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Veröffentlicht am 09.11.2017

Willst du wissen, wer es ist?

Wer ist B. Traven?
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„Revolutionäre haben selten konkrete Vorstellungen davon, welche Gesellschaftsordnung die alte ersetzen soll. Doch verändert sich nichts, wenn nur die Namen der Führer oder Besitzer ausgetauscht werden.“ ...

„Revolutionäre haben selten konkrete Vorstellungen davon, welche Gesellschaftsordnung die alte ersetzen soll. Doch verändert sich nichts, wenn nur die Namen der Führer oder Besitzer ausgetauscht werden.“



Inhalt


Leon Borenstein, ein junger Journalist mit deutsch-jüdischen Wurzeln bekommt von seinem Chef eine riesige Chance geboten, sich in seinem Metier Rang und Namen zu verschaffen. Er darf ans Filmset direkt in Mexico, wo sich Hollywoodgrößen tummeln, um die Verfilmung zu „Der Schatz der Sierra Madre“ einem Roman von B. Traven zu drehen. Unter dem Vorwand, eines Interviews mit dem Hauptdarsteller Humphrey Bogart, quartiert sich Leon ein. Doch sein eigentlicher Auftrag ist nicht der bekannte Schauspieler, sondern der vollkommen unbekannte Traven, der unter Pseudonym veröffentlicht und unerkannt bleiben möchte. Zunächst ranken sich um die Identität des Autors gefühlte 100 Variationen, in denen er immer ein anderer ist und keiner weiß Genaueres. Erst eine schöne junge Frau, führt Leon in Versuchung. Eine kurze Liebelei beschert ihm schließlich genau das fehlende Puzzleteil. Denn seine Bekanntschaft María ist selbst an der Identität Travens interessiert und schenkt Leon, nachdem sie seine Liebenswürdigkeit schamlos ausgenutzt hat, eine Information, die ihn erneut auf die Spuren des mysteriösen Autors schickt. Doch diesmal ist es kein herkömmlicher Auftrag mehr, den Unbekannten zu finden, sondern eine echte Passion, die Leon weit hinein in ein Land voller Geheimnisse führt …


Meinung


Der deutsche Autor Torsten Seifert greift in diesem Roman die interessante Figur des B. Traven auf und nimmt den Leser mit auf Entdeckungsreise in das fremde Land Mexiko, ganz dicht dran an den wichtigen Personen des Filmgeschäfts, direkt hinein ins Herz einer mörderischen Unterwelt und immer an der Seite mit dem Hauptprotagonisten, der sehr realistisch die Suche nach dem Unbekannten vorantreibt. Besonders gut ist es dem Autor gelungen, seinen Hauptakteur zu charakterisieren, einen Menschen, der schon viel von der Welt gesehen hat, der seiner Heimat wegen seiner jüdischen Abstammung den Rücken gekehrt hat und der voller Engagement an seinen Auftrag geht. Er beschreibt aber auch einen jungen Mann, der anfällig für die Reize der Weiblichkeit ist, der über ein Gewissen und ethische Grundsätze verfügt und trotzdem keiner Auseinandersetzung aus dem Weg geht. Und dann ist da noch dessen unbesiegbare Neugier, aus der seinen Ehrgeiz zieht und die es ihm regelrecht befiehlt, den Spuren und Geheimnissen eines großen Autors nachzugehen.

Darüber hinaus entführt der Autor den Leser an Schauplätze in noblen Hotels, in dunklen Kammern, zwielichtigen Etablissements und gleichermaßen hinein in die wilde Schönheit Mexicos, in den Dschungel, auf Bergeshöhen und tiefe Schluchten, weit unter der Erde. So ist dieser Roman auch streckenweise ein Reiseführer, ein Abenteuerroman mit Hintergrundhandlung, ein Buch über Unbekannte Größen und bewusste Entscheidungen. Gerade diese Vielfalt, die diversen Eindrücke, die der Leser bekommt, machen den Reiz aus. Natürlich fragt sich der Leser, wer dieser Traven ist, aber noch viel mehr beschäftigt ihn die Frage, ob es Leon gelingen wird, die Identität des Gesuchten aufzudecken. Dieser gekonnte Mix aus fiktiver Geschichte gepaart mit biografischen Eckdaten, weckt die Recherchelust des Lesers, der sich nicht so ganz dem Netzwerk Internet entziehen kann, um selbst möglichst genau nachzuverfolgen, welcher berühmte Autor hier so konsequent sein Gesicht verschleiert und vor allem – warum.


Fazit


Ich vergebe gute 4 Lesesterne für diesen sehr spannenden Roman, der ein echtes Abenteuer darstellt und das Interesse auf eine mir bis dato unbekannte Person weckt. Ein Buch, welches Reiselust beflügelt, Menschen aus anderen Perspektiven zeigt und Zusammenhänge zwischen Fiktion und Wahrheit aufzeigt. Darüber hinaus ist es einfach nur gute Unterhaltungsliteratur, bei der man sich in ein Geschehen hineinvertiefen kann, ohne ständig über jedes Wort nachdenken zu müssen. Empfehlenswert für Literaturinteressierte, die gerne selbst noch mehr entdecken möchten und sich nicht nur mit der einen, echten, unwiderruflichen Wahrheit abspeisen lassen. Wenn du wissen willst, wer es ist, dann begib dich selbst auf Spurensuche ...

Veröffentlicht am 06.11.2017

Das Dilemma einer erzwungenen Abhängigkeit

Dann schlaf auch du
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„Sie hat die unsichtbaren Fäden in der Hand, ohne die der Zauber nicht funktioniert. Sie ist Vishnu, die nährende, eifersüchtige und schützende Gottheit. Sie ist die Wölfin mit der Zitze, an der sie alle ...

„Sie hat die unsichtbaren Fäden in der Hand, ohne die der Zauber nicht funktioniert. Sie ist Vishnu, die nährende, eifersüchtige und schützende Gottheit. Sie ist die Wölfin mit der Zitze, an der sie alle trinken, die verlässliche Quelle ihres Familienglücks.“


Inhalt


Myriam Massé, Mutter zweier kleiner Kinder sehnt sich danach, endlich wieder in ihren Beruf einzusteigen und dort mit Erwachsenen zu kommunizieren und Bestätigung durch sinnvolle Arbeit zu erfahren. Als ihr ehemaliger Kommilitone sie in seine Anwaltskanzlei holen möchte, sagt sie zu und sucht gemeinsam mit ihrem Mann Paul eine Nanny für die beiden Kleinkinder. Sie haben großes Glück und finden eine Frau, die nicht nur Wert auf ihr Äußeres legt, sondern auch noch eine Landesfrau ist und über mehrjährige Berufserfahrung verfügt. Außerdem scheint sie einen direkten Draht zu Adam und Mila zu haben und wird prompt engagiert. Was zunächst wie der Sechser im Lotto erscheint, weil die Kinderfrau Louisé nicht nur kocht, aufräumt und den kompletten Haushalt samt Kindern übernimmt, entwickelt sich mehr und mehr zu einem ungesunden Abhängigkeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Angestellter. Myriam und Paul machen nun Familienurlaub zu „fünft“ und fühlen sich wie Fremde in der eigenen Wohnung. Die ungesunde Stimmung nimmt kontinuierlich zu, doch keiner hätte die Tragödie, die sich wenig später im Hause Massé ereignet vorausgesehen …


Meinung


Dieser Roman, der im Jahr 2016 Preisträger des Prix Goncourt geworden ist, hat mich schwer beeindruckt. Weniger auf Grund seines literarischen Anspruchs als vielmehr durch die beklemmend realistische und doch erschreckend grausame Erzählung, die sehr viele Belange des täglichen Lebens aufgreift und sie in einen alltäglichen Kontext setzt. Darüber hinaus entwirft die junge Autorin Slimani nicht nur vielschichtige Charaktere, sondern auch ein Beziehungsgeflecht zwischen Ihnen, welches wie das Netz einer gefährlichen Spinne immer dichter und enger wird und in dem man schließlich nur noch als Beute verenden kann. Die gewählte Ausgangssituation ist äußerst profan und realistisch, zeigt aber bereits das Dilemma, in dem sich berufstätige Mutter befinden, die zwar ihrer beruflichen Laufbahn nachgehen möchten, dann aber förmlich gezwungen sind, ihre Kinder einer anderen Frau anzuvertrauen, sie in die Obhut Fremder zu entlassen und immer mit einer latenten Schuld leben, weil Kind und Karriere nicht restlos vereinbar sind. Desweiteren greift die Autorin einen wichtigen gesellschaftlichen Punkt auf, der deutlich macht, wer eigentlich die Zugehfrauen sind, woher sie kommen und wie undankbar und unterbezahlt ihre tägliche Schwerstarbeit ist. Zwar sind die Umstände im gewählten Pariser Musterhaushalt noch weit schockierender, noch viel tiefgründiger und natürlich äußerst persönlich, doch neben dem Einzelschicksal der Familie Massé, wird auch das gesellschaftliches Phänomen von Nannys greifbar.


Die gewählte Erzählperspektive sorgt beim Leser für den Rundumblick, eben weil er nicht nur die gestresste, verzweifelte Mutter kennenlernt, nicht nur den leicht desinteressierten Vater, sondern auch die psychisch gestörte Kinderfrau, die arglosen, manchmal auch gemeinen Kinder. Die Nachbarn, das persönliche Umfeld, die immer gleichen Tagesabläufe und die zahlreichen Ursachen aus der Vergangenheit ebenso wie die trügerische Idylle der Gegenwart. Die Besonderheit dieses Romans liegt meines Erachtens in seiner beklemmenden Stimmung, in seiner nachhaltigen Wirkung und seiner allumfassenden Erzählweise. Obwohl die Autorin bewusst auf die Ich-Erzählperspektive verzichtet und damit alles sehr sachlich und streckenweise distanziert wirkt, gefällt mir dieses stilistische Mittel bei der Art der Erzählung ausgesprochen gut. Nicht zuletzt, weil damit die Frage nach Schuld oder Selbstverschulden so offen im Raum hängen bleibt. Es gibt kein abschließendes Urteil, keine absolute Wahrheit, keine zufriedenstellende Auflösung – die Tragödie nimmt einfach ihren Lauf und lässt den Leser mit dem bitteren Geschmack des Unvermeidlichen zurück.


Fazit


Ich vergebe 5 Lesesterne für ein weiteres Lesehighlight im Jahr 2017, einen Roman mit Realitätsbezug mit Dramatik, mit persönlichen und gesellschaftlichen Verfehlungen, mit Menschen, die nicht aus ihrer Haut können, die gleichermaßen verzweifelt und engagiert auftreten, die kämpfen, abwägen und fehlerhafte Entscheidungen treffen. Und diese fast psychologische Menschenstudie hat mir ausgesprochen gut gefallen, weil sie Komplexität und Überblick bewahrt, in Momenten in denen das Glück Einzelner wie ein herunterfallender Spiegel in tausend Scherben zerbricht.

Veröffentlicht am 22.10.2017

Wenn du Freunde hast, brauchst du keine Feinde

Und es schmilzt
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„Letztlich war der Unterschied zwischen Lachen und Weinen gar nicht so groß. Sie verhielten sich zueinander wie Weggehen und Heimkommen – auch dafür brauchte es lediglich ein Haus.“


Inhalt


Eva kehrt ...

„Letztlich war der Unterschied zwischen Lachen und Weinen gar nicht so groß. Sie verhielten sich zueinander wie Weggehen und Heimkommen – auch dafür brauchte es lediglich ein Haus.“


Inhalt


Eva kehrt nach vielen Jahren in ihren kleinen Heimatort zurück, nachdem sie eine Einladung von ihrem ehemaligen Klassenkameraden Pim erhalten hat. In Bovenmeer einer beschaulichen belgischen Gemeinde, in der jeder Jeden kennt und man sich über nachbarschaftliche Lebensläufe unterhält, ruht Evas Vergangenheit mit all ihren dunklen Geheimnissen. Doch diesmal kommt die junge Frau nicht nur zur Gedenkfeierstunde anlässlich des Geburtstages eines längst verstorbenen Schulfreundes, sondern sie kommt ein letztes Mal, um aufzuräumen, was geblieben ist, um wahr zu machen, was einst ein Rätsel war und um endlich einen Schlussstrich unter all die Verfehlungen ihrer Jugend zu ziehen. Dazu hat sie sich einen riesigen Eisblock in den Kofferraum gelegt, der hoffentlich bis zum Zielort seine Form behält und damit seinen Zweck erfüllt.


Meinung


Aufmerksam geworden bin ich auf diesen Roman durch die vielen eindrücklichen Rezensionen, die mich wirklich neugierig gemacht haben, was es denn nun mit diesem Eisblock auf sich hat. Aber mir war auch von Anfang an klar, dass die Lesermeinungen hier sehr weit auseinanderdriften, insbesondere was die Thematik und Bedeutsamkeit der Erzählung anbelangt. So habe ich eine ambivalente Stimmung erwartet und war in gewisser Weise „vorgewarnt“ – dieser Roman begeistert die einen, während er die anderen enttäuscht. Und nach der Lektüre kann ich nur so viel sagen: Lize Spit will schockieren, sie fordert den Leser heraus und konfrontiert ihn mit menschlichen Abgründen. Dieses Buch eignet sich hervorragend für Diskussionsrunden, weil es unheimlich schwer ist, bei dem Gelesenen eine neutrale Haltung zu bewahren. Ich glaube man liebt es, oder man schüttelt nur noch den Kopf – lesen sollte man es aber auf jeden Fall.

In ihrem Debütroman sticht die junge belgische Autorin unmittelbar in ein Wespennest und scheut vor Dramatik, Abscheu und Ekel nicht zurück. Sie forciert Grenzen regelrecht und überschreitet sie stellenweise auch. Was wie ein normaler Sommer mehrerer Jugendlicher beginnt, entwickelt sich zu einem Schreckensszenario, welchem der Leser erst nach und nach auf die Spur kommt. Eine Zufallsfreundschaft, geboren aus der räumlichen Nähe und den fehlenden Alternativen führt Eva und ihre beiden Freunde Pim und Laurens zusammen. Gemeinsam beschließen sie ihren Alltag mit einem Spiel zu bereichern und ebenso wie die berühmten Musketiere zusammenzuhalten, egal was passiert. Doch wie so oft im Leben ist es nicht diese Momentaufnahme, die Veränderungen bringt, sondern viele, kleine Risse im zwischenmenschlichen Bereich, die schließlich zur fatalen Wende führen.

Erzählt wird einzig aus Sicht der Hauptprotagonistin, was dazu führt, dass alle anderen Charaktere im Hintergrund bleiben und nur die eingeschränkte Sichtweise eines verstörten, tief verletzten jungen Mädchens zur Sprache kommt. Sichtbar wird zwar das Fehlverhalten aller Beteiligten, doch als Leser gelingt es nicht, die wahren Beweggründe zu erforschen. Diese bewusst gewählte Einseitigkeit hat mich etwas gestört und konnte auch nicht über die beiden Zeitebenen hinwegtrösten, die sehr gut gewählt wurden. Denn nicht nur der Sommer 2002 ist Handlungsschwerpunkt, sondern auch die Gegenwart, die durch die Präsenz des Eisblocks für den nötigen Unterhaltungswert sorgt. Denn eines kann man diesem Buch nicht absprechen: es fesselt ungemein und lässt den Leser nicht mehr los, solange bis man alle Schichten der Wahrheit aufgedeckt hat.

Sehr intensiv und ausdauernd beschreibt Lize Spit ein Verlorensein, eine zerrüttete Familiensituation, eine dörfliche Gemeinschaft, die zwar funktioniert aber keinen Platz für wahre Nähe zulässt. Menschen, deren Desinteresse so stark ist, dass sie nie nachfragen, sich nie erkundigen und eigentlich für immer Fremde bleiben, die sich eher zufällig den gleichen Lebensraum teilen und nun gezwungen sind, oberflächlich miteinander auszukommen. Aber auch die zentralen Themen der Jugend, die zwischen dem Wunsch nach Zugehörigkeit und der Chance auf Abgrenzung basieren, kommen zur Sprache, wenn auch beides in gewisser Weise unbefriedigt bleibt.


Fazit


Leider kann ich für diesen ungewöhnlichen Roman nur 2 Lesesterne vergeben, weil mir die inneren Beweggründe aller Beteiligten so wahnsinnig fremd geblieben sind, weil die Autorin einen kalten, distanzierten Erzählton wählt und dadurch weder mein Verständnis noch eine innere Beteiligung wecken konnte. Streckenweise ist der Text sehr langatmig und verweilt bei unrelevanten Dingen, während die wichtigen Ereignisse zwar detailliert dargestellt werden jedoch ohne die notwendige Beurteilung. Am meisten frustriert hat mich die Tatsache, dass die Protagonistin so stillschweigend, so passiv bleibt und sich nicht wehrt, keine Selbstreflexion vornimmt und sich auf eine fragwürdige Zukunft einlässt, bei der man schon ahnt, wie fragil sie sein wird. Dieser Roman bleibt mir sicherlich in Erinnerung allerdings befremdet mich das Gesamtkonzept im Wesentlichen, so dass ich nur wenig Gesagtes in die Realität mitnehmen werde.

Veröffentlicht am 12.10.2017

Eine Prise Wunder für die große Liebe

Der Meisterkoch
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„Hör auf, dich selbst zu bekämpfen. Nimm deinen Erinnerungen die Ketten ab. Befreie sie. Halt inne und denke. Aber ohne dir unrecht zu tun. Denke nicht nur mit deinem Verstand, sondern auch mit deinem ...

„Hör auf, dich selbst zu bekämpfen. Nimm deinen Erinnerungen die Ketten ab. Befreie sie. Halt inne und denke. Aber ohne dir unrecht zu tun. Denke nicht nur mit deinem Verstand, sondern auch mit deinem Herzen.“


Inhalt


Der Küchenmeister, dessen Namen kaum noch einer kennt, besitzt eine unzweifelhafte Gabe, die es ihm ermöglicht mit Hilfe seiner Kochkunst Gerichte zu zaubern, die nicht nur vorzüglich schmecken, sondern auch noch einen weit größeren Zweck erfüllen. Er kann Pilaw zaubern, welches Kriege entfesselt rührt Saucen an, die mächtige Männer ans Bett fesselt und wunderschöne Frauen tief beeindruckt. Seit Kindesbeinen an wird er von den besten Köchen Istanbuls angelernt und in einem sind sie sich alle einig – der Junge wird nicht nur ein einfacher Koch, nein er ist ein wahrer „Geschmacksversteher“ und er benötigt eine umfassende Ausbildung, die ihn dazu befähigt, die Geschicke seines Landes auf ganz subtile Weise zu beeinflussen. So lernt er bei Astrologen, Ärzten und Kennern von Aromen und Gewürzen, um auch die letzten Tricks und Kniffe zu beherrschen. Doch als er endlich nach jahrelanger Ausbildung in der Lage ist, seine Mitmenschen durch selbst zubereitetes Essen nach seinem Willen zu lenken, setzt er seine Bestrebungen auf eine einzige Sache: Es muss ihm gelingen seine Angebetete aus den Fängen des Harems zu befreien, um mit ihr ein gemeinsames Leben aufbauen zu können. Als Eigennutz an die Stelle von Weitsicht tritt, wendet sich sein Schicksal nochmals – Geschmacksverstehen kann man nur mit reinem Herzen und ohne Berechnung werden und selbst wenn man schon einer ist, sollte man die Menschen niemals aus den Augen verlieren …


Meinung


Saygin Ersin, der als Schriftsteller und Drehbuchautor tätig ist, schafft mit diesem Roman ein echtes, beeindruckendes orientalisches Märchen, welches nicht nur die Gerüche, Bilder und Farben des Orients heraufbeschwört, sondern auch eine Botschaft an den Leser vermittelt. Der Text ist weniger historisch inspiriert, als zunächst erwartet, entwickelt sich in seinem Verlauf zu einer Geschichte in der Begriffe wie Mut, Wunschdenken, Eigenverantwortung und Schicksal immer größere Bedeutung erlangen und zeigt auf harmonische, ausgewogene Art und Weise, wie es einem Menschen gelingen kann, nachdem er seine Gefühlswelt analysiert hat, sich mit Einfallsreichtum und Beharrlichkeit an die Realisierung seiner Träume zu wagen.

Der Schreibstil und die Erzählweise erinnern an Geschichten aus 1001 Nacht. Der Leser befindet sich am Palast des Sultans und wird Zeuge von diversen Intrigen, von Machtbesessenheit und Willkür. Auch die Bilder des Harems mit wunderschönen Frauen in zartfließenden Gewändern, aber auch die Maschinerie der Königsküche mit all ihren Hierarchien, die ein ganz eigener, spezieller Ort ist, wird anschaulich dargestellt.

Der Autor setzt sein Augenmerk einerseits auf den Verlauf der Handlung, die Orte wechseln, die Gönner und Feinde des Küchenmeisters werden andere, die Befreiung einer Haremsdame hat oberste Priorität, doch er vergisst auch nicht die charakterliche Formung seines Hauptprotagonisten. Ein zunächst ehrgeiziger, zielstrebiger junger Mann, der durch die Einflüsse seiner Umgebung heranwächst und erkennt, dass er nicht allein dafür verantwortlich ist, ob sein Lebensziel erreichbar bleibt, sondern dass er auf dem Weg auch seine Mitmenschen mit ihren Stärken und Schwächen, ihren Hoffnungen und Abneigungen mit einbeziehen muss, um den größtmöglichen Erfolg zu erzielen.

Auch die Liebe, die innigen Gefühle für eine Frau stehen hier im Raum, sind erkennbar und stetig vorhanden, doch sie bilden lediglich den Erzählrahmen, es ist kein herkömmlicher Roman über eine zum Unglück verdammte Romanze, es ist vielmehr Gleichnis und Fabel über die Kunst sein Leben im Einklang mit Herz und Verstand zu gestalten und den rechten Weg zu finden, auf dem es Zweifel und Rückschläge gibt aber auch Hoffnung und Zukunft.


Fazit


Ich vergebe gute 4 Lesesterne für diesen märchenhaften, schillernden, orientalischen Roman über die Liebe zum Kochen, zum guten Geschmack und zu einer zauberhaften Frau, für die es notwendig ist, die Sterne am Himmel neu zu ordnen und das Leben zielstrebig auszurichten. Weder ausgesprochen historisch noch realistisch aber einfach zum Träumen schön.

Veröffentlicht am 06.10.2017

Die Falle, der man zu entkommen versucht

Der gefährlichste Ort der Welt
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Dieser Ort war so speziell, in seiner Schönheit und seinen Beschränkungen, dass kein anderer Ort ihnen wirklich stimmig erscheinen würde. Sie konnten nicht vergessen, dass diese Welt für sie geschaffen ...

Dieser Ort war so speziell, in seiner Schönheit und seinen Beschränkungen, dass kein anderer Ort ihnen wirklich stimmig erscheinen würde. Sie konnten nicht vergessen, dass diese Welt für sie geschaffen worden war, dass sie in dieses perfekte Nest hineingeboren worden waren, und trotzdem hatten sie darauf bestanden, unglücklich zu sein.“

Inhalt

Mit 13 Jahren kann die Welt um einen herum alles bedeuten oder sie erfüllt keinen Zweck mehr. Für Tristan Bloch gilt Zweiteres, nachdem er zum Gespött der ganzen Klasse geworden ist, weil er dem Mädchen, in welches er verliebt ist, einen emotionalen Liebesbrief übergibt, in der Hoffnung, dass sie seine Gefühle erwidert. Dank Facebook weiß bald jeder von diesem scheinbar absoluten Volltrottel, der an seiner Abfuhr wohl selbst schuld ist. Tristan hält dem Druck und Mobbing seiner Mitschüler nicht stand und stürzt sich in seiner Verzweiflung von der Golden Gate Bridge. Und während seine einstigen Mitschüler nun versuchen auf ihre Art und Weise mit seinem Tod zurechtzukommen, zeigt sich immer deutlicher das keiner der Klasse jemals dort landen wird, wo er wirklich glücklich sein könnte. Sie alle werden erwachsen und können bald ein selbstbestimmtes Leben beginnen, nur dass niemand ihnen sagen kann, wie sie das eigentlich anstellen sollen …

Meinung

Dieser Debütroman der amerikanischen Autorin Lindsey Lee Johnson greift gleich mehrere Dinge auf und schmiedet aus elementaren Verhaltensweisen einen sehr tiefgründigen, absolut ansprechenden Coming-of-Age Roman, der nicht nur die tatsächlichen Hintergründe von jugendlichen Verfehlungen an den Pranger stellt sondern auch zeigt, wie schwer es ist, trotz aller Möglichkeiten, perfekter gesellschaftlicher Rahmenbedingungen, Förderung und Ansprache ein vernünftiger, verantwortungsbewusster Mensch zu werden, der nicht willkürlich über andere urteilt sondern sich selbst auch zurücknehmen kann. Sie arbeitet zunächst sehr geschickt das soziale Umfeld der Beteiligten heraus, lässt deutlich werden, dass es sich hier um Jugendliche handelt, denen es an nichts fehlt, die aus Elternhäusern stammen, die sie eher überfordern als abzulehnen und die sich für Geld und gutes Aussehen alles leisten dürfen, was ihr Herz begehrt. Doch gerade in diese Wunde legt sie ihren Finger: „Was wünscht man sich, wenn man alles haben kann, nur nicht das persönliche Glück geliebt und geachtet zu werden, um seiner selbst willen?“

Der Leser begleitet die verschiedenen Protagonisten, die stimmige Beinamen wie der Schönling oder die Tänzerin bekommen, durch die nächsten 5 Schuljahre und lernt sie alle kennen, wie sie versuchen sich freizuschwimmen und in ihrer Zukunft einen echten Sinn, eine elementare Bedeutung suchen. Nacheinander sieht man aber auch, wie sie entweder auf die schiefe Bahn geraten oder sich sozialen Randgruppen anschließen oder einfach nur durch eine Dummheit ihre Gesundheit einbüßen. Bitterkeit und Unverständnis schwingen mit, als Leser schüttelt man den Kopf und fragt sich, wie es zu derartigen Auswüchsen kommen kann, doch man findet die Antwort auf die Frage schnell: es sind die leeren Herzen, die diese Jugendlichen sinnfrei und respektlos gegenüber anderen Mitmenschen aufzutreten und ihre Zukunft ist vor allem deswegen so düster, weil sie versuchen der Falle zu entkommen, in die sie sich selbst hineinmanövriert haben.

Der Schreibstil ist locker, teilweise sogar salopp und entspricht dem Umgangston Jugendlicher, nichts was mich vorrangig anspricht, doch hier wechseln die Passagen schnell und der erzählende Fließtext vermittelt die eigentlichen, sehr tiefgründigen Inhalte, die in der wörtlichen Rede fehlen. Was mir sehr gefallen hat, ist die Wertungsfreiheit, mit der die Autorin ihren Text schreibt. Sie polarisiert nicht, sie will auch kein Mitleid hervorrufen, sie stellt sich klar gegen die Handlungen der Protagonisten, drückt das aber alles sehr distanziert und absolut unverbindlich aus. Dadurch kann sich jeder Leser selbst positionieren, wie er zu dem Verlauf der Geschichte Stellung bezieht, und was er als Resümee aus der Lektüre mitnimmt.

Fazit

Ich vergebe 5 Lesesterne für diesen etwas anderen Jugendroman, der durchaus Ansprüche stellt und Fehler aller Art benennt, sie darlegt aber offenlässt, wohin der Weg führen wird. Eine sehr ansprechende Lektüre, die man hinterfragen und auf sich wirken lassen kann. Vielleicht kein Buch für junge Erwachsene und auch nicht für diejenigen die bloße Unterhaltungsliteratur suchen. Hier muss man auch Traurigkeit und Unwillen ertragen, Menschen willkommen heißen, die man nicht kennenlernen möchte und Lebenswege verfolgen, denen es an jeglicher Grundlage fehlt. Mir hat dieser zweischneidige Text ausgesprochen gut gefallen, weil er sehr viel Wahrheit zwischen den Zeilen erkennen lässt.