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Veröffentlicht am 03.01.2021

Eine komplizierte Beziehung zum Leben, wie es ist…

In einer komplizierten Beziehung mit Österreich
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„Und ich glaube, langsam verstehe ich ihre Theorie, dass man sich zu ähnlich beschädigten Menschen hingezogen fühlt, dass man in der Bar, im Club nicht nach attraktiven Menschen, sondern in erster Linie ...

„Und ich glaube, langsam verstehe ich ihre Theorie, dass man sich zu ähnlich beschädigten Menschen hingezogen fühlt, dass man in der Bar, im Club nicht nach attraktiven Menschen, sondern in erster Linie nach Menschen mit Kratzern, Sprüngen und Rissen sucht, nach Menschen, deren Beschädigungsgrad ungefähr dem eigenen entspricht.“
Seite 31
„In einer komplizierten Beziehung mit Österreich“, so verspricht uns der Titel… Oder ist es doch eine komplizierte Beziehung IN Österreich, die uns Martin Peichl hier serviert?
Auf jeden Fall war es für mich ein komplizierter Einstieg, ein auf und ab zwischen „Was will er mir sagen“ und melancholischem Wiedererkennen… In Kurzkapiteln, mit wiederkehrenden Protagonisten erzählt er uns Fragmente, manchmal nur Satzfetzen, Erinnerungsstücke… Vom Trip eines Freundes nach Tschernobyl, von einem der ruhigsten und lautesten Orte der Welt, von gesperrten Sandkästen, von Liebe und Hass und Herkunft. Was sie bedeutet, was sie mit uns macht. Wieviel von unserer Erinnerung ist echt, wie viel erträumt?
Besonders beeindruckt hat mich unter anderem, dass er auch schon die Zeit des Lockdowns, der leeren Straßen miteinbezieht. Denn ich frage mich schon seit einer Weile, wie lange Literatur noch funktioniert, ohne Masken und Abstand zu erwähnen…
Wenn man zwischen den Zeilen liest, das Buch wieder weglegt und etwas sacken lässt, so entdeckt man Einiges, auch sehr Privates aus dem Leben des Autors.
„Ich will die Wörter sehen, die dir im Hals stecken bleiben.“
Mit Sprüchen auf Bierdeckeln wie diesen läutet Martin Peichl seine Kapitel ein, fasst Kernaussagen zusammen und er lässt keine Wörter im Hals stecken, schmeißt uns all seine Gefühle vor die Füße… Es war eine herausfordernde Aufgabe, sie aufzusammeln, zu sortieren und letzten Endes so zusammenzufügen, dass das Bild für mich passt – und für einen anderen wohl keinen Sinn ergibt.
So grausig manche Abschnitte waren, so unverblümt die Erzählungen vom Leben früher, wie es halt war und der Liebe, wie sie halt ist, so sehr hat er mich letzten Endes berührt…
Ein Buch wie Turrinis „Rotznjagd“, wo man am Ende nicht weiß, ob man es bescheuert oder grenzgenial findet – oder beides!
Fazit: Eine komplizierte Beziehung zum Leben, wie es ist…



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Veröffentlicht am 26.12.2020

Witzige Grundidee, leider nicht gut verwertet

Aller guten Dinge sind zwei
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„Wie war es nur gekommen, dass Laurie wegen eines stecken gebliebenen Lifts in einem Schlafzimmer in North Hykeham lag und mit einem Kollegen im selben Bett schlief, wenn auch nicht mit ihm (…)?“
Seite ...

„Wie war es nur gekommen, dass Laurie wegen eines stecken gebliebenen Lifts in einem Schlafzimmer in North Hykeham lag und mit einem Kollegen im selben Bett schlief, wenn auch nicht mit ihm (…)?“
Seite 286

Nach 18 Jahren Beziehung steht die Anwältin Laurie vor den traurigen Resten ihres Lebens. Aus dem Traum vom gemeinsamen Kind mit ihrem Dan wurde ein leerstehendes Haus und ein befürchteter Spießrutenlauf am gemeinsamen Arbeitsplatz.
Da bleibt sie im Lift ausgerechnet mit dem Schönling und Frauenhelden Jamie Carter stecken… Gemeinsam beschließen sie, eine Scheinbeziehung einzugehen, um Dan zu verletzen und Jamie berufliche Vorteile zu verschaffen…

Wo fange ich an? Laurie leidet sehr unter der Trennung, wir Leser durften über 100 Seiten mitfühlen, das war mir einfach zu viel und zu lang… Dann gewann die Geschichte an Fahrt, der fragwürdige Deal wird ausverhandelt und gekonnt auf Insta etc. in Szene gesetzt. Warum sich zwei Topanwälte sowas ausdenken und sich dabei auch noch einreden, das wäre privat und könnte beruflich keinerlei Konsequenzen haben, verstand ich bis zu Letzt nicht.
Bedingt durch ihren Plan verbringen die beiden viel Zeit miteinander. Ich muss sagen, der Schlagabtausch zwischen Jamie und Laurie hat mir gut aufgefallen und schnell war klar, dass die beiden eigentlich gut zusammenpassen.
Was nicht so zusammenpasste, waren die immer wieder eingestreuten ernsten Themen, die dann doch nie zu Ende gebracht wurden. Das fängt mit Lauries Herkunft an (ihre Mutter stammt aus Martinique), den Benachteiligungen am Arbeitsplatz als Frau im Allgemeinen, mit fiesestem Büroklatsch und Intrigen, sexuellen Übergriffen, schweren Verletzungen und Erkrankungen. Alles wird einmal kurz angeschnitten, aber nichts davon fertig verarbeitet. Da wäre mir ein paar Themen weniger lieber gewesen, wenn die dafür ausführlicher behandelt worden wären.
Und mitten drin Laurie, die als Anwältin wohl sagenhaft zu sein scheint, sich ansonsten aber bei jeder Herausforderung duckt und erst mal winselnd in einer Ecke versteckt. Daneben Jamie Carter (der in meinem Kopf aussieht wie „der Junge“ aus Ally McBeal), ein glatter Schönling, der seinen Ruf als Frauenheld pflegt und bei jeder Gelegenheit betont, dass es sowas wie Liebe nicht gibt und er nichts von dauerhaften Beziehungen hält – wir alle wissen, wie sowas ausgeht…
So kommt das Ende wenig überraschend, dafür ordentlich überzogen um die Ecke. Wieder werden die Drangsalierer belohnt, offensichtliche Verletzungen der Privatsphäre geflissentlich übersehen, um die Guten zu bestrafen und die Bösen zu belohnen…
Schön waren die Momente der Freundschaft, zwischen Laurie und Emily und auch Lauries Entwicklung. Denn ihr wird langsam klar, dass sie der Stein ist, auf dem Dan seine Festung bauen konnte und auch, wie viel sie dafür aufgegeben hatte und welche Stärken sie hat. Ihre persönliche Entwicklung hat noch mal einen Stern gerettet.
Fazit: Eine altbekannte Geschichte, mit langen Leidensphasen erzählt, dabei viele ernste Themen angeschnitten und nicht zu Ende geführt. Schade, denn so kam die witzige Grundidee und eine eigentlich sympathische Protagonisten nicht zur Geltung.

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Veröffentlicht am 14.12.2020

Eine herzzerreißende Geschichte, einfühlsam und wunderschön – absolute Leseempfehlung!

Zwei Nächte und drei Leben lang
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„Als ich ihm begegnet bin, war ich rastlos, ich wollte weg – aus der Stadt, aus dem Studium, aus den Nebenjobs. Einfach weg. Nun will ich weg aus mir – meinem Körper, meinen Gefühlen, meinen Erinnerungen.“

Die ...

„Als ich ihm begegnet bin, war ich rastlos, ich wollte weg – aus der Stadt, aus dem Studium, aus den Nebenjobs. Einfach weg. Nun will ich weg aus mir – meinem Körper, meinen Gefühlen, meinen Erinnerungen.“

Die Geschichte von Jess und Cem berührte mich auf so vielen Wegen, dass ich nur schwer Worte dafür finde. Wo gehst du hin, wenn das Leben dich zerreißt? Wenn der, zu dem es dich am meisten zieht, der ist, der dich am Schlimmsten verletzt hat? Und es nicht mehr weiß, sondern nur immer wieder versucht, dich an sich zu ziehen?
Cem hat Teile seines Gedächtnisses verloren, aber Jess erinnert sich an jede schreckliche Einzelheit – und zerbricht fast daran. Sie kann ihm nicht alles erzählen, will ihn schützen, denn sie weiß, wohin ihr Schicksal ihn das letzte Mal geführt hat. Und um sich selbst nicht zu verletzen, denn sie sieht in sich nur noch eine Leere in einer Hülle aus Scherben…
Durch Cems Augen jedoch sehen wir ihre Stärke, welchen Kampf sie täglich ausficht, um überhaupt aus dem Bett zu finden, und er bewundert und liebt sie jeden Tag noch viel mehr dafür.
„Nur weil etwas zerbrochen ist, (…) ist es nicht weniger schön. Wenn das Leben aus uns Scherben macht, gibt es mehr Spielraum, uns zu dem zusammenzufügen, was wir wirklich sind.“
Die Kapitel sind abwechselnd aus Jess und Cems Perspektive geschrieben, dass verleiht der Geschichte zusätzliche Tiefe und zeigt auch die Unterschiede der beiden – und die wahnsinnig vielen Berührungspunkte.
Elja Janus zerreißt mich fast mit ihren Geschichten, mit dieser besonders. Ich weiß das und lege mich dennoch immer wieder in ihre Worte, tauche tief in ihr Buch ein, denn am Ende fügt sie aus den Scherben, von den ich Angst hatte, mich daran zu schneiden, ein neues Mosaik zusammen. Sie braucht in ihren Erzählungen keine künstlichen Dramen, das Leben hält genügend für uns bereit und sie erzählt sie auf unfassbar ergreifende Weise und in wunderschönen Worten.
Die Autorin hat Psychologie studiert und man spürt beim Lesen ihre Erfahrung. Sie speist uns nicht mit überraschenden Happy-Ends und Spontanheilung aller Wunden ab, ihre Charaktere haben Tiefe, Risse, Narben, Ecken, Kanten und brauchen vielleicht auch mal Hilfe auf ihrem Weg zu einem anderen Ich. Sie zeigt, dass das Leben nie wieder wie früher wird, aber das „anders“ nicht gleichbedeutend mit „schlechter“ ist.
Mit dieser Geschichte wollte sie besonders aufmerksam machen auf Frauen, die etwas verloren haben, und dennoch komplett sind, auf Sterne, die besonders hell leuchten und Loslassen, das nicht Vergessen bedeutet. Und das ist ihr mit jedem Wort gelungen!
Obwohl ich oft mit Tränen in den Augen las und flüsterte „Hör auf“, schreit gleichzeitig alles in mir: „Mach weiter, liebe Elja Janus, gib mir mehr von deinen echten, berührenden Geschichten, die auch mich ein Stück weit wieder zusammensetzen!“…

Fazit: Eine herzzerreißende Geschichte, einfühlsam und wunderschön – absolute Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 08.12.2020

Eine locker-leichte Liebesgeschichte mit einigen Längen

Willst du Blumen, kauf dir welche
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„Ich versuche es jetzt mit der Floros-Methode: Willst du Blumen, kauf dir welche! Willst du Männer, hol sie dir!“

Lena ist Buchhändlerin aus Leidenschaft – und noch leidenschaftlichere Leserin und Romantikerin. ...

„Ich versuche es jetzt mit der Floros-Methode: Willst du Blumen, kauf dir welche! Willst du Männer, hol sie dir!“

Lena ist Buchhändlerin aus Leidenschaft – und noch leidenschaftlichere Leserin und Romantikerin. Doch die Hoffnung auf die große Liebe hat sie aufgegeben. Da kommt Autor Benjamin Floros und hält eine flammende Vorlesung zum Thema Online-Dating. Mit seiner Methode errechnet er für jeden den richtigen Partner, so sein Versprechen!
Darüber kann Lena nur lachen! Doch so provoziert schließt sie mit Benjamin Floros eine Wette ab: Er hilft ihr, DEN Mann zu finden!
Was so lustig und unterhaltsam beginnt, führt uns in eine Reihe von Dates, eines skurriler als das andere, und doch mit den alten Bekannten. Da hätten wir den Seitenspringer, den Schüchterne,… all die Charaktere, von denen man erwartet, dass sie sich auf diesen Plattformen herumtreiben. Lena stürzt wirklich von einem denkwürdigen Zusammentreffen zum nächsten. Und hinter all dem Benjamin Floros, der Lena immer weiter antreibt, obwohl sie eigentlich vor dem ersten Date schon genug hat von diesem Zirkus.
An Lenas Seite ihre schräg/liebenswürdige Tante Hilde und ihre Freundin Michelle. Sie hat etwas Witz in die Sache reingebracht, mit ihrer aufgebrezelten Optik. Auch wenn ich es manchmal befremdlich fand, dass sie als Grundschullehrerin nicht ein Fremdwort zu kennen bzw. richtig zu benutzen schein. Aber wenn sie die Buchhandlung betrat, war ein Lächeln in Sicht!
Ich fand Lena mit ihrer eigenbrödlerischen Art und ihrer Liebe zu Jane Austen entzückend. Aber sie ließ sich für meinen Geschmack zu sehr zum Spielball von Floros und Michelle machen, die eine steckte sie in unmögliche Klamotten, der andere liest ihre Chats mit und spart nicht mit Tipps, bis am Ende von ihrer großen Liebe gerettet wird.
Ich mag locker, leichte Liebesgeschichten und „Willst du Blumen, kauf dir welche“ fällt genau in diese Kategorie. Ellen Bergs gewohnt flotte Feder führt uns durch dieses Datingchaos. Dennoch gestaltete sich der Weg zum schnell identifizierten Traummann etwas zu lange.
Fazit: Eine locker-leichte Liebesgeschichte mit einigen Längen.

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Veröffentlicht am 02.12.2020

Ein spannender Krimi-Thriller mit einer stimmigen Auflösung und einer zerrissenen Ermittlerin

Luna Maiwald ermittelt / Rügengift
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„Sie verspürte einen kleinen Schwindelanfall, gefolgt vom Gefühl der Rastlosigkeit. Ein seltsames Gefühl durchströmte ihren Körper, ein ungutes Gefühl. (…) Es schien, als verdichtete sich der Wald um sie ...

„Sie verspürte einen kleinen Schwindelanfall, gefolgt vom Gefühl der Rastlosigkeit. Ein seltsames Gefühl durchströmte ihren Körper, ein ungutes Gefühl. (…) Es schien, als verdichtete sich der Wald um sie herum.“

Nach einem Jahr Pause kehrt Kriminalhauptkommissarin Luna Maiwald wieder ins Berufsleben zurück. Und schon an ihrem ersten Tag ist sie mit merkwürden Todesfällen konfrontiert. Junge Menschen ohne Vorerkrankung, die einen plötzlichen Herzstillstand erlitten, ohne sichtliche Verbindung. Ihr Bauchgefühl sagt ihr, dass diese Todesfälle zusammenhängen, um die Umstände zu klären, braucht sie den besten Gerichtsmediziner.
Doch der sitzt hinter Gittern und schafft es dennoch, ihr ganz nahe zu sein.

Luna Maiwald ist alles andere als eine typische Ermittlerin, ihre Markenzeichen: Hut und die Waffe über dem Kleid, in Hosen sieht man sie selten. Trotz ihrer beruflichen Auszeit – oder gerade deswegen – will sie nach ihrer Rückkehr sofort durchstarten. Wie immer verlässt sie sich dabei nicht rein auf die Faktenlage oder Autopsieberichte, sondern sehr viel auf ihr Gefühl, was ihr in der Vergangenheit eine sensationelle Aufklärungsquote beschert hat.
Doch in „Rügengift“ ist sie gleich mit zwei Fällen konfrontiert: Die unerklärlichen Herzstillstände und der Unfalltod einer Reiterin am Strand. Auch die Pathologie kann ihr nur bedingt weiterhelfen, daher kommt sie wieder mit Gerichtsmediziner Ingmar Wolff in Kontakt. Obwohl der als überführter Mörder im Gefängnis sitzt, scheint er eine direkte Verbindung zu Luna zu haben – bis in ihre düstersten Träume. Getrieben von dem Wunsch, die Fälle aufzuklären, lässt sie ihn näher an sich heran, als gut für sie ist und wird vom Sog ihrer Verbindung überrollt.
Durch die Ermittlungen leidet auch ihr Privatleben, ihre noch sehr junge Ehe und auch ihre Tochter, die gerade ein Praktikum als Journalistin macht.
So verworren die Fälle sich auch gestalten, Luna lässt sich nicht abbringen und am Ende serviert uns Emma Bieling eine durchaus schlüssige und glaubwürdige Auflösung.
Dies ist der zweite Band rund um Luna Maiwald, für mich war es das erste Aufeinandertreffen. Eins vorne weg, man kann den zweiten Band lesen, auch ohne den ersten zu kennen, aber ich glaube, um die Geschichte und vor allem die Verbindung der Protagonisten zueinander völlig zu verstehen, ist es gut, sie chronologisch zu lesen. Ich werde den ersten Band auf jeden Fall nachholen!
Gerade die Beziehung zu Wolff, diese Abhängigkeit aus Lust und Gewalt habe ich nicht immer ganz verstanden, dennoch hat sie mich mitgerissen und wurde der innere Konflikt von Luna sehr deutlich. Das war ein neuer und interessanter Aspekt.
Fazit: Ein spannender Krimi-Thriller mit einer stimmigen Auflösung und einer zerrissenen Ermittlerin.

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