Familiensaga mit vielen handelnden Personen und anspruchsvoller Sprache
Die Forsyte SagaMit der Forsyte-Saga von John Galsworthy hält man einen Klassiker in den Händen, der vor über 100 Jahren geschrieben worden ist und für den der Autor den Literaturnobelpreis erhalten hat. Die drei vorliegenden ...
Mit der Forsyte-Saga von John Galsworthy hält man einen Klassiker in den Händen, der vor über 100 Jahren geschrieben worden ist und für den der Autor den Literaturnobelpreis erhalten hat. Die drei vorliegenden Bücher werden neu aufgelegt vom Reclam-Verlag in einem hochwertigen Schuber geliefert. Die Bücher bestechen rein optisch schon in ihrer gelungenen Aufmachung, den Abbildungen inkl. Lesebändchen. Besonders hervorzuheben ist auch der Stammbaum zur Familie Forsyte, der vor allem für den guten Einstieg in die Geschichte unabdingbar ist, da wir eine Fülle von handelnden Personen vorfinden (ca. 60 Personen sind im Stammbaum verzeichnet).
In der Saga geht es also um die fiktive Familie Forsyte im viktorianischen England. Beginnend um 1880 entspinnt sich so eine Geschichte von sehr mannigfaltigen, aber auch äußerst speziellen Charakteren mit nicht immer moralisch tadellosen Ansichten der damaligen bürgerlichen Oberschicht. Es geht um Reichtum und Macht, um die Stellung in der Gesellschaft, um Intrigen, Liebe und Hass, Klatsch und Tratsch, Traditionen, Aufstieg und Niedergang, zahlreiche Fehden untereinander. Dies alles sind interessante Grundlagen, um besonders den Zeitgeist der damaligen Bedingungen einer Familie in besseren Verhältnissen einzufangen.
Hinsichtlich des Inhalts dient Buch 1 meiner Meinung nach insbesondere, um alle handelnden Charaktere vorzustellen (siehe großzügiger Stammbaum), denn insgesamt betrachtet passiert nicht überragend viel und erst in Band 2 und 3 nimmt die Geschichte mehr Fahrt auf. Den Mittelpunkt bildet in Band 1 Soames Forsyte, „der reiche Mann“, der mit einem Hausbau die Ehe zu seiner Irene retten will. Allerdings hat diese schon längst mehr oder weniger mit ihm abgeschlossen und sich neu verliebt- unglücklicherweise in jemanden, der eigentlich auch in die Familie Forsyte einheiraten sollte, selbstverständlich aber eine andere Frau. Dies erregt auf jeden Fall zahlreiche Gemüter. Im Verlauf des 2.Bandes gibt es zunächst einen kurzen Einschub, eine kleine Nebengeschichte zum alten Jolyon, bevor es mit Soames weitergeht. Aber auch der junge Jolyon und in einer Nebengeschichte dann Val, rücken nun in den Blickpunkt des Geschehens. Der 3.Band beschäftigt sich neben einem weiteren Einschub, dann mit den Kindern von Soames und Jolyon, der nun mittlerweile mit Irene verheiratet ist, die sich dann -natürlich- ineinander verlieben, was absolut nicht geduldet werden kann und darf, da sich so zwei verfeindete Forsyte-Familienlinien miteinander verbinden.
Sprachlich ist die Forsyte-Saga eine echte Herausforderung, denn der Text ist leider nicht besonders leicht und flüssig zu lesen und es braucht anfangs und auch später jede Menge Konzentration, um sich richtig auf die Geschichte einlassen zu können. Wenn man sich allerdings eingefunden hat, macht es viel Spaß zu Lesen und man möchte auch wissen, wie es mit den Personen weitergeht. Obwohl man keine riesigen Spannungssprünge erwarten darf, so bleibt man doch am Ball. Die Sprache fängt absolut den Zeitgeist und das Gesellschaftsbild ein, obwohl manchmal viel umschrieben wird und wenig passiert. Es handelt sich oft um lange, miteinander verknüpfte Sätze, die nicht sofort auf den Punkt kommen, dafür dem Leser allerlei vielfältige Informationen bieten und manchmal auch die Pointe bereits ein wenig vorwegnehmen. Auch die Kapitelüberschriften kündigen oft an, was passiert, was leider nicht zum Spannungserhalt beiträgt. Es kommt mir oft so vor, als ob der Autor ein direkter Beobachter der Szenarien war und alles notiert hat, was ihm dazu einfiel oder was spontan seine Aufmerksamkeit erregt hat. Das macht die Geschichte in meinen Augen höchst authentisch, aber lässt wenig Platz für Spekulationen des Lesers. Dem Autor Galsworthy gelingt es so hervorragend, seine Charaktere in Szene zu setzen und ihnen positive oder negative Eigenschaften zu zuweisen, doch leider bleiben sie mir als Leser trotzdem absolut unnahbar. Das klassische „Ich fiebere mit einem von ihnen ständig mit“-Gefühl, setzte bei mir leider nicht ein. Vielmehr empfand ich die Lektüre ebenso wie ein Beobachter, der von weitem auf die Szenen und handelnden Personen blickt. Das wiederum macht es spannend hinsichtlich der Zeitepoche, denn wir lernen viel insgesamt über das Geschehen und die Gesellschaft, ohne uns zu sehr von Gefühlen leiten zu lassen. Vor allem schwingt immer wieder durch, was denn nun ein echter „Forsyte“-Typus ist. Reichtum, Macht, Ansehen und Ehre bilden immer die zentralen Eckpunkte, doch letztendlich ist der Verfall der Familie durch ihre persönlichen Fehden, ausschlaggebend dafür, dass eben Macht und Reichtum doch nicht alles sein sollte und eine Familie so nicht dauerhaft erhalten werden kann (vor allem, wenn sie so zahlreiche Mitglieder hat). Dieser Grundtenor der Geschichte ist somit sicherlich auch in die heutige Zeit übertragbar.
Mein Fazit: Alles in allem ein rundum gelungener Klassiker, aber man muss auch Klassiker und das dort vorherrschende Weltbild sowie die Sprache mögen können und sich komplett darauf einlassen, dann wird man gut unterhalten. Wer keine Ängste vor schwierigen Werken hat, der sollte die Forsyte-Saga auf jeden Fall lesen.