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Veröffentlicht am 25.04.2022

Familiensaga mit vielen handelnden Personen und anspruchsvoller Sprache

Die Forsyte Saga
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Mit der Forsyte-Saga von John Galsworthy hält man einen Klassiker in den Händen, der vor über 100 Jahren geschrieben worden ist und für den der Autor den Literaturnobelpreis erhalten hat. Die drei vorliegenden ...

Mit der Forsyte-Saga von John Galsworthy hält man einen Klassiker in den Händen, der vor über 100 Jahren geschrieben worden ist und für den der Autor den Literaturnobelpreis erhalten hat. Die drei vorliegenden Bücher werden neu aufgelegt vom Reclam-Verlag in einem hochwertigen Schuber geliefert. Die Bücher bestechen rein optisch schon in ihrer gelungenen Aufmachung, den Abbildungen inkl. Lesebändchen. Besonders hervorzuheben ist auch der Stammbaum zur Familie Forsyte, der vor allem für den guten Einstieg in die Geschichte unabdingbar ist, da wir eine Fülle von handelnden Personen vorfinden (ca. 60 Personen sind im Stammbaum verzeichnet).
In der Saga geht es also um die fiktive Familie Forsyte im viktorianischen England. Beginnend um 1880 entspinnt sich so eine Geschichte von sehr mannigfaltigen, aber auch äußerst speziellen Charakteren mit nicht immer moralisch tadellosen Ansichten der damaligen bürgerlichen Oberschicht. Es geht um Reichtum und Macht, um die Stellung in der Gesellschaft, um Intrigen, Liebe und Hass, Klatsch und Tratsch, Traditionen, Aufstieg und Niedergang, zahlreiche Fehden untereinander. Dies alles sind interessante Grundlagen, um besonders den Zeitgeist der damaligen Bedingungen einer Familie in besseren Verhältnissen einzufangen.
Hinsichtlich des Inhalts dient Buch 1 meiner Meinung nach insbesondere, um alle handelnden Charaktere vorzustellen (siehe großzügiger Stammbaum), denn insgesamt betrachtet passiert nicht überragend viel und erst in Band 2 und 3 nimmt die Geschichte mehr Fahrt auf. Den Mittelpunkt bildet in Band 1 Soames Forsyte, „der reiche Mann“, der mit einem Hausbau die Ehe zu seiner Irene retten will. Allerdings hat diese schon längst mehr oder weniger mit ihm abgeschlossen und sich neu verliebt- unglücklicherweise in jemanden, der eigentlich auch in die Familie Forsyte einheiraten sollte, selbstverständlich aber eine andere Frau. Dies erregt auf jeden Fall zahlreiche Gemüter. Im Verlauf des 2.Bandes gibt es zunächst einen kurzen Einschub, eine kleine Nebengeschichte zum alten Jolyon, bevor es mit Soames weitergeht. Aber auch der junge Jolyon und in einer Nebengeschichte dann Val, rücken nun in den Blickpunkt des Geschehens. Der 3.Band beschäftigt sich neben einem weiteren Einschub, dann mit den Kindern von Soames und Jolyon, der nun mittlerweile mit Irene verheiratet ist, die sich dann -natürlich- ineinander verlieben, was absolut nicht geduldet werden kann und darf, da sich so zwei verfeindete Forsyte-Familienlinien miteinander verbinden.
Sprachlich ist die Forsyte-Saga eine echte Herausforderung, denn der Text ist leider nicht besonders leicht und flüssig zu lesen und es braucht anfangs und auch später jede Menge Konzentration, um sich richtig auf die Geschichte einlassen zu können. Wenn man sich allerdings eingefunden hat, macht es viel Spaß zu Lesen und man möchte auch wissen, wie es mit den Personen weitergeht. Obwohl man keine riesigen Spannungssprünge erwarten darf, so bleibt man doch am Ball. Die Sprache fängt absolut den Zeitgeist und das Gesellschaftsbild ein, obwohl manchmal viel umschrieben wird und wenig passiert. Es handelt sich oft um lange, miteinander verknüpfte Sätze, die nicht sofort auf den Punkt kommen, dafür dem Leser allerlei vielfältige Informationen bieten und manchmal auch die Pointe bereits ein wenig vorwegnehmen. Auch die Kapitelüberschriften kündigen oft an, was passiert, was leider nicht zum Spannungserhalt beiträgt. Es kommt mir oft so vor, als ob der Autor ein direkter Beobachter der Szenarien war und alles notiert hat, was ihm dazu einfiel oder was spontan seine Aufmerksamkeit erregt hat. Das macht die Geschichte in meinen Augen höchst authentisch, aber lässt wenig Platz für Spekulationen des Lesers. Dem Autor Galsworthy gelingt es so hervorragend, seine Charaktere in Szene zu setzen und ihnen positive oder negative Eigenschaften zu zuweisen, doch leider bleiben sie mir als Leser trotzdem absolut unnahbar. Das klassische „Ich fiebere mit einem von ihnen ständig mit“-Gefühl, setzte bei mir leider nicht ein. Vielmehr empfand ich die Lektüre ebenso wie ein Beobachter, der von weitem auf die Szenen und handelnden Personen blickt. Das wiederum macht es spannend hinsichtlich der Zeitepoche, denn wir lernen viel insgesamt über das Geschehen und die Gesellschaft, ohne uns zu sehr von Gefühlen leiten zu lassen. Vor allem schwingt immer wieder durch, was denn nun ein echter „Forsyte“-Typus ist. Reichtum, Macht, Ansehen und Ehre bilden immer die zentralen Eckpunkte, doch letztendlich ist der Verfall der Familie durch ihre persönlichen Fehden, ausschlaggebend dafür, dass eben Macht und Reichtum doch nicht alles sein sollte und eine Familie so nicht dauerhaft erhalten werden kann (vor allem, wenn sie so zahlreiche Mitglieder hat). Dieser Grundtenor der Geschichte ist somit sicherlich auch in die heutige Zeit übertragbar.
Mein Fazit: Alles in allem ein rundum gelungener Klassiker, aber man muss auch Klassiker und das dort vorherrschende Weltbild sowie die Sprache mögen können und sich komplett darauf einlassen, dann wird man gut unterhalten. Wer keine Ängste vor schwierigen Werken hat, der sollte die Forsyte-Saga auf jeden Fall lesen.

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Veröffentlicht am 30.03.2022

Enttäuschende Fortsetzung

Der Weg der Teehändlerin
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Die Geschichte rund um den Ronnefeldt-Tee in Frankfurt geht nun im Jahr 1853 weiter. Mittlerweile sind die Kinder von Friederike und Tobias fast alle erwachsen und gehen mehr oder weniger ihre eigenen ...

Die Geschichte rund um den Ronnefeldt-Tee in Frankfurt geht nun im Jahr 1853 weiter. Mittlerweile sind die Kinder von Friederike und Tobias fast alle erwachsen und gehen mehr oder weniger ihre eigenen Wege. Friederike ist nun das Oberhaupt der Familie Ronnefeldt, da ihr Mann Tobias verstorben ist. Doch noch immer ist es ihr nur möglich, die offiziellen Geschäfte von einem Mann führen zu lassen. Friederike hofft natürlich, dass einer ihrer Söhne das Teegeschäft weiter führen wird. Doch zu ihrem Leidwesen entwickeln alle ihre Kinder starke eigene Interessen und es scheint gar nicht sicher, dass die Ära des Tees weiter geht.
Susanne Popp setzt mit „Der Weg der Teehändlerin“ als Band Nr. 2 die Ronnefeldt-Saga fort. Nach der wahren Geschichte des bekannten Teehauses Ronnefeldt, welches bis heute existiert, beruft sie sich auf tatsächliche Begebenheiten, um daraus ihren fiktionalen Roman aufzubauen. Das Cover finde ich erneut äußerst ansprechend und sofort fühlte ich mich zurück versetzt zu Band 1. Das Buch hat nicht nur äußerlich einen hohen Wiedererkennungswert, sondern ebenso ist man sprachlich sofort wieder im historischen Frankfurt zu Hause. Die Autorin Susanne Popp hat einen sehr lebendigen und gut verständlichen Sprachstil und es fällt sehr leicht der Geschichte zu folgen. Man ist als Leser ständig mitten im Geschehen und kann sich die Vorgänge im Hause Ronnefeldt sehr gut vorstellen. Die Kapitellänge ist ausgewogen und lädt zum kurzweiligen Lesen ein. Die handelnden Charaktere werden wieder in einem beigefügten Personenverzeichnis aufgeführt und ebenfalls gekennzeichnet, ob es sich um historische oder fiktive Persönlichkeiten handelt.
Nun komme ich allerdings schon zu meiner Kritik. Als erstes ist der Titel des Buches irreführend gewählt, denn es geht eigentlich kaum um Friederike an sich, sondern um ihre Kinder und von ihren Töchtern ist nachweislich keine eine „Teehändlerin“. Die Geschichte ist gut, solide und gerne verfolgt man auch den Lebensweg der Kinder, aber Friederike tritt damit als schillernder Charakter des 1.Bands völlig in den Hintergrund und nimmt in der Erzählzeit nur Bruchstücke ein, was ich sehr bedauere. Da eben die nächste Generation Ronnefeldt betrachtet wird, verwundert es da nicht, dass das Buch gleich zu Anfang einen großen Zeitsprung macht. Ich bin leider kein Fan von diesen extremen Zeitsprüngen, sondern viel mehr interessiert mich, was in der Zwischenzeit tatsächlich passiert wäre- somit ist auch das Ende des Buches absolut enttäuschend für mich, denn der Epilog handelt nochmals 35 Jahre später-sicherlich, um die nächste Generation Ronnefeldts einzuführen, worauf ich hätte aber verzichten können. Die Charaktere in Band 2 sind äußerst blass und für mich nicht so gut greifbar, wie es zum Beispiel Friederike war. Ihre Kinder sind nett, allerdings sind sie mir nicht sonderlich nah oder sympathisch, sondern ich bin ihnen als Leser eher neutral eingestellt. Es ist sehr schade, dass die Autorin kein feinfühligeres Händchen an dieser Stelle hatte, um den Leser mehr mit den Charakteren mitfiebern zu lassen. Das macht den Roman schlussendlich gewöhnlich und weniger ansprechend, da eine Geschichte von vielen erzählt wird. Es geht um Arm und Reich, um Bürgertum und Adel, um Freiheit und Demokratie, um Lügen und Intrigen, um Liebe und Zurückweisung, um die Emanzipation der Frau und ihre Selbständigkeit- alles Dinge, die wir oft in historischen Romanen finden können und die gut zur benannten historischen Zeit passen- aber absolut nichts, was einem als geübten Leser noch vom Hocker haut. Erzählstränge wurden aufgenommen (ich hatte das Gefühl damit die Person halt einfach nochmals vorkommt bevor sie in der dauerhaften Versenkung verschwindet, wie zum Beispiel Paul Birkholz), um dann sofort wieder fallen gelassen zu werden. Für meinen Geschmack hat es sich die Autorin zu einfach gemacht mit dem Anreißen vieler Themen aber der nicht konsequenten Fortführung derselben. Manches wirkt so lapidar vorhersehbar, anderes einfach ungenügend.
Und was ist eigentlich mit der Spannung passiert? Der Roman beginnt absolut vielversprechend, doch dann plätschert alles nur noch vor sich hin, wie bereits erwähnt solide, aber nicht außergewöhnlich. Und nun ganz zum Schluss, wo bleibt der besondere aromatische Geruch nach Tee zwischen den Buchseiten? Als Leser hat man einen Roman über ein renommiertes Teehaus in den Händen, damit verbunden ganz gewisse Erwartungen und bereits Band 1 wurde diesbezüglich hinreichend beworben: Aber wo sind denn nun die vielen historischen Einblicke in die Welt des Tees? Es wird wieder nur allenfalls angerissen, vielleicht schon etwas mehr als in Band 1, aber es ist insgesamt an Fakten dem Roman absolut nicht würdig genug. Man könnte sagen die Autorin hat eine historische Geschichte einer Kaufmannsfamilie beschrieben, in die sie immer mal einen Nebensatz mit Tee eingebaut hat.
Mein Fazit: Das Buch „Der Weg der Teehändlerin“ ist für mich eine absolute Enttäuschung im Hinblick auf meine hohe Erwartungshaltung. Die Geschichte, die in die nächste Generation verlagert worden ist, ist prinzipiell in Ordnung, aber es könnte eine von vielen sein, wenn sie nicht im Zusammenhang mit den Teehaus Ronnefeldt stehen würde. Das Buch fängt gut den Zeitgeist ein, hat aber sehr viel Potenzial durch Zeitsprünge und allzu blasse Charaktere verschenkt. Damit wird es für mich leider nur eine 3-Sternebewertung, denn die Saga avanciert damit in die Reihe der Bücher, die man gelesen haben kann, aber nicht muss.

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Veröffentlicht am 17.03.2022

Genialer Roman über eine unbekannte weibliche Facette des 2.Weltkriegs

Die Fliegerinnen
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Oktober 1941 in Russland: Der zweite Weltkrieg ist in vollem Gange und die Deutschen überrennen die Russen. In dieser Zeit werden nun auch Frauen zu Fliegerinnen/Pilotinnen ausgebildet-Regimenter von Stalin ...

Oktober 1941 in Russland: Der zweite Weltkrieg ist in vollem Gange und die Deutschen überrennen die Russen. In dieser Zeit werden nun auch Frauen zu Fliegerinnen/Pilotinnen ausgebildet-Regimenter von Stalin höchstselbst bewilligt. Dazu greift man auf die Besten der Besten zurück, viele von ihnen sind Kunstfliegerinnen und stellen sich der höheren militärischen Ausbildung. So auch Katja. Sie will nicht nur ihr Land verteidigen, sondern ebenso ihre Eltern retten, die als Saboteure verraten worden sind. Doch Mukijenko, ein Offizier der Staatssicherheit verlangt für ihren Platz im Regiment verschiedene Dienstleistungen – so soll sie hauptsächlich gegenüber ihren Kameradinnen und Freundinnen als Spionin agieren. Damit verwickelt sich Katja nicht nur in den Ereignisstrudel der verschiedenen Kriegsschlachten, es wird auch zunehmend schwierig auseinanderzuhalten und abzuwägen wer Freund oder Feind ist und auf wen man sich überhaupt noch verlassen kann.
Das Buch „Die Fliegerinnen“ stammt von Jeanette Limbeck. Es handelt sich dabei um ihren Debütroman. Die Autorin greift historische Gegebenheiten auf, um sie mit ihren fiktiven Romanfiguren zu verknüpfen bzw. um einen ungefähren Ablauf der Ereignisse nachzustellen. Mich hat aber zunächst das Cover des Romans sehr neugierig gemacht, denn dieses empfinde ich als sehr passend und man hat sofort den Eindruck, dass es sich um einen Roman mit historischem Hintergrund handelt und dieser vermutlich von starken weiblichen Persönlichkeiten begleitet wird. Die Kurzbeschreibung hat ebenso mein Interesse geweckt, denn bis dato wusste ich nichts von Frauen, die im 2.Weltkrieg einen solchen Einsatz bewältigt haben. Ich finde den Roman damit an erster Stelle erstmal sehr lehrreich, denn er beleuchtet eine Facette, die mir persönlich bis jetzt verborgen geblieben ist und ich bin beinahe sprachlos über diese starken Fliegerinnen. Der Schreibstil ist dabei immer flüssig, egal aus welcher Perspektive gerade geschrieben wird. Der Sprachstil der Autorin ist sehr umfangreich und damit gehoben. Sie bedient sich hin und wieder einiger Fachwörter und vieler russischer Namen oder Bezeichnungen. Da ich persönlich gar nicht in der russischen Sprache bewandert bin, fand ich das Glossar sehr hilfreich. Außerdem hilft die vorn beigefügte Karte im Buch die Route der Frauen zu verstehen und die Ortschaften kennenzulernen. Die Geschichte selbst ist umfangreich und umfassend aber meiner Meinung nach durch die hervorragende Verknüpfung mit historischen Fakten äußerst authentisch. Durch wechselnde Erzählperspektiven (aus Sicht von jeweils unterschiedlichen Charakteren) wird die Spannung von Anfang an erzeugt und hochgehalten. Beeindruckend fand ich die Beschreibungen, wie es zur damaligen Zeit im russischen Militär ablief und das Argwohn, Neid, Missgunst und Denunziation nicht nur eine Erfindung der Nationalsozialisten unter Hitler war. Stellenweise traut man seinen Augen kaum beim Lesen, dass selbst Kleinigkeiten mit größeren Strafen geahndet werden und dass der Mensch an sich eigentlich keinen Wert hat, denn er ist beliebig austauschbar. Ohne jetzt damit das gesamte russische Militär der Kriegszeit über einen Kamm scheren zu wollen – ich kann es mir absolut lebhaft vorstellen. Das hat mich insgesamt ebenfalls sehr an dem Buch begeistert: Die Lebhaftigkeit der gesamten Geschichte und dieses vollständig herüber gebrachte Misstrauen, beinahe Wahnvorstellungen gegenüber allem und jedem, was irgendwie nicht zu 100 % ins eigene Konzept passt. Genauso immer wieder dieses ungute Bauchgefühl, dass es eigentlich nichts wert ist sich zu erklären, sondern dass man bereits dank Vorurteile oder seiner Herkunft ein Stigma mit sich führt. Als Leser fühlt man sich dadurch sofort und ständig mitten im Geschehen und beginnt mitzufiebern und seine eigenen Ideen und Nachforschungen anzustellen. Die Suche nach dem eigentlichen Verräter und die Aufklärung am Ende des Buches ist durchweg gelungen.
Mein Fazit: Das neue Lesejahr 2022 ist noch jung und dieses Buch ist bereits jetzt schon ein absolutes Highlight. Es hat mich gefesselt, in seinen Bann gezogen und sprachlos gemacht. Außerdem bin ich begeistert über die tapferen russischen Fliegerinnen und über ihren Mut sich Luftschlachten zu stellen (obwohl oft den Deutschen zahlenmäßig unterlegen) und so ihr Vaterland zu verteidigen. Ich kann nur eine absolute Leseempfehlung und volle 5 von 5 Sternen für das Buch vergeben!

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Veröffentlicht am 16.03.2022

Berührender Roman über tatkräftige Frauen, die nicht weggesehen haben

Die Engel von Berlin
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Annegret und Martha, die eine Deutsche, die andere Engländerin und beide 1931 vereint im Pfadfinderinnenlager, welches sie leiten und die Kinder dort betreuen. Doch der Nationalsozialismus wirft seine ...

Annegret und Martha, die eine Deutsche, die andere Engländerin und beide 1931 vereint im Pfadfinderinnenlager, welches sie leiten und die Kinder dort betreuen. Doch der Nationalsozialismus wirft seine ersten Schatten voraus. Sie versuchen den Kindern freies Denken beizubringen und vor allem Nächstenliebe, doch gelingt ihnen das nicht bei allen Mädchen. Der Krieg kommt und damit auch der zunehmende Judenhass und die Deportation und Vernichtung der Juden. Doch Annegret stellt sich dem entgegen und packt mutig an, wo sie gebraucht wird, und gibt alles, um jüdische Kinder in ihrer Nachbarschaft zu schützen und stürzt sich dadurch beinahe selbst ins Verderben. Martha, die in England lebt und arbeitet, versucht auch alles um Kinder in Sicherheit zu bringen und deutsche Kinder in England aufzunehmen. 1945 geht sie dann auf die Suche nach der verschwundenen Annegret und kehrt ins zerstörte Berlin zurück. Gibt es für beide ein Wiedersehen?
Der Roman „Die Engel von Berlin“ stammt von der Autorin Hanna Lucas. Hanna Lucas ist dabei ein Pseudonym einer erfolgreichen deutschen Schriftstellerin und Drehbuchautorin. Die Autorin bettet ihre Gesamtgeschichte so ein, dass im Jahr 2022 die Nachfahrin Annegrets die Geschichte erzählt bekommt, die sich ab 1931 zugetragen hat. Das Cover des Buches finde ich gelungen, zeigt es doch die beiden unterschiedlichen jungen Frauen. Die Sprache ist modern gehalten und der Schreibstill ebenso flüssig und gut verständlich. Die Kapitel wechseln sich schnell ab und wir haben es oft mit Zeitsprüngen zu tun, sodass das Buch von vornherein in mehrere Teile geteilt worden ist. Die Ereignisse und die Geschichte, die im Buch beschrieben werden, stehen natürlich wieder exemplarisch für eine Vielzahl von tatsächlich passierten Fällen zur Zeit des Nationalsozialismus und des 2.Weltkrieges. Obwohl sich deren Lebenswege häufig ähneln und viele Bücher immer wieder diese Themen aufgreifen, so büßen die Geschichten doch trotzdem nichts von ihrer Aktualität und vor allem Brutalität ein. Auch hier ist das Einfangen der düsteren Stimmung und der stetig währenden Bedrohung sehr gut gelungen. Die Charaktere Annegret und Martha finde ich sehr authentisch und man kann sich ihr Leben aber auch Leiden sehr gut vorstellen. Heftig sind ebenfalls die Schilderungen aus den Konzentrationslagern und zu was Menschen fähig sein konnten.
Mich als Leserin hat das Buch gefesselt und emotional mitgenommen. Allerdings brauchte es bis dahin ca. 1/3 des Buches. Die Vorerklärungen, als sich Martha und Annegret 1931 kennenlernen sind zwar nötig, waren mir aber zu langatmig. Danach wird die Geschichte sehr spannend und zum Schluss findet sie leider ein zu abruptes Ende. Ich weiß auch nicht so richtig, ob ich die Einbettung der Geschichte und die Zeitsprünge gutheißen kann. Der Satzbau ist manchmal ebenfalls ein wenig konfus und manchmal hatte ich den Eindruck, dass Wörter fehlen. Die Sprünge waren mir allgemein damit oft zu schnell und abrupt. Außerdem finde ich die Protagonistin des Jahres 2022 naiv. Hatte sie sich wirklich nie mit der Geschichte ihrer Vorfahrinnen schon vorher auseinandergesetzt? Für mich unglaubwürdig, wenn ich von mir persönlich ausgehe, denn ich weiß sehr wohl, was meine Großeltern oder Urgroßeltern zur NS- und Kriegszeit gemacht haben und wie schwer die Zeit allgemein war, vor allem, weil ich finde, dass gegen das Vergessen etwas getan werden muss und so etwas nie wieder geschehen darf, dass man aber ebenfalls verstehen muss, warum mancher bis heute nicht darüber sprechen kann. Hier bleibt für mich noch Luft nach oben und man hätte die Geschichte etwas abrunden müssen bzw. für mich hätte die Erzählung 2022 gestrichen werden können, sie stört die Gesamtheit der Authentizität dieser Geschichte.
Mein Fazit: Nichtsdestotrotz ist es ein emotionaler Roman über starke Frauen der Zeit, die einfach geholfen haben, ohne an die Konsequenzen für sich persönlich zu denken und damit ein starkes Statement für die Nächstenliebe gesetzt haben, obwohl sie selbst reichlich ertragen mussten. Deshalb vergebe ich gute 4 von 5 Sternen.

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Veröffentlicht am 07.03.2022

Spannender Auftakt für eine neue Familiensaga

Töchter der Speicherstadt – Der Duft von Kaffeeblüten
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Maria, eine junge Brasilianerin, heiratet den Kaufmann Johann Behmer aus Hamburg, als dieser während einer Dienstreise auf der Kaffeeplantage ihres Vaters weilt. Familie Behmer ist in Hamburg im Kaffeehandel ...

Maria, eine junge Brasilianerin, heiratet den Kaufmann Johann Behmer aus Hamburg, als dieser während einer Dienstreise auf der Kaffeeplantage ihres Vaters weilt. Familie Behmer ist in Hamburg im Kaffeehandel zu Hause. So folgt auch Maria Johann nach Hamburg, um dort in die Familie einzutreten. Doch besonders Johanns Bruder Alfons und seine Frau Getrud machen ihr von Anfang an das Leben schwer. Als Maria dann auch noch beweist, dass sie nicht nur viel Wissen über Kaffee besitzt, sondern ebenfalls geschäftstüchtig ist, stößt das der anderen Seite der Familie immer übler auf. Außerdem schwebt über allem ein großes Familiengeheimnis…
Anja Marschall hat das vorliegende Werk „Töchter der Speicherstadt-Der Duft von Kaffeeblüten“ geschrieben. Die Autorin ist im Bereich historischer Romane zu Hause, aber bis jetzt hatte ich noch nichts von ihr gelesen. Das Buch versteht sich als Auftakt und damit Band 1 zu einer Familiensaga rund um den Kaffee und den Kaffeehandel der Familie Behmer. Das Cover des Buches finde ich sehr ansprechend zur Geschichte. Das Setting in Hamburg, vor allem mit vielen Details zur Hamburger Speicherstadt, ist rundum gelungen. Die Geschichte ist sehr lebendig erzählt und man riecht zwischen den Seiten förmlich den Kaffeeduft, einerseits auf der Plantage in Brasilien, anderseits im Lager in Hamburg. Die Sprache ist gut verständlich und der Schreibstil ist insgesamt als gut zu bewerten, wobei meiner Meinung nach inhaltlich im Sinne von Ordnung und Sinnhaftigkeit der Geschichte Abstriche gemacht werden müssen. Die Charaktere sind sehr passend zur Geschichte, es entsteht eine komplette Abbildung von „Gut“ bis „Böse“. Die historische Geschichte an sich finde ich sehr spannend und es machte sehr viel Spaß zu Lesen. Allerdings, wie ich oft kritisieren muss, hat mir das Ende des Buches absolut nicht gefallen und ich fand es wenig glaubhaft. Nun ist es so, dass es sich um einen Auftakt einer Reihe handelt und die Geschichte demnach weitergeht, sodass ein offenes Ende auch mehr oder weniger verziehen sei. Trotzdem fand ich, und das ist insgesamt mein Kritikpunkt, ab dem letzten Drittel des Buches, manche Vorkommnisse nicht mehr passend genug und zu sehr „über den Zaun gebrochen“. Die Zeitsprünge sind insgesamt zu grob. Das Familiengeheimnis an sich war spannend gemacht und es kam nochmal anders als gedacht, allerdings haben sich die Verantwortlichen meiner Meinung nach zu einfach aus der Affäre gezogen und waren viel zu schnell plötzlich geläutert. Dies wirkte unglaubwürdig. Außerdem wurden einige interessante Charaktere in die Geschichte eingebracht und nichts weiter mit ihnen erzählt. Aber vielleicht ist dies dem Folgeband vorbehalten und sei daher verziehen. Die Protagonistin Maria dagegen ist eine ganz tolle und unglaublich außergewöhnliche Person, deren Geschichte man sehr gerne verfolgt und ihr stets nur das Gute dabei wünscht.
Mein Fazit: Alles in allem ist „Töchter der Speicherstadt“ wieder einer der soliden und angenehmen historischen Romane, den man gerne liest und die Geschehnisse verfolgt. Für mich sind es gute 4 von 5 Sternen und damit eine Leseempfehlung.

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