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Veröffentlicht am 07.09.2017

Ich war erfolgreich, wo er versagt hatte

Geständnisse
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„Ich begriff, das Rache niemals auslöschen würde, was geschehen war, mich niemals davon abhalten würde, Sie abgrundtief, mit meinem ganzen Sein zu hassen.“

Inhalt

Als Yuko Moriguchis vierjährige Tochter ...

„Ich begriff, das Rache niemals auslöschen würde, was geschehen war, mich niemals davon abhalten würde, Sie abgrundtief, mit meinem ganzen Sein zu hassen.“

Inhalt

Als Yuko Moriguchis vierjährige Tochter einem als Unfall getarnten Mord zum Opfer fällt, ermittelt die verzweifelte Mutter selbst, wie es dazu kommen konnte. Schon bald findet sie heraus, dass zwei ihrer Schüler, für das Verbrechen die Schuld tragen, doch da beide noch minderjährig sind, vertraut die ambitionierte Lehrerin diesmal nicht der Polizei und der Gesetzgebung, sondern beschließt, die beiden ihrer gerechten Strafe zuzuführen und sich an ihnen zu rächen. Doch so einfach funktioniert das nicht, denn während derjenige, der ihre kleine Manami wirklich töten wollte, sie nur betäubt hat, war sein Helfer derjenige, der alles vertuschen wollte und sie letztlich im Schwimmbad ertränkte. So setzt sie ein Gerücht in die Welt, dem es an jeder Grundlage fehlt, doch den einen treibt sie damit in den Wahnsinn und den anderen verleitet sie zu weiteren mörderischen Taten …

Meinung

Dieser psychologische Spannungsroman hat mich auf ganzer Linie überzeugt, gerade weil er aus einer sehr ungewöhnlichen Perspektive erzählt wird und viele Protagonisten zu Wort kommen lässt, die nichts weiter tun, als dem Leser ihre Version der Geschichte zu präsentieren. So fühlt man sich wie in einem Spiegelsaal – wohin man auch schaut, immer wieder begegnet man dem Bösen, den verzweifelten Hilferufen geschundener Seelen und den niederträchtigen Beweggründen von Mördern und Wahnsinnigen. Dadurch entsteht ein umfassendes, sehr facettenreiches Porträt eines Verbrechens, welches nicht nur die Sinnlosigkeit mancher Handlung in Frage stellt, sondern konkrete Beispiele liefert, wie eine kleine Gruppe funktioniert, wen sie ausschließt, wen sie bevorzugt und vor allem, was passiert, wenn sie aus dem Gleichgewicht gerät und plötzlich mit Begriffen wie Schuld, Verantwortung und Mittäterschaft konfrontiert wird.

Der Titel „Geständnisse“ wurde sehr passend gewählt und umfasst den kompletten Text, der sich mit allen Beteiligten intensiv auseinandersetzt. Trotz der Tatsache, dass der jeweilige Erzähler immer in der Ich-Form spricht, merkt man deutliche Unterschiede zwischen den Charakteren. Dieses hintergründige Agieren hat mir sehr gut gefallen, denn dadurch gewinnt der psychologische Aspekt des Ganzen an Bedeutung und man bekommt ein gutes Gefühl dafür, aus welchen teils abstrusen Gedanken sich eine mörderische Handlung aufbaut. Aber schlimmer noch, die Autorin setzt den Fokus bewusst auf das Motiv Rache und bald schon hat man das Gefühl, dass ein Geständnis noch aussteht und die endgültige Wahrheit noch viel bedrückender sein wird, als das Intermezzo ohnehin schon ist.

Fazit

Ich bin begeistert und vergebe für diesen ansprechenden, wenn auch ungewöhnlichen Spannungsroman volle Punktzahl und damit 5 Lesesterne. Kein klassischer Thriller, vielmehr eine psychologische Studie über die Verfehlungen, denen Menschen aus diversen Gründen erliegen können. Auch die angesprochene Thematik der Selbstjustiz hat mich zwar erschreckt, erscheint mir in diesem Zusammenhang aber durchaus verständlich. Dieser Roman wird mir noch lange in Erinnerung bleiben, weil er sich so positiv vom „Einheitsbrei“ abhebt und vollkommen ohne Effekthascherei und abstruse Handlungen auskommt – gerne mehr von solch interessanten Sachverhalten.

Veröffentlicht am 05.09.2017

Eine Jugendfreundschaft auf Distanz

Die Geschichte der getrennten Wege
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„Er war, so kam es mir vor, zu einer Gestalt des Bedauerns geworden, zur Synthese dessen, was ich nun wohl nie werden würde, obwohl ich die Chance dazu gehabt hatte.

Inhalt

Diesmal gehen Elena und Lila ...

„Er war, so kam es mir vor, zu einer Gestalt des Bedauerns geworden, zur Synthese dessen, was ich nun wohl nie werden würde, obwohl ich die Chance dazu gehabt hatte.

Inhalt

Diesmal gehen Elena und Lila getrennte Wege. Die eine heiratet in eine angesehene Professorenfamilie ein und genießt den Ruhm ihres ersten erfolgreichen Romans und die Freuden einer jungen Ehe, die andere plagt sich schwer in einer Wurstfabrik ab und kämpft für die Stärkung der Rechte aller Arbeitnehmer. Eine gemeinsame Herkunft und eine Freundschaft, die ebenso stark wie zermürbend wirkt, eint die beiden jungen Frauen, doch ihre Entwicklung könnte nicht differenzierter verlaufen. Endlich ist es Elena gelungen, aus dem Schatten ihrer um ihre Schönheit und Klugheit beneideten Freundin herauszutreten. Doch das erhoffte Hochgefühl stellt sich nicht ein, denn schon bald muss auch Elena einsehen, dass ihr Leben zwischen zwei kleinen Töchtern und der aufgedrängten Haushaltführung rein gar nichts mit ihren Vorstellungen von Freiheit und Akzeptanz zu tun hat und ihre ehelichen Pflichten bereiten ihr große Sorgen. Aus einer gut gewählten Partie, wird schließlich eine lieblose Beziehung und dann tritt plötzlich ihr Jugendschwarm Nino in ihr wohlgeordnetes Leben. Elena ahnt, dass sie sich positionieren muss und erneut an einer Wendeschleife des Lebens steht.

Meinung

Mittlerweile zähle ich mich tatsächlich zu den Ferrante Fans, die der Verlag und das Marketing bereits im Vorfeld verkündet haben. Zunächst bin ich eher skeptisch an die neapolitanische Saga rund um die beiden Frauen Elena und Lila herangegangen, weil der erste Band noch nicht dieses Hochgefühl erzeugen konnte, wie es nun der zweite aber noch mehr der dritte Band vermögen. Tatsächlich lebt diese Geschichte von zwei gegensätzlichen Charakteren und deren Handlungen sowie von dem geschaffenen Zeitpanorama, den politischen Entwicklungen und Verfehlungen eines Landes.

Gerade in diesem dritten Teil spielt auch der Klassenkampf eine wichtige Rolle, nicht nur die Ablösung zweier Frauen aus ihren Jugendjahren hinein in ein verantwortungsvolles Erwachsenenleben steht im Zentrum der Erzählung, sondern auch die brutalen Kämpfe der Arbeiter, die sich in Gewerkschaften formieren und auf Biegen und Brechen ihre Rechte einfordern. Die Autorin vermag es geradezu vortrefflich ein persönliches Schicksal mit den Rahmenbedingungen der Politik zu verweben, so dass tatsächlich eine Einheit entsteht, die keinerlei Widerspruch erzeugt. Ihr ist es gelungen über die Anzahl der vorherigen Bücher, die beiden Hauptprotagonistinnen so treffend und intensiv zu beleuchten, dass der Leser ihre Aktionen, ihren Willen und die publizierten Wünsche direkt greifen kann. So dass es weder Sympathie noch Ablehnung bedarf, um genau das auszudrücken, was die Geschichte ausmacht.

Nach wie vor ambivalent bleibt dabei die Mädchenfreundschaft, die sich im Wesentlichen auf Zuneigung, Bewunderung aber auch Neid und Konkurrenzkampf beruft. Man kann spüren, dass Elena und Lila viel verbindet, obwohl sie noch mehr trennt und da sich dieses Wissen nun noch auf einen gemeinsamen Liebhaber konzentriert, steigt die Spannung bis zum großen Finale in Band 4.

Fazit

Ich vergebe 5 Lesesterne für diesen mitreißenden, sehr euphorischen Text, der viel Temperament und Charakterstärke besitzt und sich über Grenzen hinwegsetzen kann. Es empfiehlt sich hier unbedingt die Lesereihenfolge einzuhalten, da diese Tiefenwirkung des Romans wohl erst entstehen kann, wenn der Leser auch Teil der Vorgeschichte geworden ist. Ein unverwechselbarer Schreibstil und eine weitgreifende Geschichte nehmen hier den Verlauf des Lebens und die wichtigen Ereignisse im Kleinen wie im Großen auf und vermitteln zwar keine tieferen Erkenntnisse aber eine wunderschön erzählte, fast gelebte Geschichte, die zu Recht den Namen ROMAN trägt. Ich erwarte mit großer Spannung den vierten Band im Februar 2018 und freue mich jetzt schon auf einen würdigen Abschluss.

Veröffentlicht am 28.08.2017

Die vielen Variationen einer traurigen Melodie

Wo noch Licht brennt
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„Es wird nicht leicht werden, doch die Wege am Horizont sehen immer steinig aus. Wenn man erst mal dort ist, findet sich immer etwas, das einem hilft, einen Fuß vor den anderen zu setzen.“

Inhalt

Die ...

„Es wird nicht leicht werden, doch die Wege am Horizont sehen immer steinig aus. Wenn man erst mal dort ist, findet sich immer etwas, das einem hilft, einen Fuß vor den anderen zu setzen.“

Inhalt

Die Türkin Gül ist ihrem Mann erneut nach Deutschland gefolgt, nachdem sie bereits einmal dort war und wieder in die Türkei zurückkehrte. Eine Tochter lebt in der Heimat, die andere im ach so modernen Deutschland und versucht dort ihr Glück. Fuat, Güls Mann identifiziert sich nicht mit dem Land, für ihn geht es in erster Linie um die Möglichkeit Geld zu verdienen und seinen Lebensstandard zu erhöhen. Doch in Deutschland ist es für Türken nicht so leicht, dass Geld wird ihnen nicht hinterhergeworfen und sie müssen entweder schwer arbeiten oder sich ins kleinkriminelle Milieu flüchten. Die Ehe der beiden hat schon so manchen Sturm überlebt, auch wenn immer Gül diejenige ist, die zurücksteckt und ihrem Mann den Rücken stärkt, selbst wenn dieser es ihr nicht dankt. Erst als der Ruhestand naht, wird sich Gül bewusst, dass Deutschland keine wirkliche Alternative für ein zufriedenstellendes Leben im Alter ist und sie macht sich wieder auf die Reise in die Türkei, selbst wenn ihre Heimat nicht mehr das bietet, was sie ihr vor Jahren versprochen hat. In der Erinnerung sind es die Menschen, die ihr etwas bedeuten und denen sie nun gern wieder nahe sein möchte …

Meinung

Dieser Familienroman lässt das Herz seiner Leser höherschlagen, weil er so intensiv und eindringlich die Gefühlswelt seiner Protagonisten aufleben lässt. Stimmungen, Gedankengänge und Emotionen werden eingefangen, betrachtet und wieder losgelassen. Das Leben selbst scheint der Schreiber zu sein und man hat den Eindruck, sich in sämtliche Belange und Schicksalsschläge hineinversetzen zu können und ähnlich wie die Erzählerin aus dem tiefen Tal der Verzweiflung immer wieder nach oben an die Oberfläche gelangen zu können. Selim Özdogan schafft hier ein Band zwischen den Personen, welches mit Liebe geknüpft, mit Tränen beweint und mit Hoffnung erfüllt ist. Dabei schlägt er die leisen Töne an, die sich immer mit den Überlegungen seiner Protagonisten kreuzen und doch eine universelle Wucht haben.

Das Besondere an diesem Buch sind die vielen philosophischen Betrachtungen, ein tief verankertes Glaubensbekenntnis und ein unerschütterliches Vertrauen in das Leben und die unermesslichen Prüfungen, die sich über alle Jahrzehnte erstrecken. Das vorherrschende Gefühl der Melancholie und Traurigkeit, lässt den Leser nicht los, es zieht ihn hinein in die unveränderlichen Ereignisse und Verfehlungen, die den Weg der handelnden Personen immer wieder kreuzen. Doch man möchte kein Mitleid empfinden, weil eine andere Botschaft im Raum steht. Gerade die Aussage, dass Leben so anzunehmen, wie es ist, nicht mit den Gegebenheiten zu hadern und auch im Angesicht der größten Prüfung aufrecht zu stehen, drängen sich dem Leser regelrecht auf.

Fazit
Ich vergebe 4,5 Lesesterne (aufgerundet 5) für diesen ausgewogenen, tiefsinnigen Familienroman, der sich nicht nur mit kulturellen Unterschieden und dem Gefühl der Heimatlosigkeit auseinandersetzt, sondern dessen Hauptaugenmerk auf der Akzeptanz beruht. Zu erkennen und zu verstehen, wie andere denken, fühlen und handeln und im gleichen Atemzug zu wissen, dass es niemals die eine richtige Lösung, die eine korrekte Entscheidung geben wird, dass ist es, was mir der Text vermitteln konnte. Ich spreche eine Leseempfehlung für all jene aus, die differenzierte Familiengeschichten mögen, die gerne über Verhaltensweise reflektieren und deren Herz am rechten Fleck sitzt. Ein wunderschönes Buch für alle, die die Fallstricke des Lebens kennen und in ihrer Ansicht bestärkt werden wollen, dass es Licht am Ende des Tunnels geben wird.

Veröffentlicht am 22.08.2017

Der Sozialbetrug und seine tödliche Strafe

Selfies
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„Von überall her starrten Gesichter sie an: „Schlag das Kreuzzeichen über uns, wenn du dem Bösen den Weg versperren willst“, schrien sie.“

Inhalt

Nachdem die kompetente Mitarbeiterin Rose Knudsen ihre ...

„Von überall her starrten Gesichter sie an: „Schlag das Kreuzzeichen über uns, wenn du dem Bösen den Weg versperren willst“, schrien sie.“

Inhalt

Nachdem die kompetente Mitarbeiterin Rose Knudsen ihre Arbeit im Sonderdezernat Q im Kellergeschoss der Kopenhagener Polizeistation niedergelegt hat und wutentbrannt davon gestürmt ist, droht durch eine falsche Übermittlung der Daten bald schon eine Stellenkürzung in der Abteilung, die sich mit längst vergangenen Fällen beschäftigt. Doch Carl Mørck und sein beherzter Kollege Assad wissen das zum Glück aufzuhalten, indem sie möglichst schnell Licht in verschüttete Fälle bringen. Doch diesmal stoßen sie auf eine interessante Verbindung zwischen einer aktuellen Unfallserie, die augenscheinlich das Werk eines Serienmörders ist, der junge, hübsche Frauen mitten auf der Straße zu Tode fährt und einem ungeheuerlichen Coup auf eine Diskothek, in der mehrere Tausend Kronen gestohlen wurden. Die Verbindung führt sie direkt in Roses Haus, zu deren Nachbarin und ihrer Familie. Doch Rose selbst kann nicht mehr mitwirken, denn sie wurde aus der psychiatrischen Klinik entlassen und in ihrer Wohnung findet sich ein Abschiedsbrief. Was wusste sie wirklich und wird das Sonderdezernat Q rechtzeitig kommen, um sie zu retten und den Täter dingfest zu machen?

Meinung

Auch in seinem 7.Fall ermittelt das Team um Carl Mørck auf gewohnt gewiefte und realitätsnahe Art und Weise, wie immer mit einer guten Prise Humor, die sich besonders in der Interaktion zwischen dem Vizepolizeikommissar und seinem ausländischen Teamkollegen zeigt. Das interessante an dieser Reihe sind gar nicht mehr die einzelnen Fälle und ihre Zusammenhänge, sondern in erster Linie die Hauptprotagonisten und deren bewegtes Leben. Mittlerweile fiebert der Leser regelrecht mit, wie es der akkuraten, schillernden Persönlichkeit Rose denn wirklich gehen wird und welche Leichen in ihrem Keller verborgen liegen.

Interessant finde ich hier auch den Aspekt, der sich diesmal darauf konzentriert die „Cold Cases“ der Vergangenheit mit den aktuellen Ermittlungen in Verbindung zu bringen und Parallelen zwischen Gestern und Heute aufzuzeigen. Allerdings bleibt Fall 7 etwas hinter meinen Erwartungen zurück, was daran liegt, das die Kerngeschichte eher stiefmütterlich behandelt und mit der Sensationsgier der Presse aufgehübscht wird. Das Verbrechen der Vergangenheit tritt zugunsten des aktuellen Geschehens in den Hintergrund, obwohl es mir andersherum besser gefallen hätte. Nichtsdestotrotz ereignen sich viele glückliche Zufälle und andererseits traurige Begebenheiten, die dem Gesamtkomplex nichts von seiner Besonderheit nehmen. So kämpft unsere liebgewonnene Rose um ihre Rehabilitierung, während der seit 11 Jahren gelähmte Hardy vielleicht endlich wieder ein Lebenszeichen in seinem tauben Körper spürt.

Fazit

Ich vergebe gute 4 Lesesterne für diesen Klassiker aus der Reihe um den Sonderermittler der dänischen Polizei Carl Mørck. Sicher nicht der spannendste der bisher erschienenen Bände aber doch eine gute Fortsetzung. Für Fans sicherlich kein Problem, wenn es auch mal etwas ruhiger zugeht und das Leben der Ermittler im Vordergrund steht, wer den Autor aber kennenlernen möchte, sollte zu einem der ersten Bände greifen, allein schon wegen der Chronologie der Ereignisse. Mir hat das Buch gut gefallen und ich erwarte die Fortsetzung gespannt.

Veröffentlicht am 22.08.2017

Der dunkle Schatten des Senor Corelli

Das Spiel des Engels
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„Mein Vater hat immer gesagt, das Leben gibt niemanden eine zweite Chance. Es gewährt sie nur denen, denen es nie eine erste gegeben hat. Eigentlich sind es Chancen aus zweiter Hand, die jemand nicht wahrzunehmen ...

„Mein Vater hat immer gesagt, das Leben gibt niemanden eine zweite Chance. Es gewährt sie nur denen, denen es nie eine erste gegeben hat. Eigentlich sind es Chancen aus zweiter Hand, die jemand nicht wahrzunehmen verstand, aber sie sind besser als gar nichts.“

Inhalt

David Martín ist ein begnadeter, wenn auch vollkommen unterbezahlter Autor, der nach jedem Strohhalm greift, um endlich die Geschichte auf den Markt zu bringen, die ihm wirklich entspricht. Doch immer sind es die Geldgeber, die am längeren Hebel sitzen und er fungiert als ihr Sklave mit der Schreibfeder. Nur das Angebot eines interessanten, doch unbekannten Verlegers, namens Andreas Corelli reizt ihn noch, doch er wird es nicht mehr annehmen können, da ein Gehirntumor sein baldiges Lebensende einläuten wird. Als er sich Corelli anvertraut scheint plötzlich alles wieder machbar zu sein und am Morgen nach seinem Besuch spürt er weder Schmerz noch Nebel in seinen Gedanken. Voller Euphorie setzt er sich an die Schreibmaschine und beginnt mit seiner Auftragsarbeit, einem Roman über die Religion. Doch seine Freude währt nur kurz, denn schon bald muss er feststellen, dass Corelli viel mehr bekommen hat, als Martín ihm versprach. Und fortan säumen dunkle Geheimnisse, schwarze Schatten und viele Opfer den Weg des Schriftstellers. Martín befürchtet, seine Seele verkauft zu haben und will sie nun um jedem Preis zurück!

Meinung

Nach dem Genuss dieser Lektüre möchte sie auch entdecken: die ganze Welt des Carlos Ruiz Zafón und insbesondere die Fortsetzung seiner Reihe vom „Friedhof der vergessenen Bücher“, die mit zwei weiteren Werken schon auf mich wartet. Der Autor selbst hat mich bereits mit seinen Jugendbüchern, denen es an Mystik nicht mangelt überzeugt und erreicht diesen Status auch bei seinen Romanen. Besonders die opulente Ausgestaltung des Schauplatzes, die intensive Personenbeschreibung und die vielen kleinen Schauerdetails sind es, die einen enormen Lesesog hervorrufen und selbst ein Buch mit über 700 Seiten, zum absoluten Vergnügen machen.

Dieser Roman überzeugt mit einer sehr latent und verborgenen Spannung, mit so vielen dunklen Geheimnissen und spielt gekonnt mit den Überlegungen des Lesers. Gerade die Mischung aus Thriller und Fantasy-Roman gewürzt mit einer Prise Bedeutsamkeit konnte mich überzeugen. Und so wirkt dieses Buch auf mich absolut mitreißend, weil es zwar einerseits eine Geschichte erzählt, die es natürlich nicht geben kann aber andererseits so glaubwürdig agiert, dass mir der Umstand der Realitätsferne nichts mehr ausmacht. Der Hauptprotagonist agiert wie erwartet, wahrscheinlich so, wie man stellenweise selbst gehandelt hätte und gerade dieser Fakt macht ihn zum Verbündeten gegen das Böse. Nur erkennt man selbst nicht, welche Dimension die Bösartigkeit annehmen wird und wie stark sich das auf das Geschehen auswirkt. Besonders hervorheben möchte ich auch die Tatsache, dass es sich zwar um den zweiten Band einer Reihe handelt, die Geschichte aber zufriedenstellend aufgelöst und auch mit älteren Vorkenntnissen lesbar ist.

Fazit

Ich vergebe volle Punktzahl und damit 5 Lesesterne für dieses opulente Werk der schriftstellerischen Vorstellungskraft. Jedes Kapitel, jeder Satz und jede Entwicklung sind nicht nur spannend und in sich schlüssig, sondern auch wahnsinnig interessant und voller Mystik. Und das sage ich, obwohl ich eigentlich kein Fan von Schauergeschichten und Fantasy-Romanen bin. Doch Carlos Ruiz Zafón erzeugt einen sprachlich dichten Text, vor einer historisch inspirierten Kulisse und mit greifbar menschlichen Protagonisten, so dass ich hier wirklich nur ins Schwärmen geraten kann. Für mich ist dieses Buch, ebenso wie „Der Schatten des Windes“ ein absolutes Lesehighlight und ich war ausgesprochen gern mental in der „Stadt der Verdammten“ - in Barcelona.