoch den Leser mit dieser Geschichte vollkommen zu fesseln und in die damalige Zeit eintauchen zu lassen. Hinzu kommen die verschiedenen Charaktere, die diese Geschichte so emotional aufgeladen und greifbar machen. Es ist nicht nur ein einfacher Krimi, es ist die Mischung aus historischen Fakten, gesellschaftlichen Konflikten, faszinierenden Charakteren, Verstrickungen, Spannung und Humor, die dieses Buch für mich zu einem absolut großartigen Kriminalroman und Auftakt einer Serie machen. Im englischen Original ein absoluter Lesetipp - auch für Nicht-Krimifans (wie mich) geeignet.